Dresden, Altstadt - Quartier VII/1

  • Am meisten stört mich der wirklich nicht ins Ensemble passende Eckbau des Hyperion-Hotels in der Schlossstrasse, der mit seiner billig wirkenden EG Fassade und seinen unruhigen Fenstern leider viel Stimmung wegnimmt.

    Ja Exilwiener,ich finde,gerade Eckgebäude sind sehr bestimmend.Durch dieses nüchterne moderne Eckgebäude (Hyperion Hotel) ist die architektonische Geschlossenheit der Bebauung auf dieser Seite der Schlossstraße optisch gestört.

  • Also eine Neuschöpfung ist die Fassade in der Schloßstraße keinesfalls.

    Lediglich ein vereinfachter Wiederaufbau mit zusätzlichem Vollgeschoss.

    Hier rechts angeschnitten die Originalfassade in der Schloßstraße https://images.app.goo.gl/YpZAUzu4EuEKbjBbA

    Von der Qualität ist der Blobelbau vielleicht besser, da der Bauher sich nur um das eine Gebäude kümmern musste. An der Fassade geändert, hat er aber auch einiges.

    Hier im Quartier mussten ja auch noch weitere Gebäude rekonstruiert werden und da finde ich persönlich sind wir mit dem Eckbau, der dem Vorgänger sehr nah kommt, sehr gut weggekommen.

    Die neue Fassade zum Kulti hin scheint auch nicht schlecht zu werden.

    Da haben wir im Nachbarblock am Jüdenhof schlimmere Neubauten abbekommen.

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.

  • Der Blobelbau ist bezüglich seines Aufbaues besser , also da er vollständig gemauert wurde und bezüglich der Ornamentalen Ausschmückung , der Eckbau in der Schlossstraße befriedigt meines Erachtens dahingehend das er als weitgehende vielleicht besserzumachende Adaption daherkommt , mich stört einzig das in diesem Quartier wieder kaum Ziegel zum Einsatz kamen.

  • Mir ist auch der Vergleich mit dem Blobelbau gekommen und ich gebe Heimdall recht, dass er besser ist als der Eckbau in diesem Quartier. Das hat einen ganz einfachen Grund. Beim Blobelbau wurde ein hervorragender Vorgängerbau von 100% Qualität auf 50% Qualität heruntergebrochen. Bei diesem Eckbau wurde ein ursprünglich geplantes Neubaumonster von 0% Qualität durch pseudohistorische Accessoires auf immerhin 30% gebracht. Was beiden Fällen gemeinsam ist: das völlige Unverständnis historischer Formenvokabulars und historischer Fassadensyntax. Es ist, als würde ich einen französischen Text nach den Regeln der deutschen Phonetik (oder umgekehrt) lesen....

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ist das wirklich so? Muss man das so kritisch sehen? Eigentlich sind die Proportionen recht passabel, und im Ensemble fallen allfällige kleine stilistische Unstimmigkeiten nicht auf. Letztlich kann man sich sogar die Frage stellen, ob gewisse Fehler nicht auch geradezu authentisch wirken können. Man soll nicht so tun, als hätte es im Zuge der gründerzeitlichen Kommerzialisierung nicht ungleich Schlimmeres gegeben.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • ursus carpaticus Ja, die Unsinnigkeiten im Gefolge historistischer Kommerzialisierung hat es gegeben. In Dresden - ich weiß, das wird hier nicht gerne gehört - beispielsweise in Gestalt des von einigen heiß geliebten Kaiserpalastes oder - noch schlimmer - des völlig hypertrophen Central-Theaters. Aber das ist für mich keine Entschuldigung für diese Peinlichkeit. Die Missgriffe sind so eklatant und wären so leicht zu vermeiden gewesen, wenn man das Ganze nicht irgendeinem Bauzeichner überlassen hätte, nach dem Motto: Machen Sie mal irgendwas... Warum nicht eine einfache Putzfassade mit gut profilierten Faschen? Warum diese Anhäufung geradezu plumpster Missgriffe, die jeden stören, der weiß, wie historische Architektur funktioniert? Das ist ein bisschen so, als wie wenn der Chor eines Kegelvereins den Jägerchor im Freischütz singt und dabei ständig den richtigen Ton verfehlt.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • des von einigen heiß geliebten Kaiserpalastes oder - noch schlimmer - des völlig hypertrophen Central-Theaters.

    dafür kriegst natürlich ein dickes Lajk von mir.

    Aber an das hab ich nicht gedacht- das ist rein eklektizistische Architektur ihrer Zeit, die man so zu würdigen hat, wie sie ist. Es gibt gute und schlechte Beispiele. Ich halte die von dir erwähnten Beispiele für verunglückt - reine Geschmacksfrage, beim Central-Theater bin ich sogar mitunter ein wenig im Wiglwogl, inwieweit diese Formverletzungen nicht sogar pointiert-gelungen seien. Beide Bauten sind aber ganz sicher nicht kommerziell. Ich dachte ua an Schaufenstereinbauten in alte Häuser, im Mezzanin beispielsweise, ev. sogar in bis dahin intakte Gründerzeitler uä. Was ich sagen wollte: der Vorgängerbau wird ganz sicher nicht "perfekt" gewesen sein, wie auch in gewachsenen Städten Ladeneinbauten und Fassadenvereinfachungen bzw- Erneuerungen alles andere als perfekt sind. Daher soll man bei derart kleinen stilistischen Unstimmigkeiten nicht überkritisch sein. Das Haus passt im Groben und Ganzen, dh als Teil des wiederhergestellten Ensembles Mittlere Schlossstraße, es erweitert damit den akzeptablen Bereich derselben. An städtebauliche Perfektion dieses Abschnitts ist aufgrund der Nähe zum Kulti ohnedies nicht zu denken. Daher sollten wir, so denke ich, zufrieden sein.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
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  • Ja, jetzt verstehe ich, welche Art von kommerzialisierter Architektur Du meinst und gebe Dir auch da völlig Recht. Das Central-Theater als eine pointierte Übersteigerung zu sehen, ist natürlich ein interessanter Aspekt. Aber als Privattheater war es ja doch auch kommerziell. Und hat als solches das wunderbare Palais Boxberg verdrängt - was ich für eine Barbarei ersten Ranges halte.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Boxberg%E2%80%99sches_Palais

