Burgund (F) (Galerie)

  • Tja, Kirchen gibt hier im Burgund bekanntlich viele - derartiges lässt sich folglich kaum vermeiden :D
    Es folgt ja schon wieder ein schöner Sakralbau, und zwar die Kirche Notre-Dame. Auf dem Weg dorthin habe ich keine Fotos der eher wenig spektakulären Bebauung gemacht.

    Ich habe leider einen sehr schlechten Stadtplan gewählt, wie ihr sehen könnt ist die Kirche direkt über dem riesigen Infosymbol.

    Die Kirche Notre-Dame wurde etwa in den Jahren 1220-40 von der Dijoner Bürgerschaft errichtet und ist zweifellos eines der Hauptwerke der Burgunder Gotik. Zwar sind die Ausmaße (etwa 65 Meter Länge) nicht wahnsinnig beeindruckend, dafür aber die hohe Qualität des Kirchenbaus.


    Schon bei der Betrachtung der Westfassade wird klar, dass es sich hier um keine Nullachtfünfzehn-Kirche handelt. Die blockhafte Front ist in drei Geschosse gegliedert, die oberen sind durch filigrane Arkaden gegliedert. Besonders bemerkenswert sind die vielen falschen Wasserspeier, auch wenn die meisten Rekonstruktionen des 19. Jahrhunderts sind.


    Bei der französischen Revolution wurden die Figuren an den Portalen brutalst abgeschlagen. Der Innenraum wurde gottseidank verschont.

    Einen ganz anderen Charakter als die Westfassade hat die im Osten:

    Man möchte gar nicht glauben, dass es sich um ein und die selbe Kirche handelt. Links steht ein schönes Fachwerkhaus, dem ich noch schnell eine eigene Abbildung widme:

  • Ist schon das Äußere beeindruckend, stellt der Innenraum eine weitere Steigerung dar.
    Das meiste Licht kommt in der kreuzförmigen Kirche durch den lichten Vierungsturm, die Fenster in den Schiffen und im Chor haben alle dunkel bemalte Glasfenster, was den unteren Bereichen ein eher schummriges, nach oben immer heller werdendes Licht verleiht. Was für eine Raumwirkung!
    Ganz typisch für die burgundische Sakralarchitektur ist, wie wir hier wieder gut sehen, jene schon erwähnte Doppelwandigkeit, die hier überraschend konsequent durchgesetzt ist..


    In den Querschiffen sorgen riesige Rundfenster für die Belichtung - aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts!

    Durch die Doppelwandigkeit ergeben sich immer wieder interessante Blickachsen, hier z. B. vom Neben- zum Hauptchor.

    #

  • Von Notre-Dame gehen wir nun nach Südwesten in die Rue des Forges, eine der schönsten Straßenzüge in der Dijoner Altstadt. In unmittelbarer Nähe zum Schloss gelegen, siedelten dort viele reiche Bürger auf oft unzumutbar winzigen Parzellen. Hätten sie sich drei Straßenzüge weiter wohl ein Stadtpalais mit großzügigem Garten errichten können, kommt es in dieser Straße folglich zu einer beeindruckenden Verdichtung des Prunks.
    So dürfen wir uns heute zum Beispiel über dieses Haus freuen:


    Ich konnte es zuerst nicht glauben, als ich las, dass dieses Haus echt romanisch ist (abgesehen von Portal etc...), und nicht aus dem 19. Jahrhundert stammt. Derartiges ist im Burgund aber gar nicht so ungewöhnlich, siehe Cluny, wenn die Galerie fertig ist.
    #
    Diese letzte Etappe noch auf der Karte:


    Was für ein Balkon!

    Das war´s mit den Eindrücken aus Dijon. Weiter geht es in Bälde mit Bildern von Beaune und weiteren
    Orten an der Côte d´Or, sowie in weiterer Folge Cluny und Anderem...

