• Die zwei ungleichen Seiten der Straße


    Wie treffend die Analys Heinzers hinsichtlich der bis 1914 erfolgten Brüche im Straßenbild ist, zeigt die anliegende historische Luftaufnahme, auf welcher man von Süden her auf die ‚Schleifmühle’ schaut. Gerade im ihrem östlichen – wohl etwas später bebauten -Teil ist die Südseite der Straße recht zerklüftet und vielgestaltig. Die Nordseite hat mit ihrer geschlossenen Zeile Bremer Reihenhäuser etwas leicht Eintöniges an sich. Maß muß dabei bedenken, daß die Nordseite, zur Hannoverschen- und Osnabrücker Eisenbahn gelegen, immer die einfacherer Hälfte der Straße war, mit Gärten die direkt an die Gleise grenzten (bis 1909 als der Bahndamm angelegt wurde, noch niveaugleich !), während die Südseite mit Ihren tiefen Gärten die bessere Lage war, mit zum Teil freistehenden Villen (siehe Nr. 65 – Haus Gildemeister). Möglicherweise hätte sich das Aufbrechen der Reihenhausfront, wie es sich ja auf der Südseite mit Haus Nr. 27 – Lütgert & Schmoldt – exemplarisch zeigt, auch auf der Nordseite fortgesetzt, wenn der 1. WK ausgeblieben wäre…

    (Bildquelle: Das Bremer Haus. Geschichte – Programm – Wettbewerb. Architekturpreis der Sparkasse in Bremen 1981. Bremen 1982: Die Sparkasse in Bremen, S.14.)

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (14. März 2019 um 14:20)

  • Ein tolles Luftbild! Die gesamte rechte Bildhälfte wird heute von der hier Ernst-Glässel-Straße genannten Trasse zum Rembertikreisel dominiert, die rechts mittig am Bildrand liegende Südbebauung des Dobbens wurden für den sogenannten "Dobbendurchbruch" abgerissen. Unten auf dem Bild verläuft quer die Sonnenstraße, die durch diese Straße getrennt wurde, ihre beiden westlichsten Häuser sind hier von Süden zu sehen und stehen noch, alles östlich davon wurde abgerissen:

    mittlerweile postalisch aber dem Fedelhören zugeordnet. Neben den wichtigeren Projekten zur Stadtreparatur in der Altstadt wäre für mich persönlich eine Heilung dieser städtebaulichen Wunde im Ostertor fast die wichtigste Maßnahme im heutigen Bremen. Am besten wäre hier wohl eine Untertunnelung der Trasse etwa von der Centaurenkreuzung bis zur Rampe der Hochstraße, das ist angesichts der Kassenlage leider unrealistisch. Das muss ein ganz tolles, gemütliches Viertel da gewesen sein, das obendrein den Krieg fast unbeschadet überstanden hatte. Ein Wiederaufbau im Sinne von Rekonstruktionen ist natürlich unrealistisch, aber die Wiederherstellung der alten Straßen- und Wegebeziehungen und eine angepasste Bebauung könnte hier viel Gutes tun.

  • Jetzt ist mir Pagentorn mit der Einstellung der Fotos von der Schleifmühle zuvorgekommen. Heute Vormittag hatte die beiden Fotos gemacht, aber die Karavane zieht schneller weiter, als ich laufen kann. Und inzwischen ist die Schleifmühle auch schon nicht mehr Thema , sondern wir befinden uns im Fedelhören. So wirken meine beiden Fotos schon ein wenig antiquiert, was allerdings bei einem Forum, das sich vorwiegend mit altenGebäuden beschäftigt, nicht unbedingt als Nachteil angesehen werden muss. Zumindest liefere ich dann Bilder aus einer anderen Perspektive.

    Der Blick auf dieses Geäbude macht mich immer wieder froh, es ist einer meiner Lieblingsbauten, nicht zuletzt wegen der für mich toskanisch anmutenden Atmosphere, zu der wohl auch die vor dem Hause stehende Pappel beitragen könnte.

