• Die Neue Börse


    Sich für die, zwischen 1861 und 1864 von dem aus Bremen-Oberneuland stammenden Architekten Heinrich Müller errichtete, ‚Neue Börse’ am Marktplatz stark zu machen, ist so ziemlich das Undankbarste was ein Rekonstruktionsfreund in Bremen tun kann. Denn zum einen steht ihr Nachfolgebau, das Gebäude der Bremischen Bürgerschaft, mittlerweile unter Denkmalschutz, was einen baldigen Abriß extrem unwahrscheinlich macht und anderseits gibt es zwar Viele, die eine Rückkehr der 1861 zugunsten der Neuen Börse abgebrochenen Giebelhäuser begrüßen würden – dies tat z.B. vor dem Bau der Bürgerschaft auch die Lüder-von-Bentheim-Gesellschaft, aber eine Rückkehr der neuen Börse selbst zu fordern, käme wohl den Wenigsten in den Sinn; auch nicht hier im Forum.

    Andererseits wird die Architektur Müllers andernorts durchaus geschätzt. So ist die ebenfalls von ihm erbaute Kaufmannsbörse in Königsberg, die direkt am Ufer des Pregel gelegen ist und zu den wenigen historischen Gebäuden aus deutscher Zeit zählt, welche bis heute überlebt haben, ein Augapfel der dortigen Denkmalpflege.

    Und Diejenigen, die sich unvoreingenommen mit der Neuen Börse in Bremen befaßt haben, billigen ihr sehr oft eine hohe ästhetische Qualität zu – insbesondere dem großen Hauptsaal. Häufig wird dann davon gesprochen, daß das Gebäude am Marktplatz einfach am falschen Ort gestanden habe und man es, wenn es auf einem anderen Bauplatz errichtet worden wäre, nach dem Kriege wahrscheinlich wieder aufgebaut und weitergenutzt hätte.

    Meine Wenigkeit hat ein Faible für ‚Underdogs’ auf die alle eindreschen (ob Börse oder Wilhelm II. ist da erst einmal egal). Und auf die Neue Börse ist – beginnend in den Jahren unmittelbar vor dem ersten Weltkrieg – von gar Vielen eingeknüppelt worden: Von den Architekten der Heimatschutzbewegung, vom Bauhaus, von den Nationalsozialisten und den Nachkriegsstadtplanern. Und deshalb habe ich Sympathie für dieses Gebäude – man mag mich dafür schelten. – Ich plädiere zwar nicht für seinen Wiederaufbau, sage aber, daß es bedauerlich ist, daß man die wiederaufbaufähige Ruine seinerzeit beseitigt hat ! Der Marktplatz würde mit der Neuen Börse auf jeden Fall geschlossener wirken, als mit dem gegenwärtigen 60er Jahre Bürgerschaftsgebäude.

    So – und nun habe ich mich bei Vielen sicher unbeliebt gemacht…

    Abbildung 01
    Die Hauptfront der Neuen Börse zum Marktplatz


    Abbildung 02
    Gesamtansicht der Nordfassade von Haupt- und Nebengebäude.

    Abbildung 03
    Die Nordfassade zum Dom mit dem großen Treppenhausfenster, welches von den Stadtwappen der wichtigsten Hansestädte bekränzt wurde.

    Abbildung 04
    Schnitt durch das Hauptgebäude der Neuen Börse.



    Abbildung 05
    Blick in den Hauptsaal nach Süden

    Abbildung 06
    Blick durch alle fünf Schiffe des Hauptsaales.

    Abbildung 07
    Soiree für S.M. König Wilhelm I. von Preußen (in seiner Eigenschaft als Präsident des Norddeutschen Bundes), Ministerpräsident Bismarck und Generalstabschef Moltke 1869 im Hauptsaal. Dieser Saal war der Fest- und Feierraum des alten, bürgerlichen Bremens…

    Abbildung 08
    Der Konventssaal der Handelskammer Bremen. Zeit seiner Existenz von der Handelskammer fast durchgehend an die Bremische Bürgerschaft als deren Tagungslokal vermietet. Hier haben - nebenbei bemerkt - auch der gebürtige Heidelberger Friedrich Ebert und der gebürtige Gubener Wilhelm Pieck als sozialdemokratische Abgeordnete gesessen. Insofern hätte dieser Raum doch eigentlich als 'Devotionalie' erhalten bleiben müssen... ;)

    Abbildung 09
    Farbfoto aus den frühen 1950er Jahren mit dem nördlichsten Teil der Börsen-Ruine.