  • Etwa 35 Kilometer südwestlich von Dijon, am Rand einer markanten Hügelkette, genannt Côte d´Or (also "Goldküste", wobei kein Zusammenhang mit der bekannten Lebensmittelfirma besteht), liegt die nächste größere Stadt, und zwar

    Beaune

    G e s c h i c h t e: In der Römerzeit befand sich hier ein kleines Militärlager, an dessen Stelle wurde im 10. Jahrhundert eine Burg errichtet, um die sich allmählich eine Siedlung entwickelte. Im späten 12. Jahrhundert erhielt diese eine großzügige Befestigung, 1203 wird sie zur Stadt ernannt. Tatsächlich war im 13. und 14. Jahrhundert Beaune war Residenzstadt der burgundischen Herzöge, bis es 1363 von Dijon abgelöst wurde. Im 15. Jahrhundert erfolgte - ohne Stadterweiterung - die Verstärkung der Stadtmauern, die heute noch erhalten sind. 1443 wurde das berühmte Hôtel-Dieu gestiftet. Nach dem Mittelalter verlor Beaune an Bedeutung, gelegen an großen Handelsstraßen und mitten in einem der bedeutendsten Weinbaugebiete Frankreichs blieb es doch bis heute eine wichtige Stadt. Heute zählt sie etwa 21.000 Einwohner.

    Wir nähern uns der Stadt von Norden und machen noch einen kurzen Abstecher zu der in der Vorstadt gelegenen Kirche St-Nicolas. Der aus dem 13. Jahrhundert stammende Bau war leider zu, trotzdem ist das prächtige Portal einer fotografischen Abbildung würdig.


    Im Tympanon ist die Szene dargestellt, in der der hl. Nikolaus von Bari 3 Mädchen davor bewahrt, von ihrem Vater ins Bordell geschickt zu werden.

    Die Vorhalle aus dem 15. Jahrhundert mit offenem Dachstuhl

    Circa 500 Meter weiter südlich beginnt die eigentliche Altstadt.

    Anstelle des jungen Triumphbogens muss sich einst wohl das Stadttor befunden haben.

  • Nach Südwesten führt die wichtigste Altstadtachse, die Rue de la Lorraine.Nach dem "Das-Beste-kommt-zum-Schluss-Prinzip" bleiben wir nicht auf der prächtigen Hauptstraße, sondern irren zuerst teilweise etwas orientierungslos durch das Gassengewirr in der historisch und architektonisch weniger bedeutenden Südosthälfte der Stadt. Leider habe ich keinen Stadtplan fotografiert, Interessierte müssen dem Routenverlauf also auf Google Earth/Maps folgen.
    Hier biegen wir in die vermeintlich unspektakuläre Rue Rousseau-Deslandes.


    Gleich um die Ecke wartet tatsächlich eine echte frühgotische Überraschung:

    Die weiteren Gebäude sind zum Großteil weniger ansehnlich, zweifellos aber meistens uralt!


    Die Straße führt uns außerhalb des ummauerten Bereiches. Hier können wir einige Blicke auf mit Grünzeug verstellten Befestigungsanlagen des Spätmittelalters erhaschen:


    Über die Rou Armand Gouffé kommen wir wieder in den einst geschützten Innenstadtbereich. Im Mittelalter dürfte das Gebiet hier nur sehr locker verbaut gewesen sein; man trifft hauptsächlich auf Gebäude des 18.-20.- Jahrhunderts.

    Ein ganz typisch französischer Neubau: Irgendwie ganz gut angepasst, aber mit einigen störenden modernen Elementen (oft ist es auch genau umgekehrt) und - subjektiv empfunden - nicht mit all zu viel Gefühl. Mich kann er nicht vom Hocker hauen, aber es gibt Schlimmeres.

    Place Félix Ziem:


  • Jetzt kommen wir zur zweifellos berühmtesten Sehenswürdigkeit Beaunes, und zwar zum Hôtel-Dieu.

    Geschichte: Nicolaus Rolin, Kanzler von Burgund in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, war einer der mächtigsten Männer im damaligen Frankreich und hatte beim Volk nicht unbedingt einen guten Ruf. Um das zu ändern und sich gleichzeitig auch sozusagen den Platz im Himmel zu sichern, stiftete er 1443 das Hospital. Er investierte riesige Summen Geld in das Gebäude und sorgte dafür, dass alles möglichst prächtig war, aus Repräsentationsgründen selbstverständlich. Wie ironisch eigentlich. Der Architekt war der Niederländer Jacques Wiscrère. 1451 erfolgte die Fertigstellung des Komplexes. Seitdem wurden nur wenige Umbauten vollzogen, viele Teile sind noch im mehr oder weniger originalen, mittelalterlichen Zustand erhalten. Heute befindet sich ein Museum darin.

    Ein Modell im Inneren zeigt den Zustand im 18. Jahrhundert, seitdem wurde fast nichts verändert...