    Es macht mich allerdings auch traurig, weil der Zwilling links fehlt und so der historisch gedachte Gesamteindruck Schaden erlitten hat, die ästhetische Gesamtwirkung ist kaputt, wir haben hier wiederum wie schon bei der Polizeistation 2 einen Verlust der Symmetrie zu verzeichnen. Die Gründe: Ihr kennt ja meine Meinung, die liegt näher an Karl Marx als an Karl May.

    Einmal editiert, zuletzt von findorffer (14. März 2019 um 17:21)

  • Hinzu kommen bei diesem Bau natürlich die "nackten" Fenster, die etwas fast Surreales haben und zusammen mit der Spiegelung und dem Baustil dem Haus Abweisendes geben, so zumindest mein Eindruck. Es ist zwar in der Tat ein sehr interessanter Bau, fast "neomaurisch" oder so (?), der Gesamteindruck wird durch die ungegliederten Fenster aber empfindlich geschmälert.

  • Werbung für die Olympischen Spiele 1916 in Brüssel ?


    1908 wurde das Mehrparteienhaus Schleifmühle Nr. 51 errichtet, in das 1909 als erster Nutzer der Generalkonsul des Königreiches Belgien, August Weyhausen mit seiner Familie einzog. Die belgische Hauptstadt Brüssel plante, sich als Austragungsort der olympischen Spiele 1916 zu bewerben. Die Entscheidung über diese Bewerbung sollte am 27. Mai 1912 in Stockholm getroffen werden (Brüssel unterlag damals letztlich gegenüber dem Mitbewerber Berlin). Das Portal der Nr. 51 enthält nun einen spätestens 1909 angebrachten figürlichen Bauschmuck, den man durchaus als Verweis auf die Sportwettkämpfe (Quadriga) und Theaterdarbietungen (Masken) während der antiken Olympischen Spiele deuten könnte. Wenn man einmal annimmt, daß auch schon bei den ersten von Baron Pierre de Coubertin ins Leben gerufenen Olympischen Spielen der Neuzeit eine aktive und jahrelange Öffentlichkeitsarbeit der offiziellen Bewerbung einer Stadt für den Status als Austragungsort vorausging, dann könnte es durchaus sein, daß wir in der Portalumrahmung der Nr. 51 ein Relikt einer von Konsul Weyhausen im Auftrage Belgiens gerührten ‚Werbetrommel’ für den Austragungsort Brüssel vor uns haben !

  • Selbstzitat und Seelenwanderung ?


    1912 taucht das Mietshaus ‚Am Dobben’ Nr. 146 erstmals im Bremer Adressbuch auf, es wird wohl im Laufe der Vorjahre zügig entstanden sein. Einer der Erstbezieher war der Bremer Architekt Friedrich Wilhelm Rauschenberg (1853 bis 1935), den man – da er sich u.a. auf Mietshausbau spezialisiert hatte – wohl auch als Erbauer dieses Gebäudes ansehen dürfte.
    Interessant ist nun, daß das Grundstück, auf dem die Nr. 146 steht, rückwärtig an das gleich breite Grundstück der Schleifmühle Nr. 51 grenzt, auf dem sich ja ebenfalls ein Mehrparteienhaus befindet, welches mit seinem Runderker und dem rechteckigen, durch alle Etagen laufenden Anbau sowie dem reliefartigen Bauschmuck sehr starke Ähnlichkeit mit der Nr. 146 aufweist, sodaß sich die Annahme anbietet, daß auch die Nr. 51 im Jahre 1908 von Rauschenberg errichtet wurde. In diesem Fall wäre die Nr. 146 dann ja vielleicht sogar ein ‚Selbstzitat’ ?
    Vom Bauschmuck fällt insbesondere ein über dem Eingang angebrachtes, mehrfigürliches Relief ins Auge, welches wohl das Konzept der Seelenwanderung illustrieren soll (?). Wenn diese Annahme stimmt, dann wäre der in diesem Hause wohnende, letzte an Alt- St. Ansgarii ordinierte Pastor, Robert Leonhardt, bis zu seinem Tode 1943 über viele Jahre unter einem Kunstwerk zu Ehren des Reinkarnationsgedankens ein und aus gegangen. Das Wissen darüber, daß der frühchristliche Theologe Origines das Konzept der Seelenwanderung vertrat, nähme dieser Annahme ein wenig von ihrer Brisanz. Allerdings wäre dieser Vorgang - im Falle seiner Verifizierbarkeit auch ein Zeichen für die große Liberalität der Bremischen Evangelischen Kirche in dogmatischen Fragen…

    Abbildung 01
    Stadtkarte von 1938. Die beiden Grundstücke der Nr. 146 und Nr.51 sind gemeinsam blau eingekastelt.