    Abbildung 10
    Gesamtansicht der Marktplatzfront der Ruine.

    Abbildung 11
    Markplatzansicht nach Abriß des Hauptgebäudes. Man blickt nun direkt auf die Westwand des bis heute erhaltenen Nebengebäudes der Neuen Börse.


    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (27. Dezember 2018 um 22:34)

  • Mein lieber Pagentorn, ebenso wie findorffer mit seinem Beitrag zum Schüsselkorb/Ecke Museumsstraße, hast du es auf vortreffliche Weise geschafft, mein Herz mit diesem Beitrag zur Michaelis-Kirche zum Bluten zu bringen.

    Der Anblick der St. Michaelis-Kirche schmerzt zutiefst, egal ob als Entwurf oder Ansichtskarte wie in Abbildung 02 oder als jämmerliches Tränental wie in Abbildung 05. Ihre Bauweise und ihre Bauart war einzigartig und unverwechselbar für Bremen. Ihr Abbruch sollte mit auf die Liste der schwersten Verluste.

    Es ist wichtig, sich dieser herben Verluste zu erinnern und zu vergegenwärtigen, sie zu dokumentieren und die Erinnerung an sie wach zu halten – und auch um sie zu trauern.

    Dennoch: Wir sollten den Blick nach vorne richten, unsere Stärken und Kräfte bündeln für das, was „Erreichbar“ ist in dieser Stadt. Für die Summe der Verluste wird dieses Ziel des Erreichbaren nur eine kleine Zahl sein, aber es wird sich allemal lohnen, diese kleine Zahl wieder in Bremen anzusiedeln, ihr wieder ein erlebbares Gesicht zu geben für die Bürger, Freunde und Besucher der Hansestadt Bremen, unserer durch Krieg und Nachkriegszeit verwundete Stadt wieder ein Stückchen Identität, Tradition, Emotionalität, Baukultur, Erlebbarkeit und Einmaligkeit zurückzugeben.

    Sorgen wir dafür, dass wir Bremen als Bremer gestalten und nicht mehr zulassen, dass Auswärtige aus Marpingen, Hamburg oder Mülhausen Bremen weiterhin zu einem Zerrbild der Gegenwart und der Zukunft modellieren, in dem wir Bremer uns nicht mehr widergespiegelt sehen.

  • Lieber Jakku Scum,

    Sie haben mit Ihrer Mahnung natürlich vollkommen recht, daß es wichtig ist, nach vorne zu schauen und sich nicht zu verzetteln. Und dies heißt für uns selbstredend, unermüdlich und unbeirrbar das vor über zwanzig Jahren von Nils Aschenbeck aufgestellte Postulat des Wiederaufbaus des 'Dreigestirns' von St. Ansgarii, Essighaus und Kornhaus weiterzuverfolgen.
    An eine Reko, der in diesem allgemeinen Themenstrang in Kurz-Darstellungen abgehandelten Bauten denkt natürlich niemand ernsthaft. Aber für die Auswärtigen ist es - so denke ich - recht interessant zu sehen, was alles erst nach dem Kriege verloren gegangen ist. Insofern ist dieser Themenstrang eine Abwandlung des von findorffer begründeten dokumentarischen 'Abriß-Stadt Bremen' - Gedankens.

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (28. Dezember 2018 um 13:27)

  • Mein lieber Pagentorn,

    was spricht dagegen, mehr als nur das „Dreigestirn“ als Reko für Bremen zu bekommen?

    Wer weiß schon, woher in zwanzig Jahren der Wind weht? - Ich spüre jedenfalls, wie sich der Wind dreht. Ich nenne nur das Beispiel „Galopprennbahn“. Was ist, wenn genug Stimmen für den Erhalt gewonnen werden können und die Bürger der Stadt Bremen der bremischen Politik ein großes „P“ vorsetzen? Ich denke, dass das Projekt „Galopprennbahn“ zeigen wird, dass es in Bremen mittlerweile genug Stimmen gibt, die sehr kritisch der heutigen dudlerischen-Stadtplanung entgegenstehen. Man muss sie nur bündeln und kanalisieren.

