Bremen - Innenstadt

  • Das klingt wirklich sehr spannend Heinzer! Bremen hat eine so reichhaltige und vielschichtige Architekturtradition, dass es ein Frevel wäre, diese bei Neubauten in solch einem Umfeld zu ignorieren. Tolle Projekte wie die Bremer Landesbank von Caruso Architects zeigen ja, wie es gehen kann.

    Und das ist doch die ideale Zeit für die Gründung eines Bremer Ortsverbandes von Stadtbild Deutschland! :thumbup:

  • Das Royal Institute of British Architects hat den Neubau der Bremer Landesbank von Caruso Architekten auf seine "Longlist" für das beste Gebäude 2018 gesetzt. Nach anfänglicher Skepsis muss ich auch sagen, dass das Ergebnis sehr gut ist und sich schön in die Umgebung einpasst:

    Z.B. hier nachzulesen:

    CNN

  • Bin gestern mal auf das frühere Haus Langenstraße N°121 gestoßen, zu dem es - bis auf ein paar Bilder - leider nicht sehr viele Informationen gibt. Von der Fassade ist dann wohl offenbar nichts mehr vorhanden.

    Welch wunderhübsche Rokoko-Portalfassade in den zwei Untergeschossen!


    Bildquelle: kunstmuseum-hamburg.de

    Weitere Bilder hier im Bildindex.

    Und eine wunderbare Frontalaufnahme zum Schluss:

    Bildquelle: Digitales Architekturmuseum der TU Berlin

    Im Wikipedia-Eintrag zur Langenstraße heißt es übrigens "Das viergeschossige Kaufmannshaus Langenstraße Nr. 121 mit einem Renaissanceportal, welches 1944 zerstört wurde." :schockiert:

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Lieber Vulgow,

    vielen Dank, daß Sie die Aufmerksamkeit auf dieses Haus gelenkt haben, welches eines der eindrucksvollsten an der Langenstraße war und sich daher in eine Reihe mit den imposanten Giebelhäusern stellen konnte, welche auf dem Themenstrang zum Bremer Kornhaus bereits angesprochen wurden.

    Letzer Nutzer war die Firma Jaeger & Eggers, welche auch die beiden links und rechts benachbarten Häuser erworben hatte und die dei Gebäude als ihr Geschäftslokal verwendete. Über das Grundstück dieses 'Dreigiebelhauses' rauscht heute der Verkehr, auf der nach dem Kriege brachial über die Langenstraße hinweggeführten, verbreiterten Martinistraße. Die Firma Jaeger & Eggers, die gerne am alten Standort -und sehr wahrscheinlich auch in alter Form - wieder aufgebaut hätte, mußte an die gegenüberliegende Nordseite der Langenstraße (Ecke Pieperstraße) ausweichen, wo ein traufenständiger, - bis auf einen Balkon mit Firmenwappen - schmuckloser, Neubau aus - immerhin - rotem Backstein entstand. Die Giebel-Herrlichkeit war damit auch hier zu Ende. Gott allein weiß, weshalb die Nachkriegsplaner - mit aller Gewalt- aus der ehedem giebelständig geprägten Bremer Altstadt ein von Traufen dominierten Bereich machen wollten / mußten...


    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (28. Januar 2018 um 10:07)

  • Was mir bei vielen Bauten der (Weser)renaissance mehr und mehr auffällt, ist, wie "modern" diese Gebäude durch den Fokus auf Fassadengliederung unter Verzicht auf ausladenden Zierrat daherkommen. Auch beim hier thematisierten Dreigiebelhaus ist das wieder der Fall, abgesehen von den Rokokoutluchten des mittleren natürlich. Da gleiche gilt für den Schütting und das Gewerbehaus... eigentlich ein Stil, der im Gegensatz vielleicht zu einigen historistischen Stuckexzessen (nicht missverstehen: ich liebe historistische Stuckexzesse) reichlich Anknüpfungspunkte für Zeitgenössisches bieten müsste.

    Das feine Fassadenspiel aus Sandstein und Backstein, die klare Fenstergliederung, ein Traum und durchaus geeignet als Neubaustil.