    Abbildung 02
    Historisches Luftbild. Die beiden Gebäude sind markiert.

    Abbildung 03
    Aktuelles Luftbild der beiden Gebäude.

    Abbildung 04
    Vergleich der Fassaden: Die Runderker sind schon sehr ähnlich gestaltet. Man beachte z.B. die stark profilierten Geschoßbänder. Leider beweist der Vergleich mit dem historischen Luftbild, daß die Nr. 146 ihren - über den beiden Runderkern gelegenen - Giebel verloren hat. Ob auch die Nr. 51 einen solchen besaß, wäre noch zu klären. Die dortige gegenwärtige Traufe sieht jedenfalls nicht sonderlich 'original' aus.

    Abbildung 05
    Relief über dem Eingang. Darstellung der Seelenwanderung ? Zumindest sind ein Greis (der seine davonfliegende Seele verabschiedet), der Tod (Knochenschädel, der der Seele beim Davonfliegen zuschaut), jede Menge geflügelte ‚Psychen’, - wohl - eine Mutter in verschiedenen Situationen und ein ‚Laufstall’ (??) mit mehreren kleinen Kindern (gerade gelandeten – reinkarnierten Seelen ?) dargestellt. Mann kann hier somit durchaus an einen Kreislauf denken…

    Kennt ein Mitforist vielleicht ähnliche Darstellungen ?

    Liege ich richtig mit der Annahme, daß es sich um ein Model - z.B. der Firma Albert Lauermann in Detmold - und nicht um eine individuelle Steinmetzarbeit handelt ?

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (15. März 2019 um 09:56)

  • Ansichten aus der Sonnenstraße


    Da Heinzer ja schon auf das traurige 'Teilungsschicksal' der Sonnenstraße hingewiesen hat (deren östliches Viertel - jenseits der breiten Schnellstraße - auch noch überlebt hat), hier einige Ansichten aus ihrem westlichsten Zipfel (also dem Bereich, der dank Heinzer hier bereits teilweise bekannt ist).

    Abbildung 01
    Historisches Luftbild, auf dem die weiter unten vorgestellten zwei Häuser farbig markiert sind.

    Abbildung 02
    Das bis heute existierende '70/71-Haus' an der Ecke Fedelhören / Sonnenstraße. Eigenes Foto von A.D. 2000.

    Abbildung 03
    Der Grund für den Spitznamen des Hauses: Der eiserne Kanzler, der alte Kaiser und der große Schweiger. Eigene Fotos von 2000.


    Abbildung 04
    Das Haus am Knick der Sonnenstraße. Es stand schräg gegenüber von den Häusern, die Heinzer porträtiert hat.

  • Die übrig gebliebene Südseite des Ostteils der Sonnenstraße:

    im Hintergrund die herrliche Bebauung des "Dobbendurchbruchs"...

    P.S.: Interessant, Ihr Beitrag zum Haus Am Dobben 146, das ja ein wenig wie ein Fremdkörper als einziges auf der Nordseite in diesem Abschnitt steht... sonst blickt man in der Straße in die Südhöfe und Gärten der Schleifmühlenbebauung. Auch dieses Haus müsste dringend in den Urzustand zurückversetzt werden, die unpassenden Fenster ausgetauscht und der Giebel wiederhergestellt werden, dann wäre es ein Schmuckstück.

