Stuttgart in alten Bildern

  • @ Grimminger, ähnlich wie Dein Freund dachte ich auch beim wiederholten Durchlaufen der Schulstraße in den Jahren als ich noch in Stuttgart und in der Nähe wohnte! Hier scheint tatsächlich das mittelalterliche Stuttgart noch erhahnbar durch die Kuben der Wiederaufbauzeit hindurch!

  • Blick auf die Anlagen im Schlossgarten 1923. Im Krieg unbeschadet geblieben, wurden zur Bundesgartenschau 1961 sowohl der Rosengarten als auch der ovale Theatersee beseitigt und mit recht viel Beton "zeitgemäß" umgestaltet, eine im Rückblick unbegreifliche Maßnahme. Das genial komponierte Zusammenspiel von Sichtachsen, Wegführung und Gartenbaukunst war damit ohne Not zerstört worden. Immerhin sind das Neue Schloss, das Kunstgebäude und die Oper erhalten geblieben.

    In dubio pro reko

  • Der heutige, sogenannte Eckensee ist in der Tat unansehnlich. Man sollte das damalige Erscheinungsbild wieder herstellen. In Stuttgart wohl leider ein aussichtsloses Unterfangen . . .

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Ich habe beim Aufräumen meiner Wohnung einige Fotos des alten Stuttgarts gefunden, die ich vor vielen Jahren mal aus dem Stadtarchiv kopiert hatte und die euch interessieren könnten. Die Frage ist allerdings zunächst mal, ob ich die hier überhaupt hochladen darf?

    Willkommen im Forum! Wir können leider nicht abschätzen, ob noch ein Copyright für die Bilder besteht und wir kennen auch nicht die Nutzungsbedingungen des Stadtarchivs. Du musst wohl beim Stadtarchiv anfragen, ob Du die Bilder im Internet verbreiten darfst.

  • zum Thema "Stuttgart in alten Bildern" füge ich etliche alte Holzschnitte bei (ich nehme an, dass es sich um Holzschnitte nach Architekturzeichnungen bzw. Plänen handelt). Diese stammen aus dem Buch "Architektonische Rundschau", Jg. 1890, das von den Stuttgarter Architekten Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle herausgegeben wurde. Soweit im vorgenannten Werk Gebäude in Stuttgart enthalten sind, stelle ich diese ein. Manches davon existiert nicht mehr und ist längst in Vergessenheit geraten.

    Die "Baugewerkenschule" beim Stadtgarten:



    Die nachfolgende Villa des Geheimen Kommerzienrat(h)s Gustav von Siegle wurde während des Kriegs 1870/71 errichtet. Deshalb wurde zum Gedenken an die Einigung Deutschlands am Treppenpfosten der Villa Siegle eine in Bronze geschaffene große Germania mit Kaiserkrone angebracht. Um 1890 erfolgte rechts und links jeweils ein symetrischer Anbau (hier noch nicht vorhanden). 1923 konnte die Familie Siegle die Villa nicht mehr halten. Es wurde ein städtisches Altersheim daraus. 1943 durch Bomben zerstört, die Ruine wegen des Baus des Allianzgebäudes abgebrochen. Die Villa stand im Stuttgarter Westen in einem Park, der als Terrassengarten angelegt war, auf der Nordseite der Karlshöhe in der Achse Hermannstraße-Feuersee-Johanneskirche etwa auf halber Höhe. Die Kutschenauffahrt schlängelte sich in Serpentinen hinauf, gleichzeitig gab es eine breite Treppe, die gerade in der Mitte emporführte. Man hatte die Villa Siegle öfters mit der Villa Carlotta am Comer See verglichen, welche ebenfalls über einem Terrassengarten steht:


    Die Villa des Verlegers Wilhelm Spemann auf der Südseite der Karlshöhe, im Bereich Hohenzollernstraße/Humboldtstraße. Um 1970 für ein riesiges Altenheim in Brutalbetonbauweise abgerissen. Der Sockel und die Gewände von Fenstern und Türen waren aus hellem Stein geschaffen, während die Wandflächen der Fassaden aus rotem Bachstein erbaut waren. Man bezeichnete den Stil der Villa als "Nordeutsche Renaissance" und sollte den Bauherrn wohl an seine alte Heimat erinnern. Die beiden Söhne bewohnten ein Turmzimmer, von dem aus man die drei Kaiserberge der Ostalb sehen konnte. In strengen Wintern fror im Turmzimmer, so wurde berichtet, das Wasser in der Waschschüssel ein.


