• Könntest Du das mal anschaulich machen. Abgesehen von geschlossenen Läden, würde mich interessieren, wie sich dieser Zusammenbruch genau äußert.

    Ich war gerade dort. Es ist halt nichts los. Viele geschlossene Läden, C&A verkleinert sich, der Lloydhof wird komplett umgebaut, deswegen ist dort Baustelle und komplett tote Hose. In Galeria-Kaufhof zieht nun ein großes Möbelgeschäft ein, Saturn als Ankermieter hat keinen richtigen Vor-Ort-Verkauf (Abholung im Parkhaus...). Viele kleine Läden schließen. COVID-19 live würde ich sagen.

    "Ein vollkommener Zusammenbruch" wären nun auch nicht meine Worte, es sieht dort wohl genau so aus, wie in anderen Innenstädten zur Zeit (habe aber nur Hannover und Hamburg vor Augen, woanders war ich in den letzten Monaten zugegebenermaßen nicht). Dass das Balge-Projekt am Ende sei, höre ich zum ersten Mal und ich bin eigentlich gut informiert. Und gebaut wird - etwa am Europahafen - nach wie vor in erheblichem Maße. Ich bleibe da optimistisch und sehe auch keinen Grund für Schwarzmalerei, das Jahr kann nur besser werden.

  • Könntest Du das mal anschaulich machen. Abgesehen von geschlossenen Läden, würde mich interessieren, wie sich dieser Zusammenbruch genau äußert.

    Ich wurde zwar nicht gefragt, aber ich empfinde es genauso. Das Problem ist, dass die Innenstadt auch als vielgescholtenes EINKAUFSzentrum nichts mehr viel hergibt., wo sie doch als Wohncity bereits versagt hat.

    Seit die großen Kaufhausketten reihenweise wegbrechen, stellt man sich die Frage, zu was man eigentlich noch in die Innenstadt kommen soll, wenn es dort nur Boutiquen und Handygeschäfte gibt? Corona hat das noch verschlimmert, in dem man sich einen Plan anlegen muss, in welches Geschäft man wann gehen kann, um dies oder das zu besorgen. Es ist einfacher, in ein „Shopping-Center“ außerhalb zu gehen, in dem man ALLES kriegt - nicht jeder kann sich drei Tage frei nehmen, um nach Geschäften zu suchen, die vielleicht mal das anbieten, was man gerade braucht.

    Die Idee mit dem Möbelcenter anstatt Kaufhof mag ja ganz witzig sein - aber welche Kunden sollen damit gelockt werden? Das erfordert gute Infrastruktur - und gleichzeitig Autos aus der Innenstadt verbannen, hält Selbstabholer auch davon ab, mal eben eine Kommode zu kaufen.

    Die Innenstädte haben - jedenfalls in meiner Erinnerung - davon gelebt, dass man „mal eben“ vier Paar Socken, eine CD für Tante Luise, eine Batterie für seine Uhr und den letzten Harry Potter besorgt, und nebenbei noch ein Tässchen Kaffee oder eine Packung Pommes verdrückt.

    Das bricht zunehmend weg. Ich finde weder Spielzeug, noch Musikträger, noch Werkzeug noch Alltagsgegenstände noch Elektroartikel in entsprechender Auswahl. Nicht mal eine piefige Schreibtischlampe für 20 Euro bekommt man noch. Bei einer Einkaufsliste von 10 Artikeln muss ich 6 irgendwo außerhalb (oder ONLINE!!!) kaufen...

    Jetzt will man sogar die Straßenbahnen aus der Innenstadt verbannen und eventuell Pendel-Elektrokleinbusse statt dessen einplanen. Hallo? Wenn die Anbindung nur noch über Umsteigen möglich sein soll, kann man eigentlich alles abreißen und einen Park anlegen...