    Einmal editiert, zuletzt von Heinzer (15. März 2019 um 09:59)

  • Ich weiß nicht, woher die Sonnenstraße ihren Namen hat, aber ich hatte den Straßennamen immer wörtlich genommen, die Sonne scheint hier günstig für die Bewohner aus allen Himmelsrichtungen. Das ist seit der westlichen Bebauung mit Hochhäusern vorbei. Vielleicht einst gut gemeint, die Gebäude sollten die Verkehrsgeräusche abschirmen, aber wer wie ich sich häufiger schon die Situation vor Ort angeschaut hat, fragt sich angesichts der Verschattung am Nachmittag, warum diese Straße eigentlich noch ihren Namen trägt. Schattenstraße wäre der bessere Straßenname.
    Und die Hochhäuser sind natürlich ein Ergebnis des brutalen Durchbruchs durch das Viertel in den 1960er Jahren, der glücklicherweise dann gestoppt worden ist. Aber die Hochhäuser hier orientieren sich nicht an der gewachsenen Bebauung, sie ignorieren sie geradezu und wir können uns natürlich wieder mal einen Reim darauf machen, was hier die Antriebsfeder war, die das SPD-geführte Bauressort zu diesem Schritt bewog.

  • Kaiserliches Telegraphenamt - die verborgene Schönheit

    Da RaHaHe auf dem Themenstrang 'Am Brill - Sparkassenquartier' den Fernsprechturm in der nördlichen Steffenstadt angesprochen hat, der m.E. zur Disposition gestellt werden sollte, möchte ich hier den diesem Turm weiter westlich benachbarten Kernbau des heutigen Telekom-Komplexes kurz vorstellen: Das ehemalige Kaiserliche Telegraphenamt an der Neuenstraße (später als Fernsprechamt 'Roland' bekannt). Heute ist die Nordfassade nur noch ein Schatten ihrer selbst, da sie infolge von Aufstockungen des Gebäudes und - wohl auch - Beseitigung von Kriegsschäden radikal simplifiziert wurde. Irgendwann wäre auch hier einmal Engagement und Handlungsbedarf erforderlich...

    Abbildung 01
    Lage des Kaiserlichen Telegraphenamtes auf der Stadtkarte von 1938 (rot eingekreist).

    Abbildung 02
    Zeichnung der ursprünglichen Ansicht der Nordfassade.

    Abbildung 03
    Gegenwärtiger Zustand der Nordfassade. In dieser Form sieht das Gebäude entfernt aus, wie ein schlechter Abklatsch von Schinkels Bauakademie...

  • Ich liebe ja diese Reisen durch die Stadt von Ihnen, Pagentorn. Ich bin so ein "urban explorer"-Typ und natürlich schon in fast jeder Straße der Kernstadt mal gewesen und mich faszinieren auch diese Entdeckungen, diese Solitäre in der Wüste wie eben das Telegrafenamt, wiewohl übelst zerschunden.

    Auch in der Bahnhofsvorstadt gibt es immer wieder einzelne Häuser aus der alten Zeit, verloren wirkend, und doch schön. Ich hatte hier schonmal auf dieses Haus in der "Frühlingsstraße" hingewiesen, der letzte Rest dieser alten Straße in der Bahnhofsvorstadt, irgendwie hat der Furor der Nachkriegsstadtplanung das Haus und den Straßenrest mit dem schönen Namen wohl einfach übersehen, er liegt versteckt in einer Art Hinterhof, der von der Löningstraße abgeht:

    Entschuldigen Sie das Abschweifen, aber ich mag diese Exkursionen durch die alte Stadt. Es ist fast ein Wunder, dass das Telegrafenamt noch dort steht, wo es steht. Die gegenüberliegende Seite ist ja erst vor einigen Jahren mit neuen Mietbunkern bebaut worden, insgesamt ist dieses ganze Areal zwischen Abbentor und Stephanitor noch der Bereich, in dem der Krieg am ehesten noch zu sehen ist, hier gibt es weiterhin brachliegende Grundstücke und seltsame Straßenreste. Auch dieser eingezäunte Schotterparkplatz an der Faulenstraße neben der Drogerie Zinke sieht so aus wie die zu Parkplätzen umfunktionierten Trümmergrundstücke aus den Fotos der 40er und 50er Jahre - nur, dass wir das Jahr 2019 schreiben.

    Vielen Dank auf jeden Fall!

