• Wie gesagt, es wird überall fröhlich weiter abgerissen. Der Rumpf der alten Polizeistation 2 somit zum bloßen Torso der Lächerlichkeit freigegeben, dass man ihn irgendwann auch noch abreißen kann. Und man glaube ja nicht, dass dort etwas Attraktives hinkommt, das wird bestimmt so ein Bau wie der schräg gegenüber vom "Planungsbüro Italiano", die hier durchweg Schrott verzapft UND auch noch Bauschäden an den Nachbargebäuden in Kauf nimmt:

    Links große Risse in der Fassade, (dabei ist das ein Juwel, im Stile atypisch für Bremen), rechts musste der Balkon aufgrund schwerster baubedingter Schäden durch den Abriss des Nachbarhauses abgerissen werden.

    Hier der Vorzustand von google Streetview:

    Die Bauschäden nocheinmal in anderer Perspektive:

    Bremen 1967... äh 2019.

  • Ja, man konnte den langsamen Verfall des Altans des rechten Nachbargebäudes mit zunehmender Fassungslosigkeit beobachten. Es bleibt zu hoffen, daß dieser rekonstruiert wird und somit sein prachtvolles Ziergitter, welches - allerdings ohne Vergoldungen - entfernt an die Gitter am Portal IV des Berliner Schlosses erinnert, zurückkehren kann !

  • "Doch Miteigentümer Andre Scheulenburg beruhigt die Gemüter: Noch weiter soll es mit den Abbrucharbeiten nicht gehen, der Turm und der Gebäudeteil links davon in Richtung Hauptbahnhof sollen unversehrt bleiben. Die entstandene Baulücke werde ein viergeschossiges Wohnhaus schließen" (aus dem Weser-Kurier zum Teilabbruch der Musikbibliothek).

    Tjaaaaaaaaaaaa, wenn das soooooo ist. Dann ist ja alles in Ordnung, dann brauchen wir uns ja nicht mehr sorgen.

  • Würde gern wissen, wie sich ein viergeschossiges Wohnhaus mit dem bisher im oberen Bereich nach allen Seiten freistehenden Uhrturm vertragen wird. Das Ziffernblatt an der Ostseite dürfte dann zumindest nicht mehr einsehbar sein, oder ? Man kann nur hoffen, daß der Neubau in den oberen Etagen einen gewissen Abstand vom Turm hält und nicht direkt an diesen herangeklatscht wird.

  • Ja, mit diesen Veranden auf jeder Etage wie gesagt definitiv etwas Besonderes. Die ganze Südseite der Straße "Außer der Schleifmühle" glänzt mit interessanter Architektur, am östlichen Ende steht die Centaurenapotheke, ein recht strenger backsteinexpressionistischer Bau, dann folgen einige interessante Villen, der oben gezeigte Bau und danach noch ein für Bremer Verhältnisse sehr großes Wohnhaus im reinsten Jugendstil neben einigen weiteren sehr ordentlichen gründerzeitlichen Geschäftshäusern. Aber auch diese Straße musste gewaltig leiden unter der megalomanen Verkehrsplanung der 60er Jahre und wird in ihrem östlichen Teil von insgesamt 5 Fahrspuren in dieselbe Richtung dominiert.

    Ich kuck mal, was ich an Bildern da habe und evtl. noch machen kann ;).