  • Meine Devise ist: Architektur ist dann gelungen, wenn man sich davor stellt und ein Smartphonephoto für die Erinnerung macht. Dazu muss das Gebäude nicht mal alt sein, aber wenigstens Richtlinien von Schön- und Ausgewogenheit beachten. Ich finde es erstaunlich, dass so viele Menschen, die gefragt werden, lieber in einem Bremer Haus wohnen oder arbeiten würden, als in einem 20-stöckigen Betonklotz. Das lässt vermuten, dass der „normale“ Mensch durchaus ahnt und im Grunde weiß, was ihm gefällt und welche Architektur er möchte. Das war nicht immer so, denn ich erinnere mich, dass in den 1970er Jahren der Wunsch nach einer Einbauküche und modernen Kippfenstern größer war als die Sehnsucht nach einem gewachsenen Zuhause, weshalb viele in das vermeintlich neue Zeitalter Osterholz, Huchting oder Vahr gezogen sind.

  • Dieses farbenprächtige Luftbild der Bremer Innenstadt (Quelle: Bremer Bilderbuch) fiel mir nun in die Hände. Ich vermute, es stammt so etwa aus der Mitte der 60er-Jahre und zeigt einige interessante Aspekte.

    Einmal fallen die vielen Baulücken, teils kriegsbedingt, teils der modernen Stadtplanung geschuldet, entlang der Martinistraße (links) auf. Der Martinidurchbruch scheint fast abgeschlossen zu sein.

    An der Balgebrückstraße (unten, große Kreuzung) entsteht gerade das gigantische Parkhochhaus. Wir befinden uns im Zeitalter der autogerechten Stadt. Weiter unten, am Tiefer, steht in der Kurve vor dem Schnoorviertel noch ein historisches Gebäude. Es wird später einem Neubau der stadtbremischen Wohnungsbaugesellschaft "Bremische" zum Opfer fallen, die inzwischen an Vonovia verkauft worden ist.

    Halbrechts darüber (Ca. 5 cm) befindet sich das Postamt 5, ein Neorenaissancebau, der heute unter Denkmalschutz steht. Der Historismus wurde ja so ab den 80er-Jahren denkmalwürdig. Das riesige Gebäude verfügte damals noch über einen Anbau im gleichen Stil (über dem Grünstreifen), den ich hier schon Mal eingestellt habe. Er wurde in den 70ern für einen modernen Neubau abgerissen - einer der vielen Bremer Bausünden.

    Rechts von den domtürmen befindet sich der Platz "Domshof". Zwischen den Domtürmen und dem in rotem Sandstein gehaltenen Gebäude der Deutschen Bank steht noch der Rutenhof und daneben ein Bankgebäude: Heute Standort des Neubaus der Bremer Landesbank (die ja inzwischen auch schon wieder Geschichte ist).

    Wir bewegen uns jetzt vom mittig gelegenen Marktplatz direkt n ach oben, dort steht das gewaltige Karstadthaus. Darüber - mit den roten Dächern, das ist das Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd zu sehen, der größte Bau in der Bremer Innenstadt. Und schräg davon nach links, wo einst die Ansgariikirche stand, - etwas für Wirtschaftsnostalgiker - das große Hertiehaus. Machen wir nun noch einen Sprung nach rechts über die Wallanlagen an der Mühle vorbei. Zu sehen ist dort (halbrechts), auf dem Grundstück des ehemaligen Hillmanhotels, ein Pavillon, der Jahre später durch einen großen Hotelbau ersetzt werden wird.

    Ganz rechts unten in den Wallanlagen steht die Kunsthalle, noch ohne die hässlichen Anbauten, die wir dort heute bewundern können.

    Ansonsten zeigt das Foto sehr schön die Wesermetropole in ihrer seit Jahrhunderten bestehenden Form zwischen Wallanlagen und Fluss und dokumentiert eine Reihe von inzwischen verlorenen Gebäuden sowie den Umschwung zur autogerechten Innenstadt, die zu Straßenverbreiterungen, Straßendurch- und Gebäudeabbrüchen geführt hat.

  • Am Domshof stehen noch zwei historische Gebäude, die später für den Neubau der Bremischen Landesbank abgerissen wurden (den man wiederum jüngst abgerissen hat). So wenig Respekt vor dem architektonischen Erbe, so viele Fehlentscheidungen!

  • Unwahrscheinliche Zerstörung einer einst wunderbaren Altstadt , die den Krieg gut überlebt hat. Die vielen Fehler sind noch gar nicht wettgemacht, Trist und Schade. Gilt leider für ganz D. So wenig historisches Erbe und so wenig Empathie mit schönen Bauten.

