Bremen - Innenstadt

  • Man bleibt sprachlos zurück....

    Beispiel 1: Das Gebäude neben dem Thein-Haus (Ecke Herdentorsteinweg/Bahnhofstraße) war also tatsächlich noch ein Vorkriegsbau, es wurden in der Summe 2 Altbauten abgerissen, die man durchaus hätte wiederaufstocken und dann die Fassade wiederherstellen können.

    Beispiel 2: Nicht nur das in den verbreiterten Schüsselkorb hineinragende Katharinenhaus neben dem Renaissancehaus Beckröge wurde abgerissen, auch rechts dieses Hauses stand in der ehemals durchaus präsentablen Katharinenstraße (heute degradiert zu einer düsteren Parkhauszufahrt) ein ordentliches Geschäftshaus und nun ein unvorstellbar hässlicher Waschbetonklotz.

    Beispiel 3: Das Schleppschiffahrtshaus.... unfassbar. Und das jetzt von "Vonovia" genutzte Nachfolgergebäude wurde damals bestimmt noch als angepasster Neubau verbrämt mit seinem nicht grauen, sondern rötlich eingefärbten Waschbeton und den angedeuteten Zwerchgiebeln auf dem Dach. Sie wussten genau, was sie taten, sonst hätten sie nicht diese peinlichen Rechtfertigungen machen müssen. Das ist eines der Häuser, die einfach nur "wegmüssen", diese horizontalen Waschbeton-/Fensterbändergebäude der frühen 70er sind für mich der absolute Tiefpunkt der an Tiefpunkten nicht eben armen Nachkriegsarchitekturgeschichte.

    Beispiel 4: Das Haus der Weserschiffahrt, ein elegantes, giebelständiges Haus - abgerissen für die Verbreiterung der Tiefer... nun nur noch diese "sinnlosen" Arkaden dort, wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, funktionslos und sanierungsbedürftig. Ein klassisches Opfer der autogerechten Stadtplanung.

    Gerade die Grünen müssten doch mitmachen bei einer Korrektur dieser Fehler, vom Rembertikreisel über die überdimensionierte Martinistraße und Tiefer, von der Hochstraße über die schrecklichen Parkhäuser (das hässlichste und zerstörerischste das "Parkhaus Katharinenklosterhof" (wie lächerlich, welcher Hof? welches Kloster?) über den Ruinen des ehemaligen Katharinenklosters.... merken Sie, wie diese Leute auch durch die Übertragung der alten Namen immer versucht haben, sich die Hände reinzuwaschen von der Schuld der Zerstörung? "Katharinenpassage", "Lloydpassage" und wie sie alle heißen...Es gibt sogar noch einen 70er Jahre-Klotz namens "Jacobihaus" an der Martinistraße, nun ein völlig sinnloser Name angesichts der Tatsache, dass wirklich gar nichts mehr übrig ist von den namengebenden Gebäuden/Orten und Plätzen.

  • Sehr sehr traurig und beunruhigend finde ich die Tatsache, daß rein gar keine Verbesserung in Sicht ist. Nein, im Gegenteil. Wenn ich an Bremen denke, habe ich automatisch ein bestimmtes Baumaterial und einen definierten Farbton im Sinn - rötlich brauner Sandstein und Backstein. Orientiert an Rathaus, Dom und Hauptbahnhof. Was heute gebaut wird, hat, außer den deplatzierten Formen, auch noch das falsche Material an den Fassaden. Ein super Beispiel ist eben dieser Dudler an der Bahnhofstraße. Oder dieses peinlich banale "City-Gate", welches ja auch von Herrn Max Dudler verzapft wurde. Oder etwa der Trümmer, der von Kühne & Nagel erbaut werden soll. In meinen Augen hat das so gar nichts Bremisches an sich. Man neigt zur Verzweiflung, weil die Zerstörung einfach fortschreitet. Wieso macht die Stadt nicht Material und Bauform zur Bedingung?

    Im Jahre 2010 war ich zuletzt in Bremen. Ich erinnere mich an eine Situation, als mich zwei chinesische Touristinnen darum baten, ein Bild von ihnen vor dem Roland zu machen. In diesem Moment war es mir tatsächlich unangenehm, daß Touristen aus aller Welt nur noch unsere kaputten und geschundenen Städte zu Gesicht bekommen. Das macht mich unendlich traurig.

    Was ist übrigens aus den Aufstockungsplänen der Baumwollbörse geworden? Hat da jemand aktuelle Informationen? Das Projekt scheint mir irgendwie tot zu sein.