    Der riesige, kirchenartige, Krankensaal von außen:

    Gleich betreten wir den weltberühmten Innenhof mit Postkartenmotiv Nummer 1. Wer es noch nicht überrissen haben sollte, spätestens die glasierten Ziegeldächer zeigen, dass wir im Ausland sind :lachentuerkis:


    Als einziger Trakt um den Hof entstammt der nordwestliche nicht dem Mittelalter, sondern dem 18. Jahrhundert.

    Und die Ostseite. Es sein nochmals darauf hingewiesen, dass es sich hierbei tatsächlich um keine Kirche handelt.

    Nochmals der berühmte Fachwerktrakt in natura...

    ...und als Modell

  • Nun zu den Innenräumen:

    Nicht nur das Äußere, auch das Innere ist für ein Spital selbstverständlich ungewöhnlich prachtvoll. Der große Krankensaal (der äußerlich eben wie eine Kirche aussieht) geht im heutigen Zustand was die Ausstattung und die Decke betrifft zum größten Teil auf das 19. Jahrhundert (1875-77) zurück, wobei man sich allerdings stark an den Originalplänen orientiert hat. Gänzlich anders dürfte es im 15. Jahrhundert also nicht ausgesehen haben. Der Raum ist tatsächlich etwa 50 Meter lang! Im Süden befindet sich ein abgetrennter Betraum mit Altar.

    Das Fenster bei dieser offenen "Kapelle":

    Der nebenan gelegene Saal für die wohlhabenderen Kranken hat eine außergewöhnlich prächtige Ausstattung aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert:

    Derartigen Luxus finden wir in unseren heutigen Krankenhäusern selbstverständlich nicht mehr auf, dafür dürfen wir uns über getrennte Zimmer und anständige Hygiene freuen.  :augenrollen:

  • Vom Platz vor dem Hôtel-Dieu geht es nach Nordwesten weiter, dieser Stadtteil besteht aus mehreren Straßen, die im Grundriss konzentrische Kreise um die zentrale Kirche Notre-Dame ausbilden. Ich vermute hier ein noch älteres, ummauertes Areal, wohl aus dem 12. Jahrhundert. Über die Rue Paradis kommt man zum Hôtel des Ducs de Bourgogne, der ehemaligen Residenz der Herzöge des Burgunds, im Kern noch aus der Zeit, als Beaune die Residenzstadt war. Man erwartet sich wohl ein prächtiges Schloss an einem großen Platz, tatsächlich handelt es sich bei dem Baukomplex um mehrere, vollkommen unregelmäßige Trakte die um mehrere Höfe abseits der Straße hinter den Häuserfronten scheinbar willkürlich angeordnet stehen. Heute befindet sich darin das Weinmuseum.
    Der "Haupthof" mit Gebäuden des 15./16. Jahrhunderts wirkt äußerst beschaulich und gemütlich, man mag nicht glauben, dass hier einst die Herzöge regierten.


    Der gegenüberliegende Trakt:

    Südwestlich, ein kleinerer, einst vorwiegend wirtschaftlich genutzter Hof.

    Das Gebäude in der Bildmitte hat prächtige Details zu bieten:

    Am Foto über dem obigem ist links ein Gebäude angeschnitten, bei dem es sich um einen original erhaltenen Stadel aus dem 14. Jahrhundert. Auch Innenstruktur und Dach stammen noch aus dem Mittelalter!
    Etwas jünger sind die seitlich ausgestellten Pressen, bei deren Größe jeder Mostviertler nur vor Neid erblassen kann.

    In einem weiteren Hof steht ein Modell von Beaune mit den Befestigungsmauern aus dem 15. Jahrhundert, natürlich mit falschen Größenverhältnissen.

  • Wir kehren dem Hôtel des Ducs de Bourgogne den Rücken zu und betreten das sich westlich davon erstreckende und durchaus idyllische Gässchengewirr(chen)...



    ...durch das man zur platzartigen Avenue de la Republique kommt.

    Hier steht auch ein kleines Häuschen, das ein sehr gutes Beispiel für das durchschnittliche gotische Beauner bzw. Côte d´Orer Bürgerhaus darstellt. Beige verputzte Fassade mit freiliegenden Steinelementen (Ortsteinquaderung und Fenstergewänden) und den charakteristischen abgefasten und kielbogig endenden Fensterrahmen, wobei die Fenster oftmals relativ breit und mehrachsig waren.

