• Was hier wohl passiert ist? Einer der ältesten Fachwerkbauten Hessens, das Haus Marktplatz 18 (1379 d) in Butzbach wurde meines Erachtens völlig verschandelt, ich war schon ziemlich geschockt, das zu sehen. Was sagen die Fachwerkexperten?

    Bild wohl aus den 1980er Jahren bei DenkXweb:

    http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/pic/40/W0304.jpg

    Bild von heute von mir:


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  • Das Erdgeschoss war wohl vorher schon nicht mehr zu retten gewesen. Aber so schaut es schwer nach 90er Jahren aus. Wenn da noch Originalsubstanz vorhanden ist, dann teilweise im Dachstuhl (dessen Walm zur Erbauung sicher weiter unten ansetzte), in der Seitenwand zum Nachbarhaus, und (minimal) im 1. OG der Front.


    PS: Kann es sein, dass bei besagtem "Umbau" der gesamte hintere Teil abgerissen wurde?   eek:)

  • Ja, meine Vermutung ist auch, dass praktisch das ganze Haus abgerissen und die vorderen zwei, drei Gebinde mit dem Dach auf einen auch das (wie von dir angemerkt zugegeben schon zuvor ruinierte) Erdgeschoss substituierenden Neubau gesetzt wurden. Farb- und Putzwahl ist auch absolut unter aller Sau. Was da überhaupt noch den Denkmalschutzstatus rechtfertigen soll, ist doch höchst fraglich. In Limburg an der Lahn hätte man das Haus wohl komplett in den Zustand des 14. Jahrhunderts zurückversetzt. Aber Butzbach ist eh BRD pur, was man da so an Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts an dem doch sehr alten Bestand, da im Dreißigjährigen Krieg nur wenig beschädigt, erblickt.

    Obwohl ich in einem Nachbarort groß geworden bin und öfters in Butzbach war kann ich mich leider nicht erinnern, wann das geschehen ist. Ist mir heute zum ersten Mal aufgefallen.

  • Von total verschandelt kann man ja nun auch nicht sprechen. Es wurden nicht die üblichen Eternithplatten drangeklatscht, keine Plastefenster eingebaut und die Fensteraufteilung relativ gut vorgenommen. Das Gegenteil ist aus meiner Erfahrung der übliche Sanierungsstandard bei privaten Objekten in der Gegend. Hatte öfter das Vergnügen bei Stau auf der Autobahn durch die Orte am Wegesrand zu fahren.

  • Hier bin ich geneigt, mich Naumburg anschliessen. Zwar mag das Haus Marktplatz 18 in Butzbach ueber die Jahre nicht gerade sensibel veraendert worden sein, aber ausser im Erdgeschoss ist es in meinen Augen nicht so hoffnungslos verhunzt dass man nur sagen kann "Oh Gott" und sich erschuettert abwendet.

  • Wäre ein Moderator mal so nett, den Strang ab Beitrag #14 in einen neuen Strang „Butzbach“ in der Unterrubrik „Hessen“ zu verschieben? Vielen Dank im Voraus.

    Butzbach ist neben Alsfeld, Fritzlar, Herborn, Limburg an der Lahn und Marburg eine der bedeutenderen Fachwerkstädte in Hessen. Sie ist zwar nicht besonders groß, zeichnet sich aber durch die schöne, urtümlich runde und wenig planmäßig wirkende Stadtanlage sowie besonders großstädtische Fachwerkbauten insbesondere am Markt und dessen Ausfallstraßen aus. Typisch ist die starke Vertikalentwicklung der Fachwerkbauten mit teils mehrfachen Aufstockungen und mehrgeschossigen Zwerchhäusern, vermutlich, weil der Platz innerhalb der Stadtmauern im Laufe der Geschichte nicht ausreichend Baugrund bot. Interessant ist auch die die deutliche Abhängigkeit der Fachwerkbauten von Gießener und damit wohl von Kasseler denn den „fränkischeren“ südhessischen oder mittelrheinischen Vorbildern. Der Marktplatz ist neben dem von Alsfeld vielleicht der schönste einer Fachwerkstadt in Hessen.

    Leider gibt es auch so einige Sorgenkinder. Neben dem schon angesprochenen obigen Haus ist der Sanierungsstand durchaus ambivalent, die Qualität schwankt ebenso. Die Alt-BDR-typische Verschandelung von Altbauten durch unpassende Materialien und Ladeneinbauten ist überdurchschnittlich hoch. Deutlich sind auch hier die Folgen der Landflucht zu spüren, teils sind es vereinzelte Bauten, teils stehen auch ganze Straßenzüge leer, hier insbesondere die östlich vom Markt aus der Stadt führende Griedeler Straße, besonders dadurch unangenehm, als die Straße an der Markuskirche (Bild), der einzigen altstädtischen Kirche vorbeiführt und der Verfall Touristen direkt ins Auge springt. Wie so häufig sind die Sorgenkinder mithin die älteste Schicht der Bauten, die in Butzbach vielfach bis in die Zeit der Stadgründung zurückreichen, da die Stadt wie schon in meinem vorigen Beitrag erwähnt nie größere Schäden in Kriegen davontrug.

    Nachfolgend ein paar aktuelle Beispiele für Sorgenkinder. Auch hier will ich versuchen, nach und nach zu ergänzen.

