• Die vorigen zwei wurde wie das folgende Foto den Burghof zeigende vom schon fertigen Wehrgang der Nordmauer geschossen...

    ...den wir hier oben rechts im Bild sehen:

    Hier einer der Arbeiter beim Vermauern eines Balkenloches.

  • Zu den Innenräumen:
    Als erstes sei der große Saal im Palas angeführt, welcher fast zwei Drittel des Obergeschosses beansprucht. Der frankreichtypische offene Dachstuhl ist uns z. B. schon in Beaune begegnet.


    An den Saal schließt ein kleinerer mit Ofen ausgestatteter Raum an, der mit Malereien verziert ist und sich nicht in einem Bild fotografieren lässt.


    In Nordwestturm befindet sich ein kleinerer, runder Raum mit ausschließlicher Wehrfunktion, der aber über relativ aufwändige Wandmalereien sowie ein sechsteiliges Rippengewölbe verfügt.


  • Rund um die Burganlage herum haben in zahlreichen kleineren Hütten Handwerker ihren Sitz. So gut wie alles für die Baustelle notwendige wird produziert. Steinmetze, Zimmerer, Bauern, Färber, Weber, sogar Müller, alles mögliche gab es. Geschätzt waren es über zwanzig Werkstätten, die sich auf dem Gelände verteilt befanden. Einige von ihnen habe ich fotografiert:

    Hier ist der Steinbruch samt der Hütte des Steinmetzes zu sehen:


    Hier ein Zimmermann:

    Die größte Touristenattraktion auf dem Gelände waren vermutlich die Schweine, eine mittelalterliche Rasse, und das eigentlich nicht ganz ohne Grund. Schade, dass Fotos keine Geräusche festhalten können.

    Für die Tierfreunde und Schnitzelfans:


  • Zitat

    (...) 25 Jahre soll also insgesamt gebaut werden, 50 Handwerker sind daran
    beteiligt und das fast ohne moderne Technik - Ein weltweit einzigartiges
    Projekt. (...)

    Nun, das stimmt nicht so ganz. In Deutschland gibt es ein ganz ähnliches Bauprojekt, welches sich "Campus Galli" nennt. Dabei soll in zirka 40-jähriger Bauzeit eine frühmittelalterliche Klosteranlage gebaut werden.

    http://www.campus-galli.de/

  • Danke für den Beitrag, Neußer! Dass es in Deutschland ein ähnliches Projekt gibt, war mir nicht bewusst. Das ist aber höchst interessant, da mich das Aussehen einer mittelalterlichen Klosteranlange noch wesentlich mehr als das einer gleichzeitigen Burg interessiert; nicht zuletzt, da es ja historisch gut erhaltene Burgen, wenn auch meistens in schlechtem oder ruinösem Zustand, häufig gibt. Weiß jemand etwas von weiteren vergleichbaren Projekten?

  • Als letzten Ort im Burgund möchte ich euch Vézelay vorstellen.

    Kurz zur G e s c h i c h t e: Kern des Ortes bildet die berühmte Kirche St-Madeleine inklusive Kloster, welche im Hochmittelalter zu den bedeutendsten Pilgerstätten weltweit zählte. Viele Handwerker, Bürger, Händler und Personen, die in einer anderen Weise vom Kloster und den unzähligen Wallfahrern leben konnten, siedelten sich entlang des langgestreckten Bergrückens. Heute kann man sich kaum vorstellen, dass in dem kleinen, ummauerten Bereich einst bis zu 10000 Menschen gelebt haben. Ab dem 13 Jahrhundert folgte - wie bei so vielen anderen burgundischen Orten - der Niedergang, in dem Fall zu einer unbedeutenden Kleinstadt mit ungewöhnlich großer Kirche.

    Die Tour startet im Südwesten, beim Ortseingang. Hier sehen wir das barocke Stadt"tor":

    Blick in die andere Richtung: Hier steht eine winzige Vorstadt.

    Wir folgen der Hauptstraße, der Rue St-Etienne.

    Der Rest einer kleinen, profanierten Kirche:

    Die zweigeschossigen, kleinen Häuser, die die Straße säumen, sind im Kern häufig noch mittelalterlich.


  • Weiter oben wird der Bergrücken breiter, die Rue St-Etienne spaltet sich in mehrere Straßen auf.

    Blick Richtung Südwesten (unten). Interessanterweise hatten einige der gotischen Häuser Konsolen an der Straßenfront (siehe großes Giebelhaus links). Vielleicht für Baugerüste, oder für kleine Holzdächer für die Läden? Oder waren hier einst Balkone?

    Nun lassen sich die eindrucksvollen, aber eher geringen Reste der ehemaligen Kirche St-Pierre bestaunen. Immerhin steht der Turm noch!

    Weitere Häuser:


  • Den Ostabschluss von Vézelay bilden die Kirche St-Madeleine und der ihr vorgelagerte Place de la Basilique.

