So... ich will mal ein paar Infos zum Dortmunder Rathaus ergänzen:
Im Keller befand sich zur Anfangszeit ein Weinkeller, im Erdgeschoss (dass etwas über Bodenniveau lag) war eine Tuchhalle und davor in der Giebellaube auf Bodenniveau tagte das Niedergericht (der Stadtrichter saß hier auf der 10. Stufe der Treppe). Das Obergeschoss wurde als Rats- und Festsaal (für öffentliche und private Feste) genutzt. Interessanterweise erfolgte der Zugang zum OG durch eine Außentreppe an der Südostseite.
Nach 1300 wurden die Türen und Fenster im Erdgeschoss zugemauert, da dort nur noch Rohmaterialien gelagert wurden, der Verkauf wurde verlegt.
Um 1350 fand der erste große Umbau statt, die Fenster in den Längstwänden des OG wurden zugemauert, stattdessen wurden die Öffnungen in den beiden Giebeln zu großen Kreuzpfostenfenstern vergrößert (die man auf dem Foto unten sieht, 4 Fenster über den beiden Bögen), vorher wurden diese durch 2 oder 3 Arkaden gebildet, von einem Rundbogen überbrückt. Zwischen den Fenstern waren übrigens 3 Nischen auf der Innenseite ausgespart, die auch Falze für Holztürchen hatten, hier wurden die Kästchen mit Urkunden aufbewahrt. Auch die Dachkonstruktion wurde verändert und im Erdgeschoss acht Stützen eingesetzt. In die Ostwand wurden im OG zwei Nischen mit einem Lavabo (Wasserbecken mit Abfluß) eingebaut.
Ab etwa 1400 wurde das OG aufgeteilt, einen großen Saal für Ratssitzungen, eine große Stube für Gerichtssitzungen und eine Schreibstube.
Während des 16. Jh. wurde das Gebäude zum Verwaltungshaus umfunktioniert, die Tuchhalle wurde in ein Kammersystem aufgeteilt und die Außentreppe aufgegeben. Stattdessen wurde im Innern eine Holztreppe gebaut, wodurch in der Vorhalle zwei Gadder (Erker) gebaut wurden (siehe auch Foto unten). Im Keller wurden einzelne Teile mit Gewölben und Trennwänden umgestaltet um sichere Verließe zu schaffen. 2 Kachelöfen und 2 Kamine wurden eingebaut um den Komfort zu verbessern. Am Südgiebel wurde ein zweigeschossiger Archivturm angebaut, was eine Veränderung der gotischen Fenster mit sich brachte. An der Ostseite wurde unter Verwendung des Giebels vom alten Brothaus eine weitere Schreiberei angebaut (Mauerdurchbruch im Obergeschoss).
In den Jahren danach wurden lediglich die laufenden Reperaturen zur Erhaltung durchgeführt, allerdings fiel der Abbruch des Marktgiebels (früher romanisch mit 3 Stufen) äußerlich deutlich auf, der Giebel wurde in einer einfachen, geschweiften Form wieder aufgebaut (siehe Foto unten, bei genauem Hinsehen erkennt man noch in etwa die ursprüngliche Form).
Nachdem 1803 das Deutsche Reich aufgelöst wurde, verlor Dortmund auch seine reichsstädtische Freihiet. Im Rathaus wurde ein Landgericht eingerichtet, im Erdgeschoss entstanden an einem Mittelgang neun verschieden große Räume, im Obergeschoss acht kleine Zimmer und ein neuntes durch die Verlängerung der Schreiberei. In der Fassade zerstörten überdimensionierte Fenster mit Holzsprossen die Proportionen, da die Umgestaltung nur nach der Zweckmäßigkeit geschah (das gab es auch damals schon...).
1811 wurde der Südgiebel durch Fachwerk vereinfacht
1815 wurde das Rathaus zurückgegeben, die Stadt beantragte einen Abbruch, der jedoch von gewissen Leuten verhindert wurde (wäre zu lang um dies zu erzählen). Das Rathaus war in einem jämmerlichen Zustand, viele Fensterscheiben waren kaputt und auch im Inneren war viel zerstört.
Ende des 19. Jh. gelang es einem gewissen Friedrich Kullrich, das Interesse der Bürger für diesen Bau zu gewinnen und erhielt Spenden von etwa 200 000 Mark. Den Rest der Kosten für die Instandsetzung brachte die Stadt auf.
1897 konnte die Wiederherstellung beginnen, jedoch wollten die Bürger den Zweck ihrer Stiftung schnell verwirklicht sehen und so wurde der Bau in gründerzeitlicher Eile vorangetrieben.
Die Rekonstruktion ist jedoch keine Rekonstruktion des Rathaus von 1240 sondern eher eine freie Interpretation, wie z.B.: der 5 stufiger Staffelgiebel anstatt einer 3 stufige Ausführung oder die freie Blendenarchitektur von Spitzbögen anstatt romanischer Fenster und Blenden. Auch der viergestaffelte Giebel der Schreiberei ist frei erfunden. Der Rathausgiebel zum Markt wurde übrigens bis auf die Bögen abgebrochen und neu errichtet, was sich leider auch in der Steinstruktur niederschlug. Die romanischen Fenster in den Längstwänden konnten problemlos rekonstruiert werden, im OG wurden aber zwei Öffnungen hinzugefügt. Die Zwischenwände im Innenraum wurden herausgerissen, in der ehemaligen Tuchhalle wurde ein Museum eingerichtet, in die Waage/Schreiberei wurden die Treppen zum OG und Keller eingebaut. Der Kellerwurde vertieft und mit einem Betongewölbe auf fünf Säulen überspannt, auf der Ost- und Südseite Wirtschaftsräume für das Restaurant Ratskeller eingebaut.
Auch die Decken- und Dachkonstruktion wurde nach Vorbild der Tuchhalle in Ypern neu gestaltet. Die Innenräume wurden zum großen Teil komplett neu gestaltet.
Und so sah es dann bis 1945 aus:
Bei einer Rekonstruktion stellt sich nun die Frage, welchen Zustand man rekonstruieren sollte.
a) den Zustand um 1240, der nicht gut dokumentiert ist, dafür aber die Urform des Rathauses aufweist.
b) den Zustand bis 1740, der eigentlich nicht viel anders als Zustand a ist
c) den Zustand von 1740 bis 1897, der noch die originale Steinstruktur hat, gut dokumentiert ist und lange im Stadtbild stand
oder d), den Zustand von 1897, der am besten dokumentiert ist, allerdings auch nur eine halbherzige Rekonstruktion ist.
Ich persönliche bin für die letzte Lösung, da einerseits der Bau so bis zur Zerstörung stand, andererseits die Dokumentation wohl sehr gut sein muss. Außerdem war dieses die schönste und schmuckvollste Form des Rathauses und was noch ein wichtiger Grund ist, man kann die Räume 1:1 übernehmen:
- Keller als Restaurant Ratskeller, kultig und gut
- EG als Museum, in meinen Augen am besten als Rathausmuseum
- OG als repräsentativer Saal der Stadt, ferner für Trauungen und andere Festlichkeiten zu haben. Ansonsten frei zu besichtigen.
Beim diesem Bau ist bei einer Reko wichtig, dass die Reko komplett ausfällt, also auch im Innern da hier ein bedeutendes Gebäude wegen seiner Bedeutung und nicht zur Stadtverschönerung rekonstruiert wird (postivier Nebeneffekt aber).