  • Uih, da gab es Hertie noch. Soweit ich mich erinnere, war ein Flügel des ganzen Kaufhauses „aufgebockt“. Und die Violenstraße sieht noch ziemlich leer aus. Interessantes Foto!

  • Unwahrscheinliche Zerstörung einer einst wunderbaren Altstadt , die den Krieg gut überlebt hat. Die vielen Fehler sind noch gar nicht wettgemacht, Trist und Schade. Gilt leider für ganz D. So wenig historisches Erbe und so wenig Empathie mit schönen Bauten.

    Warst du überhaupt schon jemals in Deutschland oder hast mit einem Deutschen gesprochen? Sonst könntest du nämlich kaum behaupten es gäbe in Deutschland wenig historisches Erbe oder wenig Empathie für schöne Bauten.

  • Sehr interessant. Ich habe einmal versucht, die gleiche Perspektive auf Google Earth zu finden: https://goo.gl/maps/pR6veMg6amDCGZaa7

    Erstaunlich, wie viel seit den 1960ern noch abgerissen und wuchtig-hässlich überbaut wurde. Ich war bisher nur einmal in Bremen und bin frühmorgens vom Hauptbahnhof quer durch die Innenstadt zur Haltestelle des Flughafenbusses spaziert. War ein sehr gemischter Eindruck - großartige Ecken und viel deutsche Tristesse.

  • Andreas: ich habe die Bilder von vor und nach dem Krieg mit heutigen verglichen und alle Beitragen hier über Bremen gelesen.

    Es gibt aber in Deutschland wesentlich mehr Städte als Bremen. Wenn du mal nach Hessen kommen solltest könnte ich dir eine Vielzahl im wesentlichen intakter Altstädte zeigen in denen Menschen wohnen, die stolz auf ihre Städte sind.

  • Am Domshof stehen noch zwei historische Gebäude, die später für den Neubau der Bremischen Landesbank abgerissen wurden (den man wiederum jüngst abgerissen hat). So wenig Respekt vor dem architektonischen Erbe, so viele Fehlentscheidungen!

    Sonicted, ich kann Deine Emotionen gut nachempfinden, denn es geht mir genauso. Zum Rutenhof und dem daneben liegenden Gebäude der Danat-Bank habe ich in der "Kreiszeitung" folgenden Artikel gefunden, den ich hier weiter unten wiedergebe:

    Wenn man die Entwicklung der Innenstadt betrachtet, fallen zwei , drei Dinge auf:

    1. Die Tendenz zu größeren architektonischen Einheiten, ein Verlust der ästhetisch nicht unwichtigen Kleinteiligkeit zugunsten der Gleichförmigkeit. Die zwei von Dir angesprochenen Gebäude sind ja inzwischen zu einem Neubau verschmolzen. Ähnlich läuft es auch bei "Harms am Wall". Vorher drei Gebäude, jetzt nur noch eins mit einer total gleichförmigen, einheitlichen Fassade. Man hätte wenigstens darauf dringen sollen, dass hier wieder drei Gebäude entstehen.

    2. Wir sehen am Beispiel der Marinistraße, wie jetzt alles wieder rückwärts gehen soll. Die Martinistraße, einst für den Verkehr verbreitert, ab der Langenstraße kam es zu einem Durchbruch zur dort vormals verlaufenden Molkenstraße. Die autogerechte Stadt. Jetzt soll - grüne Politik - der Verkehr zurückgedrängt werden und damit ja auch die damaligen Ideen der modernen Stadtplaner. Soweit - so gut. Was mich aber schmerzt ist, dass die im Zuge des Martinistraßenneubaus zerstörten Gebäude nicht wieder zurückkommen. Hier wünsche ich mir auch ein zurück in die Zukunft.

    3. Viele der Gebäude, die abgerissen worden sind, sind völlig umsonst abgerissen worden. Das Lloydgebäude für den Hortenbau, der dann Kaufhof wurde, der inzwischen in Bremen nicht mehr existiert. Das alte Zollhaus, für die Erweiterung der Sparkasse abgerissen, jetzt residiert die Sparkasse dort nicht mehr und den Erweiterungsbau braucht sie nicht. Der Abriss des Vorgängerbaus der "Bremischen" für einen hässlichen Neubau. Die Bremische gibt es nicht mehr, sondern sie gehört jetzt zu Vonovia. Im Ostertor wurde das beeindruckende Wohnhaus von Bremens größtem Mäzen, Franz Schütte (spendierte das Neue Rathaus, die Domtürme, den Bürgerpark) für den Bau der Landeszentralbank/Bundesbank dem Erdboden gleichgemacht. Nun wird dieser Nachfolgebau auch schon wieder für eine Großwohnanlage beseitigt. Wozu der Abriss der Schüttevilla?

