• Hallöchen. Wir hatten einst, so ich mich erinnere, mal Fotos aus dem Ruhrgebiet in einer Forum-Galerie. "DortmundWestfalica" hatte sie dankenswerterweise eingestellt, aber leider später wieder wohl gelöscht. Also möchte ich mal ein paar Bilder aus Bochum Innenstadt einstellen, die ich für das Forum trotz Schweinekälte geschossen habe. Allgemein muss ich sagen, dass ich mit ganz wenig Erwartungen dort gelandet bin, insofern wurde ich nicht enttäuscht, sondern in kleinen Details sogar etwas positiv überrascht. Die Stadt verfügt immerhin noch ein paar historische (das meint Vorkriegs-) Bauten, u.a. das Rathaus und das Amtshaus, so dass eine Ahnung des Bochum vor der Kriegszerstörung für die Bürger erfahrbar ist. Das ist in Ordnung und hat mich mit der Stadt versöhnt. Der Ort war ja im 19. Jahrhundert anfänglich auch noch ein Dorf. Es ist also nichts sehr bedeutendes zu schaden gekommen, was den Schmerz über das Stadtbild etwas mildert. Bochum ist abgesehen von den historischen Einsprengseln eine Stadt der Wiederaufbau-Ära. Doch allzu große Bausünden wurden wohl durch klare Formen ohne viele Experimente und ein weitgehendes Einhalten der Traufhöhe vermieden. Für einen Besuch in Essen erwarte ich also weit Schlimmeres, habe diesen somit auf den St. Nimmerleins-Tag aufgeschoben. Ansonsten zeigt die Stadt die Belanglosigkeit der BRD. Ich suchte in den Menschen nach etwas regional Typischem und fand es am ehesten noch in bestimmten deutschen "Assis" wieder, die mit umgedreht getragener, zu kleiner Baseball-Kappe telefonierend in der Straßenbahn hockten und dort hektisch im Ruhrpott-Slang ihre Privattermine für den Abend ausmachten. Ansonsten ist da nichts, nur Austauschbarkeit und Leere. Viele eher arm wirkende Menschen, also vom Typus her Kleinbürger, Arbeiter, Sozialhilfeempfänger. Ein paar Alkoholiker. Schwarze Jugendliche, von denen man im Vorbeigehen den gleichen belanglosen Mist hört, wie überall, und noch im gleichen Tonfall, wie überall: "Ey, isch schwör dir"... Die SPD-Herrschaft hat es vermocht, im Stadtbild den kulturellen Überbau zu prägen. Hinter dem Rathaus liegt der Gustav-Heinemann-Platz, vorne der Willy-Brandt-Platz. In der Fußgängerzone viele Billigläden, das ein oder andere passable Geschäft. Einige bekannte Ketten, aber auch diese halten sich zurück. Im Bochum-Diskussionsstrang schrieb ich einmal launig: "Warten wir dort noch 2-3 Jahrzehnte, und wir werden dort wieder etwas qualitativ anspruchsvollere Architektur sehen, allerdings dann in Form von Großmoscheen." Ich fühlte mich bestätigt. Sobald man den unmittelbaren Innenstadtbereich verlässt, und in die eher gräuliche Vorstadt gelangt, hat gefühlt jedes dritte Geschäft oder Büro (Dönerladen, Fahrschule, Rechtsanwaltskanzlei) einen türkischen Namen. Wenn die alte Generation weggestorben ist, ist Bochum eine türkische Stadt. Die Deutschen dürfen sich als Minderheit einrichten und Toleranz erhoffen, wenn sie sich nicht einfach anpassen und sich auflösen. Nun aber genug der Rede, einige Bildchen.

    Bahnhof.

    Fußgängerzone Eingang.

    Ein Art-Deco-Element (Retro?).

    Gelegentlich noch vereinzelte, wenige Gründerzeitler.

    Eine erhaltene Traditionsgaststätte aus dem 19. Jahrhundert.

    Kuhhirten-Denkmal. Noch im 19. Jahrhundert wurden in der Innenstadt die Kühe zusammengetrieben. Dahinter die St. Peter und Paul-Kirche.

    Witziger weicher Bodenbelag. Gibt nach beim Betreten.

    Offenbar Pfarrhaus. Ein Lichtblick in dem Areal.

    Das wohl einzige erhaltene Altstadthaus. Die Gaststätte Rietkötter aus dem 18. Jahrhundert.

    Daneben sieht es so aus. Nun, es gibt schlimmeres.

    Blick in eine Nebenstraße.