    Fenster zur Seitengasse:

  • Sehr schön! Das kostbarste Ausstattungsstück des Hôtel-Dieu ist übrigens Rogier van der Weydens berühmter Flügelalter "Das Jüngste Gericht", den Weyden im Auftrage Rolins für die Kapelle des Krankensaales gemalt hat.


    [Wiki Commons]

    2 Mal editiert, zuletzt von Tübinger (22. August 2014 um 16:20)

  • Danke, der Altar ist wirklich beeindruckend, auch wirkungsvoll in einem dunklen Raum inszeniert. Es gab auch einige weitere wertvolle Kunstschätze im dortigen Museum, ein Besuch ist wirklich empfehlenswert, sollte jemand einmal dort sein.

    Östlich öffnet sich die Avenue de la Republique zu einem kleineren Platz, wo die städtische Hauptkirche Notre-Dame steht. Sie ist ein bemerkenswerter romanischer Bau aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, der später mehrfach umgebaut und erweitert wurde. Die Vorhalle wurde z. B. etwa um 1300 errichtet, im 13. Jahrhundert wurde der Chor umgestaltet und mehrere Seitenkapellen entstammen dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit.
    Wikipediaseite: http://de.wikipedia.org/wiki/Notre-Dame_de_Beaune

    Die Vorhalle der Zeit um 1300 hat wirklich monumentale Ausmaße, im Burgund nichts ungewöhnliches. Der Portalschmuck ging bei der Revolution verloren.



    Das originale Türblatt eines der Nebenportale.

    Eine der prächtigsten Seitenkapellen, aus dem 2. Viertel des 16. Jahrhunderts.

    Bei der Vierung lässt sich das hohe Baualter gut erkennen, der Vierungsturm ist übrigens im früheren 13. Jahrhundert noch im romanischen Stil aufgesetzt worden.

    Nun zur eindrucksvollen Ostpartie, die in der heutigen Form auf viele verschiedene Bauzeiten zurückgeht, die einzelnen Bauteile passen nicht immer unbedingt gut zusammen, trotzdem entsteht eine sehr schöne Architektur.
    Am ältesten sind die unteren Teile aus dem 12. Jahrhundert, darüber das gotische Strebewerk und die gleichzeitig ausgebrochenen Fenster aus dem späteren 13. Jahrhundert, um einige Jahrzehnte älter der Turm und darüber eine Haube, die vielleicht im 17. Jahrhundert gebaut wurde.

  • Während das Äußere immer wieder verändert wurde, stößt man innen tatsächlich auf einen hervorragend erhaltenen romanischen Raum!



    Eine schöne Blickachse ergibt sich vom östlichsten Punkt im Chorumgang in Richtung Westen...
    Auf der anderen Seite des Vorhangs hängt ein bemerkenswerter Wandteppich, welcher im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts gewebt wurde: http://static.panoramio.com/photos/large/67754775.jpg

    Abschließend noch eine Innenaufnahme jener Seitenkapelle, von der ich schon eine Außenaufnahme gezeigt habe. Sie wurde 1526-33 erbaut.


  • Neben der Kirche gibt es noch einen kleinen Rest der ehemals dort stehenden frühgot./spätrom. Klosteranlage aus dem 13. Jahrhundert.

    Das Treppentürmchen kam wohl im 15. Jahrhundert hinzu.

    Das klägliche, aber sehr edle Relikt des einst weit größeren Kreuzganges.

    Noch schnell ein gotisches Haus am Platz vor der Kirche...

  • Nun kommen wir zum sich etwa 100 Meter östlich von Notre-Dame befindlichen Place Monge, der an der Rue de la Lorraine liegt (also an der Hauptstraße). Hier steht u. a. dieser Turm (genannt "Beffroi"), der, obwohl er ein sehr wehrhaftes Aussehen hat, einst ein Kirchturm gewesen sein soll, der um 1400 erbaut worden sein soll. Dies sagen der Reiseführer und Wikipedia, mich verwundert aber, dass im Erdgeschoss offensichtlich romanische Fenster sind.
    http://fr.wikipedia.org/wiki/Tour_de_l'horloge_de_Beaune

    An der gegenüberliegenden Platzseite stehen einige Häuser mit schönen spätgotischen Fassaden.

    Blick in die Rue de la Lorraine in Richtung Nordosten.

    Nun noch einige Bilder aus dem unterirdischen Beaune, das ja über riesige, zu besichtigende, Kelleranlagen verfügt.