  • Lieber Heinzer,

    ja, die Straße 'Außer der Schleifmühle' ist schon speziell. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, daß an dieser Straße - und sogar auf derselben Straßenseite - ein frühes und ein späteres Werk ein und desselben Architekten, nämlich von Heinrich Behrens-Nicolai, zu finden sind. Beide Gebäude sind auch schon von Ihnen genannt worden: Das spätere Werk ist die expressionistische Centaurenapotheke (benannt nach dem ehemals in ihrer Nähe stehenden Brunnen - zu diesem gibt es hier ja einen eigenen Themenstrang) und das Frühwerk ist das imposante Wohn- und Geschäftshaus Nr.27, welches ursprünglich als Dependance des ersten und vornehmsten Bremer Autosalons, des Autohauses Lütgert & Schmoldt an der Birkenstraße (heute steht dort das 'Konsul-Hackfeld-Haus') errichtet wurde. Die großen nach angelsächsischer Art hochschiebbaren Fenster im Erdgeschoß erinnern noch heute daran, daß man die Automobile an dieser Stelle in den Schauraum hineinfahren konnte. Nebenbei bemerkt hatte Lütgert & Schmoldt einen 'großen Fisch' an Land gezogen: Seitdem S.M. Kaiser Wilhelm II. sich in Bremen (bei seinen über zwanzig kleinen Besuchen) in vom Kgl. Marstall in Berlin zur Verfügung gestellten Hof-Automobilen fortzubewegen pflegte, wurden diese Autos bereits zwei Tage vor dem Besuchstag auf Tiefladern der KPEV auf dem Schienenwege nach Bremen transportiert und dann eben bei Lütgert & Schmoldt untergestellt. Am Ankunftstag des Monarchen brauchten die Hof-Chauffeure die auf Hochglanz polierten Wagen dann nur den kurzen Weg von der Birkenstraße zum Hauptbahnhof zu fahren, um für den Monarchen einsatzbereit zu sein. Noch eine andere Anmerkung: Die Fassadenbereiche zwischen den Fenstern im ersten Obergeschoß der Nr.27 weisen Reliefs der Dorsale von athletischen Jünglingen auf, sodaß das Gebäude von Einigen auch - bitte um Verzeihung für diesen vulgären Begriff- das 'Knackarsch-Haus' genannt wird.

    Anbei eine Postkarte des Stammsitzes von Lütgert & Schmoldt in der Birkenstraße, welcher Ähnlichkeit mit der Schleifmühle Nr. 27 hatte (gerade hinsichtlich des geschweiften Giebels). Man sieht, auch damals schon nutzte man die Prominenz, um für sein Unternehmen Werbung zu machen...

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (13. März 2019 um 12:46)

  • Ja, das ist schon ein tolles Haus:

    Hier mal das Westende der Straße mit diesem schönen erhaltenen Kopfbau (noch weiter nach links geschwenkt steht die Polizeiwache 2):

    Hier mal das Ostende mit der Centaurenapotheke:

    Eine der schönen Villen im Gegenlicht:

    Nur erbses Bäderarchitekturvilla fehlt leider in meiner Sammlung... die ganze Gegend ist in etwa von der typischen Bremer Nachkriegsquote außerhalb der schwer zerstörten Areale betroffen, etwa 2/3-Vorkriegsbauten stehen einem Drittel manchmal unauffälliger, häufig nerviger Nachkriegsbauten gegenüber.

  • Außer der Schleifmühle Nr. 51

    (Erbses Bäderarchitekturvilla)


    In der Hoffnung, daß das Haus Nr. 51, welches dem äußeren Anschein nach – ganz unbremisch - ein Mehrparteienhaus zu sein scheint, durch seinen Bauschmuck etwas über seine Erbauer preisgibt, habe ich anhand alter eigener Fotos aus dem Jahre 2000 einmal näher Nachschau gehalten:

    In der obersten Brüstung des Runderkers sind in einem von Rankwerk umgebenen Schilde zwischen drei kleinen Schilden (Malerhandwerk) und einem Winkelmaß, die Buchstaben ‚R’ und ‚M’, sowie die Jahreszahl ‚1908’ eingetragen. Wenn man einmal annimmt, daß das Haus somit 1908 erbaut worden ist, dann wird es 1909 erstmals im Adressbuch als bewohnt gelistet worden sein. 1909 ist als Bewohner allein der Kaufmann August Weyhausen, Generalkonsul Belgiens eingetragen. R und M können somit nicht seine Initialen sein.