    Man ist in der Altstadt, wie dieses Gaststättenschild verrät.

    Zwischendurch ein Lichtblick.

    Aber dieses architektonische Meisterwerk befindet sich daneben. Da spielt der Brummbär...

    Und rechts daneben dieser Gründerzeitler. Ich habe selten so eine widerliche "Modernisierung" eines Gründerzeitgebäudes gesehen.

    :kotz:

    Also habe ich die Beine in die Hand genommen und bin zum alten Amtshaus gerast. Glücklicherweise ist der Bau erhalten. Nur zwei Giebelaufsätze auf der linken Seite des Giebels fehlen und schreien nach Ergänzung. Es bleibt zu hoffen, dass der Besitzer diese Reparatur einmal vornehmen wird. Das dürfte dem Bau seine Symetrie geben und ihn aufwerten.

    Und weiter zum Rathaus.

    Das Rathaus, obwohl noch aus Weimars Zeiten, erinnert ein wenig an die Zeit der NS-Architektur, also eine Verbindung aus Neoklassizismus und Neue Sachlichkeit. Es ist nicht mein Lieblingsstil, aber mir gefällt es gut.

    Dahinter der Turm der zerstörten Christuskirche. Wohl eine der zahlreichen Mahnstätten in der Stadt. (Als ob das Stadtbild nicht schon Mahnung genug ist.)

    Alte Ampelanlage.

    Und ganz versteckt entdeckt man noch dies in einem Durchgang der Einkaufsmeile...

    Die idyllische Pauluskirche, faktisch in einer Geschäftshaus-Hinterhof-Situation gelegen...

    :foto:

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (6. Februar 2015 um 14:06)

  • Den Bodenbelag kenne ich schon, aber eben nur von Spielplätzen. Dort in Bochum findet man ihn aber direkt neben der Fußgängerzone, ohne dass ein Spielplatz erkennbar wäre. Vielleicht damit der mögliche Sturz einkaufender Seniorinnen mit Rollator gedämpft wird? huh:):lachentuerkis:

  • Ein Stadtbild an welchem sich der geistige und soziale Verfall Deutschlands offenbart. In vielen Regionen der Bundesrepublik ersichtlich, aber ganz besonders im Ruhrgebiet. Eine sterbende Region mit Bevölkerungsschwund, fehlgeleiteter Zuwanderung, Verslumung (Dortmunder Nordstadt, http://www.derwesten.de/staedte/dortmu…-id8337366.html) und einem fehlgeschlagenen Strukturwandel. Die Herren und Damen von der SPD und den Grünen können sich auf die Schulter klopfen, sind sie doch ihrem grossen Ziel, wie von Heimdall angemerkt, der bunten und vielfältigen Stadt Boküm schon sehr nahe gekommen.

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Ich möchte noch eine Anmerkung nachtragen, weil mir das gerade wieder eingefallen ist. Die Bilder aus der Fußgängerzone wurden am späteren Nachmittag geschossen, also gemeinhin Hauptgeschäftszeit. Zu dieser Zeit ist in Frankfurt die Zeil meist brechend voll. Auch wenn es kalt war, waren - relativ betrachtet - auffällig wenige Menschen auf der Straße, wie man vielleicht sehen kann. Ich kenne das so nur von Städten im Osten, Magdeburg oder Plauen. Also entweder hat das etwas mit Bevölkerungsrückgang zu tun oder aber diese Fußgängerzone ist überdimensioniert angelegt. Was positiv daran ist: Diese Leere hat auch etwas beruhigendes. Und, die Stadt erschien mir vergleichsweise sauber. Kein Vergleich zu Frankfurt, Offenbach, Köln, wo zahlreiche Ecken verpinkelt, verschmiert, mit Sperrmüll zugestellt sind, und man in versifften Buswartehäuschen herumsteht, weil man sich nicht auf die Sitze setzen will.

  • @ Heimdall:
    Dass die Fußgängerzone so leer ist liegt an der Strukturpolitik der Ruhrgebietsstädte. Mit z.B. dem Centro in Oberhausen, einem überdachten EKZ mit über einer halben Million qm Verkaufsfläche und einigen anderen riesigen EKZ vor den Stadttoren, teilweise mit eigenen Regionalbahnhöfen, haben sich einige der Innenstädte den Todestoß versetzt. Wenn es dann kalt ist fährt man natürlich dorthin zum flanieren. Die Ruhrpottstädte sind das deutsche Detroit. Nur das Detroit architektonisch im Zentrum doch einiges zu bieten hat.