  • Alles unfassbar hässlich alle diese einformige Neubauten....und es war alles in 1940 so wunderbar schön im rotem Backstein, herrliche Dächerlandschaften, Türmen und lebbare, liebenswürdige Stadt. So schön wie die Städte in Italien oder Frankreich. Dann Bombenkrieg......vieles beschädigt oder sogar kaputt, aber eigentlich auch gut reparierbar...

    Ab 1946: Die meisten Dächer werden repariert.....Ruinen noch nicht abgebrochen. Das Leben kommt wieder in der Stadt zurück, die Bürger, dazu vielen aus Ostdeutche Gebieten haben wieder Arbeit und ein Ziel.

    !950-1960: Alles kommt wieder in Ordnung in D. Made in Germany, Gastarbeiter aus Italien und Spanien.

    1960-2018: die einstige schöne und wunderbare Stadt wurde am vielen Stellen ersetzt von Schrott und immer unter falschen Zielsetzungen........Verkehr oder Neubau!!! Aber dass sieht leider nicht so schön aus.......

    2019: wird es eine Änderung zurgünste der ehemalige geschlossen, kleinteilige Stadt geben mit Materialen im Sinne des Architektonisches Character von Bremen?? Gibt es Bewusstsein oder Pläne um die Fehler der Vergangenheit zu beiseitigen??? Ich sehe immer mehr riesige Rasterfassaden statt Reparatur!!!

  • Lieber Neußer,

    bei mir gesellt sich zu der Scham wegen des banalen und häßlichen Aussehens unserer Städte - zumal Bremens - gleichzeitig eine seltstame Form der Erleicherung, daß nämlich die Narrenhände der allgegenwärtigen Graffisprayer die verschwundenen baulichen Juwelen nicht mehr besudeln können. Letzteres ist aber nur ein Ansporn Rekonstruktionen mit abweisenden Fassadenfarben bzw. Überzügen gegen derartigen Vandalismus zu wappnen.

    Was die geplante Aufstockung der Baumwollbörse angeht, so hat man - zumindest in der Offentlichkeit - schon seit Langem nichts mehr davon gehört. Vielleicht hat ja der in der Presse seinerzeit lancierte Vergleich der Entwurfszeichnung mit Tolkiens Turm von Mordor gesessen...

  • Lieber Klassiker,

    Ihre Befürchtung kenne ich auch. Diese wurde schon einmal so formuliert: 'Wenn das in Bremen so weitergeht, dann haben wir bald eine durchgehende riesige Einkaufspassage, die aus einem einzigen Gebäude innerhalb des Wallgrabens besteht und über deren diversen Zugängen - als einzige Reminiszens an den historischen Ursprung des Areals - der Schriftzug 'Altstadt' prangt'. Dies ist natürlich eine Horrorvorstellung, aber wenn wir nicht aufpassen, dann fährt der Zug tatsächlich in diese Richtung.

  • In der Tat, Pagentorn, geht es in diese Richtung: aus Zwei mach Eins (Dudler - Ecke Bahnhofsstraße) aus Drei mach Eins (Harms am Wall), aus Fünf (?) mach keins (Tiefer, oberhalb der Arkaden) usw.

  • Bremen – die Quintessenz der europäischen Stadt


    Diese Aussage wird heute Viele sicherlich verwundern und auch verständnislos den Kopf - ob dieser vermeintlichen Hybris - schütteln lassen. Vor hundertsechs Jahren wurde aber genau das dem nordamerikanischen Publikum vermittelt: Wer keine Zeit habe, lange in Europa herumzureisen, der finde in Bremen alles, was eine Stadt des alten Kontinents ausmache. So ein englischsprachiger Reiseführer aus dem Jahre 1912.

    Und einem deutscher Cicerone von 1903 fällt es nicht schwer, einen dreitägigen Aufenthalt locker mit einem dicht gedrängten Programm an ‚abzuarbeitenden’ Stationen zu füllen.

    Die heutigen Tourismusverantwortlichen der Stadt schauen neidisch auf diese Zustände. Aber die ihnen übergeordneten politischen Verantwortungsträger sind nach wie vor noch nicht bereit anzuerkennen, daß es einzig und allein an der ‚Verinselung’ des Historischen in der Altstadt liegt, die die Verweildauer der Gäste von drei Tagen auf wenige Stunden hat zusammenschrumpfen lassen. Und zu dieser Verinselung haben sie selber aber insbesondere ihre Vorgänger in den letzten über siebzig Jahren kräftig beigetragen…

    Wenn wir also zu den paradiesischen touristischen Zuständen von vor 1914 zurückkehren wollen, dann werden wir nicht umhin können, kräftig am historischen Erscheinungsbild der Altstadt zu feilen und das heißt nun einmal in ganz wesentlicher Hinsicht: REKONSTRUIEREN was das Zeug hält !