    Insofern könnten die beiden Buchstaben R und M eventuell auch auf die Bauhandwerkerfirmen hindeuten, die am Hausbau maßgeblich beteiligt waren. Um diese Frage abschließend zu klären, müßte man wohl die Bauakten einsehen…

    Das Portal ist umgeben von Schmuck, der der griechischen Antike entlehnt zu sein scheint (zwei Theater-Masken, eine Quadriga in voller Fahrt, zwei sich auf ihre Lanzen stützenden, behelmten Heroen und zwei Frauenköpfe: Ein junges den Betrachter anblickendes Mädchen und eine sinnende Greisin. Nun möglicherweise war Generalkonsul Weyhausen der humanistischen Bildung zugetan … ???


    Adreßbuch Bremen 1909 (Nr. 51 rot markiert):


    7 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (15. März 2019 um 11:00)

  • Nr. 65 - Villa Gildemeister

    Die von Heinzer in der gegenwärtigen, einheitlichen Farbfassung eingefangene ehemalige Villa des Kaufmanns Gildemeister, konnte ich im Jahre 2000 noch mit einem mehr auf die Details des Bauschmucks eingehenden, mehrfarbigem Anstrich auf die Photoplatte bannen. Dieser ältere Anstrich erinnerte mich immer an das alte Berliner Kunstgewerbemuseum an der Prinz-Albrecht-Straße (heute Martin-Gropius-Bau).

    Der Vergleich mit Heinzers aktuellem Bild zeigt den ganzen Frevel, des unifarbenen Anstrichs:


    Das Wappen der Familie Gildemeister im Zentrum des Frieses unterhalb des Hauptgesimses.

    3 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (15. März 2019 um 11:03)

  • Wahnsinn, was Sie alles "op Täsch" haben, Pagentorn.... vielen Dank für die Informationen. Wissen Sie eigentlich, ob im Rahmen der Tangentenplanung rechts, also westlich der Villa Gildemeister ein Haus abgerissen wurde für die seltsame Blockumfahrung Richtung Rembertikreisel?

  • Lieber Heinzer,

    für die Blockumfahrung wurde das kriegszerstörte Gebäude der Exportbuchhandlung G.A. v. Halem nicht wiederaufgebaut.

    Ich werde heute Abend noch ein Bild des Gebäudes hier einstellen.

    Dort hat im Übrigen der große Thomas Mann in den 1920er Jahren eine Dichterlesung gehabt.

  • Rekonstruktion der Südseite zwischen den Nr. 65 und 51

    (zur Beantwortung der Frage Heinzers:)

    Abbildung 01
    Luftbild der Gegenwart

    Abbildung 02
    Rekonstruktion des Vorkriegszustandes mit Angaben zu bedeutenden Nutzern der Gebäude

    Abbildung 02a
    Vergrößerung zur besseren Lesbarkeit:


    Abbildung 03
    Stadtkarte von 1938 mit Hausnummern


    Abbildung 04
    Bedeutende Persönlichkeiten der Straßengeschichte

    Abbildung 05
    Blick von Osten in die Straße (von der Kreuzung Bismarckstraße, Schwachhauser Heerstraße, Dobbenweg). Ganz links der Vorgängerbau der Centaurenapotheke.

    Abbildung 06
    Blick von Westen in die Straße (auf Höhe der Nr.18)

  • Ruinen der Mißler- und Lohmann-Villen


    Das anliegende Foto aus den Beständen der online-Kriegsschadensdokumentation des Staatsarchivs Bremen zeigt eine Ansicht der ‚Schleifmühle’ in östlicher Blickrichtung. Aufgenommen wurde es nach dem 92. Luftangriff auf Bremen, der am 26. Juni 1942 stattfand. Ganz rechts im Bild ist die Nummer 57 zu sehen. Darauf folgt die Nummer 59/61 – die Villa Friedrich Mißlers – deren Dachstuhl schwerste Beschädigungen aufweist. Die links anschließende Nr. 63 – die Lohmann-Villa – ist ausgebrannt, man erkennt das sehr schön an den Rauchspuren am Turm und dem große Giebelfenster. Links neben dem Giebe kommt ein Teil des Risalits der unbeschädigten Nummer 65 – der Villa Gildemeister – ins Blickfeld. Ganz hinten erkennt man noch den stark vorkragenden Teil der Centauren-Apotheke von Heinrich Beherns-Nicolai.

