• Erläuterungen zum " Fürstenhof" in Wismar


    In Wismar

    residierten die Landesherren im "Füstenhof". Hier entstand 1553/1554 anlässlich der Hochzeit von Herzog Johann Albrecht I. mit Anna Sophia von Preußen mit dem sogenannnten "Neuen Haus" ein repräsentatives Gebäude im Stil der italienischen Renaissance. Als Vorbild soll der Palazzo Roveralla in Ferrara gedient haben.
    BildBildDer langgestreckte Bau befindet sich zwischen Georgen- und Marienkirche. Seine durch gleichartige Fensterreihen betonten Geschosse werden durch figürliche Friese getrennt, die auf der Straßenseite die Geschichte vom trojanischen Krieg (1) erzählen, auf der Hofseite das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn (2, s. u.).

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    Szenen aus dem Trojanischen Krieg, Fries zur Straßenseite


    Das Hauptportal - Straßenseite

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    Haupteingang, StraßenseiteBildDas mittige, mit Sandstein eingefasste, Eingangsportal - ausschließlich Durchgang zum Hof - ist reich verziert und dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend mit männlichen und weiblichen Satyrn und Grotesken versehen. Diese Masken sind eine herrlich hässlicher als die andere. Zwei Greife präsentieren oben über dem Portalbogen das Wappen der mecklenburgischen Herzöge.

    Fürstenhof Wismar, Hauptportal und Details der Straßenseite

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    Bild Als Wismar noch zum Königreich Schweden gehörte, befand sich in dem Gebäude von 1653 bis 1802 das Königlich-Schwedische Tribunal, welches zuständig war für alle schwedischen Besitzungen auf deutschem Boden. Heute nutzt das Amtsgericht Wismar den Fürstenhof.

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    Grotesken - herrlich hässlich...

    Hauptportal - Hofseite

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    Fürstenhof, HofseiteAuf der Hofseite finden wir auf dem Portal zwei Figurengruppen, die als Bekrönung biblische Geschichten illustrieren: Links holt David zum entscheidenden Schlag aus, um dem am Boden liegenden Goliath den Kopf abzutrennen (nachdem er ihn vorher mit dem Stein mitten auf die Stirn getroffen hatte) und rechts erkennt man Dalila (Delila), die mit einer Schere dem in sie verliebten Samson (Simson) gerade die Haarpracht abgeschnitten hat, wodurch der (vorher unbesiegbare!) arme Kerl nun seine ganze Kraft verloren hat. (Aber die Haare wuchsen noch einmal nach und Simson bekam seine Stärke zurück.)

    In den Bogenzwickeln liegen links und rechts Satyre, die gemeinsam eine Rollkartusche (Tafel) mit der Jahreszahl 1554 halten.

    Details am Hauptportal, Hofseite

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    Infolge der starken horizontalen Gliederung wirkt der Fürstenhof insgesamt betont ruhig und festlich, dazu kontrastieren wirkungsvoll die glatten Putzflächen mit dem abgesetzten Terrakottaschmuck, den Friesen, den Pilastern und Sandsteinverzierungen.

    Die Eingangsportale an der Hofseite

    BildDie Fassade (die Fenster) und die Portale zum Hof sind wie schon auf der Straßenseite mit plastischem Terrakottaschmuck versehen, dessen rotbraune Färbung sich wirkungsvoll von der Wandfläche abhebt. In den Rundbogenfeldern der Portale befindet sich der Wahlspruch der Herzöge: IS GOT MIT VNS WOL KANN WIDDER VNS.
      

    Die Gestaltung der Terrakotten ist außerordentlich detailreich, insbesondere auch die Ausführung der in runde Medaillons gesetzten Köpfe. Die dargestellten Damen und Herren tragen reichen Gewandschmuck, man erkennt Perlenketten, Edelsteine, selbst Haarnetze bei den Damen! Der kunstvolle Bauschmuck wird dem Terrakottabildhauer Statius von Düren (um 1520-1570) bzw. seiner Werkstatt zugeschrieben.

    Drei Portale an der Hofseite und Terrakotta

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    Die Friese

    An der Straßenseite:

    1) Der Trojanische Krieg: Helenas Entführung, Verfolgung des Paris, Landung vor Troja, Kampfszenen, Heimkehr der Griechen mit den Gefangenen.

    An der Hofseite:

    2) Geschichte vom verlorenen Sohn, 6 Reliefs:

    - Er bekommt sein Erbteil, nimmt Abschied und reitet davon

    - Danach zieht er zusammen mit anderen durch die Welt, zwei Narren gehen voran

    - Er verprasst sein Geld in lustiger Tafelrunde, Musikanten spielen dazu

    - Der Rest ist schnell aufgebraucht, er wird davon gejagt

    - Arm und verlassen sitzt er unter einem Baum, um ihn herum Schweine

    - Reuig kehrt er nach Hause zurück, wird freudig empfangen und ein Fest wird gefeiert


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    Das erste Feld links rekonstruiert eine frühere Farbfassung. Der Fries erstreckt sich auch über den rechten Treppenturm, im 7. Feld werden ein Festzug bzw. eine Triumphszene dargestellt.