    Abbildungen 01 bis 03
    Titelblatt und Einleitung des englischsprachigen Bremen-Führers von 1912.

    Abbildungen 04 und 05
    16. Auflage von Scheller’s Führer durch Bremen aus demJahre 1903.


    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (30. Dezember 2018 um 22:35)

  • Das Gebäude des Staatsarchivs


    Der größte Verlust an der Tiefer trat – ausnahmsweise (muß man hier ja wohl schon sagen) – nicht erst in der Nachkriegszeit, sondern bereits im Februar 1945 ein, als das 1909 in Benutzung genommene und von Albin Zill erbaute, erste eigene Staatsarchivgebäude in der Geschichte der Stadt, bei einem Bombenangriff weitestgehend zerstört wurde. Es war die Wirkungsstätte der großen Archivdirektoren Wilhelm von Bippen, Hermann Entholt und Friedrich Prüser, sowie für mehrer Jahrzehnte das El Dorado für Stadthistoriker und an Bremischer Geschichte Interessierter gewesen. Die Ruine stand noch bis in die 50er Jahre und mußte dann – wie so viele andere Gebäude der Umgebung - der Straßenverbreiterung weichen.

    Abbildung 01
    Stadtkarte von 1938 mit rot markiertem Standort des Staatsarchivs.

    Abbildungen 02 und 02a
    Das Staatsarchivgebäude von 1909 an der Ecke Tiefer / Klosterstraße. Diese Einmündung besteht heute nicht mehr. Im Hintergrund links erkennt man den Turmhelm von St.Martini an der Martinistraße. Abbildung 02a zeigt den gegenwärtigen Zustand.

    Abbildungen 03 und 04
    Luftbild aus den 1920er Jahren im Vergleich mit einem Luftbild der Gegenwart. Der Standort des Archivgebäudes von 1909 ist jeweils durch einen roten Kreis markiert.

    Abbildung 05
    Das Archivgebäude nach dem Angriff im Februar 1945. Hätte man dieses Fassadenrelikt noch retten können ?

    Abbildung 06
    Der Fassadenrest auf dem Farbfoto der 1950er Jahre (rot eingekreist).

  • Bremen wird immer mehr zu einem der größten Skandale des BRD-Wiederaufbaus. Man muss den Eindruck haben, dass hier fast mehr durch Abrisse als durch den Krieg verloren ging. Was Pagentorn hier so fantastisch zusammen trägt, ist eine Anklage an alle Entscheidungsträger der damaligen Zeit. Hier wurde Kultur aktiv vernichtet. Es ist furchtbar. Es fehlen einem eigentlich die Worte :crying:

    APH - am Puls der Zeit

  • Das Bremer ‚Katharineum’


    Die bis in den 2. Weltkrieg hinein existierende ‚Realschule in der Altstadt’ war in einem Gebäude angesiedelt, welches in seinem Kernbereich noch aus Teilen des ehemaligen Dominikanerklosters St. Katharinen bestand. In nachreformatorischer Zeit zunächst als städtische Lateinschule und später dann als quasi universitäres ‚Gymnasium Illustre’ genutzt, zog nach Übersiedlung der ab dem 19. Jahrhundert ‚Altes Gymnasium’ genannten höheren Lehranstalt an die Dechanatstraße, die ‚Realschule in der Altstadt’ in das Gebäude ein, für die der Bau in mehreren Etappen erweitert wurde. Ein weiterer Nutzer war über mehrer Jahrzehnte - bis zu ihrem Umzug an den Breitenweg - die Stadtbibiliothek (die heutige Staats- und Universitätsbibliothek). Wichtig zu wissen ist noch, daß die in das Gebäude integrierten alten Klosterräumlichkeiten (ein Teil des Kreuzgangs, sowie das Refektorium), das erste öffentliche Domizil der von Johann Focke angelegten stadthistorischen Sammlungen bildete, bevor diese dann – wegen Platzmangels – in den Dom-Anbau und später in das ehemalige Armenhaus an der Großenstraße verlegt wurden. Der Turm der Schule hatte die Funktion des Dachreiters der benachbarten – zuerst als städtisches Zeughaus und später als Packhaus zweckentfremdeten – Klosterkirche übernommen und gab den umliegenden Straßen mit seinem Stundenschlag die genaue Uhrzeit an (diese Funktion hat in der Nachkriegszeit die - bis heute aktive - Dachuhr der Firma Grüttert an der Ecke Sögestraße /Schüsselkorb / Knochenhauerstraße übernommen). Der Bombenkrieg hatte das Gebäude der Schule zwar schwer getroffen, die Außenmauern und der Turm waren aber offensichtlich noch stabil. Leider hat man sich dafür entschieden, lediglich die mittelalterlichen Räumlichkeiten zu erhalten, die oberen Geschosse aus dem 19. Jahrhundert aber abzureißen. Über den Klosterrelikten wurde dann das Katharinen-Parkhaus errichtet, oder wie man heute sagt die ‚Katharina’. Ein weiterer Beleg für den von Heinzer völlig zurecht monierten ‚Namens-Fetischismus’, den man auch als Etikettenschwindel bezeichnen könnte.