  • Außer der Schleifmühle Nr. 1 - 13


    Ein Jammer, daß man die originale und so stimmige Schaufensterfront an der Westseite des Erdgeschosses so einfühllos durch rechteckige Fenster und Türrahmen ersetzt hat - und dann auch noch so inkonsequent war, die ursprüngliche Gestaltung an der Nordseite zu belassen...

    Quelle der Bilder: (Aktuelle Ansicht: Heinzer; historische Abbildung: Online Kriegsschadensdokumentation des Staatsarchivs Bremen).

  • Nr. 67 - Der verwaiste Zwilling


    Nicht Vielen dürfte heute noch bewußt sein, daß das mit seinen Zinnen und Türmchen an eine strahlend weiße mediterrane Burganlage erinnernde Gebäude Nr. 67, welches heute von dem unscheinbaren Backsteinbau Nr. 69 zur Linken benachbart wird, sozusagen der Torso eines Doppelhauses ist – oder , wie man auch sagen könnte, ein verwaister Zwilling, der seinen spiegelbildlichen Bruder im Kriege verloren hat.

    Abbildung 01
    Stadtkarte von 1938 mit den Nr. 67 (dunkelblau markiert) und dem heute durch einen Neubau erstetzten Nr. 69 (hellblau markiert).

    Abbildung 02
    Blick von Osten aus der Bismarckstraße über den Centaurenbrunnen in den östlichen Anfang der Straße ‚Auf der Schleifmühle’. An der linken Bildkante sind die beiden Häuser Nr. 69 und 67 zu erkennen. (Alte Ansichtskarte).

    Abbildung 03
    Vergrößernder Ausschnitt aus Abbildung 02. Das ‚Doppelhaus’ mit seinen Zinnen ist gut zu sehen.

    Abbildung 04
    Bild von mir aus dem Jahre 2000 mit dem Blick auf die Villa Gildemeister (Nr.65) und das dahinterliegende ‚verwaiste’ Haus Nr. 67.

    Abbildung 05
    Visualisierung der Wirkung des kompletten Doppelhauses.

    Abbildung 06
    Luftbild der gegenwärtigen Situation.

    Abbildung 07
    Luftbild mit der Wirkung eines rekonstruierten ‚Zwillings’.

  • Man sieht an diesen schönen Bildern auch die typische gebrochene Bebauung Bremens... einzelne großstädtische Mehrfamilienhäuser wurden selbst in den absoluten Pracht- und Hauptstraßen gerne immer wieder durch Reihen kleiner Bremer Häuser und einzelne Villenbauten abgelöst, so dass das Straßenbild auch 1912 schon von sehr wechselnden Traufhöhen bestimmt war. Auch durchgehende Blockrandbebauung im strengen Sinne (also auch über Ecken) gibt es in Bremen wesentlich seltener als in allen vergleichbar großen Städten des Landes.

    Es gab gen Ende des Kaiserreiches dann die vermehrte Tendenz, eben diese vielleicht als nicht repräsentativ genug empfundenen kleineren und älteren Bremer Häuser durch besagte Mehrfamilienhäuser abzulösen, was besonders an Ecken geschah und zu diesem wie gesagt sehr typischen Bremer Straßenbild beitrug.

    Durchgehend mit als mit 2 straßenseitigen Vollgeschossen bebaute Straßen dürfte es außerhalb des Walls bis 1914 kaum gegeben haben (vielleicht Bahnhofsstraße?), und obwohl es durchaus auch Beispiele für vierstöckige Gründerzeitler gibt, sind diese immer Einzelfälle im Straßenbild geblieben.