  • Wusste nocjt das die Innenstadt von Bremen nach dem Krieg so versaut wurde. Ganz intakten Bauten verschwanden im Nu!! Herrliche Fassaden......pleite.
    Die Bomber tatren Einiges aber die Deutschen versauten fast al ihre Grosstädte nach dem Krieg, kein einziger kam davon!!
    Zelbstzerstörerischen Furor!!!! Tabula Rasa ohne Gleichen in der Welt.
    Innenstadt Bremen war relativ wenig zerstört, wie Halle, Erfurt und Leipzig. Aber was heute noch da ist ist zu vergeleichen mit schwer bombardierten Städte wie Hannover und Berlin.

  • Richtig, es gab unnotige bedauerliche Abrisse nach 45. Trotzdem muss ich sagen: die Bremmer Innenstadt hat viel zu bieten! Nicht nur der weltklasse Marktplatz (ich muss zugeben, ich mag auch die Burgerschaft), auch vieles in der Umgebung. Trotz alles, gibt es noch nicht so wenige wunderbare Beispiele fur das Weser Rennaisance, einige davon Rekonstruktionen.

  • Altes Postamt an der Domsheide

    Zu sehen ist der linke Flügel, abgerissen 1971, rechts der heute noch unter Denkmalschutz stehende Hauptteil, links sieht man im Hintergrund das Alte Gymnasium, heute Standort der Hochschule für Musik.

    Post-Moderne

    Dafür kam ein für de Altstadt schlecht gegliedeter Betonbau mit vorgehängtem Metallprofilgerüst und Sandsteinplatten.


    Man beachte das alte Portal. Vorher beim Altbau nach Norden ausgerichtet, jetzt in Ostrichtung aufgestellt. Diese "Reminiszenz" ist eher ein Verhöhnung, wenn nicht gar ein kleiner Gag der 70er-Jahre-Architekten, als ein respektvolle Verbeugung vor der historistischen Baukunst.

    Einmal editiert, zuletzt von findorffer (10. Dezember 2018 um 11:36)

  • Unglaublich da wird 1971 noch so ein historisches Haus das eindeutig Teil eines Ensemble ist (verbunden mit Kolonnaden), einfach so gegen einen Industriebau ersetzt. Zumindest ist das Eingangsportal noch da, dass könnte als Keim für eine mögliche Wiederherstellung in vielleicht 20 Jahren dienen!

  • Spitzenkiel1910

    Sicher keine schöne Straßenszene, das Ganze macht einen ärmlichen und heruntergekommenen Eindruck, aber im Vergleich zu heute hat es doch Charme und besticht durch seine Kleinteiligkeit und seinen Abwechselungsreichtum. Das rechts im Hintergrund zu sehende Jugendstilhaus stand direkt, unterbrochen von der Pelzerstraße, neben dem Lloydgebäude.

    Der heutige Zustand

    2 Mal editiert, zuletzt von findorffer (28. Dezember 2018 um 17:35)

  • Schüsselkorb/Ecke Museumsstraße

    Der Vorgängerbau des heutigen Commerzbankgebäudes war mal ein interessanter Jugendstilbau mit einem runden Erker, der ca. 1983 abgerissen wurde. Für das Jugendstilgebäude bestand Denkmalschutz, der aufgehoben wurde. Manfred Schomers, Hauptabteilungsleiter für das Bauwesen in Bremen, argumentiert seinerzeit in bester Architektenprosa so:

    "Diese unpopuläre Entscheidung, den Denkmalschutz für das Türmchenhaus aufzuheben, war getragen von der Einsicht (!!!), der ganzheitlichen Architektur dann den Vorrang zu geben, wenn die Lösung überzeugt". (Ausrufezeichen von mir).

    Erst wurde noch überlegt, den die Ecke betonende turmartige Erker in den Neubau zu integrieren. Aber dazu kam es natürlich nicht, siehe oben. Hier nun zwei Bilder des Altbaus:


    Unten das "Integrationsmodell"

    Und die "Lösung", die heutige Zentrale der Commerzbank in Bremen

    Einmal editiert, zuletzt von findorffer (28. Dezember 2018 um 17:38)

  • Haus Caesar am Domshof 21

    Ein schöner, ein wertvoller Barockbau, dessen oberes Fassadenteil hinten nun den Oberteil der Essighausfassade darstellt. Wie ist das möglich? Nun, weil es abgerissen wurde. Auch die barocke Vorderfassade wurde gerettet - nur, wo ist sie, wo ist sie geblieben..................