    Man achte auf die Jahreszahlen!!! 1906!  drink:)

    Unter Beaune ist wohl genug Wein, um den Bodensee zu füllen! :D
    Die Keller übrigens reichen teilweise noch weit in das Mittelalter zurück, einige stammen noch aus dem 13. Jahrhundert. Das gewaltige System vom Räumen und Gängen durchzieht tatsächlich die ganze Innenstadt!

  • Nun kommen wir zum sich etwa 100 Meter östlich von Notre-Dame befindlichen Place Monge, der an der Rue de la Lorraine liegt (also an der Hauptstraße). Hier steht u. a. dieser Turm (genannt "Beffroi"), der, obwohl er ein sehr wehrhaftes Aussehen hat, einst ein Kirchturm gewesen sein soll, der um 1400 erbaut worden sein soll. Dies sagen der Reiseführer und Wikipedia, mich verwundert aber, dass im Erdgeschoss offensichtlich romanische Fenster sind.
    http://fr.wikipedia.org/wiki/Tour_de_l'horloge_de_Beaune


    Laut der frz. Wikipedia wurde der Turm im 13. und 14. Jahrhundert erbaut. Erstmals schriftlich erwähnt wurde er 1395, als Herzog Philippe III de Bourgogne anläßlich eines Rechtstreites entschied, daß die Abtei von Maizières den Turm der Stadt Beaune gegen eine Entschädigung überlassen muß. 1397 stellte der Herzog einen Teil der Salzsteuern zur Verfügung, um auf dem Turm eine Uhr und ein Glockengeläut anzubringen. Die Seite der Stadt Beaune behauptet, die Grundmauern des Turmes seien aus dem 12. Jahrhundert, die Stockwerke darüber aus dem 14. Jahrhundert. Daß der Turm einmal ein Kirchturm war, habe ich nirgends gelesen. Ein beffroi ist ja auch ein profaner Turm, oder irre ich mich da?

  • Nachdem ich nun zwei burgundische Städte vorgestellt habe, möchte ich auch ein paar Eindrücke aus weniger urbanen Gegenden teilen. Von den Gebieten südwestlich von Beaune, entlang der Hügelkette der Côte d´Or, insbesondere von Meursault, habe ich einige Fotos gemacht...
    Zuerst einige gemüsedominierte Landschaftseindrücke. Hier, in der Weingegend, ist die Landschaft noch einigermaßen intakt. Die kleinräumige Gliederung hat sich erhalten, es gibt noch alte Steinmauern. Wenige Kilometer weiter sieht es da ganz anders aus...


    Der Weinbauernort Pommard:

    Rund 7 Kilometer im Südwesten von Beaune steht nun eben jene Ackerbürgerortschaft Meursault, deren Haupteinnahmequelle natürlich ebenfalls der Weinbau ist.
    Die Rue de Lattre de Tassigny, die in den dreieckigen Ortsplatz mündet, mutet noch ganz typisch burgundisch an.

    Der Platz und einige weiter Straßenzüge können das typische regionale Erscheinungsbild aber nicht ganz so wahren, denn vieles stammt aus der Gründerzeit. Das Geld für Erneuerungen fehlte ja nie!


    Dieses Haus zeugt besonders vom Reichtum der hiesigen Ackerbürger.

  • Die Kirche St.-Nicolas stammt aus dem 15. Jahrhundert, wobei das Langhaus in der heutigen Form im Wesentlichen auf das 19. Jahrhundert zurückgehen dürfte. Turm, Chor und Querhaus sind aber noch original!

    Der Innenraum.




    Sehr erstaunt war ich, als ich sah, dass da in der Vierung eine Heilig-Geist-Taube auf einem Seil hing. Dieser Brauch war im katholischen Österreich früher weit verbreitet (siehe Heilig-Geist-Löcher), von den katholischen Gebieten in Deutschland weiß ich nicht, ob es Vergleichbares gab. Jedenfalls wurde diese Tradition irgendwann einmal abgeschafft, weil sich die Leute zusehends über die im Kirchenschiff herumschwebende Holztaube lustig machten. Dass sich dies in Frankreich erhalten hat, verwundert mich!  :lachen:

    Ein weiteres Denkmal am doch relativ weitläufigem Ortsplatz ist das Schloss, dessen Kern in das zweite Viertel des 14. Jahrhunderts zurückreicht.



    Weiter geht es bald mit Cluny...

