• Mitten im beschaulichen Fellbach bei Stuttgart wird gerade das dritthöchste Wohngebäude Deutschlands errichtet. Der Gewa-Tower. Dessen Entwicklung würde man sich doch gerne mal in 20 Jahren anschauen...

    http://www.gewa-tower.de/

    Fellbach
    Tower soll bis Herbst 2016 stehen
    http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fellbac…d4a29c02ce.html

    Gewa-Tower in Fellbach
    Später Startschuss auf Fromm-Gelände
    http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gewa-to…d79aa456e8.html

  • Eduard Mörike würde es grausen angesichts des heutigen Württembergs und seiner baulichen "Errungenschaften".

    Irgendwann in den 70ern hat man bei Nürtingen eine Retortenstadt hochgezogen, das "Roßdorf", mit Hochhäusern, die seither das eigentlich wunderschöne Panorama der Schwäbischen Alb um den Hohenneuffen verschandeln. Klar, die Leute die dort wohnen sind zufrieden, aber für alle anderen ist es eine große, irreparable Bausünde. Das scheint wohl jetzt auch in Fellbach zu geschehen, als hätte man seit damals nichts gelernt.

    In dubio pro reko

    9 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (11. September 2014 um 20:05)

  • "erbse",
    ich weiß, dass wir da nicht zueinander kommen. Und ich habe mich früher auch schon zu der Thematik geäußert, möchte es aber doch noch einmal teils wiederholen.
    Jedes "man wird müssen" stelle ich gerade in heutiger Zeit in Frage. Die Verdichtung ist nicht zwangsläufig, sondern an ihr wird auch von interessierter Stelle verdient. Und man muss die sozialen Konsequenzen dieser Entwicklung berücksichtigen. Verdichtung bedeutet Zuzug. Sie bedeutet Zunahme von Menschen, bei denen materielle Interessen (Gründe des Zuzugs) Vorrang vor der Verwurzelung in einer Heimat (Alteingesessene) haben. Sie bedeutet im konkreten Fall der Wohnhochhäuser Anonymisierung. Kehrt in der Altstadt der Häuslebesitzer den Gehweg vor dem Haus und gießt seinen Vorgarten, so wird dies im Wohnhochhaus von oft nicht bekannten Servicekräften übernommen. Anonymisierung fördert die Entfremdung von der Umwelt, auch der gebauten Umwelt. Somit fördern die Wohnhochhäuser, vor allem auch für diejenigen, die in ihnen aufwachsen, tendenziell auch eine Haltung, diese Wohnform als "normal" zu betrachten, traditionelle Wohnformen aber als "rückschrittlich", bestenfalls "putzig". (Voraussgesetzt sie rebellieren nicht dagegen und wagen irgendwann den "Absprung") Das Wohnhochhaus als Großstruktur ist faktisch nicht mehr abreissbar. Zumindest nicht, wenn es in Eigentumswohnungen aufgeteilt wurde. Bauliche und soziale Defizite können nicht mehr durch Abriss beseitigt werden. Zudem ist die Struktur extrem abhängig von der steten Versorgung mit Energie. Gibt es im Einfamilienhaus bei Gasliefersperre aus Russland und Stromausfall immer noch die Möglichkeit, den Kamin anzuwerfen und das Haus zu verlassen, sieht das im 14. Stock eines Wohnhochhauses bei nicht funktionierendem Aufzug schon anders aus. Die landschaftliche Beeinträchtigung kommt auch hinzu. Sie dürfte kaum durch etwas ausgefalleneres Design heutiger Hochhäuser gemindert werden. Dazu das Infrastrukturproblem (Verkehrzunahme) durch mehr Verdichtung auf kleinem Raum usw.usf.

  • Die Verdichtung ist nicht zwangsläufig, sondern an ihr wird auch von interessierter Stelle verdient. Und man muss die sozialen Konsequenzen dieser Entwicklung berücksichtigen. Verdichtung bedeutet Zuzug. Sie bedeutet Zunahme von Menschen, bei denen materielle Interessen (Gründe des Zuzugs) Vorrang vor der Verwurzelung in einer Heimat (Alteingesessene) haben.

    Wie soll man das verhindern? Zuzugssperren? Reservate für eingeborene Schwaben? Wohngebiete extra für Reingeschmeckte? Inlandspässe? Übrigens sind auch meine Eltern aus "materiellen Interessen" in den Großraum Stuttgart zugezogen und die Verwurzelung kam mit der Zeit von selbst! Ich kenne auch eine Menge alteingessene Schwaben, die sich für ihre Heimat sehr wenig bis gar nicht interessieren. Mir ist auch noch kaum ein echter schwäbischer Dörfler untergekommen, der alte Bauernhäuser für erhaltenswert hält.