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Lieber Seinsheim,

    danke für den Hinweis auf das Boxberg'sche Palais. Von diesem wusste ich bisher gar nichts. Dein Wikipedia Link zeigt auch Fotos dieses prachtvollen Palais. Es muss ein Juwel der Architektur gewesen sein, dessen Verlust man nur zutiefst bedauern kann. Stellt sich mir die Frage, ob es, wenn es nicht 1899 abgebrochen worden wäre, das Inferno von 1945 überstanden hätte. Vermutlich eher nicht.

  • Ach, wenn ich das so sehe werde ich wieder schwermütig. Eigentlich gehört das alles rekonstruiert. Gerne tranloziert. Dieses elegante Boxberg´sche Palais, ebenso das Central-Theater (und natürlich der Kaiserpalast :zwinkern:) Letztere, weil sie schon wieder so verrückt überspitzt sind, dass sie das extremste Contra zu den allgegenwärtigen Schuhschachteln und Wärmedämm-Lochfassaden darstellen.

  • Ich teile die Ansichten.

    Dennoch, geht mein Dank und Anerkennung an die Baywobau, welche mehr Geld in die Hand genommen hat, als

    nötig gewesen wäre. Ich hoffe, dass dies auch von den Mietern bzw. Käufern finanziell honoriert wird.

    Der Bau und das gesamte Quartier ist ein weiterer großer Gewinn für DD.

  • Stellt sich mir die Frage, ob es, wenn es nicht 1899 angebrochen worden wäre, das Inferno von 1945 überstanden hätte. Vermutlich eher nicht.

    Muss nicht sein. In diesem Bereich ist alles "nur" ausgebrannt gewesen. Und die DDR hat Palais im Gegensatz zu Bürgerbauten eher weniger weggeräumt. Vielleicht hätte man es als Blickfang in die Prager Straße integriert, wie man es mit "zitathaften" Statuen gemacht hat?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
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    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wunderbar geworden!!!

    Der Kulturpalast stört halt gewaltig. Man könnte zumindest davor dichte Bäume pflanzen…

    Aber auch der Kulti gehört zu Dresden, nicht nur die neu erstandene Altstadt.

    In der Architektur muß sich ausdrücken, was eine Stadt zu sagen hat.
    Eine Stadt muss ihren Bürgern gefallen, nicht den Architekten

  • Um den Kulti wird DD wohl auch in der ganzen Welt beneidet. Wahrscheinlich wird man ihn - nach Ablauf der Urheberrechte - in Tsung-Tsching nachbauen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
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    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Einfach genial! Auch die Fotos letzte Seite, vielen Dank dass ihr die Nicht-Dresdner hier so aktuell auf dem Laufenden haltet. :daumenoben:

    Die Baywobau ist wirklich einer der besten Investoren, möglicherweise sogar der Beste (gleich nach der GHND, die ja selber auch ein Gebäude in der Rampischen errichtete). Ich muss ganz ehrlich sagen, ich hätte nicht gedacht, noch vor Jahren, dass der Neumarkt mal so fantastisch wird. Einfach traumhaft! Ein wichtiges Areal , wo unfähige und aggressive Modernisten weitgehend ausgesperrt wurden. Wobei hier übrigens einiges echtes Modernes entstand, meiner Meinung nach. "Zeitgeist" heisst ja nicht, dass man möglich auffällig baut, sondern dass man Jahrzehnte oder Jahrhunderte später die "Handschrift" der Epoche erkennt. Der Dr. Hertzig erklärte mir das mal ganz gut anhand der Innenausstaatung der Semperoper, er sagte sinngemäß (hoffentlich geb ich ihn richtig wieder , aber so hab ich es in Erinnerung) dass man dort tatsächlich die "Handschrift" der sozialistischen Epoche in den Wandmalereien erkennen könne die dort mitschwingt, obwohl dies damals natürlich gar nicht beabsichtigt war.

    Man wird vielleicht in 50 Jahren sagen, dass einige der (recht guten) Füllbauten ganz klar den Zeitgeist des frühen 21. Jh. widerspiegeln. Ich finde man sieht das sogar jetzt schon ein bischen, und ein Gebäude, dass es gar nicht darauf anlegt auf Teufel komm raus "modern" zu sein, ist dann m.E. das eigentlich Moderne.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Nein, das bleibt so.

    Auf seiner allerletzten Sitzung hat der Gestaltungsbeirat beschlossen, dass die Front einfach viel zu harmonisch ist und dass man an einer Reko auch einmal beispielhaft die Brüche der Zeit und die Zeitschichten und dass alles nur Wiederaufbau ist, zeigen sollte ........

    :thumbup:  :thumbup:   :thumbup:   :thumbup:

    Nein - Scherz......

    Der Bauherr musste abrüsten, da die Stadt die Gehwege machen muss/will. Die Ornamentik ist schon in Vorbereitung. Wird sehr schön werden.