    B a u g e s c h i c h t e von St-Madeleine: In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts wurde an dieser Stelle ein Kloster gegründet. Nachdem die Reliquien der Maria Magdalena hier her übertragen wurde, entwickelte sich die Kirche rasch zu einer bedeutenden Pilgerstätte. Um 1100 erfolgte der Kirchenneubau; es wurden anfangs nur Chor und Vierung fertig gestellt. 1120 starben bei einem Kirchenbrand über 1000 Pilger, so wurde schließlich auch das Langhaus neu gebaut. Schon 1140 war dieses vollendet; die Bauzeiten romanischer Kirchen sind immer wieder erstaunlich kurz. Ab 1185 wurde schließlich der Chor im gotischen Stil gebaut. Vézelay war mittlerweile eine der bedeutendsten Wallfahrtsorte des Abendlandes.
    Ab etwa 1270 setzte mit der Auffindung der angeblich "echten" Reliquien der Maria Magdalena an einem anderen Ort der rasche Niedergang ein. Das ist allerdings auch der Grund, weshalb die Kirche so gut erhalten ist. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde unter Viollet-le-Duc die Kirche renoviert. Heute ist sie auf der UNESCO-Welterbeliste.

    Westfassade:
    Der untere Teil wurde im 19. Jahrhundert stark verändert, das Hauptgeschoss erhielt um 1250 seine heutige Gestalt.

    Hauptportal aus der Zeit der Renovierung durch Viollet-le-Duc mit Darstellung des Jüngsten Gerichtes.

    Fassadenmittelteil der Zeit um 1250:

    Die Südfassade mit Resten des ehemaligen Klosters:



  • Nach dem Betreten der Kirche durch das Hauptportal kommt man zuerst in die Vorhalle (Narthex), welche beachtliche Dimensionen hat und immerhin drei Joche lang ist.

    Blick im Narthex nach Westen:

    Das bemerkenswerte Hauptportal zählt - wie auch alle anderen Skulpturen in der Kirche - zu den bedeutendsten Schätzen der Romanik in Frankreich. Es dürfte um 1125/30 entstanden sein und zeigt in der Mitte Christus, umgeben von seinen Jüngern. Die zahlreichen kleinen Felder rundherum haben ein ausgereiftes, kompliziertes Programm, auf welches ich nur kurz eingehen werde. Rund um die zentrale Darstellung und über dem Türsturz sind die Völker der Erde dargestellt, am inneren Bogenlauf sind Bilder der Tierkreiszeichen, Monatsarbeiten, etc... Am Mittelpfeiler ist eine Statue Johannes des Täufers.


    Das rechte Seitenportal mit der Kindheitsgeschichte Christi:


  • Nun zum großartigen Innenraum: Dieser hat eine stolze Länge von etwa 125 Metern, ist dreischiffig und dabei übrigens rund 30 Meter breit. Das Langhaus entstand - zur Wiederholung - um 1140, der Chor ist etwa um ein halbes Jahrhundert jünger.
    Es sei auch noch erwähnt, dass die Raumwirkung wirklich fantastisch ist. Für einen romanischen Bau ist die Kirche extrem hell. Vom dunklen Narthex kommt man in das hell erleuchtete Langhaus... Die Baumeister wussten den Raum perfekt zu inszenieren.


    Blick nach Westen:


    Abschließend noch einige Fotos der Säulenkapitelle.
    Der Einfallsreichtum der Darstellungen und die künstlerische Qualität sind kaum zu übertreffen.
    Was die einzelnen Szenen betrifft kann ich aufgrund meines lückenhaften Gedächtnisses leider keine genaue Auskunft geben.

    Am unteren Foto ist, wenn ich mich recht erinnere, folgendes dargestellt: Mose bringt die 10 Gebote als rohe, unverarbeitet Botschaft Gottes, symbolisiert durch Getreide zur Mühle des neuen Testaments, wo Christus sie zu Mehl mahlt... oder so ähnlich zumindest!  :blink:  



    Nun ja, das wär´s derweil nicht nur aus Vezelay, sondern auch aus dem ganzen Burgund.
    Jetzt braucht es noch ein paar schöne Abschlussworte... :computer:
    Ich hoffe, meine lange Galerie über diese faszinierende Gegend Frankreichs hat euch einigermaßen gefallen und ist dann zum Schluss nicht allzu fad geworden. Wenn jemand anderes auch einmal diesen Landstrich besuchen sollte, sind Ergänzungen und Fortsetzungen selbstverständlich willkommen. Danke auch an die wenigen, die sich aufraffen konnten, einen Kommentar zu verfassen, vor allem an Tübinger mit seinen interessanten Zusatzinformationen!!!

    Noch ein Link zur Galerie von Noyers: Noyers (Yonne)

  • Ich bedanke mich sehr herzlich für diese wunderbare Bilderserie; für mich war das die schönste Galerie seit geraumer Zeit in diesem Forum. Burgund ist mit seiner Fülle mittelalterlicher Architektur ohne Zweifel eine Reise (und eine ausführliche Galerie) wert und insbesondere Cluny hat mich bei meinem Besuch vor vielen Jahren nachhaltig beeindruckt.

  • Doku zum Bau der Burg in Guédelon:

    Externer Inhalt youtu.be
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.