Giengen an der Brenz

  • Der Unterschied zu dem nur wenige Kilometer entfernten Bayern, wie naheliegenderweise in Form der Nachbarstadt Gundelfingen an der Donau (das ja weniger an der Donau und mehr an der Brenz liegt), ist augenfällig. Das sind zwei Welten. 200 Jahre Einfluss von Baden-Württemberg und Bayern zeigen sich hier übermäßig deutlich.

    Lauingen an der Donau ist auch nicht viel weiter entfernt als Gundelfingen. Und der heutige Zustand Lauingens ist bekanntermaßen in Teilen auch nicht unbedingt wünschenswert.

    Bild 3743

    Zum Vergleich 1967:

    Bildarchiv Foto Marburg

    Giengen ist klassisch östliches Ba-Wü und das kommt bei den Bildern auch gut rüber. Die Stadt hat zwar einen angenehm vertrauten schwäbischen Charakter, hat mir aber vom aktuellen Zustand her überhaupt nicht gefallen (viele lieblose Neubauten, einige Baulücken, Zustand der Häuser), von der charakteristischen und bemerkenswerten Doppelturmfassade der Kirche abgesehen.

    Einmal editiert, zuletzt von Markus (11. März 2015 um 17:06)


  • Um so angenehmer dagegen der Anblick dieses verputzen Fachwerkhauses:
    Bild 3758

    Wirklich? Ich kann diesem Haus bzw. seinem Zustand nichts, aber auch gar nichts, abgewinnen. Die sprossenlosen Fenster, die schmucklos schlichte, leicht verkommene weiße Putzfassade, die seltsame Brandmauer, die Rollläden... Also, dieses Haus mag alt sein, der Zustand aber ist für mich vollkommen reizlos. Jeder 50er-Jahre-Bau hat dagegen gestalterische Qualität. Aber das mögen echte Süddeutsche, die so etwas vermutlich gewohnt sind, anders bewerten.

    Leider setzt sich diese bis zur Aussagelosigkeit ausgereizte Schmucklosigkeit im gesamten Stadtbild fort. Die reizvollsten Häuser sind noch mit Fensterläden ausgestattet, präsentieren sich aber auch am wenigsten gepflegt. Es ist also zu befürchten, dass gerade diese Häuser in Zukunft entweder als "Schandfleck" ganz beseitigt oder im Zuge einer Sanierung auch noch ihres Reizes beraubt werden.
    Etwa so. Von der rechten in die linke Variante:

    Bild 3763

    :anbeten::anbeten::anbeten:
    Sind all diese Häuser nicht allererstklassigst?

    Bei diesen beiden Häusern gebe ich Dir recht. Wollen wir hoffen, dass bei einer Sanierung nicht die Fensterläden verschwinden, und dass sogar das rechte Haus passende Sprossenfenster erhält.

  • Sind all diese Häuser nicht allererstklassigst?


    Ja´!

    Aber teilweise auch wohl sanierungsbedürftig.

    Andererseits sind einige Häuser schon duch "Sanierungen"" (Fenster!) entstellt.

    Bleibt zu hoffen, dass nicht das von Heimdall gechilderte Szenario eintritt und die Häuser als sogenannte Schandflecken beseitigt oder "kaputtsaniert" werden.

    Das ein Stadtbild, gerade bei Städten mit reichsstädtischer, bürgerlicher Tradition, von den historischen Bürgerhäusern geprägt wird und deren Erhalt daher besonders wichtig ist, scheint in den Städten Schwabens - ob Bayerns oder Württembergs- noch nicht hinreichend verinnerlicht zu sein. Dies führt dann leider zu den Entwicklungen wie sie hier im Forum in den Galerien von Giengen und Reutlingen, aber auch in den Berichten aus Memmingen, zu sehen sind.