    Wo du gerade die Lüder von Bentheim-Gesellschaft ansprichst: Sie war es, die 50.000 Stimmen gegen den Bau der Bremischen Bürgerschaft zusammentrug. Ich wünschte, wir hätten eine Gesellschaft mit gleichen Rang und Namen in Bremen, die vehement unsere Argument und die der Bremer Bürger vertritt. Warum nicht auch mit einem Volksbegehren? - In Bremen gibt es davon noch viel zu wenig, was eigentlich angesichts der teilweise chaotisch-anmutenden Politik in Bremen verwunderlich ist. Der Bremer ist eben norddeutsch unterkühlt und hanseatisch zurückhaltend – aber wehe wenn er explodiert.

    Und somit kommen wir zur Bürgerschaft und ihrem Vorgängerbau. Die Hausherren sind mit ihrer Immobilie nicht mehr zufrieden. Es wird vom Renovierungsbedarf geredet – und manch einer träumt sicher von einem repräsentativen Neubau, was angesichts der baldig zu erwartenden Geldschwemme in Bremen durchaus machbar erscheint.
    Warum also nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Die Bremische Bürgerschaft abreißen und dort den „Altbestand“ errichten, die Galeria-Immobilie für die Stadt ankaufen – das Parkhaus gehört ja schon der Stadt -, und hinter der Fassade des Lloydgebäude würde nicht nur die Neue Bürgerschaft einen Platz finden, sondern sämtliche Ressorts der Stadt, was eine Bürokratie der kurzen Wege ermöglicht – inklusive Tiefgarage und Parkhaus für die Angestellten und Bittsteller der Behörden.

    Denkmalschutz? - Ich denke, hier im Forum ist zur Genüge dokumentiert worden, wie der Denkmalschutz in Bremen zugunsten neuer Bauwerke eingeknickt ist. Jüngstes Beispiel das alte Essighaus. Es bleibt auch hier abzuwarten, was unter Denkmalschutz stehend auch wirklich stehenbleibt.

    Utopie? - Ich bin gespannt, was nicht nur in Sachen Galopprennbahn geschieht, sondern auch mit der antiquierten Bürgerschafts-Immobilie. Wenn sich herauskristallisiert, was die Politik plant, kann ein Volksbegehren Klarheit darüber schaffen, was die Bremer wirklich an diesem Ort sehen wollen. Warum also nicht die Neue Börse?

    Her Spellenberg, planen sie schon für diese beiden Gebäude?

    Einmal editiert, zuletzt von Jakku Scum (28. Dezember 2018 um 11:21)

  • Stadttheater / Staatstheater


    Für die meisten Bremer ist heute das Theater am Goetheplatz beim Ostertor die städtische Bühne schlechthin. Dabei übersehen sie, daß dieses Theater aus dem erst kurz vor dem 1. Weltkrieg entstandenen privaten Wiegand’schen Schauspielhaus hervorgegangen ist. Das eigentliche Stadttheater, welches auch die große Opernbühne umfasste und ab den 30er Jahren als Staatstheater bekannt war, lag auf einer der ehemaligen Bastionen der Wallanlagen zwischen Bischofsnadel und Ostertor und war wesentlich älter. Das Haus hatte zwar schwere Bombenschäden zu beklagen, war aber immerhin doch noch so gut erhalten, daß man zeitweise plante das Theater zum Gebäude der Bürgerschaft umzubauen. Aus diversen Gründen scheiterten diese Planungen. Letztendlich wurde auch dieses Gebäue abgerissen. Heute ist dort der sog. ‚Theatergarten’ angelegt, der zumindest mit seinem Namen an die alte Nutzung des Ortes erinnert.

    Abbildung 01
    Lage des Stadttheaters in den Wall-Anlagen (rote Markierung).


    Abbildung 02
    Kolorierte Ansichtskarte der Südfassade mit dem Hauptportal. Blick von Osten.


