Dresden - Umbau des Militärhistorischen Museums (realisiert)

  • Der besinnlichen Jahreszeit fast zum Trotz, habe ich mich am gestrigen vierten Advent erstmals seit der Eröffnung in das durch Daniel Libeskind neugestaltete Militärhistorische Museum der Bundeswehr begeben und verließ den Bau, soviel kann man wohl schon verraten, mit reichlich gemischten Gefühlen.

    Die an einem Tag komprimiert kaum zu bewältigende Ausstellung beeindruckt allein schon durch ihre umfangreichen und anschaulichen Exponate, die nicht nur einen Querschnitt durch die Entwicklung der Militärtechnologie vom Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit liefert, sondern auch mit dem hohen Anspruch antritt, eine Kulturgeschichte des Krieges liefern zu wollen. So werden die Auswirkungen des Soldatischen auf Kindheit, Erziehung, Mode und andere Aspekte des täglichen Lebens beleuchtet, sowie der Einfluss auf bildende Kunst und Musik herausgestellt.
    Leider bleibt hierbei vieles im Vagen, soll es vielleicht auch nur Fragen aufwerfen, wirkt dabei allerdings teils bemüht und letztlich ziemlich konventionell. Letzteres trifft übrigens, zumindest für meinen Geschmack, auf die gesamte Schau zu, die aus kuratorischer Sicht wenig revolutionär erscheint und nach der starken äußeren Inszenierung des Museumsbaues auf jeglichen effekterhaschenden Bombast verzichtet. Und was für die Exposition gilt, könnte ebenfalls ein Gleichnis für das Gebäude sein!
    Erscheint der „Libeskind-Keil“ äußerlich aus allen Dimensionen als eine den Altbau durchschlagende, ja ihn durchdringende Großskulptur, merkt man im Inneren recht schnell, dass er dem alten Arsenal nur aufgesetzt und in ihn hineingestellt wurde. So kann man den äußerlich höchst raumgreifenden Keil, einmal in ihn eingedrungen, nur in kleinlich
    dimensionierten, durch schräg angeordnete Wände identifizierbaren „Kabinetten“ erleben, die durch vergleichsweise uninspirierte und durch Großobjekte überfrachtete Lichtschächte unterbrochen, einen verwirrenden Raumeindruck hinterlassen. Teils wirkt der Einbau, dem man seine stets bemühte Rücksichtnahme auf die überkommene Bausubstanz anmerkt, provisorisch und seltsam identitätslos. Beide Zeit- und Bauschichten stehen sich scheinbar sprachlos gegenüber, treten in keinen Dialog zueinander, sondern bedrängen sich vielmehr. Insgesamt merkt man dem eigentlichen zeichensetzenden Bau sein stetes Wollen an, das durch einen Kompromiss generiert, den Widerspruch zwischen Innen und Außen, zwischen Inhalt und Form, nicht zu überbrücken vermag und deshalb als ein architektonisches Werk erscheint, dessen große Geste nichts weiter als eine
    Phrase ist.

    Das ist schade und dennoch kein Grund, die sehr schöne Schau nicht zu besuchen. Die teils einmaligen und zumindest national bedeutenden Exponate lohnen es allemal!

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Manche finden Libeskinds Egotrips wie am Militärhistorischen Museum so toll, dass sie bis heute Preise dafür verleihen. :schockiert:

    Ob das im Sinne Blobels ist, der mit den "Friends of Dresden" vor allem auch die architektonische Versöhnung und den Wiederaufbau der Dresdner Altstadt fördern wollte? :rolleyes: Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ein großer Libeskind-Fan war.


    14. Internationaler Friedenspreis „Dresden-Preis“ für Daniel Libeskind

    Der Verein Friends of Dresden ehrt in Kooperation mit der Semperoper Dresden den Architekten Daniel Libeskind mit dem Internationalen Friedenspreis „Dresden-Preis“ und den Politiker Gerhart Baum mit einem Ehrenpreis. Im Rahmen der Verleihungsgala in der Semperoper am 19. Februar 2023 nimmt außerdem der Preisträger 2022, Klima-Anwalt Roger Cox, seine Preisstatue entgegen.