    Wenn auch die Realschule in der Altstadt mit dem Katharinenkloster auf eine dominikanische Tradition zurückblickte und das Katharinenkloster in der Schwesterstadt Lübeck eine franziskanische Gründung war, so erinnert der riegelartige, neugotische Baukörper der Realschule doch sehr an ähnliche Baustrukturen des rennomierten Lübschen Gymnasiums, zu dessen Schülern auch Thomas Mann zählte. Man könnte somit – in hansischer Verbundenheit – diese Bremer Schule als Bremer ‚Katharineum’ bezeichnen…


    Abbildung 01
    Lage der Realschule in der Altstadt; auf der Stadtkarte von 1938 rot markiert.

    Abbildung 02
    Luftbild welches die – durch einen roten Kreis markierte -Schule von Westen her zeigt.

    Abbildung 03
    Vergrößerter Ausschnitt von Abbildung 02.

    Abbildung 04
    Luftbild der Schule von Südost. Rechts hinter dem Gebäude ragt der – zum Packhaus profanierte - Chor der einstigen Klosterkirche in Richtung Schüsselkorb.

    Abbildung 05
    Luftbild der Schule von Süd. Turm und Turmhelm sind deutlich zu erkennen.

    Abbildung 06
    Luftbild der Schule von Ost; man sieht die Gebäuderückseite.

    Abbildung 07
    Ansichtskarte der repräsentativen West- bzw. Vorderseite. Im linken – neugotischen Flügel – befanden sich im Erdgeschoß die – bis heute erhaltenen – Relikte des Katharinenklosters. Der Turm enthielt die Glocke für den Stundenschlag.

    Abbildung 08
    Die Ruine in der Nachkriegszeit. Die Klosterräume im Erdgeschoß des Westteils des Gebäudes sind mit Brettern vernagelt, um sie vor der Witterung zu schützen. Warum nur, entschied man sich für den Abbruch der stattlichen Gebäudeteile des 19. Jahrhunderts !? Natürlich nur eine rein rhetorische Frage !

    Abbildungen 09 und 10
    Der Vergleich der Luftbilder von Westen macht mehr als deutlich, wie sehr sich der Stadtraum durch den Austausch der Schule durch das Parkhaus verändert hat…

    Abbildung 11
    Luftbildvergleich aus Richtung Süden.

    Abbildung 12
    Der Unterbau des 'Turm-Traktes' der Realschule hatte übrigens eine erstaunliche Ähnlichkeit (insbesondere hinsichtlich des Portals, der Zahl der Fensterachsen und den Rundbogenformen der Fenster des 1.Obergeschosses) mit dem heute noch bestehenden Gebäude des sog.'Landherrenamts', dem ehemaligen Dienstsitz der für das seinerzeitige Bremische Landgebiet zuständigen zwei Senatoren, welches sich an der Dechanatstraße befindet. Das Landherrenamt wurde 1856/57 nach Plänen des Baudirektors Alexander Schröder erbaut. Möglicherweise ist Derselbe auch der Architekt des 'Turmflügels - in dessen Originalversion (Turm und 'Giebel-Geschoß' scheinen später aufgesetzt worden zu sein) - gewesen. Dies wäre noch zu klären.

    10 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (31. Dezember 2018 um 13:56)

  • Ein simpler Ahorn als Ersatz für das einst dort stehende Katharinenhaus.
    Dieses Foto aus Pagentorns Beitrag Nr. 94 hat für mich zweierlei Symbolwert.