    Diese prachtvolle Villa stand am Herdweg in Stuttgart. Der Herdweg führt hinauf zur "Doggenburg", die schon zum Killesberg rechnet. Der Herdweg und die Seitenstraßen waren wie eine Perlenschnur von Villen gesäumt. Die meisten Villen wurden im Krieg zerstört, aber viele wurden auch in den Jahrzehnten danach abgerissen.



    Nochmals auf die Villa Spemann zurück zu kommen:
    Im Tiefparterre dieser Villa waren die Wirtschaftsräume untergebracht. In der Küche erkennt man die Kochmaschine (wie man den Herd damals nannte) mit dem Punkt in der Mitte. Es gab einen Speiseaufzug von der Küche aus (mit dem X bezeichnet). Eine Dienstbotentreppe (Wendeltreppe):



    Eine der vielen Villen des damaligen Luftkurorts Degerloch. Die Degerlocher nannten das gesamte Villenviertel: "D' Villa". Die meisten dieser Villen aus dem späten 19. Jh. sind inzwischen leider abgerissen worden und haben Kubuswürfeln etc. Platz gemacht. Ich kann mich noch an ganz bezaubernd schöne Villen, oftmals auch mit reichem Fachwerk erinnern, die in den 1970 er und 1980 er Jahren noch standen.



    Das heutige bekannte Kunstgebäude am Schlossplatz (anstelle der alten Hofoper bzw. des Lusthauses der Renaissance) wurde erst 1913 erbaut. Wo dieser Vorgängerbau des Historismus stand, ist mir nicht bekannt. Vermutlich wurde das Haus im II. Weltkrieg zerstört.


    Die Matthäuskirche in Stuttgart- Süd, im Stadtteil Heslach ist noch heute ein sehr schönes Gebäude, wenn auch in Folge des Krieges und Beschädigungen Manches vereinfacht wurde. Schade auch um die schönen Bunt- bzw. Bleiglasfenseter. Allerdings hatte man bei der letzten Renovierung festgestellt, dass unter weißer Tünche die farbenfrohen Gewölbemalereien aus der Erbauungszeit noch vorhanden sind. Alleine die Mittel fehlten, um diese freizulegen.


    9 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (26. April 2018 um 23:08)

  • Im Krieg unbeschadet geblieben, wurden zur Bundesgartenschau 1961 sowohl der Rosengarten als auch der ovale Theatersee beseitigt und mit recht viel Beton "zeitgemäß" umgestaltet,

    Eine der schlimmsten städtebaulichen Freveltaten im Nachkriegsdeutschland. Ein solches Ensemble von innerstädtischen Architekturperlen, die eingebettet waren in Gartenanlagen mit hochstämmigem Baumbestand, königlichen Alleen und skulpturengeschmücktem Teich konnte man nicht leicht ein zweites Mal in Deutschlland finden. In einem Akt unvergleichlicher Barbarei wurde sowohl der Obere als auch der Mittlere Schlossgarten geopfert, um einen modischen Stadtgarten nach damaligem Geschmack anzulegen. Der Vergleich ist nicht zu weit hergeholt, wenn man sich vorstellt, die Pariser hätten damals die Tuileriengärten abgeräumt, um der neuen Zeit gerecht zu werden. Aber der Geschichtshass wütete eben nur in Deutschland.