    Da fragt man sich doch langsam, was hat das jetzt alles gebracht für unser Stadtbild? Doch nur Verschlechterung. Wir werden aber von der Politik nicht erwarten können, dass sie in sich geht, eine Fehleranalyse betreibt und diese in ihre zukünftigen Entscheidungen einfließen lässt. Die Karawane zeiht immer, immer weiter - es werden noch viele Abbrüche von Gebäuden folgen, an denen unser Herz hängt.

    Den abgerissenen Postamt 5 Flügel habe ich unter# 30 hier eingestellt. Das Postamt 5 gehört ja inzwischen auch nicht mehr der Post, sondern der katholischen Oberschule.

    So, jetzt, wie angekündigt, der Artikel über den Rutenhof und die Danat-Bank:

    „Verschwunden“ in Bremen: Der Rutenhof am Domshof

    Aktualisiert: 07.07.202111:46 Ein Bild aus den letzten Tagen des Gebäudes – der Rutenhof kurze Zeit vor dem Abriss Ende der 60er Jahre. - Foto: Archiv + © Archiv Ein Bild aus den letzten Tagen des Gebäudes – der Rutenhof kurze Zeit vor dem Abriss Ende der 60er Jahre.

    Bremen - Von Thomas Kuzaj.

    Er zählte – wie die Kunsthalle, die Villa Am Dobben 91 (Ortsamt Mitte) und das Häuserensemble Mathildenstraße – zu den Bauwerken des Baumeisters und Brauereiunternehmers Lüder Rutenberg (1816 bis 1890).

    Und er war sogar nach ihm benannt – der Rutenhof, ein elegantes Geschäfts- und Kontorhaus auf der Westseite des Domshofs. Heute ist der Rutenhof Thema in unserer Serie „Verschwunden“.

    Den Rutenhof hatte Rutenberg in den Jahren 1873 bis 1875 errichtet. Es war ein prominentes Gebäude im Herzen der Stadt – nicht zuletzt wegen des großzügigen Restaurants und des Weinlokals in seinem Inneren. Hier ging Bremens feine Gesellschaft Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts ein und aus.

    Äußerlich hatte Rutenberg sich für den Rutenhof – einer Mode der Zeit folgend – am viktorianischen Stil orientiert. An vertikalen Mauerblenden – Lisenen – zierten Steinfiguren die Fassade. Sie waren zugleich Ausdruck eines aufgeklärten bildungsbürgerlichen Repräsentationsbedürfnisses: Johannes Gutenberg und Martin Luther, Gottfried Wilhelm Leibniz und Gotthold Ephraim Lessing – Wegbereiter des modernen Geisteslebens blickten da auf den Domshof. Und auf die Gäste, die Restaurant und Weinlokal besuchten.

    Zuvor hatten drei Pastorenhäuser der Liebfrauengemeinde auf dem Areal gestanden, auf dem Rutenberg, der auch an einer Förderung des Kulturlebens interessiert war, sein viktorianisches Altstadt-Schloss errichtete. Adresse: Domshof 26–28. Ein Standort, der sich im Lauf der Zeit wieder und wieder verändert hatte. Vor gut 100 Jahren zum Beispiel wandelte der Domshof sich langsam, aber sicher zum Bankenplatz.

    Und das wirkte sich auch auf den Rutenhof aus. Als das Bankhaus Loose sich vergrößern wollte, kaufte es das Nachbarhaus – eben den Domshof 26–28. Der Rutenhof wurde umgebaut. Loose ging später in der Danat-Bank auf, die wiederum meldete Anfang der 30er Jahre – es war die Zeit der Weltwirtschaftskrise – Konkurs an. 1937 zogen Behörden im Rutenhof ein.