  • Vielen Dank für die Fotos. Ich selber kenne Bochum noch aus meiner Studienzeit, die zwar weitgehend in Dortmund stattgefunden hat, aber hin und wieder waren wir auch in Bochum.
    Grundsätzlich hatte ich Bochum immer als häßliche kleine Schwester von Dortmund wahrgenommen, beides sind zwar westfälische Großstädte im Ruhrgebiet mit einigermaßen zerstörtem Stadtbild, allerdings kannte ich Dortmund besser und damit auch die dort schönen gründerzeitlichen Wohngebiete, während sich die Innenstädte kaum was geben. In Dortmund war allerdings auch wesentlich mehr los und ein besseres Angebot im Einzelhandel.
    Bzgl. der Bevölkerungsstruktur muss man dazusagen, dass das Ruhrgebiet die wohl multikulturellste Ecke Deutschlands ist. Seit Beginn der Kohleförderung sind immer mehr Menschen aus dem Ausland dorthingekommen und haben die Kultur mitgeprägt. Im 19 Jh. die Polen, dann die Italiener, Griechen und andere Südeuropäer, später dann die Türken. Somit ist das multikulturelle Teil der dortigen Kultur. Was die Gegend braucht, sind jedoch Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen, damit auch hier etwas vom Aufschwung ankommt. Mit dem relativ schnellem Ende der Kohleförderung sowie der daran anschließenden Konsolidierung im Stahlerzeugungssektor sind einfach viel mehr Arbeitsplätze freigeworden als neue entstanden sind. Das merkt man bis heute. Und von den vielen Ruhrkonzernen existieren auch nur noch ThyssenKrupp und RWE, beide haben aktuell aber auch nicht gerade eine Hochphase.
    Bleibt zu hoffen, dass sich wirtschaftlich und architektonisch in Zukunft einiges tut im Ruhrgebiet. Dortmund geht es ja schon besser, ich war vor einiger Zeit dort und war erstaunt, wie sich insbesondere die Weststadt entwickelt hat.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Im ersteren die von dir hier X-Fach abgebildete ,,Massenbergstraße" bildet nicht die eigentliche Einkaufsmeile ab, da diese Straße nur noch die Funktion hat, als Durchfahrtsstraße für den ÖPNV zu dienen, entsprechend mit Haltestellen.
    Die Massenbergstraße selber lebt mehr von den Jurastudenten die ihren Sitz in der Stadtbadgallerie haben und den Studierenden im Blue Square an der anschließenden Bongardstraße, welche von den Studenten vor allem während der Pausen zwischen den Vorlesungen bzw. Veranstaltungen benutzt wird.
    Die Huestraße zwischen Hauptbahnhof und Huesemannplatz, die Harmoniestraße, die Grabenstraße zwischen Dr. Ruer-Platz und Bongardstraße und insbesondere die Kortumstraße bilden die eigentliche Haupteinkaufszone.

    Ich habe mir das noch mal auf der Stadtkarte angesehen. Die Massenbergstraße habe ich wohl gesehen, bin aber gar nicht explizit durchgegangen, habe folglich auch kaum ein Foto von ihr gemacht. (Bild 4 zählt wohl noch zu ihr) Die von Dir herausgesuchten Fotos stellen die Bongardstraße dar, die als Verlängerung der Massenbergstraße dient. Als Durchfahrtsstraße für den ÖPNV habe ich sie nicht wahrgenommen, habe dort weder eine Bahn noch einen Bus gesehen. Vielmehr war es in meiner Wahrnehmung eine reine Fußgängerzone. Die von Dir als Einkaufsmeile genannten Straßen sind hingegen teils zu sehen. Huestraße auf Bild 2. Bild 5 zeigt Schützenbahn, im Hintergrund die Harmoniestraße. Kortumstraße und Grabenstraße habe ich gesehen. Sie haben bei mir keinen anderen Eindruck hinterlassen. Dieser war, wie gesagt, gemischt. Ich war nicht enttäuscht von dieser Stadt und ich bin ein teils weit schmutzigeres Umfeld gewohnt, was ich Bochum positiv zuerkenne. Der Bär tanzt dort aber sicherlich nicht wirklich.

    P.S.: Bin ich jetzt blöd? Offenbar hat "Querenburg" den Beitrag, auf den ich mich beziehe, wieder gelöscht? Nun, egal, dann eben als formale Ergänzung.

    2 Mal editiert, zuletzt von Heimdall (8. Februar 2015 um 16:18)