Architektin Zaha Hadid

  • Für Architekten, die "visionär" und "groß-groß" planen sind Diktaturen doch wohl die ultimativ beste Staatsform. Kleinliche Kleinbürger und Arme, deren Hütten der großen Vision im Wege steh? Weg damit, ohne Ersatz und Entschädigung versteht sich. "Visionärer" Stadtumbau kann nur so funktionieren, Germania und Speer lassen grüßen. In autoritären Regimen ist so was immer leicht möglich. Man nehme den Haussmann´schen Umbau von Paris unter Napoléon III oder den von Bukarest unter Ciaucescu. In London gibt es deswegen keine wirklichen Boulevards weil ein solches Vorgehen zutiefst dem demokratische und liberalen britischen Geist in der Öffentlichkeit widersprochen hätte. Bei dem Bau der U-Bahn war man da weniger zimperlich. Da wurde großzügig abgerissen, weil das ja auch zum Nutzen aller war. Ein "nutzloser" Boulevard hätte nur wenigen gedient. Dass die Pariser Boulevards nur dazu dienten, im Falle eines Aufstandes der notorisch rebellischen Pariser freies Schußfeld zu haben, wurde nie bestritten. Ich glaube der einzige "echte" Boulevard Londons ist der Kingsway, der sich allerdings nur unter großen Vorbehalten im Rahmen der Sanierung eines Slums durchsetzen ließ. Zitat damals: "London is not Paris or Vienna". Das deutsche Pendant zu London ist in dieser Hinsicht für mich Hamburg. Das Straßengewirr und die plötzliche Verengung, Abknickung oder Verschwendung von Hauptverkehrsachsen kann einen als ortsfremden Autofahrer ganz schön stressen.
    Aber zurück zu Tante Zaha. Die Kritik halte ich für durchaus gerechtfertigt. Ein Architekt oder Künstler sollte und muss Aufträge prüfen, ob er sie mit seiner demokratischen Weltanschauung vereinbaren kann. Ich als Grafiker würde never ever für eine rechte, linksextreme oder Islamistische Organisation Werbung machen, auch nicht im Auftrag meines Arbeitgebers. Abwägen muss man immer, sonst kann man guten Gewissens keine Aufträge mehr übernehmen, aber es gibt klare Grenzen und das sollte auch die millionenschwere Hadid mal in ihre Überlegungen eingeziehen.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Zitat

    Die Kritik halte ich für durchaus gerechtfertigt. Ein Architekt oder Künstler sollte und muss Aufträge prüfen, ob er sie mit seiner demokratischen Weltanschauung vereinbaren kann

    .

    WEer sagt denn bitte, dass eine Künstler eine (sprich: DEINE) "demokratische Weltanschauung" haben muss? WEnn er sich nicht hat - ist er dann KEIN Künstler oder lebensunwürdig oder zumindest unwürdig, seinen Beruf auszuüben?

    Zitat

    Ich als Grafiker würde never ever für eine rechte, linksextreme oder Islamistische Organisation Werbung machen

    Das hat aber rein gar nichts mit der KÜnstlerfrage zu tun. "Werbung" ist eben keine Kunst. Ich würde auch für nichts Werbung machen (wenn das mein Beruf wäre und ich mir diese ethische Enthaltsamkeit wirtschaftlich leisten könnte), das ich ablehne, also nicht für EU, Mutti Hosenanzug, Luftfahrtsunternehmen etc.
    Hingegen würde ich von diesen Institutionen KÜNSTLERISCHE AUFTRÄGE annehmen, bzw sponsern lassen, wie wohl von jeder anderen Institution auch. Schließlich ist Kunst per se was Gutes, und keinem ist gedient, wenn Kunst unterbleibt bzw nicht stattfindet. Die gegenteilige Meinung ist für mich unerträgliche Moralisiererei, politisch motiviertes Gutmenschentum, das ohnehin völlig einseitig instrumentalisiert wird (vgl zB Künstler im Dritten Reich bzw im Stalinismus, Werner Egk - Schostakowitsch).

    Wenn in Baku was Gutes geschaffen worden ist - warum nicht? Besser, als es wäre nicht geschaffen worden.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich als Grafiker würde never ever für eine rechte, linksextreme oder Islamistische Organisation Werbung machen, auch nicht im Auftrag meines Arbeitgebers.