    Jahrzehnte später kam dann wieder eine Bank zum Zuge – die Bremer Landesbank. 1967/68 wurde der Rutenhof größtenteils abgerissen. Anfang der 70er Jahre eröffnete die Landesbank hier einen Neubau. Auch dieses Gebäude ist inzwischen Geschichte, sprich: abgerissen worden. Es sei „sowohl technisch unwirtschaftlich als auch von den Abläufen her nicht mehr zeitgemäß“ gewesen, hieß es bei der Landesbank. Im Sommer vorigen Jahres eröffnete die Bank erneut einen Neubau – inzwischen mitten in einer durch Schiffskredite hervorgerufenen Krise.

    An Lüder Rutenberg, den Schöpfer des Rutenhofs, erinnert unterdessen (neben seinen erhaltenen Bauwerken, versteht sich) noch so manches in Bremen. Die Rutenstraße im Ostertorviertel etwa ist nach ihm benannt worden. Und in Bremerhaven gibt es eine Rutenbergstraße. Den Rutenberg-Pavillon im Bürgerpark hat der Unternehmer und Architekt anno 1870 selbst gebaut und gestiftet. Und dann ist da natürlich noch die ob ihrer Schönheit vielfach bewunderte Mathildenstraße im Viertel. Sie hat ihren Namen von Rutenbergs Ehefrau Mathilde, geborene Merker.

  • Sonicted, ich kann Deine Emotionen gut nachempfinden, denn es geht mir genauso. Zum Rutenhof und dem daneben liegenden Gebäude der Danat-Bank habe ich in der "Kreiszeitung" folgenden Artikel gefunden, den ich hier weiter unten wiedergebe:

    Wenn man die Entwicklung der Innenstadt betrachtet, fallen zwei , drei Dinge auf:

    1. Die Tendenz zu größeren architektonischen Einheiten, ein Verlust der ästhetisch nicht unwichtigen Kleinteiligkeit zugunsten der Gleichförmigkeit. Die zwei von Dir angesprochenen Gebäude sind ja inzwischen zu einem Neubau verschmolzen. Ähnlich läuft es auch bei "Harms am Wall". Vorher drei Gebäude, jetzt nur noch eins mit einer total gleichförmigen, einheitlichen Fassade. Man hätte wenigstens darauf dringen sollen, dass hier wieder drei Gebäude entstehen.

    2. Wir sehen am Beispiel der Marinistraße, wie jetzt alles wieder rückwärts gehen soll. Die Martinistraße, einst für den Verkehr verbreitert, ab der Langenstraße kam es zu einem Durchbruch zur dort vormals verlaufenden Molkenstraße. Die autogerechte Stadt. Jetzt soll - grüne Politik - der Verkehr zurückgedrängt werden und damit ja auch die damaligen Ideen der modernen Stadtplaner. Soweit - so gut. Was mich aber schmerzt ist, dass die im Zuge des Martinistraßenneubaus zerstörten Gebäude nicht wieder zurückkommen. Hier wünsche ich mir auch ein zurück in die Zukunft.

    3. Viele der Gebäude, die abgerissen worden sind, sind völlig umsonst abgerissen worden. Das Lloydgebäude für den Hortenbau, der dann kaufhof wurde, der inzwischen in Bremen nicht mehr existiert. Das alte Zollhaus, für die Erweiterung der Sparkasse abgerissen, jetzt residiert die Sparkasse dort nicht mehr und den Erweiterungsbau braucht sich nicht. Der abriss des Vorgängerbaus der "Bremischen" für einen hässlichen Neubau. Die Bremische gibt es nicht mehr, sondern sie gehört jetzt Vonovia.

    Hallo findorffer, du bist wahrscheinlich Bremer, genau wie ich.

    Bremen ist ja in vielen Teilen eine schöne Stadt. Ich denke da nur an die östliche Vorstadt, Fesenfeld, Gete, die Neustadt und große Teile Schwachhausens. Selbst die Innenstadt hat schöne Ecken, so zB den Marktplatz, Domshof, Domsheide, die Böttgerstraße und den Schnoor.