    Dresden, 23. Januar 2023. Der US-amerikanische Architekt Daniel Libeskind wird am Sonntag, den 19. Februar 2023, in der Semperoper mit dem 14. Internationalen Friedenspreis „Dresden-Preis“ für seine außerordentlichen künstlerischen Beiträge zur Kultur des Erinnerns und Mahnens geehrt. „Libeskind erhält in diesem Jahr den Dresden-Preis für einen ganz besonderen Teil seines Schaffens, den man Erinnerungsarchitektur nennen kann. Wie kaum ein anderer Architekt hat der Künstler in den letzten Jahrzehnten einen angemessenen architektonischen Rahmen für das Erinnern an die Opfer von Holocaust, Krieg und Terror geschaffen“, so die Begründung der Preisjury. „Libeskinds Herangehensweise lässt keinen Raum für Ignoranz und Relativierung. Die Form, die Architektur selbst geben die Richtung des Erinnerns vor.“

    Zu seinen ikonischen Gebäuden zählen unter anderem das Jüdische Museum in Berlin, das Imperial War Museum in Manchester und das Holocaust-Mahnmal in Amsterdam. Als Masterplaner des neu erbauten World Trade Center in New York ist Libeskind maßgeblich an dessen Neugestaltung beteiligt. In Dresden hat Libeskind mit dem Umbau des Militärhistorischen Museums einen architektonischen Ort geschaffen, der sich als weltweit bedeutendes Antikriegsmuseum mit den Folgen von Militarismus und Kriegen auseinandersetzt. „Wenn alles vorbei zu sein scheint, ein Krieg, ein Genozid, eine Terrorattacke, bleibt das Erinnern“, sagt Heidrun Hannusch, Vorsitzende des Friends of Dresden Deutschland e.V. „Und wie erinnert wird, könnte auch mit darüber entscheiden, ob sich das alles wiederholt. Wir brauchen Stätten der Erinnerung und der Mahnung. Und sie sollten sein wie die von Daniel Libeskind entworfenen: unübersehbar.“

    Der Internationale Friedenspreis „Dresden-Preis“ ist mit 10.000 Euro dotiert und wird von der Klaus Tschira Stiftung gefördert. Ausgelobt wird er von Friends of Dresden Deutschland e.V. in Zusammenarbeit mit der Semperoper Dresden.

    Ganze Pressemeldung: 14. Internationaler Friedenspreis „Dresden-Preis“ für Daniel Libeskind | Presseportal

    Das Preisgeld wird der gehypte Starchitekt sicher auch ganz dringend brauchen.

    2560px-Olbrichtplatz%2C_Dresden%2C_Germany_Feb_26%2C_2022_12-27-44_PM.jpeg
    Andrea UIBK, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

  • Ironischerweise hatte Léon Krier schon vor vielen Jahren (wohl in den 90ern) eine kritische Karikatur zu der Geisteshaltung gezeichnet, welche hinter dem Libeskind-Trümmerhaufen in Dresden steckt. Ziemlich genau so hatte Krier es "orakelt" und leider in die Realität manifestiert. Man kann fast von einer Kopie der Idee aus der Karikatur sprechen:

    Architekten-Dilemma Leon Krier Militärhistorisches Museum Karikatur

    Zitat aus dem dazugehörigen Artikel "The Fear of Backwardness":

    "Conservation: I know architects who have spent their lives restoring beautiful, historic buildings. They never get a prize; there is no glory. There is now one prize, the Driehaus Prize, which finally recognizes the quality of people who do the right thing.

    You can get the world star by doing something like this – I drew this long ago and now it’s built: the army museum in Dresden looks like that. There’s no word for it but idiotic, because there’s no value in it.

    Now people are so illiterate that they cannot distinguish architecture anymore. When a good restoration is done properly, they think it’s historic but not inventive. But to do a proper restoration now is an unbelievable effort of invention, conviction, education, and persistence – over months and years – to get it right. Otherwise it’s just full of mistakes."

    Future Symphony Institute

  • Ich möchte keineswegs eine weitere politische Diskussion hier vom Zaun brechen aber wenn ich mir folgenden Auszug der Preisjury vor Augen führe:

    Im Rahmen der Verleihungsgala in der Semperoper am 19. Februar 2023 nimmt außerdem der Preisträger 2022, Klima-Anwalt Roger Cox, seine Preisstatue entgegen. [...]

    Der US-amerikanische Architekt Daniel Libeskind wird [...] für seine außerordentlichen künstlerischen Beiträge zur Kultur des Erinnerns und Mahnens geehrt. „Libeskind erhält in diesem Jahr den Dresden-Preis für einen ganz besonderen Teil seines Schaffens, den man Erinnerungsarchitektur nennen kann.

    ... dann kommt mir einerseits sogleich der Begriff der bundesdeutschen Büßerarchitektur in den Sinn und andererseits, dass man auch nicht davor zurückschreckt die Wiederaufbauleistungen, die in den letzten drei Jahrzehnten in Dresden umgesetzt wurden, dem Zeitgeist dienlich ("Klima-Anwalt") anzupassen und einzuordnen.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)