    Zuerst bin ich bei allzu kategorischen Bekenntnissen skeptisch. Es sind schon viele umgefallen, wenn es ans Fressen geht und die Not etwas größer wird. Vor allem, wenn der Zeitgeist dreht und man sich mit den Positionen, die zuvor anerkannte Mehrheit waren, plötzlich in der benachteiligten Minderheit wähnt. Das ist allerdings nur eine Erklärung meiner Skepsis, kein in Abrede stellen der genannten moralischen Integrität.

    Was mir allerdings vor allem auffällt ist eine andere Position: Es ist die Rede von generell "rechten", aber nur von "linksextremen" Organisationen. Wenn es eine eigene Positionierung ist, akzeptiere ich das natürlich, ohne es zu teilen. Wenn es die Rechte mit den Linksextremisten auf eine (negative) moralische Ebene stellen soll, widerspreche ich hingegen. Das wollte ich mal loswerden.

    Ansonsten teile ich "ursus carpaticus´" Position weitgehend. Wobei man natürlich nicht ganz außer Acht lassen darf, dass der Künstler im Dienst eines Auftraggebers natürlich auch zur optischen Garnierung von dessen Macht ge- oder missbraucht werden kann. Wie stark er dann auf das Missfallen der nachfolgenden Machthaber stößt, hängt womöglich davon ab, wie viel eigene und universelle Substanz in den entstandenen Kunstwerken steckt.

  • Sorry, da bin ich kategorisch. Die Hadid hat es bestimmt nicht nötig für Diktatoren oder sonstige zweifelhafte Regime zu arbeiten, die bekommt genug Aufträge aus demokratischen Staaten. Aber Brecht sagte schon, erst kommt das Fressen und dann kommt die Moral. Und ja, ich würde weder für die NPD Wahlwerbung machen, noch für Salafisten oder Spartakisten was tun. Wenn ich aufgrund dieser Einstellung einmal zu einer Minderheit in meinem Land gehöre haben wir ohnehin das Vierte Reich oder den Gottestaat. Dann kann man nur noch auswandern oder sich die Kugel geben.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • @ Heimdall, @ Pfälzer Bub,

    abseits der künstlerischen und architektonischen Frage, glaube ich, dass bei der Benennung von Extremen eine gesellschaftliche Asymmetrie besteht. Linksextremisten werden nach wie vor als linksextremistisch bezeichnet, Rechtsextremisten haben - gerade durch deren erklärte Gegner - es geschafft, PR-gängig zu "Rechten" zu werden.

    Die Jugend-Szene-Sprache, die mittlerweile auch Erwachsene übernommen haben, bedeutet daher keine Klarheit, sondern eine Verunklarung. Benennt die Rechtsextremisten als das, was sie sind: Keine Rechten, die rechts vom Präsidium in gewohnter Weise ihren Platz einnehmen, sondern RechtsEXTREMISTEN, die mit dem Parlament, wenn denn schon, nur agitatorisch etwas zu tun haben wollen.

    @ alle,

    wie es um die Freiheit und um das Sich-Vereinnahmen-Lassen steht, da fällt mir nur Leni Riefenstahl ein. Für Sergej Eisenstein gilt das genauso. Aus unserem heutigen Blick können wir differenzieren und auch das Groteske an dieser autoritären Selbstinszenireung erkennen. Doch was ist die Starre des zugerichteten Blicks auf die vertikal hängenden drei NS-Fahnen im Hintergrund gegen die Offenheit des Blicks in gotischen Gewölben, bei der das Suchen und das Finden niemals aufhören will?

  • Das liegt aber auch daran, dass Linksextremisten in Deutschland nur noch eine sehr marginale Randgruppe darstellen, die kaum wahrnehmbar ist, während das auf Rechtsextremisten leider nicht zutrifft. Die NPD sass sogar schon mal im sächsischen Landtag, Trotzkisten oder Spartakisten kennt man kaum. Ausserdem würde sich die Linke wohl verbitten als linksextremistisch bezeichnet zu werden genau wie Angela Merkel zurecht empört darüber wäre als Chefin einer rechten Partei bezeichnet zu werden. Rechts der Mitte, wie es früher hieß, bedeutete ja eher konservativ zu sein. Die Mitte stellten die Liberalen dar.

    Dennoch bleibe ich dabei: Künstler von internationalem Format müssen sich nicht anbiedern. Auch Rieffenstahl hätte bei ihrer Begabung im Ausland erfolgreich sein können, wenn sie gewollt hätte.

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  • OT

    Daß die Linksextremisten nur eine kleine Randgruppe darstellen, denke ich nicht, schließlich kommen selbst in Stuttgart zu Veranstaltungen wie der Rede von Herrn Lucke von der AfD oder der (eher kirchlich geprägten) konservativen "Demo für alle" jede Menge schwarz gekleideter Aktivisten, die mit einschlägigen "linken" Parolen jede freie Meinungsäußerung fast unmöglich machen. Angeblich in letzterem Falle, um sich für die Belange von Homosexuellen einzusetzen - wieso man dann nicht gegen den Zug von Hunderten von Islamisten mit Hamas-Fahnen in Stuttgart demonstriert hat, erschließt sich einem dann aber wiederum nicht. Die MLPD wiederum konnte völlig unbehelligt ihrer Lenin- und Mao-Verehrung Ausdruck verleihen, während die NPD zum Glück nicht nur inhaltlich, sondern auch personell und finanziell am Ende angelangt ist.

    Wie dem auch sei, hier noch ein passender Link von unserer eigenen Website: http://stadtbild-deutschland.org/website/2012/0…des-faschismus/

  • Das sehe und empfinde ich anders.

    Die alten Klassifizierungen bezüglich rechts und links, was das Parlament angeht, treffen glücklicherweise immer weniger zu, mit Ausnahme der selbsternannten Partei Die Linke, die sich das entsprechende Gedankengut als Alleinstellungsmerkmal auf die Fahnen schreibt. Die Grenze zwischen "Links" und "Linksextremistisch" ist da bei ihr nicht immer zu ziehen, besonders was die Jugendorganisation und einige alte Herren angeht. Das lässt sich ohne Umschweife m. E. so sagen.

    Dass die Linksextremisten wirkungsloser als die Rechtsextremisten wären, kann ich aus eigener Warte überhaupt nicht bestätigen. Nur dem faktischen Adeln rechtsextremistischer Vereinigungen, nur weil dies kampagnen- und PR-mäßig glatter rüberkommt und nicht so viel Buchstaben geschrieben werden müssen, kann ich nichts abgewinnen. Wenn die einen mit Springerstiefeln, weißen Kapuzenjacken und Glatze, die anderen mit Springerstiefeln, schwarzen Kapuzenjacken und Schiebermützen zur letzten Schlacht ziehen, so sind für mich Beide Extremisten, trotz aller Unterschiede in ihren Zielsetzungen.

    Aber gewiss, das ist ja nur eine "Nebenstrecke". Ich wollte das nur einfach mal genannt haben. :blink:

  • Generell fände ich eine Unterscheidung demokratisch vs. totalitär (welcher Couleur auch immer) auch sinnvoller.

  • Nach dem Tod von Zaha Hadid 2016 hat der Bonner Architekt und seit 1988 mit Hadid arbeitende Patrik Schumacher die Leitung des Büros Hadid als "Principal Architect" übernommen. Er steht selbst für viele (vor allem "linke") Modernisten in ihrer Wahrnehmung als ihr Feindbild und Antagonist für den überbordernden Korporatismus im Architekturgeschäft, für die "Interessen der Reichen und Mächtigen" und gegen integrative Stadtentwicklung, Nachhaltigkeit und Belange der Öffentlichkeit.

    So forderte Schumacher die Abschaffung von Arbeitsrechten, sozialem Wohnungsbau und Mietbeihilfen. Straßen und Plätze sollten seiner Meinung nach privatisiert werden. Früher war Schumacher Marxist, heute ist er so ziemlich am anderen Ende des Spektrums angelangt. Ein Interview mit "Die Zeit" im Dezember 2018 ging in der globalen Architekturszene viral.

    Nun will ich das alles gar nicht nur so oder so bewerten. Manche seiner Thesen sind durchaus bedenkenswert, weil z.B. die öffentliche Hand erkennbar immer überforderter mit der Infrastruktur und öffentlicher Daseinsvorsorge ist. Zumindest lohnt es sich, sich mal mit einigen der Theorien und Praxen zu beschäftigen und sie kritisch zu beleuchten.

    Ein halbstündiges Interview mit dem YouTube-Kanal "Die Große Freiheit" (September 2017):

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    Hier in einer Diskussion mit Mark Foster Gage zum öffentlichen Raum (April 2017, Texas A&M Campus):

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    Auf seinem YT-Kanal findet man weitere "steile Thesen": https://www.youtube.com/channel/UCHtOM…dR-yCUCw/videos

  • Snork 22. April 2022 um 16:21

    Hat den Titel des Themas von „Bau-Ikonen für autoritäre Staaten- Architektin Zaha Hadid in der Kritik“ zu „Architektin Zaha Hadid“ geändert.