    Abbildung 03
    Fotografie der Südfassade aus den 1930er Jahren. Blick von Osten (nach Beseitigung der zweiten Baumreihe auf dem Wall).


    Abbildung 04
    Blick von der Bühne in den Zuschauerraum.


    Abbildung 05
    Zerstörung des Theaters während des Krieges. (Quelle: Online Kriegsschadens-Dokumentation des Staatsarchivs Bremen). Blick von Westen aus Richtung Bischofsnadel.


    Abbildung 06
    Luftbild aus den ersten ‚Wiederaufbaujahren’, das noch viele der später abgerissenen Ruinen zeigt, so z.B. in der unteren Bildmitte die Neue Börse mit ihrem ausgebrannten Hauptsaal.
    In den Wall-Anlagen ist der trotz der starken Beschädigung immer noch mächtige Baukörper des Stadttheaters deutlich erkennbar.

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (28. Dezember 2018 um 08:52)

  • Die drei Giebel des Polizeihauses


    Das von 1906 bis 1908 erbaute ‚Polizeihaus’ – Sitz des Polizeipräsidiums – hatte den Krieg so gut wie unbeschadet überstanden. Die amerikanische Besatzungsmacht bestimmte es im Sommer 1945 zum Sitz seiner Militärpolizei. Letztere sammelte in den folgenden Wochen sämtliche in Bremen noch verfügbare Weltkriegsmonition ein und lagerte diese im Dachgeschoß des Polizeihauses hinter dem linken (südlichen) Frontgiebel des Hauptportals am Wall. Durch unglückliche Umstände kam es im Spätsommer 1945 zu einer Entzündung und folglich zu einer Detonation, die den Giebel zerstörte. Aber anstatt diesen für den späteren Wiederaufbau zu sichern, wurde letztendlich auch noch der intakte rechte Giebel - von wegen der Symmetrie - ebenfalls abgebrochen, sowie der kleine Ziergiebel in der Mitte des Portals. Dadurch hat das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes viel von seinen ursprünglich stimmigen Proportionen verloren und wirkt heute sehr klobig. Die drei Giebel wären jedenfalls ganz heiße Reko-Kandidaten, denn immerhin besteht das Gebäude ja noch zum ganz überwiegenden Teil, was ja die Vorbedingung unseres Landesdenkmalpflegers für seine Zustimmung zu ‚ergänzenden Rekonstruktionen’ ist…

    Abbildung 01
    Lage des Polizeihauses an der Ecke Ostertorstraße / Am Wall (auf der Stadtkarte aus der Vorkriegszeit rot markiert).

    Abbildung 02
    Das durch die Explosion 1945 hervorgerufene Verschwinden der drei Frontgiebel.

    Abbildung 03
    Ansicht vom Wall auf das Gebäude im ursprünglichen Zustand.

    Abbildung 04
    Portalgebäude mit den beiden großen Frontgiebeln in Schrägansicht.

    Abbildung 05
    Der kleine mittlere Ziergiebel mit dem von Löwen gehaltenen Bremer Wappen. Auch er mußte nach 1945 weichen.

  • Das Bremer 'Holstentor'

    Der Gedanke erscheint nicht abwegig, daß die - mit den Giebeln - schlank und elegant, aber dennoch gleichzeitig auch repräsentativ und ehrfurchtgebietend wirkende Frontfassade zum Wall das um 1820 herum abgerissene mittelalterliche Ostertor optisch 'reanimieren' sollte (auch wenn das Letztere wesentlich bescheidener dahergekommen war). Denn aus dem Ostertor entsprang immer die wichtigste Wegeverbindung Bremens rechts der Weser, nämlich die Straße nach Hamburg und Lübeck. Dies durch eine entsprechend monumentale Architektur zu würdigen, lag somit auf der Hand. Wenn dies auch weit hergeholt erscheinen mag, aber insofern könnte man die Giebelfassade des Polizeihauses gewissermaßen als Pendant zum Lübschen Holstentor ansehen...

  • Sehr geehrter Ravensberger,

    der Architekt der Michaeliskirche war der kaiserliche Baurat Jürgen Kröger aus Berlin. In seinem Werkverzeichnis taucht die Martinikirche in Bielefeld nicht auf. Da ich allerdings nicht weiß, wie erschöpfend dieses ist, möchte ich Sie fragen, ob Sie eventuell wissen, wer das Gotteshaus in Bielfeld errichtet hat ?

