Mainz – die nördliche Altstadt (Galerie)

  • Weingeist: Danke für die immer sehr interessanten Beiträge zum mir bisher unbekannten Mainz. Wurde dieses hässliche Gebäude das den Treppenturm bedrängt nur umgebaut oder abgerissen? Eigentlich ein guter Rekonstruktionskandidat bei dem geschichtlichen Hintergrund für ein Museum oder ähnliches.

  • @ Michael:
    Das Gebäude, welches hier zu sehen ist, wurde nur umgebaut, nicht abgerissen. Es ist als Ort des Geschäftes Betten-Greisinger in Mainz sehr bekannt - daß sich Assoziationen an das Technische Rathaus Frankfurts ergeben, ist wohl nicht so sehr überraschend. Bei diesem Unort der 60er/ 70er Jahre kann einen ebensowenig überraschen, daß damals die Geisteshaltung der Zeit nicht nur originale Substanz vernichtete zugunsten des "Wiederaufbaus", sondern auch noch das "letzte Wort" hatte, welches sinngemäß lauten würde "Warum Originalsubstanz belassen, wir kriegen doch ein Gutenbergmuseum..." Daher ist es oftmals eine große Belastung, mit dem Wissen von einst diese Unorte zu durchlaufen.

  • Weingeist: Danke für die immer sehr interessanten Beiträge zum mir bisher unbekannten Mainz. Wurde dieses hässliche Gebäude das den Treppenturm bedrängt nur umgebaut oder abgerissen?

    "Bedrängt" ist sicher nicht falsch - aber ich würde eher sagen, das Betonmonster hat den Treppenturm im Klammergriff, den Rest des historischen Ensembles hat er schon aufgefressen, und nun holt er sich zum Nachtisch noch den Treppenturm. Unfaßbar, was manche Architekten, Politiker und Bauherren für "spannende Kontraste" halten. sad:)

    Vielen Dank für die schönen Fotos!

  • Dieser Beitrag ist mehr oder weniger eine Art Torso, der das interessanteste Haus in der heutigen Adolf-Kolping-Straße vorstellen soll, die vor dem Krieg Rosengasse hieß. Weitere Bilder werden demnächst folgen.
    Die ehemalige Rosengasse bildete einen Teilbereich in der nördlichen Altstadt im Bereich der Emmeranskirche und der heutigen Antoniterkapelle, deren Verlauf, wie fast alle Straßen, noch auf den frühmittelalterlichen Grundriß fußt.
    Das Ursprungsgebäude des hier vorgestellten Hauses stammte aus 1745 und trug den schönen Namen: ZUM WEISSEN BIERHAUS. Vor der Zerstörung hatte die Parzelle die Hausnummer Rosengasse 17.
    Das dreigeschossige "Weißbierhaus" gehörte in seiner Erscheinung zu den baukünstlerisch ambitioniertesten Leistungen der 1740er Dekade. Der im Original wie erwähnt nur dreigeschossige Bau hatte im Erdgeschoß auf der linken Seite einen Torbogen aus rotem Sandstein, auf dem zu lesen war: "Errichtet Anno 1745". Die geohrten und segmentbogigen Fensterrahmen des ersten OG bildeten den hauptsächlichen Blickpunkt der Fassade und waren qualitativ von einer ganz besonderen Finesse. Als eine eher selten anzutreffende Lösung war die typische Hausmadonna mittig in der Fassade des ersten OG eingefügt. Das Motiv der Madonna auf der Weltkugel, die von einer Schlange umwunden wird, war im 18. Jhd. eine typische Lösung.
    Nach der Kriegszerstörung wurde die Fassade des ersten OG der Bestandtei eines nun viergeschossigen Neubaus, bei dem auch das Erdgeschoss vollkommen erneuert wurde. Als letzter Rest und als Erinnerung an die vollständig zerstörten großbürgerlichen Bauten im Bereich der nördlichen Altstadt kommt daher diesem verbliebenen Rest eine ganz erhebliche Bedeutung zu.

  • Diese zwo hatten wir auch noch nicht:
    Der hl. Bonifatius vor der Gotthardkapelle auf dem Markt; Kopie einer Figur um 1760 aus dem Domkreuzgang...

    ...sowie den heiligen St. Spuckes (der heißt wirklich so)
    Kopie des Scheitelsteins vom Neutor in der südlichen Altstadt. Die Kopie des "Monn vum Neidor" wurde Ende der 1970er Jahre auf dem Markt aufgestellt. Der heilige St. Spuckes spuckt deswegen nicht, weil wir in Mainz mehr Brunnen als Geld haben, aber macht ja nix.

  • Als letzter Rest und als Erinnerung an die vollständig zerstörten großbürgerlichen Bauten im Bereich der nördlichen Altstadt kommt daher diesem verbliebenen Rest eine ganz erhebliche Bedeutung zu.