  • Zum geplanten Projekt in der Kohlhökerstraße gibt es einen butenunbinnen-Beitrag:

    Beitrag butenunbinnen

    Meine persönliche Meinung zu diesem Thema ist, dass das hier und auch vom von mir sonst eigentlich durchaus geschätzten Robert Bücking und Olaf Dinné falsch aufgezäumt ist, denn der eigentliche Skandal ist die unfassbar öde Straßenfront:

    Quelle Weserkurier

    Ganz ehrlich, das sieht aus wie ein Studentenwohnheim aus der frühen 1990er Jahren und nicht wie eine Eckbebauung in einer Bestlage Bremens. Oder der andere Gebäudeteil:

    der 2008 in der Überseestadt noch irgendwie als "loftig-industriell" durchgegangen wäre, aber doch nicht in einem gewachsenen Wohngebiet geht. Komischerweise finden die ehemaligen Aktivisten ausgerechnet diesen Müll sogar akzeptabel bis gut ("kein Problem") und gehen auf das von der Straße nur in ausgesuchten Perspektiven überhaupt sichtbare Hochhaus steil, welches aus meiner Sicht den elegantesten Teil des Entwurfs bildet mit einer leichten 20-er-Jahre Optik mit dem Gesimse etc:


    (Quelle für die letzten beiden Bilder: evoreal)

    Nebenan steht außerdem ein weiteres höheres Haus der BLB-Zentrale und richtig sichtbar ist das Ding nur vom "Imre-Nagy-Weg" einem Fuß- und Radweg, der das Bischofstor mit dem Viertel verbindet und auf der anderen Seite ebenfalls von mehrstöckiger Neubebauung flankiert wird.

    Ich halte die Vergleiche mit dem Trassenkampf sogar für ganz bewusst polemisch und würde mich hier Herrn Hinrichs und Herrn Oelbermann tendenziell anschließen, dass hier eher privilegierte NIMBYs und Immobilienbesitzer mit wie auch immer gearteter Angst um den Wert ihrer Häuser aktiv sind als wirklich das Interesse der lokalen Bewohner des Ostertors im Vordergrund steht. Man kann sich sicherlich über die Höhe des Gebäudes unterhalten, 3 oder 4 Stockwerke tiefer wäre wohl besser - aber der eigentliche Skandal, dabei bleibe ich, ist die unfassbar öde Gestaltung der Straßenfront in dieser ehemaligen Prachtstraße Bremens.

    Und die ist bei all der Polarisierung interessanterweise überhaupt nicht Thema. Alle hängen sich an diesem Hinterhofhochhaus auf.

    ;) duck und weg....

    Einmal editiert, zuletzt von Heinzer (16. März 2019 um 13:22) aus folgendem Grund: Die Autokorrektur hatte aus Robert Bücking Robert Bückling gemacht. Das hat er nun auch wieder nicht verdient.

  • Die Villa des ‚Königs von Bremen’ – ein sinnloses Opfer !

    Vielen Dank, Heinzer, daß Sie nochmals auf das Bauvorhaben an der Kohlhökerstraße zurückgekommen sind. Dies erlaubt mir, auf ein Bau-Monument hinzuweisen, welches einst zugunsten des nun zum Abriß bestimmten Landeszentralbankgebäudes abgeräumt wurde und – wie man nun sieht - in völlig sinnloser Weise !
    Bei dem Monument handelt es sich um die Neorenaissance-Villa von Franz Schütte, erbaut auf dem Grundstück Kohlhökerstraße Nr. 29.
    Franz Schütte war der große Mäzen der Stadt um 1900. Ihm Verdanken wir den maßgeblichen Anteil an der Finanzierung der großen Domrestaurierung kurz vor der Jahrhundertwende, die er als Bauherr der Domgemeinde auch initiiert hatte. Er war die treibende Kraft hinter der Erbauung des Neuen Rathauses und der große Förderer des Bürgerparks, dessen Meierei und dessen Aussichtsturm seine ganz besonderen Herzensprojekte waren.
    Dieser‚königliche Kaufmann’ Bremens verkehrte mit gekrönten Häuptern auf gleicher Augenhöhe. Bei einem der drei großen Staatsbesuche Wilhelms II. in Bremen (neben den über 20 kleineren Kurzbesuchen), aus dessen Anlaß ein Bankett in der Oberen Rathaushalle stattfand, rief Schütte plötzlich – aus einem persönlichen Gespräch mit dem Kaiser heraus - quer durch den Saal, seiner sich am anderen Ende desselben aufhaltenden Gemahlin zu: „Meta, komme mal bitte rüber, der Kaiser möchte Dir (!) vorgestellt werden“.
    Und das Wohnhaus einer so bedeutenden Persönlichkeit riß man ohne Bedenken für den nichtssagenden Kasten der Landeszentralbank ab !!! Man will es einfach nicht glauben…