    Vor vielen Jahren wurde einmal - in einem Moment historischer Besinnung - in der Lokalpresse die Frage gestellt: "Was ist schöner, der Eckensee oder der ovale See?" Als ginge es um solche geschmäcklerische Fragestellung! Damals wurde betont, dass der 60er-Jahre-Gestaltung mittlerweile auch eine gewisse schützenswerte Historizität zukomme. Da muss wohl erst eine andere Generation das Sagen bekommen, zu deren geistiger Vorbereitung wir alle unser Teil beitragen.

  • Sag' mal, Stuegert, woher hast Du denn diese schönen, historischen und außergewöhnlichen Stuttgarter Ansichten her? Vielleicht hast Du es ja weiter oben schon erwähnt, dann ist es mir aber entgangen!

  • Viele der Aufnahmen habe ich bei eBay gefunden, unter der Rubrik "Ansichtskarten aus Baden-Württemberg". Da gibt es hin und wieder solche Raritäten, und wenn man besonders Glück hat sogar ohne Kopierschutz. Altersbedingte Flecken und andere Beschädigungen entferne ich dann mit dem Reparaturwerkzeug in Photoshop.

    In dubio pro reko

  • In dem Fall macht es Dir auch Spass, historische Fotos zu neuem Leben zu erwecken. Das ist auch statthaft, sofern man am Bild nichts verändert. Insbesondere bei ausgebleichten Fotos ist die Überraschung jeweils gross, wenn man wieder Kontrast dazu gibt und mit den Grauwerten experimentiert, und so "neue" alte Fotos erhält. Falls Du ein grosses Repertoire an alten Ansichten hast, kannst Du auch versuchen, zwei benachbarte Fotos zusammenzufügen, und erhältst so ein völlig neues Panoramabild. Ich besitze drei Ansichtskarten vom Egidienplatz mit dem Pellerhaus in Nürnberg, die ich mal zu einem 180°-Panorama zusammenfügen möchte, doch vorher muss ich mir einen neuen Scanner zutun.

    Retuschiert wurde übrigens schon seit der Frühzeit der Fotografie. Ich denke da an eine Fotografie von 1900 vom Marktplatz in St. Gallen vom regen Markttreiben, wo es im Vordergrund auch zwei Hunde miteinander "treiben" :) . Dieselbe Fotografie gibt es in einem Buch, aber mit halbwegs ausretuschiertem Liebesspiel, und der Bildkommentar des Autors endete am Schluss in Klammern "kleine Retouche am Hunde-Alltag durch die Photographen".

  • Interessanterweise gibt es von der Stuttgarter Altstadt - die ja durchaus beachtlich war - kaum Ansichtskarten. Wenn, dann sind es hauptsächlich Motive vom Marktplatz und von jenem - noch heute erhaltenen - Viertel der Altstadtsanierung, das ja damals ganz neu war. Ich vermute, man war nicht eben stolz auf die engen, teilweise schmutzigen Gassen und Hinterhöfe, man wollte hauptsächlich die glanzvolle, repräsentative Seite einer Stadt zeigen. So ändern sich die Zeiten.

    In dubio pro reko

  • Interessanterweise gibt es von der Stuttgarter Altstadt - die ja durchaus beachtlich war - kaum Ansichtskarten.

    Das scheint zu den Glanzzeiten der Postkarte nicht nur in Stuttgart so gewesen zu sein. Man versuche einfach mal, bei Ebay Karten der Dresdner Altstadt abseits von Schlossstrasse, Altmarkt, Theaterplatz, Brühlsche Terrasse etc. zu finden - hoffnungslos! Wenn sich dann doch mal eine Gasse dazwischenmogelt, so sind die Preise entsprechend astronomisch....

  • Partie am Bollwerk - Blick in die Gartenstraße (heute Fritz-Elsas-Straße). Nur das Gebäude links im Bild hat den Krieg überstanden. Die Straßenbahn (bzw. heute Stadtbahn) verkehrt hier immer noch.

    In dubio pro reko

  • Allerdings hat das neugotische Haus links auf dem Foto im II. Weltktieg sowohl seine Dachgauben, als auch seinen Zwerchgiebel eingebüßt. Heute gibt es nur ganz kleine Dachfenster. Ferner ist die Dachneigung des Nachkriegsdaches ziemlich flach im Vergleich mit dem Vorkriegsdach. Die Wirkung des Hauses ist daher leider beeinträchtigt. So war zumindest der Stand 2012, als ich aus Stuttgart wegzog.

    2 Mal editiert, zuletzt von Villa1895 (2. Mai 2018 um 23:10)

  • Zustand heute:
    https://goo.gl/maps/VKzZfZ72qi72

    Das Haus hat durch den Verlust der drei Dachaufbauten einen englischen oder amerikanischen Charakter erhalten, weil das durchgehende markante Traufgesims in den Vordergrund gerückt ist. Natürlich nicht wegen des Fassadenschmucks, sondern vielmehr von der äusseren Form her.

    Das letzte Bild von der Fritz-Elsas-Straße ist Urbanität par excellence - schöne Häuser aus diversen Epochen, die einander nicht konkurrenzieren, lebhaft verteilt und dadurch einen interessanten Strassenraum schaffend. Zwei gemütlich fahrende Trams anstelle der heutigen Tatzelwürme. Dann das kleine Pärklein mit Ruheoase...

  • Ein seltener Blickwinkel von der Stiftskirche auf die Umgebung: Im Vordergrund links das Alte Schloss, rechts die Markthalle, es folgt der baumbestandene Karlsplatz, dahinter das Alte Waisenhaus und das Wilhelmspalais (alles erhalten). Nicht erhalten blieben die Karlsakademie sowie das Gebäude des Hauptstaatsarchivs an der Neckarstraße (linke Bildhälfte). Wann vor 1945 die Aufnahme entstand weiß ich leider nicht.

    In dubio pro reko

  • Wann vor 1945 die Aufnahme entstand weiß ich leider nicht.

    Das Alte Schloss zeigt schon den Zustand nach dem Brand im Dezember 1931. Der Wiederaufbau begann ca. 1933 und war bis zur erneuten Zerstörung 1943/44 noch nicht beendet. Also dürfte die Aufnahme wohl aus den späten 30er Jahren stammen.

  • Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit und während des laufenden Weihnachtsmarkts stelle ich mir die Frage, warum die 'in.Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft mbH & Co. KG' bisher nicht in Erwägung gezogen hat, den baulichen Rahmen des Marktplatzes in den Abendstunden durch Projektionen der in Fotografien überlieferten, herrlichen Bürgerhäuser und des zerstörten Rathaus wieder aufleben zu lassen? Sicher ein 'Highlight'. Dass solch eine Maßnahme auch für Stuttgart finanziell zu stemmen sein sollte, zeigt das internationale Schokoladenfestival chocolART im benachbarten Tübingen - dort die Projektionen allerdings unter anderen Vorzeichen, da Tübingens bauliches Erbe das 20.Jahrhundert glücklicherweise zum großen Teil überdauert hat.

  • Warum?.... Diese Gesellschaft ist eine 100% städtische Tochter. Du denkst doch nicht, dass irgendein regierender Politiker durch allzu viel Erinnerung an das alte Stuttgart schlafende Hunde wecken will? Am Ende noch mit Rekonstruktionsideen konfrontiert werden möchte, die viel kosten und nur Konfliktpotenziale schaffen? Was meinst Du, was dann für Schlachten in der Presse losgehen zwischen begeisterten Bürgern, die Initiativen gründen, auf der einen und Architekturfunktionären, -professoren und Kulturjournalisten auf der anderen Seite. Und dazwischen der Oberbürgermeister, auf den sie alle einreden? Zumal es sich um einen "Grünen" handelt. Die Einen rufen "Warum denn nicht? Du bist doch für uns Bürger da?", die Anderen rufen "Wollen Sie Stuttgart lächerlich machen? Es geht doch um den internationalen Ruf unserer modernen Stadt". Und Dritte schlagen wegen der Kosten die Hände über dem Kopf zusammen.... Dann mal lieber alles so lassen, wie es ist und auf die Pensionierung warten, denken die sich.
    Ich hoffe, dass damit Deine Frage beantwortet ist.