    Sie bedeutet im konkreten Fall der Wohnhochhäuser Anonymisierung. Kehrt in der Altstadt der Häuslebesitzer den Gehweg vor dem Haus und gießt seinen Vorgarten, so wird dies im Wohnhochhaus von oft nicht bekannten Servicekräften übernommen. Anonymisierung fördert die Entfremdung von der Umwelt, auch der gebauten Umwelt.

    Ich habe schon in Hochhäusern gewohnt und wohne jetzt in einem Einfamilienhaus: Die sozialen Unterschiede sind minimal.

  • Wie soll man das verhindern?


    Das ist eine Frage, die politisch zu diskutieren wäre. Doch daran besteht derzeit gar kein Interesse.

    Zuzugssperren?


    Zum Beispiel. Das wäre ein Lösungsansatz. Doch der ist nicht gewollt.

    Ich habe schon in Hochhäuser gewohnt und wohne jetzt in einem Einfamilienhaus: Die sozialen Unterschiede sind minimal.


    Ich ebenso. Und ich habe den Unterschied als enorm empfunden.


  • Zum Beispiel. Das wäre ein Lösungsansatz. Doch der ist nicht gewollt.

    Das würde aber zum Schutz der historischen Bausubstanz und der Ortsbilder wenig beitragen. Es sind die Schwaben selbst, die nicht mehr in Fachwerkhäusern leben wollen, sondern in modernen Häusern, bevorzugt in Einfamilienhäusern (die leider sehr oft von totaler Geschmacklosigkeit zeugen). Der durchschmittliche schwäbische Dörfler hätte kaum Einwände, wenn man sämtliche Bauernhäuser planieren würde. Wenn nicht ab den 70er Jahren die geldknappen Türken in die Bauernhäuser nachgezogen wären, würden die Dörfer im Großraum Stuttgart heute noch viel geschichtsloser aussehen, als es leider ohnehin der Fall ist.

  • An deinem letzten Satz ist allerdings was dran. Und die schwäbische Mentalität ist nunmal "Schaffe schaffe Häusle baue", was nichts anderes heißt als weg mit dem alten Klump und was Neues bauen. Man kann es in jeder Ortschaft hier im Raum Stuttgart besichtigen. Nürtingen z.B. wurde nie im Krieg zerstört, sieht aber an vielen Ecken so aus.

    In dubio pro reko

  • Hier in Ostfildern entsteht auch gerade ein ziemlich monströses Hochhaus (http://hochhauswelten.blogspot.de/2014/06/esslin…chhaus-66m.html) in äußerst exponierter Hanglage - gebaut als Verwaltungssitz eines alteingesessenen Esslinger Unternehmens und nicht etwa eines internationalen Konzerns.

    Für alte Bausubstanz interessiert sich hier offensichtlich kaum jemand, eher für "die Wirtschaft"... wenn ich mir dieses Urteil als Nicht-Württemberger erlauben darf.

  • Nun, auf meiner Facebook-Seite "Baudenkmäler Stuttgart" habe ich jüngst über das Abrissvorhaben in der Eberhardstraße berichtet, und 90% meiner Teilnehmer sind empört und wütend über solche Vorgänge. Was Stuttgart-spezifisch wahrscheinlich daran liegt daß jeder Einwohner sehen kann, was mit der Stadt seit 1945 angestellt worden ist. Auch in Esslingen gab es erfolgreichen Protest gegen den ersatzlosen Abriss des Gasthauses Falken, der nun als Zugeständnis wieder originalgetreu aufgebaut wird.
    In der schwäbischen Provinz allerdings scheint eine gewisse Gleichgültigkeit zu herrschen, wahrscheinlich wird der Wert der zumeist eher schlichten Häuser in den Ortskernen einfach nicht wahrgenommen, und man will sich gerne mit modernen Neubauten sanieren, dem Fortschritt nicht im Wege stehen.

    In dubio pro reko

  • Ich dachte wir wären aus der Zeit heraus, als utopische Hochhäuspläne in nicht dafür geeigneten Ortschaften deren Image aufpolieren sollten. Komische Ideen haben sie im Schwabenland.

    Hat die Schönheit eine Chance-Dieter Wieland