    Abbildung 01
    (oben): Links: Ansicht der Haupt-(Süd-)fassade des Gebäudes Kohlhökerstraße 29. Rechts: Porträt von Franz Schütte um 1900.

    Abbildung 02
    Lage des Gebäudes Kohlhökerstraße 29 auf der Stadtkarte von 1938 (rot markiert).

    Abbildung 03
    Vergleich der Vorkriegssituation (Stadtkarte von 1938) mit einem aktuellen Luftbild des Areals. Man erkennt, daß in diesem Bereich die komplette historische Nordseite der Kohlhökerstraße durch Nachkriegsbauten ersetzt wurde: Ganz links der nicht wieder bebaute Teil, der heute als Präsident-Kennedy-Platz bekannt ist. An diesen anschließend das ehemalige Konsulat der USA. In der Mitte die Verwaltung der Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG) und rechts die Landeszentralbank. Die zwei kleinen Gebäude direkt an der Ecke zur Meinkenstraße sind ebenfalls Wiederaufbauten aus der Zeit nach 1945.

    Abbildung 04
    Luftbild des Areals einmal ohne und einmal mit der ehemaligen Schütte-Villa.

    Abbildung 05
    Blick aus der Contrescarpe in den westlichen Anfang der Kohlhökerstraße. Links vor 1914 und rechts in der Gegenwart. Auf der historischen Postkarte kann man ziemlich in der Bildmitte die beiden Neorenaissance-Giebel der Schütte Villa erkennen. Auf dem aktuellen Bild sieht man links das ehemalige Konsulat der Vereinigten Staaten.

    Abbildung 06
    Blick nach Osten in der Kohlhökerstraße auf Höhe der Schütte-Villa, deren Untere Geschosse links deutlich zu sehen sind. Die aktuelle Ansicht zeigt ein total verändertes Straßenbild (lediglich der Erker an einem Haus auf der rechten Seite hat die Zeiten überdauert).

    Abbildung 07
    Aquarell von Willy Stöwer, das Staatsbankett in der Oberen Rathaushalle darstellend. Kurz nach dieser Szene erfolgte dann das legendäre „Meta, komme mal bitte rüber“.

    Abbildung 08
    Ein großer Jammer, daß auch dieses schöne Gebäude Bremen abhanden gekommen ist !

  • Ein Drama, ja. In der Ecke um das Bischofstor muss es schon relevante Kriegsschäden gegeben haben, aber typisch für die Zeit hat ein zerstörtes Gebiet dann an den Rändern noch zusätzliche Abrisse hinnehmen müssen, dabei war auch die Kohlhökerstraße eine der prachtvollsten Straßen Bremens, die obendrein weitgehend unzerstört den Krieg überstanden hatte. Von ihrem Westende fraßen sich dann die besagten Villenabrisse in die Substanz, während im Mittelteil fröhlich für die aufgeständert geplante Mozarttrasse abgerissen wurde. Somit ist auch diese Straße nur noch ein Schatten ihrer selbst.

    Diese außenliegenden Markisen aus den sommerlichen Aufnahmen an den Häusern geben sogar Bremen immer einen leicht mediterranen Anstrich, genauso wie die Fensterläden an Häusern aus der Zwischenkriegszeit. Wenn man dagegen den ästhetischen Offenbarungseid moderner Rolladensysteme betrachtet, nun gut.

    Trotzdem bietet die Straße noch solche Anblicke, wenn man "schlau" fotografiert:

    Trotzdem nur noch ein Schatten ihrer selbst, wie ein Großteil Bremens.