Die Neue Börse
Sich für die, zwischen 1861 und 1864 von dem aus Bremen-Oberneuland stammenden Architekten Heinrich Müller errichtete, ‚Neue Börse’ am Marktplatz stark zu machen, ist so ziemlich das Undankbarste was ein Rekonstruktionsfreund in Bremen tun kann. Denn zum einen steht ihr Nachfolgebau, das Gebäude der Bremischen Bürgerschaft, mittlerweile unter Denkmalschutz, was einen baldigen Abriß extrem unwahrscheinlich macht und anderseits gibt es zwar Viele, die eine Rückkehr der 1861 zugunsten der Neuen Börse abgebrochenen Giebelhäuser begrüßen würden – dies tat z.B. vor dem Bau der Bürgerschaft auch die Lüder-von-Bentheim-Gesellschaft, aber eine Rückkehr der neuen Börse selbst zu fordern, käme wohl den Wenigsten in den Sinn; auch nicht hier im Forum.
Andererseits wird die Architektur Müllers andernorts durchaus geschätzt. So ist die ebenfalls von ihm erbaute Kaufmannsbörse in Königsberg, die direkt am Ufer des Pregel gelegen ist und zu den wenigen historischen Gebäuden aus deutscher Zeit zählt, welche bis heute überlebt haben, ein Augapfel der dortigen Denkmalpflege.
Und Diejenigen, die sich unvoreingenommen mit der Neuen Börse in Bremen befaßt haben, billigen ihr sehr oft eine hohe ästhetische Qualität zu – insbesondere dem großen Hauptsaal. Häufig wird dann davon gesprochen, daß das Gebäude am Marktplatz einfach am falschen Ort gestanden habe und man es, wenn es auf einem anderen Bauplatz errichtet worden wäre, nach dem Kriege wahrscheinlich wieder aufgebaut und weitergenutzt hätte.
Meine Wenigkeit hat ein Faible für ‚Underdogs’ auf die alle eindreschen (ob Börse oder Wilhelm II. ist da erst einmal egal). Und auf die Neue Börse ist – beginnend in den Jahren unmittelbar vor dem ersten Weltkrieg – von gar Vielen eingeknüppelt worden: Von den Architekten der Heimatschutzbewegung, vom Bauhaus, von den Nationalsozialisten und den Nachkriegsstadtplanern. Und deshalb habe ich Sympathie für dieses Gebäude – man mag mich dafür schelten. – Ich plädiere zwar nicht für seinen Wiederaufbau, sage aber, daß es bedauerlich ist, daß man die wiederaufbaufähige Ruine seinerzeit beseitigt hat ! Der Marktplatz würde mit der Neuen Börse auf jeden Fall geschlossener wirken, als mit dem gegenwärtigen 60er Jahre Bürgerschaftsgebäude.
So – und nun habe ich mich bei Vielen sicher unbeliebt gemacht…
Abbildung 01
Die Hauptfront der Neuen Börse zum Marktplatz
Abbildung 02
Gesamtansicht der Nordfassade von Haupt- und Nebengebäude.
Abbildung 03
Die Nordfassade zum Dom mit dem großen Treppenhausfenster, welches von den Stadtwappen der wichtigsten Hansestädte bekränzt wurde.
Abbildung 04
Schnitt durch das Hauptgebäude der Neuen Börse.
Abbildung 05
Blick in den Hauptsaal nach Süden
Abbildung 06
Blick durch alle fünf Schiffe des Hauptsaales.
Abbildung 07
Soiree für S.M. König Wilhelm I. von Preußen (in seiner Eigenschaft als Präsident des Norddeutschen Bundes), Ministerpräsident Bismarck und Generalstabschef Moltke 1869 im Hauptsaal. Dieser Saal war der Fest- und Feierraum des alten, bürgerlichen Bremens…
Abbildung 08
Der Konventssaal der Handelskammer Bremen. Zeit seiner Existenz von der Handelskammer fast durchgehend an die Bremische Bürgerschaft als deren Tagungslokal vermietet. Hier haben - nebenbei bemerkt - auch der gebürtige Heidelberger Friedrich Ebert und der gebürtige Gubener Wilhelm Pieck als sozialdemokratische Abgeordnete gesessen. Insofern hätte dieser Raum doch eigentlich als 'Devotionalie' erhalten bleiben müssen...
Abbildung 09
Farbfoto aus den frühen 1950er Jahren mit dem nördlichsten Teil der Börsen-Ruine.
Abbildung 10
Gesamtansicht der Marktplatzfront der Ruine.
Abbildung 11
Markplatzansicht nach Abriß des Hauptgebäudes. Man blickt nun direkt auf die Westwand des bis heute erhaltenen Nebengebäudes der Neuen Börse.