    Die größten Probleme in Bremen sind mMn die Martinistraße, der Rembertiring und die Bürgermeister-Smidt-Str. Das Stephaniviertel ist schrecklich. Zudem haben viele Straßen in der Innenstadt einen Hinterhofcharakter dank 60er-Jahre Schrottarchitektur. So zB die Ansgaritorwallstraße. Dazu kommen die überdimensionierten Kaufhäuser in der Innenstadt: Karstadt Sport, Galeria Kaufhof, und die modernen Gebäude auf dem Platz der abgerissenen Ansgarikirche. Selbst das Karstadtgebäude gefällt mir nicht.

    Man könnte sehr viel aus Bremen machen - wenn nur Wille und ein Sinn für Schönheit vorhanden wären! Ich denke mir oft: Bremen benötigt einen Masterplan für die nächsten 50 Jahre, um die Innenstadt zu revitalisieren. Das geht nur mit Rückbau der Martinistraße und Bürgermeister-Smidt-Str. sowie dem Abriss der Hochstraße Breitenweg. Zudem der rigorose Abriss von Bausünden (zB Parkhaus am Brill). Dann könnte man nach und nach ehemalige Plätze und Straßenfluchten wiederherstellen, bedeutende Gebäude rekonstruieren (zB Essighaus) und Lücken mit historisierenden Häusern auffüllen, wie zB in Lübeck. Kleinteilige Bebauung wäre Pflicht.

    Das bleibt wohl leider ein Traum.

  • Bremen ist eine Stadt großer Gegensätze. Deshalb komme ich je nach Perspektive und Stimmung auch immer zu so gegensätzlichen Urteilen.

    Ich würde zum Beispiel behaupten, dass es einen Stadtteil wie das Ostertor in dieser Intaktheit und Kleinteiligkeit in keiner anderen deutschen Stadt vergleichbarer Größe mehr gibt. Das liegt zum einen natürlich an der sehr spezifischen Form der bremischen Stadterweiterung in Reihenhausform, aber zusätzlich weist das Ostertor auch noch vorgründerzeitliche Strukturen auf im Teil zwischen Osterdeich, Sielwall und Ostertorsteinweg. Auch der östliche Teil der Innenstadt ist angesichts der wirklich denkbar schlechten Lage der Stadt in Bezug auf die britischen Bomberflotten in überraschend gutem Zustand, auch wenn hier natürlich nach dem Krieg noch einiges versammelt wurde.

    Hinzu kommen Stadtteile wie die Östliche Vorstadt, in denen sich der Charakter dieser sehr spezifischen Form der gründerzeitlichen Stadterweiterung über weite Strecken noch sehr gut erfahren lässt, auch wenn unnötige Abrisse und die allgegenwärtigen unpassenden Renovierungen es vielerorts an wirklicher Geschlossenheit mangeln lassen.

    Bzgl. der Innenstadt befürchte ich auch, dass die Chancen, die sich aus dem absolut notwendigen Umbau nun ergeben, nicht genutzt werden. Es reicht nicht nur, die Autos auszusperren, man muss auch das architektonische Umfeld verbessern. Egal, wie viel Blumenkübel und Fahrradspuren man auf die Martinistraße stellt oder malt, das Umfeld ist so unattraktiv, dass daraus kein "Boulevard" werden kann.

    Die Rückzieher Jacobs' bei seinem Projekt "Balgequartier" und der Stillstand um das Parkhaus Mitte lassen mich ehrlich gesagt wenig optimistisch in die Zukunft blicken. Es regieren entweder Stillstand oder werden dieselben Fehler der Vergangenheit in etwas modernerer Form nur wiederholt werden, zu große Strukturen, monofunktional, statt Nutzungsvielfalt und Kleinteiligkeit. Wir werden in 30 Jahren mit den nun projektierten Gebäuden vor denselben Problemen wie heute stehen. Der einzige Hoffnungsschimmer ist, dass die "retail apocalypse" gerade noch rechtzeitig vor weiteren großen städtebaulichen Fehlern eingesetzt hat.

    Wenigstens wird niemand, der solche Projekte anfasst, noch im gleichen Maße mit Mieteinnahmen aus Einzelhandelsflächen rechnen können wie bis vor ein paar Jahren. Corona hat diesen Prozess nur beschleunigt. Man kann nur froh sein, dass das vor ein paar Jahren geplante Großeinkaufszentrum im Bereich des jetzigen Lloydhofs gescheitert ist. Man stünde sonst statt mit 40 oder 60 Jahre alten Leerimmobilien mit 10 Jahre alten da.