  • Anbei noch zwei vergleichende Ansichten der Giebelfront des Polizeihauses aus Richtung Südost.
    Die Vorkriegsaufnahme stammt aus der - mittlerweile schon legendären - 'Sorger Farb-Dia-Serie' von September 1939. Das aktuelle Vergleichsbild aus der Gegenwart hat einen leicht anderen Blickwinkel.

  • Vielen, vielen Dank für die schönen und reich bebilderten Beiträge. Pagentorn und Jakku Scum! Auch das Stadttheater ist eines dieser Gebäude, die wohl weitgehend in Vergessenheit geraten sind, obwohl sie ganz problemlos hätten gerettet werden können... bin mir sicher, dass bei den Bremern unter -sagen wir- 60 Jahren höchstens noch 5 oder 10% überhaupt wissen, dass das Goethetheater nicht schon immer das Stadttheater war und wo das eigentliche Bremer Theater überhaupt stand.

    Ich habe -auf deutlich niedrigerem Niveau- noch das Haus auf dem Eckgrundstück Herdentorsteinweg/Bahnhofstraße gegenüber des ehemaligen Hotel de'l Europe.... auch dieses Haus hatte entstuckt und mit Werbebanderolen verunstaltet bis etwa 2011/2012 überstanden, bis es für den Dudler abgerissen wurde, der diese Ecke nun ziert. Nun muss man vielleicht nicht jedem so heruntergekommenen Gründerzeitler nachweinen, wenn man allerdings weiß, was z.B. in Leipzig auch aus solchen Gebäuden noch gemacht wird, kommt man doch ins Grübeln:

    Hier der Vorzustand als Screenshot von Google Streetview (da diese Fotos noch aus den Jahren 2008 und 2009 sind, sind sie eine wahre Fundgrube für die Dokumentation dessen, was in den letzten 10 Jahren geschehen ist):

    Das war schon das, was man zurecht einen "Schandfleck" nennen kann. Leider fehlt mir ein Bild des Vorzustandes, man kann das Haus aber auf ein paar der oben eingestellten Luftbilder erahnen. Viel mehr als solide Bremer Gründerzeit war es wohl nie, also bei weitem nicht so repräsentativ wie die gegenüber benachbarten Hotelbauten, aber eben doch sehr ordentlich.

    Und hier der Neubau:

    Meine ganz persönliche Meinung ist, dass dies einer der besseren Dudler ist, aber natürlich wäre eine Wiederherstellung des Vorgängerbaus auch hier die vorzuziehende Lösung gewesen.

  • Das 'Thein-Haus'

    Sehr geehrter Heinzer,

    das Haus, welches ursprünglich für den Klavierbauer Otto Thein errichtet worden war, scheint mir in seiner originalen Fassung gar nicht mal so übel gewesen zu sein. Besonders markant war natürlich die unübersehbare Apparatur eines optischen Signalgebers (?) auf dem Dach...

    Abbildung 01
    Blick vom Herdentor auf Hillmann, Europa und Thein.

    Abbildung 02
    Kolorierte Version.

    Abbildung 03
    Das Thein-Haus mit Blick in den nördlichen Herdentorsteinweg

    Abbildung 04
    Nahansicht des Thein-Hauses

  • Hallo Heinzer,

    du hast vollkommen Recht, Pagentorns Beitrag über das alte Stadttheater am Wall hat mich regelrecht aus dem Sessel kippen lassen, und ich fand mich – den Umständen entsprechend – wohlbehalten unter dem Tannenbaum wieder. Bis zu diesem Beitrag hatte ich keine Ahnung, dass an jener Stelle ein entsprechendes Gebäude stand.
    Ich überlege, ob ich diesem Themenstrang überhaupt noch Interesse entgegenbringen soll – zu schmerzlich sind die Beiträge hier; egal ob Schüsselkorb, Michaelis-Kirche, Stadttheater, Domshof, Neue Börse und nun auch noch das Polizeipräsidium am Wall!!!

    Das wird langsam zu viel für meine Nerven.