    Dafür kam dieser hübsche Bürobau, aus dreieinhalb Etagen wurden sechseinhalb....Diese Verdoppelung der Etagen führt uns zur Ursache des Abrisses.....Man sieht, wie kulturlos diese Kaufmannstadt ist. Hier will man Geld verdienen.....

    2 Mal editiert, zuletzt von findorffer (23. Dezember 2018 um 10:04)

  • Das "Museum" am Domshof nach dem Krieg



    Dafür kam dieser häßliche Glaskasten, der zum links stehenden Gebäude gehört, die Bremer Zentrale der Deutschen Bank.

    3 Mal editiert, zuletzt von findorffer (23. Dezember 2018 um 10:05)

  • Zu Beitrag Nr.36

    Hallo findorffer,

    dieser Beitrag hat auf schmerzliche Weise eine alte, beinahe vergessene (oder auch sehr erfolgreich verdrängte) Wunde aus meiner Kinderzeit aufgerissen.
    Ich kann mich jetzt dank der Bilder des alten Gebäudes wieder sehr gut daran erinnern, wie ich an der Hand der Mutter am Schüsselkorb stand – auf die Straßenbahn wartend – und mit traurigem Herzen mitansehen musste, wie dieses wunderbare Gebäude quasi vor meinen Augen starb. Ich habe damals – und selbst heute – nicht verstehen wollen, wie man so ein schönes Gebäude einfach abreißen konnte; besonders den runde Erker und das Turmhäubchen habe ich sehr gemocht. Den Nachfolgebau habe ich gehasst, auch wenn der Klinker einer alten, Bremer Tradition folgt und etwas Wärme ausstrahlt, Geschäfte würde ich dort selbst heute nicht tätigen wollen.

    Der Abriss war auch Thema bei Tische in der Familie. Mein Vater und meine Mutter äußerten sich sehr negativ zu dem „unnötigen“ Total-Abriss. Ein Zeichen, dass die Ablehnung dieses „Verschandeln“ Bremens in den Bürgern durchaus tief verwurzelt ist.

    Ich glaube, ich kann sagen, dass der Abriss des alten Jugendstilgebäudes am Schüsselkorb/Ecke Museumstraße und das Schicksal des alten Katharinen-Klosters mich als Kind derart berührt haben, dass ich jetzt für den Wiederaufbau und die Rekonstruktion von Gebäuden in Bremen kämpfe und mich angagiere.

    Bemerkenswert finde ich die in dem Beitrag erwähnte Haltung des Denkmalschutzes zur der Zeit. Mich würde mal eine Auflistung von Gebäuden in Bremen interessieren, bei denen der so hochgelobte Denkmalschutz seinen Daumen abschließend gesenkt und somit aktiv zu einem Verlust von Identität und Kultur in der Hansestadt beigetragen hat.

    Wer nutzte eigentlich noch vor dem Abriss das Gebäude? Ich meine, die Commerzbank war auch vorher Mieter (??!!??)/ Eigentümer.

  • Jacco Scum, ich meine auch, dass die Commerzbank den Altbau vorher genutzt hat. Dann wollte sie sich vergrößern, brauchte mehr Platz, wollte aber auch in der Nähe des Bankenplatzes Domshof bleiben und sah im genutzen Standort wohl die beste Lösung. Zwischendurch ging sie (ich meine, zum Schein) in Zusammenarbeit mit der Baubehörde auf das "Integratonsmodell" ein, um schließlich die "klare" Lösung zu bevorzugen. Manfred Schomers hat das ja beschrieben, die Rolle der Baubhörde dabei aber verschwiegen.

    Manfred Schomers bezeichnete die Aufhebung des Denkmalschutzes für das Türmchenhaus als "unpopulär". Das heißt - wieder mal - die Bevölkerung wollte das Gebäude behalten, es war stadtbildprägend, stellte ein Stück Heimat und Schönheit dar, aber die unheilige Allianz aus Baubehörde, Bank und Politik (Koschniksenat) war wohl für den Abriss, von Seiten der Politik vermutlich aus den gleichen Gründen wie bei Kühne & Nagel heute: Sonst verschwindet die Firma aus Bremen.