  • In der Spitalstraße steht jenseits der Brenz und damit außerhalb der Altstadt ein großartiger Neubau im BW-Stil, die Seniorenwohnanlage "Alte Kupferschmiede":

    Bild 3765

    Das ist doch zum Haareraufen. Wie sollte eine Kehrtwende zu traditionellem/regionalistischem Bauen in der schwäbischen Provinz jemals glücken, wenn man keinerlei Gespür für architektonische Logik und Stimmigkeit mehr zur Hand hat. Sicher kann man den Architekten vielfach den guten Willen, es anders zu machen, nicht absprechen, aber es ist eben zu viel an baumeisterlicher Formbeherrschung verloren gegangen. In dem Buch "Architektur-Alltag" von Winfried Dechau werden zahllose "Meisterwerke" ähnlicher Güte aus dem Raum Stuttgart vorgestellt. Sie alle dokumentieren, wieviel die Moderne zerstört hat, ohne dem Alltagsarchitekten aufs neue ein Rüstzeug an die Hand zu geben, mit dem er gediegene, wohlgestaltete, den tieferliegenden Bedürfnissen der Bewohner angemessene Häuser zuwege bringt. - "Jede dumpfe Umkehr der Welt hat solche Enterbte, denen das Frühere nicht und noch nicht das Nächste gehört." (Rilke)

  • Vor allem die Stadtmauer auf dem Burgfelsen:

    Bild 3773

    :anbeten::anbeten::anbeten::anbeten:


    Giengen ist keine Schönheit unter den Städten, doch diese Ansicht ist faszinierend. Das altertümliche Mauerstück mit den Buckelquadern könnte der letzte sichtbare Rest der Burg sein, der Giengen seine Existenz verdankt. Leider habe ich kaum Informationen über die Burg gefunden. Selbst der sehr ausführliche "Burgenführer Schwäbische Alb" (Bd. 6) von Günter Schmitt erwähnt sie nicht.

  • Giengen ist nicht anders als alle anderen Städte in BWs Osten, vielleicht sogar noch schlimmer. Immer das Gleiche: Viele mehr und hauptsächlich weniger gelungene Neubauten, ganz wenige schöne historische Ensembles, haufenweise entstellte Altbauten und für Substanzfetischisten doch eine ganze Menge zu sehen. Auf den ganzen Fotos waren nur wenige alte Gebäude, die man zumindest nur als halbwegs schön bezeichnen könnte. Sicher viele ganz bedeutende Häuser, aus dem 14., 15. Jahrhundert, aber allesamt mit breiten 70er-Jahre-Fenstergrößen, Plastikfenster und keineswegs Sprossen oder ähnliches. Neue, hässliche Haustüren, Wärmedämmung... Sogar in der Tanzlaube sieht es nicht besser aus! :kotz: Eigentlich keine einzige nette Ecke in der ganzen Stadt.

    Trotz zahlreicher Neubauten gäbe es doch noch so viel alte Substanz! Man könnte so vieles tun! Aber die Hausbesitzer sind blind dafür. Es ist ein Trauerspiel.

    Übrigens: Das Hotel zum Goldenen Lamm ist - im Gegensatz zu den meisten anderen nachkriegszeitlichen Gebäuden - wirklich erstklassig! Eine tolle Idee, an der Fassade solche vortretenden Lisenen, oder wie man sie nennen möchte, zu geben.

  • Sicher viele ganz bedeutende Häuser, aus dem 14., 15. Jahrhundert

    Leider nicht, denn Giengen wurde 1634 nach der Schlacht von Nördlingen durch einen Brand fast vollständig zerstört. Die Bevölkerungszahl ging drastisch zurück und erreichte erst im 19. Jahrhundert wieder das Niveau aus der Zeit vor dem 30jährigen Krieg (übrigens kein Einzelfall in Südwestdeutschland).

  • Geeh, ihr könnt mir aber nicht erzählen, dass diese Häuser aus dem 17. Jahrhundert stammen:

    Zitat



    Allem Anschein nach beziehen sich die Angaben nicht auf die südlichen Altstadtbereiche...

  • Giengen ist nicht anders als alle anderen Städte in BWs Osten, vielleicht sogar noch schlimmer. Immer das Gleiche: Viele mehr und hauptsächlich weniger gelungene Neubauten, ganz wenige schöne historische Ensembles, haufenweise entstellte Altbauten und für Substanzfetischisten doch eine ganze Menge zu sehen. Auf den ganzen Fotos waren nur wenige alte Gebäude, die man zumindest nur als halbwegs schön bezeichnen könnte. Sicher viele ganz bedeutende Häuser, aus dem 14., 15. Jahrhundert, aber allesamt mit breiten 70er-Jahre-Fenstergrößen, Plastikfenster und keineswegs Sprossen oder ähnliches. Neue, hässliche Haustüren, Wärmedämmung... Sogar in der Tanzlaube sieht es nicht besser aus! :kotz: Eigentlich keine einzige nette Ecke in der ganzen Stadt.

    Baukultur hat ihre Basis im Respekt vor den überlieferten Bauformen der Städte und Dörfer. Wie soll in einem Umfeld wie dem württembergisch-schwäbischen, wo Kenntnis und Verständnis für das Gesicht der Häuser aus früheren Bauperioden dermaßen darniederliegt, eine wertige zeitgenössische Architektur, womöglich sogar in geschmackvoller und kundiger Anlehnung an traditionelle und regionale Bauformen entstehen? Giengen ist ein ziemlich katastrophales Beispiel für diesen Absturz ins architektonische Nichts, wo für Umbaumaßnahmen nur noch das kostengünstige und pflegeleichte Baumarktangebot zählt. Ich kenne diesen geographischen Raum zur Genüge und erlebe jeden Gang durch Stadtkerne, Neubaugebiete und Dörfer als eine unerträgliche Zumutung, finde aber vor allem die Tatsache zutiefst bedrückend, dass die einheimische Bevölkerung offensichtlich kein Bewusstsein eines Defizits hat. Der Gedanke drängt sich auf, dass der hier sichtbare Kulturzerfall andere Daseinsbereiche außer der Architektur schwerlich ausgespart haben kann.

  • Geeh, ihr könnt mir aber nicht erzählen, dass diese Häuser aus dem 17. Jahrhundert stammen:


    Allem Anschein nach beziehen sich die Angaben nicht auf die südlichen Altstadtbereiche...


    Das linke Haus ist in der Merianansicht, die Giengen vor der Zerstörung zeigt, deutlich zu erkennen!
    Giengen-brenz-merian [Public domain], from Wikimedia Commons

    Im Detail (Blick von Süden, links die Färberstraße, rechts die Lederstraße, nach hinten die Hohe Straße):

    Leider konnte ich sonst nichts über das Haus herausfinden. Ich weiß auch nicht, ob das Haus als ganzes den Brand überstanden hat oder ob nur das steinerne Erdgeschoß beim Wiederaufbau in ein neues Haus einbezogen wurde. Auch das Nachbarhaus ist zumindest im Erdgeschoß vermutlich älter als 1634.
    Zum Stadtbrand heißt es in Merians "Topographia Sueviae" von 1643: "hat das Fewer [...] oberhand genommen, daß fast in 24. Stunden die gantze Statt Giengen/ mit allen Gebäwen/ Thürmen/ und Thoren/ kleins/ und groß/ biß auff 4. kleine Häuser verbrunnen/ und jämmerlich zu Grund gangen ist."

  • Der Vergleich der Bilder macht auch deutlich, welch besondere Position dieses Haus besitzt; die übereck gestellten Erker betonen auch die Besonderheit des Hauses. Heute dagegen erscheint es in einer vernachlässigten, vergammelten Umgebung.

  • haufenweise entstellte Altbauten und für Substanzfetischisten doch eine ganze Menge zu sehen


    Das man sich an Gebäuden mit alter Substanz erfreut auch wenn diese teilweise entstellt oder ungepflegt sind sollte nicht so negativ dargestellt werden.

    Solange Altbausubstanz da ist besteht immernoch die Hoffnung, dass die Häuser saniert werden und erhalten bleiben. Schon oft ist aus sogenannten Schandflecken ein Schmuckstück geworden. Von Subtanzfetischismus zu sprechen spielt denen in die Hände die nur in der Beseitigung von den als Schandfleck bezeichneten Häusern eine Option sehen. Unabhängig davon, dass historische Bauten aus meiner Sicht als solche einen Wert haben, kommt nach dem Abruch und Neubau meistens nicht Besseres heraus, wie man an vielen Beispielen auch in Giengen sehen kann.

  • Bemerkenswerterweise stand das Haus mit den Erkern auf einem Kanal der Brenz. Das kann man auch auf dem Ortsplan von 1830 erkennen. Bei Panoramio bezeichnet es jemand als "Zinngiesserhaus aus dem 14. Jh." Eine Googlesuche nach einem "Zinngiesserhaus" in Giengen führt aber zu keinen weiteren Ergebnissen...

  • In Giengen wird das einstige Wohnhaus der Spielwarenfabrikantin Margarete Steiff saniert.


    Ein Gebäude mit Geschichte (Bezahlschranke)

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Snork 15. Mai 2022 um 22:21

    Hat den Titel des Themas von „Giengen an der Brenz - Allgemeines“ zu „Giengen an der Brenz“ geändert.