    Das alte Eckgebäude, was du in deinem Beitrag ansprichst, Heinzer, ist wahrlich keine Schönheit mehr, dennoch fügt es sich in das vorhandene Erscheinungsbild der gewachsenen Straßenzüge ein. Der Neubau bricht dieses Erscheinungsbild förmlich auf. Er charakterisiert für mich das, was die heutigen Architekten bestens beherrschen: Egoistisch und vom Individualismus getrieben zu planen uns zu bauen. Oder wie es Christoph Mäckler in einem Fernseh-Beitrag von Susanne Brahms andeutet, heutige Architekten können nur noch Häuser bauen, aber keine Stadt.
    Das neue Dudler-Eckgebäude will ein Alleinstellungsmerkmal ausüben. Es passt sich in keinster Weise an die vorhandene Bauoptik, an das gewachsene Erscheinungsbild des Straßenzuges an.Weder greift es Elemente des Nachbargebäudes an der Bahnhofstraße, noch greift es Formen des Nachbargebäudes am Herdentorsteinweg auf. Es wirkt kühl, distanziert, egozentrisch. Und ich werde wohl niemals verstehen, weshalb man stets diese großflächigen Glasfronten einbringt. Im Zeichen des Klimawandels ist es doch kontraproduktiv, so viel Sonne und somit auch Wärme in das Gebäude einfluten zu lassen – da muss dann eine leistungsstarke Klimaanlage her, was die Nebenkosten erhöht und somit ebenso wenig umweltverträglich daherkommt.
    Als ob die vielen Computer, Drucker und Co nicht schon genug Wärme in den Räumlichkeiten produzieren – von drängelnden Chefs und Abteilungsleitern und ihrer heißen Luft verbreitenden Arbeitsanweisungen mal ganz zu schweigen.

    Und wie es Pagentorns folgender Beitrag unterstreicht, passt sich das alte Eckgebäude "Otto Thein" bestens in das Gefüge ein – selbstverständlich ohne den unmöglichen Signalgeber auf dem Dach!

  • Der Ostturm des Gerichtsgebäudes

    Lieber Jakku Scum,

    das Folgende kann ich Ihnen leider nicht ersparen:

    Auch der die Ecke Ostertorstraße / Buchtstraße überragende Ostturm auf dem historischen Erweiterungsbau des Gerichtsgebäudes an der Domsheide ist der Nachkriegszeit zum Opfer gefallen. Zwar war er durch Bomben beschädigt worden, aber seine Substanz war – was ein Abgleich von Luftbildern aus der Zeit des Krieges mit Bildern aus dem Spätsommer 1945 belegt – erhalten geblieben. Lediglich der Turmhelm war weg; was auch für die Helme der beiden seitlichen Flankentürmchen galt. Der ‚Wiederaufbau’ hat aus dieser einst so stolzen und markanten Ecke einen regelrechten ‚Kümmerling’ gemacht, der aussieht wie ein vertrockneter Pilz…

    Auch dieser Ostturm ist deshalb ein auf mittlere Sicht durchaus realistischer Reko-Wunsch !

    Abbildung 01
    Der Ostturm auf der Stadtkarte aus der Vorkriegszeit (markiert durch einen roten Punkt).

    Abbildung 02
    Der Ostturm in seiner originalen Gestalt.

    Abbildung 03
    Das südliche Flankentürmchen mit Blick in die Ostetorstraße in Richtung Domsheide.

    Abbildung 04
    Luftaufnahme aus der Kriegszeit, welche den Verlust der Turmhelme des Ostturms und derjenigen der beiden Flankentürmchen dokumentiert (roter Kreis).

    Abbildung 05
    Hinter dem beschädigten Polizeihaus am Wall ragt im Spätsommer 1945 der Schaft des Ostturms in voller Höhe empor (roter Kreis).

    Abbildung 06
    Vergleich des einschlägigen ‚Sorger-Farb-Dias’ von September 1939 mit der Gegenwart.

