Aus traurigem aktuellem Anlass ein Abstecher nach Mesopotamien, der manch hiesigen Diskussionsinhalt als Luxusproblem erscheinen läßt. Stört man sich hier an überproportionierten Dachaufbauten preußischer Königspaläste, werden dort die Ruinen ganzer assyrischer Städte samt Schlössern in Gänze planiert.
Assyrien bestand als eigener Staat von ca. 2500 bis 605 v.u.Z. (ab dem 9. Jahrhundert als Großmacht neben Babylon) und bis ins 7. Jahrhundert nach der Zeitenwende weiter als kulturelle Einheit unter fremder Herrschaft. Mit der islamischen Expansion wurde die Kultur der inzwischen weitgehend christianisierten Assyrer zunehmend unterdrückt, hielt sich aber trotz Christianisierungs- und Arabisierungsdrucks bis ins 20. Jahrhundert. Das assyrische Genozid (verleugnet wie das armenische und griechische) verdrängte die Assyrer während des ersten Weltkriegs weitgehend aus dem Osmanischen Reich. Heute leben die ca. 3 Millionen verbliebenen Assyrer auf der ganzen Welt verstreut (die größten Gemeinschaften in Europa mit jeweils ca. 100.000 in Deutschland und Schweden).
Dem IS sind nicht mehr nur die Menschen als „Ungläubige“ ein Dorn im Auge. Auch die Spuren einer vorislamischen Kultur müssen nach der selbstherrlichen Weltsicht einer Bande von Schulabbrechern aus Duisburg, London und Malmö dringend vom Erdboden getilgt werden.
Nachdem unlängst die Reste der alten Hauptstadt Niniveh im Museum von Mossul und in situ mit Vorschlaghämmern und Elektromeisseln zerlegt wurden (siehe z.B. New York Times ), war nun auch die bedeutende Residenzstadt Nimrud an der Reihe (heute journal).
Niniveh
Die Stadtmauer aus dem 7. Jahrhundert besteht (oder seit März 2015: bestand) aus Werkstein und Ziegeln. Damit erhielt sie sich deutlich besser als Gebäude in der Stadt, die größtenteils aus ungebrannten Lehmziegeln bestanden und sich über die Jahrhunderte langsam wieder in Lehm zurückverwandelten. Fünf der ehemals wohl fünfzehn Stadttor wurden archäologisch erforscht und z.T. rekonstruiert:
Das nördliche Adad-Tor (dem Wettergott Adad geweiht) aus dem 7. Jahrhundert v.u.Z.
Beide Bilder: CC BY-SA Fredarch / Wikipedia
Das westliche Mashki-Tor oder Wasser-Tor, Hauptzugang zum Tigris
CC BY-SA Fredarch / Wikipedia
Das Nergal-Tor (Rekonstruktionsversuch aus dem 20. Jahrhundert). Das wohl am reichsten geschmückte Stadttor, das mutmaßlich vor allem zeremoniellen Zwecken diente und dem Nergal, dem Gott der Unterwelt gewidmet war.
CC BY-NC-ND Iachicaphoto / Flickr
Public domain; J. Makinano, US Air Force
Palast- und Tempelbezirk (auf dem Nebi-Yunus- und Kujundschik-Hügel):
Bergung eines Lamassu, 1990
CC BY-SA Zunkir / Wikipedia
Reliefs aus dem Palast Assurbanipals, ca. 645 v.u.Z.
CC BY-NC-ND Alessandro Grussu / Flickr
CC BY-SA Carole Raddato / Flickr
CC BY-NC-SA Martin Beek / Flickr
Ausgrabungen unter William Austin Layard:
Illustriert von John Murray, London 1853, Public domain
Rekonstruktion von Palast und Bibliothek des Assurbanipal:
Illustriert von F.N. Peloubet, Boston 1891
Children's Encyclopedia 1920, CC BY-NC-SA J. Willemsen
public domain, Wikipedia
Statue des Assurbanipal von Fred Parhad, San Francisco, 1988
public domain, Wikipedia