    Da wäre zunächst die Boshaftigkeit einer Satire zu nennen. Da reißen unsere Väter und Großväter das alte Bremen in einem nahezu frommen Wahn nieder, so, als könnten sie mit dem Abriss der gebauten Vergangenheit sich gleichfalls ihre nationalsozialistische Vergangenheit entledigen. Genauso muten unsere Vorfahren an, als stünden sie unter großem posttraumatischen Zwang: Die Tage und Nächte, die sie unter Luftangriffen und in Luftschutzräumen und -bunker litten, ebenso wie sie das verzweifelte Löschen der verheerenden Brände erlebten, die Bilder der Feuersbrunst und den davor fliehenden Menschen, die von der gewaltigen Sogwirkung der wütenden Feuer von den Beinen gerissen wurden wie ein Laubblatt im Sturm und in der großen Hitze des Feuers verdampften. Und um diesen Bildern im Kopf zu begegnen, wollten sie „Licht und Luft“ in die Innenstädte bringen, die Menschen sollten hier bitte nicht mehr verbrennen bzw. wohnen, sondern nur noch in gut durchlüfteten Quartieren geschützt sein, und diese Quartiere sollten bitte auf der grünen Wiese entstehen - und nicht hier in der Innenstadt. Wie gut, dass die Pläne dafür bereits in den Schubläden der Ämter lagen – so brauchte man keine neue Architekten und Planer konsultieren oder beauftragen. Dass diese Pläne einer nationalsozialistischen Gesinnung folgten – wer störte sich damals daran? Und vor allem: Wer wusste davon?
    Und so rollten statt Panzer plötzlich Kräne und Raupen durch die Innenstädte. Und statt des Bombeneinschlags hört man nun das Wummern der Abrissbirnen überall. Wen sollte es kümmern? Das Stadttheater, das Staatsarchiv, das Stadtmuseum im ehemaligen Armenhaus? Sie alle symbolisierten die Vergangenheit – und dieser Vergangenheit durfte man sich nicht länger erinnern. Sie galt in jenen Jahren als durchweg schlecht und verdorben. Eine neue Identität musste her. Alles musste irgendwie neu gemacht werden, einfach: Alles Neue macht der Mai. Bezogen auf die Städt lautete das: Alles Neue machen die Stadtplaner. Allen voran solche Größen wie Rudolf Hillebrecht – ein Mann, der 1944 den „Wiederaufbau“ unter Albert Speer in dessen Stab organisierte (Wiederaufbau im Sinne eines nationalsozialistischen, an groß-monumentalen Idealen orientierenden Baustils – keinen Wiederaufbau im kulturhistorischen Sinne). Kaum zu glauben, dass ein Mann von solcher Gesinnung einen solchen Hype in der jungen Bundesrepublik auslöste und jeder so bauen lassen wollte wie Hillebrecht in Hannover und diese "Größe des Wiederaufbaus" gar als Berater oder Juror in andere Stadtplanungen involvierte.
    Dass der geplante Innenstadtring oder die Mozart-Trasse in Bremen nicht kamen, dafür können wir dankbar sein. Auch wenn solche Gebäude wie das Katharinenhaus oder das Katharinenkloster oder das Staatsarchiv - und viele, andere Gebäude auch - dem weichen mussten. Es mutet daher grotesk an, wenn statt des einstigen Gebäudes dort nun ein simpler Ahorn steht. Im Falle des ehemaligen Klosters und Schule bebaute man die plötzliche Baulücke kurzerhand mit einem Parkhaus! - Eine weitere, baupolitische Satire im so Satire-reichen Bremer Stadtstaat.
    Und somit komme ich zur zweiten Symbolkraft des Bildnisses mit Baum:
    Ich bin froh, dass auf dem Platz kein Dudler-Bau entstanden ist (bisher jedenfalls nicht – und ich würde mich persönlich dort anketten, wenn dennoch solche Pläne aufkommen sollten!!). Ich bin froh, dass man damals dort einen Baum gepflanzt hat. Wenn die Litfaßsäule nicht wäre, dann wäre dieser winzige Platz mit Ahorn, Rundbank und altem Beckröge-Haus (dem Bremer auch als „Knurrhahn“ bekannt) ein wahres Kleinod inmitten der umgebenden, finsteren Urbanität, zu der die Bremer Innenstadt in den letzten sechs Jahrzehnten verkommen ist. Ein Platz, der mich irgendwie an das alte Brauhaus in Bochum erinnert. Ein Platz voller Intimität, eine kleine Oase; und zugleich Mahnmal und klaffende Wunde in einem Herzen voller Erinnerungen an eine einst strahlende, unverwechselbare, tief wurzelnde Vergangenheit.

    Ansonsten kann ich hier, wenn ich diese schmerzenden Beiträge im Strang verfolge, nur den Worten Heinzers beipflichten: „Man bleibt sprachlos zurück...“.
    Und fassungslos....

    Ich wünsche allen hier im Forum einen guten Rutsch ins neue Jahr.