    Abbildung 07
    Ursprünglicher und gegenwärtiger Zustand. Welch ein Verfall von Anspruch und Ästhetik !
    Titel: ‚Vertrockneter Kümmerling-Pilz’

  • Jakku Scum

    Das Dudler-Eckgebäude ist auch ein Signal-Geber: Es verweist in die Zukunft und signalisiert interessierten Investoren, dass in der Bahnhofsvorstadt höher gebaut werden kann. Es signalisiert, dass die links an der Bahnhofstraße sowie die hinter dem Dudlerbau am Herdentorsteinweg liegenden Gebäude auf eine Höhe von acht Etagen aufgestockt werden können. Das Dudlerhaus ist kein Gebäude, sondern eine Botschaft, ein steinerner Subtext. Und welcher Baustil für diesen Zweck geeignet ist - darüber brauchen wir nicht zu spekulieren.

  • Negativ fällt beim obigen Vergleich übrigens auch die seit der Buntmetallsammlung des unseligen Adolfs niemals wieder revidierte Entfernung des Dachkupfers beim Gerichtsgebäude (und des Kupfers der Gauben des Polizeihauses) auf. Bis heute ist das Gericht mit dunklen Schindeln eingedeckt, welche das Gebäude düster erscheinen lassen. Wie freundlich hell wirkt demgegenüber das patinierte Dachkupfer auf der Vorkriegsaufnahme.

  • Hallo findorffer,

    ich kann - nein, ich muss dir im vollen Umfang Recht geben, und leider birgt deine Zukunftsvision viel zu viel Substanz. In Zeiten des Niedrigzinses kommen solche Botschaften daher wie Moses vom Berg Sinai.

    Lieber Pagentorn, habe Dank für dein aufkommendes Mitgefühl. Das Positive an dem neuen Beitrag ist, dass die Bausubstanz noch steht und man die "Häubchen" wieder aufsatteln könnte wie Franz Schütte einst den zweiten Domturm wieder "aufsatteln" lies. - Dem vertrockneten "Kümmerling-Pilz" könnte also relativ einfach geholfen werden.

  • Wider den Bann der historischen Vertikalen

    Ich denke, bei all den aufgezeigten Beispielen kristallisiert sich eine Tendenz heraus: Wenn es nur irgend ging, vermied man beim Wiederaufbau die - aus dem Kaiserreich überkommene - bauliche Vertikale und beseitigte sie umgehend und begierig, wenn der entsprechende Bauteil auch nur den geringsten Schaden aufwies.

    Dieser Wille sich zu ducken, bloß nicht selbstbewußt hervorzutreten, mag vor dem Hintergrund der durch Diktatur und Krieg erlittenen Traumata durchaus verständlich gewesen sein, hatte aber seine gravierenden und zerstörerischen Auswirkungen auf das bauliche Erbe und sollte uns vor allem heute nicht mehr binden !

    Damit möchte ich - um Gottes Willen - nicht maßstabslosen 'Dudlerreien' das Wort reden. Nein, es geht mir vielmehr darum, daß man bereit ist, verstümmelte oder ganz verschwundene historische Akzente in der Stadtsilhouette zurückzugewinnen, unabhängig davon, ob dies nun die Giebel des Polizeihauses, der Ostturm des Gerichtsgebäudes oder der Riese von Anschari selbt sein mögen. Jedes dieser Elemente wäre eine wichtige und teils sogar essentielle Bereicherung des Bremer Stadtbildes !

  • Lieber Jakku Scum,

    aber das 'Draufsatteln' müßt dann in der Tat so geschehen, wie es Franz Schütte einst mit dem Südturm des St.Petri Doms gemacht hat, nämlich stilistisch angepaßt. Am besten wäre eh eine originalgetreuer Ergänzung der fehlenden Teile. Aber leider möchte ja die Denkmalpflege den Bruch sichtbar machen, die Tatsache, daß der ergänzte Bauteil nicht mehr die Originalversion ist. Man kann ein Produkt dieser Art von Herangehensweise jetzt wunderbar am expressionistischen Gebäude der Innern Medizin des Zentralkrankenhauses St.-Jürgen-Straße 'bewundern', wo das in der Nachkriegszeit wegen Bombenschäden total beseitigte, einst aus Backsteinen gemauerte Eingangs-Rondell nun aus sichtigem Beton erstellt wurde. Lediglich die Bauform wurde in etwa wiederhergestellt. Es sieht großartig aus... :augenkrummblau: