Alte Städte in Baden-Württemberg

  • Dietenheim hat bei mir seit Jahr und Tag als moderne Stadt gegolten. Aber tatsächlich: das 1953 zur Stadt erhobene Dietenheim war im 13. Jahrhundert bereits Stadt. Meine Kenntnisse hören an der Staatsgrenze zu Württemberg einfach schlagartig auf. Jedenfalls zwischen Ulm und Leutkirch. Und Dietenheims Altstadt liegt nun einmal 500 m von der Staatsgrenze entfernt, daher war ich auch noch nie dort.

  • Wenn wir schon bei Stadtwüstungen sind, muss ich noch Fürstenberg und Altfridingen nennen.

    Beide lagen in beherrschender Gipfellage über der Donau. Diese kühne Lage abseits der wirtschaftliche Belange wurde beiden zum Verhängnis. (vgl. Wstg. Hohenberg, Küssaberg)

    Fürstenberg (Schwarzwald-Baar-Kreis) war Stammsitz des heute noch bestehenden Geschlechts der Fürsten zu Fürstenberg. Nach einem Stadtbrand im 19. Jahrhundert wurde die Siedlung an den Fuß des Berges verlegt. Auf dem Gipfel befindet sich nur noch eine Kapelle von der Mitte des 20. Jahrhunderts.

    Altfridingen (Lkr. Tuttlingen) gilt als Gegengründung zur benachbarten Stadt Mühlheim. Über die Geschichte ist nicht viel bekannt. Es wird angenommen das durch die im Tal liegende jüngere Stadt Fridingen ein Bedeutungsverlust eintrat. Um 1500 viel die Stadt wüst.

  • Eine weitere stadtartige Wüstung ist Neuravensburg, südwestlich von Wangen. Eine ausführliche Beschreibung findet man hier. Wie andere schon genannte Wüstungen (Altfridingen, Rockesberg, Altstadt bei Rottenburg a.N.) hat Neuravensburg wohl nie Stadtrecht erlangt.

    Einmal editiert, zuletzt von Tübinger (29. Mai 2014 um 10:42)

  • Bei den meisten Städten bei uns handelte es sich um kleine Burgstädte, hervorgegangen aus der befestigten Vorburg, wobei der Übergang zur gewöhnlichen Vorburg fließend ist. Vom Baulichen Zustand ist oft kein Unterschied zwischen der gewöhnlichen Vorburg oder Burgsiedlung zu einer Stadt zu erkennen. Nachdem es im 12. Jahrhundert bereits zum Burgenbauboom kam, kam es im 13. zum Städtebauboom. Während die Städte auf der "grünen Wiese" eher nach ökonomischen Grundlagen errichtet wurden, versuchten andere bereits bestehende Burgen, die ohnehin bereits gewisse Zentrumsfunktionen besaßen, zu Städten aufzubauen. Der Erfolg dieser kleinen Burgstädte hing im wesentlichen von dem ihrer Burg ab. Ging die Burg unter war es auch mit der Stadtherrlichkeit vorbei. Kaum eine dieser kleinen Burgstädte hat je ein größeres städtisches Gepräge besessen. Oft handelte es sich nur um einen einzigen Straßenzug. Die meisten dieser Städte bestehen allerdings bis heute als dörfliche Siedlungen fort. Einige vielen allerdings, das ist nur bei diesem Typus zu beobachten, vollkommen wüst.

  • Blumenfeld und Tengen sind sogar Idealbeispiele solcher sogenannter Zwergstädte. Beide konnten ihre bauliche Grundform bis in die heutige Zeit bewahren. Beim nicht weit entfernten Blumberg muss man schon wissen dass es sich um eine Zwergstadt handelte. (Blumberg hatte das Stadtrecht zwischenzeitlich verloren, mittlerweile aber das alte Dorf Stadtrecht neu erlangt)

  • Kaum eine dieser kleinen Burgstädte hat je ein größeres städtisches Gepräge besessen. Oft handelte es sich nur um einen einzigen Straßenzug. Die meisten dieser Städte bestehen allerdings bis heute als dörfliche Siedlungen fort. Einige vielen allerdings, das ist nur bei diesem Typus zu beobachten, vollkommen wüst.


    Ein besonders klares Beispiel eines "Burgstädtchens" ist auch Zavelstein (Lkr. Calw), das sein Stadtrecht immerhin bis 1975 behalten hat und sich nicht ohne Stolz als "kleinste Stadt Deutschlands" bezeichnete. Die Stadt ging aus der Vorburg der Burg Zavelstein hervor und selbst der Kirchturm ist ein umfunktionierter Turm der Vorburg. Es stimmt aber nicht, daß nur Burgstädte wüst fielen. Rockesberg und die "Altstadt" bei Rottenburg waren, soweit man dies bei der völlig mangelhaften Quellenlage nachvollziehen kann, gescheiterte Stadtgründungen, die nicht auf eine schon bestehende Burg zurückgingen.

  • Ich glaube, jetzt verstehe ich auch Stühlingen. Und Bregenz - freilich die Landeshauptstadt von Vorarlberg (und demzufolge nicht in Baden-Württemberg), aber das hat doch auch so eine winzige Altstadt auf dem Berg.

    Wirklich eine sehr interessante und lehrreiche Diskussion!

  • Ich glaube, jetzt verstehe ich auch Stühlingen.!


    Stühlingen ist wohl nicht aus der eigentlichen Vorburg hervorgegangen, die mit Sicherheit auf dem Hügel gelegen hat. Sie kann auf einen Wirtschaftshof zurückgehen oder der Burgherr zwang ihm untertänige Dörfler sich hier niederzulassen, um eine Stadt zu gründen. Auffallenderweise liegt die Kirche nicht im ummauerten Bereich, sondern unterhalb im Tal. Dort wird es wohl schon früher ein Dorf gegeben haben.

    3 Mal editiert, zuletzt von Tübinger (29. Mai 2014 um 21:22)

  • Auffallenderweise liegt die Kirche nicht im ummauerten Bereich


    Aber am Marktplatz, also intra muros, gibt's doch eine Kirche. Oder ist das nur eine Kapelle?

    Hier wird sie als "Stadtkirche" bezeichnet: http://www.stuehlingen.de/gifs/geschicht…c615009a28c40a2
    Aber sie scheint klein zu sein, eher eine Kapelle: http://www.stuehlingen.de/gifs/geschicht…c615009a28c40a2
    Die Erklärung ist wohl hier zu suchen: http://www.stuehlingen.de/index.php4?n=88&start=0

  • Bregenz die Oberstadt ist antiken Ursprungs.

    Rockesberg und die "Altstadt" bei Rottenburg kenne ich nicht, sie sind im historischen Atlas nicht verzeichnet. Aber Münster war eine Bergbaustadt die auch fast vollständig wüst viel.

    Bei den sogenannten Burgstädten ist ein unmittelbarer Baulicher Zusammenhang zwischen Burg und Stadt vorhanden. Bei Stühlingen ist dies nicht der Fall.

  • Mit Sicherheit nur eine Kapelle. Derartige Fälle gabs in allen Teilen des Heiligen Römischen Reichs, und auch bei Städten, die schon damals gefestigt waren und eine solide wirtschaftliche Basis hatten, etwa im westfälischen Steinfurt.

    Die Pfarrkirche ist älter als die Stadt, und liegt nicht da, wo die Stadt gegründet werden soll. Also errichtete man eine kleine Kapelle innerhalb der Mauern. Bei größeren Städten wurde diese Kapelle meist im Verlauf des 1. oder 2. Jahrhunderts nach der Gründung zur Pfarrkirche erhoben. Bei derart kleinen Nestern blieb es jedoch bei der Aufteilung der Gründungszeit.


    Nicht in Baden-Württemberg, aber im selben Kulturraum liegt das schweizer Städtschen Werdenberg, das auch eher den Charakter einer Vorsiedlung zur Burg hat, und meines Wissens nicht einmal eine Kapelle innerhalb der Mauern besitzt.

  • Auffallenderweise liegt die Kirche nicht im ummauerten Bereich,

    Das ist nicht ungewöhnlich. Die Pfarrkirchen befanden sich in den Dörfern und blieben auch dort. Oft dauerte es Jahrhunderte bis eine Stadt eine eigene Kirche innerhalb der Mauern erhielt. Prominentes Beispiel ist Ulm. In manchen Fällen kam die Kirche erst im 19. Jahrhundert in die Stadt.

  • 2 Neuzugänge der Liste:
    Blumberg (Dank an Jörg Mauchen)
    und zum Thema bestens passend: Jagstberg (Gmde. Mulfingen), ein Burgstädtchen, 7 Km von Bartenstein entfernt.

  • Da sich die diskutierten Orte schon teilweise nach außerhalb von BW verlagern, kann ich jetzt auch einmal etwas beitragen. (Nicht weil es um Baden-Württemberg, sondern um bei Burgen entstandene Städte geht) Man verzeihe mir sie Themenverfehlung, aber mein Mitteilungsbedürfnis ist zu stark ;)

    In Österreich sind Steyregg, Ulmerfeld und Wallsee-Sindelburg Städte, die neben einer Burg planmäßig angelegt wurden, befestigt waren (bei Wallsee bin ich nicht ganz sicher) und deren Kirche außerhalb steht. In Wallsee steht die Kirche so weit weg vom Zentrum (in der Ortschaft Sindelburg), dass ein Doppelname nötig ist.

    Diese winzigen Städtchen, wie Blumenfeld sind einfach genial! :anbeten: Ich liebe solche Ministädte, die eigentlich keine Städte sind.

  • Hier mal eine kleine Übersicht über die kleinen Burgstädte oder Siedlungen.

    Typ 1(idealisiert)

    Burg in klassischer Spornlage mit davor liegender Vorburg oder Stadt.

    Zu diesem Typ gehören unter anderem die genannten Städte Blumenfeld, Tengen, Blumberg, Fürstenberg Wstg, Meersburg, Zavelstein,

    In einigen Fällen kann die Stadt auch hinter der Burg liegen, wie bei Tengen Hinterburg, Horb a. N.,

    Typ 2

    Ebenfalls Spornlage, aber hier liegt die Siedlung unterhalb im Tal oder gegebenenfalls auch im Hang.

    Dazu gehören Städte wie Hauenstein, Sigmaringen, Scheer, Veringenstadt, Hettingen, Altensteig, Hohenberg Wstg.

    Zum Vergleich eine Planstadt auf der "grünen Wiese"

    wie Geisingen, Hüfingen, Gammertingen, Neunkirch (CH), Möhringen, Wolfach, Waldshut,

    Natürlich ließen sich die einzelnen Typen wieder in einzelne Gruppen gliedern, aber das würde zu weit führen.

  • Hier mal eine kleine Übersicht über die kleinen Burgstädte oder Siedlungen.


    Vielen Dank für die hilfreichen Pläne!
    Ein paar kleine Anmerkungen möchte ich machen:

    In einigen Fällen kann die Stadt auch hinter der Burg liegen, wie bei Tengen Hinterburg, Horb a. N.,


    In Horb gab es 2 Burgen. Die noch in Teilen erhaltene jüngere, obere Burg wurde erst um 1400 errichtet. Die ältere und für die Stadtentstehung maßgebliche Burg lag in Spornlage am östlichen Ende der Altstadt im Bereich des heutigen Krankenhauses; diese Burg ist heute verschwunden. Von welcher Burg gehst Du aus?

    Ebenfalls Spornlage, aber hier liegt die Siedlung unterhalb im Tal oder gegebenenfalls auch im Hang.Dazu gehören Städte wie Hauenstein, Sigmaringen, Scheer, Veringenstadt, Hettingen, Altensteig, Hohenberg Wstg.


    Eine Spornlage ist nicht zwingend. Die zu Hohenberg gehörende Burg Oberhohenberg war z.B. eine Gipfelburg.

    Einmal editiert, zuletzt von Tübinger (2. Juni 2014 um 16:43)