  • Zur Katharinenklosterruine äußerte sich Eberhard Syring, seines Zeichens Architekturhistoriker, in einem Beitrag der Regionalsendung Buten un Binnen:
    An dieser Stelle sollte eine Straße gebaut werden, um eine Verbindung Richtung Weser/Neustadt herzustellen. Es kam deshalb zum Abriss der Ruine. Als diese dann weg war, wurde umdisponiert. Die geplante neue Straßenführung wurde verworfen. Aber die Klosterruine war nun bis auf einen kleinen Rest größtenteils verschwunden.
    Wem könnte man es verdenken, wenn er/sie Bremen als Vorbild für die Schildbürgergeschichte sieht. Der frühere Name von Bremen, glaube ich, war ja Brema. Vielleicht falsch überliefert, in Wirklichkeit müsste es wohl Schilda heißen, dann bekommt für uns Foristen auch manche nur noch als böser Scherz anzusehende Vernichtung des Stadtbildes plötzlich eine ganz neue Bedeutung.

    Pagentorn sprach in seinem Katharinenkloster-Beitrag das Landherrenamt an. Dazu zwei Fotos - vorher und nachher- von mir, und zwar von dem Gebäude, das einst direkt daneben stand. Ich habe es - wie schon einige andere Bilder zur Innenstadt, aus dem Buch von Klaus Warwas entnommen: "Wird Bremen immer häßlicher".

    Dechanatstraße 2 vorher:

    und nachher:


    links das von Pagentorn angesprochene Landherrenamt.

  • Ergänzungen zur Dechanatstraße Nr. 2

    Ich erlaube mir, als Vergleich zu dem von findorffer eingestellten Bild des Neubaus der Dechanatstraße Nr. 2, hier ein Foto aus den Beständen des online-Archivs des Landesamtes für Denkmalpflege hinzuzufügen, welches die Situation vor dem Umbau aus dem gleichen Blickwinkel zeigt (Im Hintergrund erkennbar: Dach und Dachreiter der ehemaligen Franziskaner-Klosterkirche St.Johann) . Zudem ist die Lage des Hauses wieder auf der Stadtkarte von 1938 rot markiert:


  • Deutschordenskirche St. Elisabeth


    1230 siedelte sich der Deutsche Orden in Bremen an und zwar durch die Übernahme des bereits bestehenden Heiliggeist-Spitals an der Ostertorstraße, dessen Hospitalbetrieb von ihm weitergeführt wurde. Über der alten Heiliggeist-Kapelle, die dadurch zur Unterkirche wurde, begann der Orden mit der Errichtung einer neuen großen Kirche, von der allerdings nur – ähnlich wie bei ‚Maria Schnee' in Prag – nur der Chorraum fertiggestellt und der Heiligen Elisabeth geweiht wurde. Spital, Wohngebäude der Ordensherren und Kirche waren seither als ‚Deutsches Haus’, oder ‚Komturei’ bekannt. Nach der Reformation erwarb die Stadt das Deutsche Haus und richtete in den Profangebäuden die städtische Münze ein. St. Elisabeth wurde 1674 zu einem Packhaus umgebaut. Während die ehemalige Münze – in den 1930er Jahren als ‚Komturhaus’ bekannt – im 2. Weltkrieg weitestgehend zerstört worden war, blieb die profanierte Kirche St. Elisabeth weitgehend erhalten. Dennoch wurde das ‚Packhaus’ in der Nachkriegszeit abgeräumt und lediglich die alte Unterkirche ‚Zum Heiligen Geist’ blieb mit der Mehrzahl ihrer Joche erhalten. Dort befindet sich heute das Kellerrestaurant ‚Comturei’.

    Abbildung 01
    Lage von St. Elisabeth und Deutschordens-Komturei auf der Stadtkarte von 1938 (rot markiert).

    Abbildung 02
    Das ehemalige Gebäudeensemble des Ordens auf einem Luftbild aus dem 2. Weltkrieg.

    Abbildung 03
    So rekonstruierte das 19. Jahrhundert das mutmaßlichen Aussehens von St. Elisabeth.

    Abbildung 04
    Grundriß von St. Eilsabeth und Deutschem Haus. In oranger Farbe eingezeichnet sind die Joche, die bis heute von der Heiliggeist-Unterkirche und dem Keller des Deutschen Hauses erhalten sind und zum Keller-Restaurant ‚Comturei’ gehören.

    Abbildung 05
    Ansicht des Gesamtareals auf dem Braun / Hogenberg Stadtplan vom 1588/89.
    (Beschriftung und farbliche Bearbeitung von mir.)

    Abbildung 06
    Die Braun / Hogenberg Ansicht in eine aktuelles Luftbild hineingesetzt.

    Abbildung 07
    Blick in die Komturstraße (jeweils mit Blickrichtung nach Nordwesten):
    Links - Vorkriegszustand mit ‚Komturhaus’ und Packhaus-Fassade der ehemaligen Kirche St. Elisabeth. Mitte -Nachkriegszustand. Rechts - Der nach Abriß der Kirche errichtete Südflügel des Amtsgerichts Bremen.

    Abbildung 08
    Nachkriegsaufnahme der ehemaligen Kirche. Man erkennt deutlich die Strebepfeiler des polygonalen Chorhaupts, sowie den beim Umbau zum Packhaus 1674 aufgesetzten hohen Giebel.

    Abbildung 09
    Der Blick von Südwest auf die – durch die Kriegszerstörungen der Nachbargebäude freigelegte - ehemalige Kirche beweist, daß es sich bei ihr lediglich um den Chorbereich einer einst wesentlich größeren Planung handelte. Im Hintergrund links ist das Gerichtsgebäude an der Ostertorstraße und im Hintergrund rechts ist der Dachreiter des Polizeihauses am Wall zu erkennen.

    Abbildung 10
    Der Vergleich des Luftbilds aus der Kriegszeit mit einem ebensolchen aus der Gegenwart offenbart so einige der Bausünden in diesem Teil der ‚Altstadt’: Den nicht wiederaufgebauten Ostturm des (Land-) Gerichtsgebäudes; die Schindel-Deckung desselben, statt der Kupferdeckung; den abgerissenen Seitenflügel der Kaiserlichen Hauptpost an der Domsheide; den verkürzten westlichen Flügel des ‚Alten Gymnasiums’ an der Dechanatstraße (südlich des Postamtes); das verschwundene Stadt-Theater am Wall; etc., etc. !


  • Buchtstraße 67 – 68


    Die Verbreiterung der Violenstraße in der Nachkriegszeit (insbesondere von deren nordwestlichem Teil, der ehemals zur Buchtstraße gehörte) hat aus einem vordem kleinen Platzensemble am Zusammentreffen dreier Straßenzüge (Bucht-, Sand- und Violenstraße) einen unwirtlichen Ort gemacht. Insbesondere die Ecke Sandstraße / Buchtstraße (jetzt verlängerte Violenstraße) wirkt bis heute wie aufgerissen. Der Verlust des vornehm klassizistischen und – für den von Osten her Kommenden – das Straßenbild entscheidend prägenden -ja regelrecht ‚abrundenden’ - Eckgebäudes, Buchtstraße 67-68, ist noch lange nicht verheilt…

    Abbildung 01
    Luftbild der Situation in der Gegenwart.


    Abbildung 02
    Die heute unvermittelt an der Straßenecke stehende, hohe schmucklose Giebelwand des vordem innerhalb der Straßenzeile eingebundenen, traufenständigen Hauses Sandstraße Nr. 2, offenbart, daß die jetzige Situation durch eine jegliches Feingefühl für die Altstadt vermissen lassenden Aktion der Stadtplaner entstanden ist: Eben durch den Abriß der beiden Nachbargebäude (Sandstraße 1 und Buchtstraße 67-68), sowie der in der Buchtstraße (heute verlängerte Violenstraße) in Richtung Nordeen einst folgenden Häuser.

    Abbildung 03
    Die Buchtstraße Nr. 67-68 auf der Stadtkarte von 1938 rot markiert.

    Abbildung 04
    Das Haus Buchtstraße Nr. 67-68. Vorn rechts im Bild die Treppenanlage des alten Nordeingangs zum Gerichtsgebäude. Rechts geht der Blick in den westlichen Teil der Buchtstraße (heute verlängerte Violenstraße).

    Abbildung 05
    So könnte es heute wieder aussehen, wenn die abgerissenen Gebäude an ihre angestammten Plätze zurückkehren würden.

    Abbildung 06
    Das vom Gebäude Buchtstraße Nr. 67-68 stammende ornamentale Rankenwerk, wurde nach dem Abriß in den Schnoor transloziert und am Haus Ecke ‚Am Landherrenamt’ /Kolpingstraße angebracht. (Online-Bildarchiv der Landesdenkmalpflege Bremen).

  • Westliches Stefani-Viertel

    Im Luftbild das alte Stefani-Viertel aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Zentral ist das Bamberger-Hochhaus zu sehen. Wir sehen einen von Vielfalt und Abwechselungsreichtum geprägten Stadtteil, links neben dem Bamberger ein Jugendstilgebäude mit einem Fünfetagen-Turm. Dort steht heute ein Parkhaus, wie weiter unten zu sehen ist.

    Viel wurde hier im Krieg zerstört und nicht wieder aufgebaut, es gehört wohl zu den besonders vernachlässigten Vierteln in der Bremer Innenstadt. Wir schauen unten aus der Diepenau auf das inzwischen rekonstruierte Bamberger, links daneben das Gelände des ehemaligen Jugendstilhauses.

    Unten: Der Blick geht von der Diepenau rechts herum in die Faulenstraße Richtung Brill. Hier zeigt sich sehr deutlich die Nachlässig- und Einfallslosigkeit der Moderne, die offensichtlich nur eins kann: Tristesse erzeugen. Wo einst viele kleinere Gebäude standen, wird der Platz auf der Nordseite der Faulenstraße nun besetzt von fünf großen Blöcken, die sich auch noch recht ähnlich sehen.

    Die Moderne hatte 2019, mehr als 70 Jahre nach den Kriegszerstörungen, Zeit, alles besser und schöner zu machen. Es gab eine einmalige Chance, die übrigens genau so von den modernen Stadtpanern und Architekten bezeichnet worden ist. Was ist daraus geworden? Unsere Städte - hier am Beispiel Bremen - sind hässlicher geworden als je zuvor. Nie hat die Architektur scheußlichere Gebäude in die Welt gesetzt, eine Bausünde jagt die nächste.

  • Parallel zur Faulenstraße verläuft die Langenstraße im forderen Bereich am Brill. Dort wurde vor einiger Zeit ein Neubau erstellt.

    Wie wäre nun die Beschreibung diese Gebäudes in der berüchtigten Architektenprosa ausgefallen? Ein Versuch:

    Der Neubau passt sich hervorragend in die historische Bebauung ein: Seine angedeuteten weißen Säulen korrespondieren mit der Kolossalordung des rechts im klassizistischen Stil erbauten Gebäudes und nimmt mit seiner Vertikalbetonung Kontakt zum am links stehenden Haus mitsamt seinem Erker auf. Seine Mittellage wirkt in der Gesamtschau ausgleichend, es wurde ganz bewusst auf ein Walmdach verzichtet, um die Dachkontruktionen der Nebengebäude hervorzuheben. Seine schnörkellose Architektursprache besticht äußerlich durch die klare Form und im Inneren durch helle, lichte Räume. Dieses Sahnestück in hochattraktiver Innenstadtlage mit Weserblick, umrahmt von schönen, hisitorischen Gebäuden, spricht besonders die Interessenten an, die gerne mitten in einer pulsierenden Großstadt mit all seinen kulturellen Vorteilen leben, aber gleichzeitig die Ruhe des Standortes genießen wollen.

  • Ja, dieser Bereich um das "Bamberger" und die Faulenstraße weiter östlich davon ist sicherlich einer der übelsten in der westlichen Innenstadt. Selbst die Wiederherstellung und Wiederaufstockung des an sich durchaus imposanten Bamberger Kaufhauses aus den späten Zwanziger Jahren wurde verbockt durch die falschen Fensterprofile, diese waren sehr filigran und die Horizontale betonend und sind nun stumpf asymmetrisch geteilt mit viel zu dicken weißen Plastikrahmenprofilen. Bei Häusern aus dieser Epoche steht und fällt alles mit der Fenstergliederung, wenn man meint, es würden auch Fenster wie in den frühen Achtzigern reichen, dann sieht es halt auch aus wie frühe Achtziger.

    Dein Beispiel vom Westende der Langenstraße ist auch sehr schön. Wir haben es hier ironischerweise zwischen dem kleinen Platz, wo früher das Kornhaus stand (und der namensgebende Fangturm) und der Bgm.-Smidt-Straße mit dem fast geschlossenst erhaltenen Teil dieser Straße zu tun, neben den beiden Altbauten, die den misslungenen Neubau umrahmen gibt es auch gegenüber noch eine sogar geschlossene Reihe von gründerzeitlichen Bauten inkl. des Design-Hotels an der Schlachte. Aus diesem Straßenraum könnte man -wenn man Axel Spellenbergs Ideen verwendete, der ja auch die Überbauung des auf Deinem Fotos rechts angeschnittenen "Parkplatz"-Grundstücks vorsieht- zusammen mit der Rekonstruktion des Kornhauses sogar richtig etwas machen.

  • Langenstraße Nr. 69 und 70

    Übrigens sind die Vorgängerbauten auf den Grundstücken Langenstraße Nr. 69 und 70 im Themenstrang 'Bremen-Am Brill-Sparkassenquartier' Seite 1, laufende Nummer 16 - in Bezug auf die mehrfache Translozierung der Fassade der Nr. 70 - schon einmal thematisiert worden.

    Anbei das dort einschlägige Bild:


    Hier nochmal das von findorffer eingestellte Bild zum Vergleich:

    Von links nach rechts: Häuser Nr. 71, 70/69 (von findroffer beschriebener Neubau), 68.