    Griedeler Straße 11, laut Denkmaltopographie „um 1500“ – das Erdgeschoss ohne Worte. Die nicht weit entfernte Griedeler Straße 15 wurde mittlerweile dendrochronologisch auf 1421/22 datiert, aufgrund der Kubatur ist es von der Erbauungszeit wohl sicher in dessen Nähe zu rücken.


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    Roßbrunnenstraße 14, laut Denkmaltopographie wohl „nur“ um 1700, aber warum muss man es so verkommen lassen?


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    Wetzlarer Straße 3, laut Denkmaltopographie um 1400, steht schon seit mehreren Jahren leer. Neben seinem hohem Alter ein Haus, dessen Vorbilder sogar jenseits von Kassel, eher im niederdeutschen Raum zu suchen sind und schon dadurch aus der Masse heraussticht.


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    Wetzlarer Straße 10, laut Denkmaltopographie wohl „17. Jahrhundert oder älter“, ein Traum in Eternit. Auch hier ist seit 30 Jahren nichts passiert.


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    Es gibt allerdings auch schöne Beispiele für Restaurierungen der letzten Jahre, etwa das Haus Langgasse 12, die Denkmaltopographie fabuliert noch „zumindest aus dem 17. Jahrhundert“, mittlerweile ist es freigelegt und zeigt ein rares Beispiel eines bis in das Erdgeschoss erhaltenen Fachwerkgebäudes der Zeit um 1500. Ein wunderbares Haus.


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    Einmal editiert, zuletzt von RMA II. (3. April 2014 um 01:14)

  • Wetzlarer Straße 3 sollte belebt werden, sieht aber äußerlich zumindest noch recht intakt aus. Aber bei Roßbrunnenstraße 14 muss dringend eingeschritten werden, da sonst schwer reparable Schäden drohen. Die Fensterrahmen wirken arg verschlissen, das Dach scheint nachzugeben.
    Zu Langgasse 12: Top! :daumenoben:

  • Guldengasse 1–3 sind zwei Fachwerkbauten direkt westlich hinter der südwestlich vom Marktplatz wegführenden Weiseler Straße. Beide Häuser gehören sicher noch mindestens in das 17. Jahrhundert, bei Guldengasse 3 ist wohl eine ehemals hohe Halle im Erdgeschoss anzunehmen.

    Bild wohl aus den 1980er Jahren bei DenkXweb:

    http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/pic/40/W0211.jpg

    Bild von mir, 27. März 2014, Ansicht von Südwesten, rechts Guldengasse 1, links davon Guldengasse 3 mit wohl späterem senkrecht darauf stoßenden Anbau, dieser mit nochmals jüngerer seitlicher Erweiterung:


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    Es ist mir ehrlich gesagt rätselhaft, wie eine Bauaufsicht, wenn sie denn eingeschaltet wurde, bei einem denkmalgeschützten Objekt derartige Baumaßnahmen genehmigen kann. Rezent wurden rücksichtslos Fenster in das Haus gebrochen, die Art und Weise, wie alles dann auch noch mit zementhaltigem Putz zugeschmiert wurde, lässt eine vollständig laienhafte Ausführung annehmen. Die Spätfolgen sind mittelfristig Schimmel und langfristig statische Schäden.

    Ein weiteres Beispiel, das gefühlt schon in den Bereich vorsätzlicher, sicher aber fahrlässiger Zerstörung eines Baudenkmals reicht, ist das Haus Färbgasse 5. Der Fachwerkbau wurde 1724/25 errichtet und im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zur Färbgasse mit einer Stuckfassade im Stil Louis-seize verziert, um ein Steingebäude vorzutäuschen. Damit ist es nur noch eines von drei erhaltenen Häusern dieses Typs vor 1800 in Butzbach (vgl. Weiseler Straße 5, Wetzlarer Straße 21).

    Bild wohl aus den 1980er Jahren bei DenkXweb:

    http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/pic/40/W0151.jpg

    Bild von mir, 27. März 2014, Ansicht von Südosten:


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    Viel muss nicht gesagt werden. Was derartige Kletterpflanzen schon nicht in Fachwerk errichteten Häusern antun, ist bekannt, hier reißen sie im wahrsten Sinne des Wortes die ohne dringend restaurierungsbedürftigen Stuckdekorationen von der Fassade. Da auch dies sicher schon seit 5–10 Jahren der Fall sein dürfte, fragt man sich, falls überhaupt, in welchen Zeitabständen eine Begutachtung des Denkmalbestandes stattfindet.

  • Zu Färbgasse: Wenn ich da wohnen würde, würde ich vielleicht kurzen Prozess machen. Einfach nachts mit der Gartenzange hingelaufen und den hinführenden Ast durchtrennen - erledigt ist das Problem. Juristen mögen klären, wer mehr schuld auf sich geladen hat. Derjenige, der das pflanzliche Eigentum eines Hausbesitzers beschädigt hat oder derjenige, der für die Allgemeinheit wichtiges bauliches Allgemeingut fast schon vorsätzlich zerstören lässt.

    Zu Guldengasse: Diesbezüglich kennst Du Dich besser aus. Was ich als Laie sehe: An den Stellen der Fensterneueinbauten befanden sich ja auch schon in der Vergangenheit Fenster. Ich kann schwer einschätzen, ob die neuen Fenster wesentlich größer ausgefallen sind und ob deshalb konstruktive Substanz herausgenommen wurde. Meinst Du, dass dies der Fall ist? Wünschenswert wäre aber vor allem, dass der Eigentümer mal die Sprossen-losen Fenster der Hauptfassade durch passendere Fenster ersetzt.