  • Cluny

    Einige Kilometer weiter südlich der bereits vorgestellten Gebiete befindet sich das Städtchen Cluny. Trotz seiner nicht einmal 5000 Einwohner gehört es zu den berühmtesten Orten Frankreichs, es war sicherlich maßgebend für die Entwicklung des Abendlandes im Hochmittelalter.
    Die Geschichte der Stadt ist selbstverständlich stark mit der Entwicklung der Abtei verknüpft, es war ja auch "nur" der zum Kloster zugehörige Ort.

    G e s c h i c h t e:
    910 wurde hier die Abtei Cluniacum gegründet, der Stifter Wilhelm der Fromme von Aquitanien unterstellte sie direkt dem Papst. Er wollte damit das Mönchtum nach den benediktinischen Regeln erneuern. Unter seinem Nachfolger Odo wurde die Ordensregel reformiert, viele andere Klöster schlossen sich ihr an. Das Kloster blühte auf, schon 981 konnte eine zweite, äußerst monumentale Kirche geweiht werden konnte (Cluny II), die sicher schon zu den größten des Burgund gehörte. Immer mehr Abteien schlossen sich der cluniazensischen Reform an, Cluny blühte hoch, so entschloss man sich zum Bau einer Kirche, die alle bisher bekannten Dimensionen sprengen sollte (Cluny III). 1088 folgte die Grundsteinlegung zur größten Kirche der Menschheit. Schon 1130 konnte das Gebäude geweiht werden!
    Bereits im 12. Jahrhundert ging es mit der Abtei bergab, im 14. Jahrhundert hatte sie ihre Vormachtstellung längst verloren. Ebenso geschah es mit der Stadt, die zu einem unbedeutenden Ort verkam. Genau deswegen hat sich die Altstadt aber auch so hervorragend erhalten! 1790 wurde das Kloster schließlich aufgehoben, bis zum Jahr 1823 wurde fast die gesamte Kirche stückchenweise abgebrochen, nur ein winziger Bruchteil steht noch.

    Ich beginne die Tour am ehemaligen westlichen Tor der Klosteranlage. Einst blickte man hier auf die Westfassade von Cluny III.

    So sah es hier früher aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Abtei_Clu…Abtei_233-2.jpg

    Die Kirche hatte eine Länge von rund 180 Metern (vgl. der Kölner Dom: etwa 140 Meter). Hier sind die zwei ehemaligen Westtürme zu sehen, die auf ein Minimum ihrer Höhe reduziert wurden. Später hat man Wohnungen eingebaut. Auch nicht schlecht, wenn man sagen kann "Ich wohne in einem Turm der ehemals größten Kirche der Welt."  :biggrin:

    In der Abendsonne kommt die schöne Farbe des beigen burgundischen Gesteins erst richtig zur Geltung.

    Die Reste des ehemaligen Hauptportals.

    Links oberhalb des Vorplatzes:

  • Verständlicherweise weint man der Kirche allerorts nach. Die größte Sehenswürdigkeit des Ortes ist quasi eine, die nicht mehr existiert. Tausenden Menschen pilgern jedes Jahr hier her, wegen etwas, dass es eigentlich nicht mehr gibt.
    Mit den im zweiten Weltkrieg zerstörten Städten geht man ganz anders um. Möglichst schnell soll etwas Neues gebaut werden! Die Einwohner von Cluny würden die Kirche aber am Liebsten rekonstruieren. Überall findet man Darstellungen der Anlage im Mittelalter, Schautafeln, sogar iPads mit Panoramafotos, auf denen die alte Kirche animiert ist.
    Einige von diesen Bildern möchte ich euch nicht vorenthalten:



    Für Interessierte:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Abtei_Clu…o_212_Cluny.jpg

    http://de.wikipedia.org/wiki/Abtei_Clu…odell_Cluny.jpg


    Weiter zur Kirchenführung...

    Wir betreten nun die Vorhalle, die ja schon selbst gewaltige Ausmaße hatte. Derartiges ist in dieser Gegend aber nichts ganz Ungewöhnliches (siehe Beaune und Vezelay), wobei wahrscheinlich eh Cluny die erste Kirche war, die so einen Eingangsbereich hatte. Die Vorbildwirkung auf andere Sakralbauten war ja enorm, es gibt quasi einen eigenen "cluniazensischen" Stil.

    Auf dem geweihten Boden steht nun u. a. ein Hotel.