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  • Zum Fürstenhof auch noch ein paar Ansichten. Das im Renaissancestil ab dem 16. Jahrhundert erbaute Residenzgebäude wurde Ende des 19. Jhd. beim Umbau zum Amtsgericht noch einmal verändert und teilweise rekonstruiert. Bemerkenswert sind die Terrakottaarbeiten. Hierzu schreibt Wikipedia:

    Zitat

    Die baugeschichtliche wie kunsthistorische Bedeutung dieses Gebäudes geht auf den überaus reichen Fassadenschmuck zurück. Dieser ist teilweise in Haustein (Kalkstein), überwiegend jedoch in Terrakotta ausgeführt. Wie bereits beim Schweriner Schloss (und später auch Gadebuscher Schloss) wurden die Fassaden des Fürstenhofs mit Reliefplatten aus der Werkstatt des Statius von Düren reichhaltig verziert, Portale und Fensterleibungen entsprechend hervorgehoben. Themen der Friese sind die Sagenwelt der Klassik und Gleichnisse der Bibel. In der Literatur wird die Parallele zu den Palazzi der italienischen Terracottastadt Ferrara gezogen und der 1508 gebaute Palazzo Roverella als direktes Vorbild des Bauherrn identifiziert.[4] Teile der Friese wurden 1976 kopiert.

    Im Hintergrund St. Georg:

    Im Hintergrund St. Marien:

    Zum Vergleich die Terrakotten am Renaissanceteil des Schweriner Schlosses (2013):

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Nun noch ein paar Eindrücke der zwischen 1381 und 1487 erbauten Kirche der Seefahrer und Fischer St. Nikolai. Innen wie außen finden derzeit Sanierungsarbeiten statt, so dass die Fotos kein vollständiges Bild geben. St. Nikolai hat mich vor allem durch die Höhe des Mittelschiffs beeindruckt, mit 37 m das zweithöchste backsteingotische Kirchengewölbe nach St. Marien in Lübeck und das vierthöchste Deutschlands. Sehr schön sind die glasierten Terrakotten am Giebeldreieck des Südquerhauses. 1703 zerstörte ein Orkan den Spitzhelm des Turms, der nachfolgend wesentlich niedriger wiederhergestellt wurde.

    Außenansicht des Chorbereichs:

    Innenansichten:

    Triumphkreuzgruppe aus der kriegszerstörten Kirche St. Georgen:

    Altarretabel aus St. Georgen:


    Blick zur Orgel:

    Blick zur Decke, unten angeschnitten der spätbarocke Hauptaltar:

    Aus Wikipedia:

    Von Hauke Hell - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58394458

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Weiter mit St. Nikolai:

    Taufstein, vermutlich spätes 13. Jhd:


    Wandmalereien:

    Seitenflächen des Chorgestühls aus St. Marien:

    Außenansichten:

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Die dritte, nach Baumasse und umbautem Raum sogar größte backsteingotische Kirche Wismars ist St. Georg. Sie wurde um 1295 begonnen und blieb letztlich unvollendet, was man beim Betrachten der historischen Abbildung auch durchaus nachvollziehen kann. Im April 1945 von zwei Luftminen schwer beschädigt, wurde die Georgenkirche zwischen 1990 und 2010 wieder aufgebaut.

    Verfasser C. C. F. Liesch, Uploader Hajotthu at de.wikipedia, Public domain, via Wikimedia Commons

    Abfotografiertes Fotoposter von der Ausstellung im Kircheninneren, Blick auf St. Georg und St. Marien 1945. Man sieht, wie gut erhalten die Seitenwände und -streben von St. Marien noch erhalten waren vor dem Abriss. St. Georgen rechts im Bild:

    Ein Rundgang:

    Besonders gefallen haben mir die im Mauerwerk integrierten glasierten Ziegel und Terrakotten.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Maecenas hatte im Bauthread bereits viele gute Fotos des gotischen Viertels in Wismar und von St. Georg gezeigt, so dass ich nur noch der Vollständigkeit dieser Galerie halber ein paar Innenaufnahmen zeige:

    Der heilige Georg:

    Zum Abschluss dieser Fotoserie noch die Heiligen-Geist-Kirche, die ich allerdings nur von außen fotografiert habe:

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Interessant, welche Spuren älterer Fensteröffnungen und Blendnischen durch das Abschlagen des Verputzes zu Tage getreten sind. Das Erdgeschoss ist in moderner Zeit vorgemauert worden; dahinter haben sich vielleicht ebenfalls Reste älterer Bausubstanz erhalten können. Bemerkenswert ist auch das Obergeschoss der Seitenfassade in Fachwerk. Ob die eigenwillige Giebelkontur noch die ursprüngliche ist, vermag ich aufgrund des Fugenbildes nicht zu sagen.

    Ich vermute zudem, dass das 1. Obergeschoss einmal erhöht wurde und dadurch die Fenster des 1. Dachgeschosses ein bisschen nach oben versetzt werden mussten. Demnach müssten auch die Maueranker der Dachbalkenlage (in Form der vier Ziffern '1650') nach oben versetzt worden sein, und tatsächlich kann man fünf Flicke im Mauerwerk drei Backsteinreihen weiter unten erkennen, wo diese Maueranker wohl ursprünglich sassen.

    Wismar Rekonstruktion

    Nachgezeichnete ehemalige Fensteröffnungen und Blendnischen in die entzerrte Fotografie aus dem Zitat.

  • Auch mich hat es letztens nach Wismar verschlagen. Zum Pfingstfest kommen auch von mir ein paar Impressionen dieser wundervollen Hansestadt.

    Nicht zu vergessen ist natürlich der monumentale Rest der einstigen Ratskirche St. Marien von Wismar: Der schon von weitem sichtbare St. Marienkirchturm.

    Zwar sind vom gesprengten Kirchenschiff nur noch die angedeuteten Überreste zu sehen, doch erfüllt der Marienkirchturm noch immer seine Funktion als Glockenturm und trägt einen der umfangreichsten und historisch wertvollsten Glockenschätze Norddeutschland. Eine Präsentation des Geläuts meinerseits darf natürlich nicht fehlen. :wink:

    Damit wünsche ich hier allen einen gesegneten Pfingstsonntag!