    Hmm, das ist also der letzte triste Rest der Vorkriegsbebauung in diesem Bereich der Altstadt? Traurig, wenn man sieht wie wenig historische Substanz selbst von diesem einen Haus geblieben ist.

  • Besten Dank an Frank für einen interessanten Denkanstoß und ein Brainstorming, was im Bereich der nördlichen Altstadt ab dem Dom als letzte Reste bis etwa einschließlich der Zeit bis 1815 an Bauten bzw. Spolien am Standort überlebt hat. Man erinnert sich, daß im gesamten zerstörten Gebiet an bürgerlichen Gebäuden tatsächlich nur die Emmeransstraße 30, der Hof zum Korb, das Napoleonhaus, die Dielmannhäuser in der Bilhildisstraße und die von Frank angesprochenen Reste des Weißbierhauses überlebt haben.

    Bürgerliche Bebauung:
    - Rest eines Bürgerhauses aus dem ersten Viertel des 18. Jhd. an der Ecke von Inselstraße und Schillerplatz (Eckpilaster)
    - sog. Napoleonhaus am Gutenbergplatz (Fotos hier). Ungenauer Wiederaufbau, der Besitzer wurde dazu gezwungen, sowohl das Mezzaningeschoß zu beseitigen als auch die drei Balkönchen zur Ludwigsstraße hin zu beseitigen.
    - Treppenturm des Hauses zur Nähkiste am Übergang zwischen Markt und Höfchen (Fotos hier).
    - gründerzeitliches relativ schmales Haus in der Schusterstraße
    - Treppenturm des Humbrechthofes in der Schusterstraße (Fotos hier).
    - Gotische Fassade mit Treppengiebel des Hof zum Korb (Fotos hier).
    - Emmeransstraße 30, heute Stadthausstraße 1 a (Fotos hier). Sog. Guiolett´sches Haus von 1778, dreigeschossig und sechs Achsen, beim Wiederaufbau die Fassade vollkommen entstuckt
    - Hof zum Zirlin in der Kötherhofstraße (wiederaufgebaut).
    - Bauten am Liebfrauenplatz, Rotekopfgasse, Fischergasse, Scharngasse
    - In der Klarastraße haben zwei schmale Bürgerhäuser, in der Hinteren Bleiche einige wenige und in der Bilhildisstraße die Dielmannhäuser die ansonsten totale Zerstörung der nördlichen Altstadt überlebt.

    Sakrale Bauten:
    Johanniskirche
    Quintinskirche
    Josefskapelle des Jesuitennoviziats
    Christofskirche
    Karmeliterkirche
    Peterskirche
    Emmeranskirche
    heutige Antoniterkapelle und zugehörig das Portal des ehemaligen Armklaraklosters

    Adelspalais und höfische Bauten:
    Osteiner Hof
    Bassenheimer Hof
    Schönborner Hof
    Erthaler Hof
    Stadioner Hof
    Knebel´scher Hof (wiederaufgebaut)
    Gästehaus des Bentzel´schen Hofs und die Torfahrt
    Dienheimer Hof
    Reste des Sickinger Hofs (Gartenmauer)
    minimale Spolien des Algesheimer Hofs und des Walderdorffer Hofs
    Jüngerer Dalberger Hof
    Keller des Ingelheimer Hofs
    Hausmadonnen an der Großen Bleiche 27 und 29 (ehem. Burse und ehem. Metternicher Hof)
    Figur Johannes des Täufers an der heutigen Volksbank
    heutiges Mittelrheinisches Landesmuseum und Kurfürstlicher Marstall
    anschließend der Eltzer Hof
    Schloß
    Deutschhaus
    Neues Zeughaus
    Altes Zeughaus

  • In den letzten beiden Jahren wurde mehrfach über das geplante ECE-Projekt an der Ludwigsstraße berichtet. Ein kleiner Rundgang über die "Lu" an ihrer Südseite soll einen ersten Eindruck vermitteln.
    Zunächst ein erster Eindruck im Bereich der Schöfferstraße an der Verbindung zum Gutenbergplatz. Zu sehen ist der Gutenbergplatz und das Gutenbergdenkmal, sowie in der Folge die "Lu" in der Folge nach Westen.

    Blick auf den sog. Chinesenpavillon, dessen Name sich durch das hier ansässige Chinarestaurant im ersten OG erklärt. Die Parzelle befindet sich in privater Hand und wird definitif nicht an ECE verkauft. Erkennbar ist die sehr prominente Lage zwischen Gutenbergplatz und Lu, mit der sich der wirtschaftlich sehr bedeutungsvolle Standort erklärt und auch ein erklärbarer Grund, daß der Eigentümer keine Veranlassung hat, diesen Standort dauerhaft aufzugeben. Linkerhand der Kernbreich des Gutenbergplatzes, sowie rechts der Standort vom heutigen Karstadt. Erkennbar ist auch, daß die Lu nach der Mode der damaligen Zeit durch eine Pavillonbebauung aufgelockert wurde und sich zwischen den Pavillons kleine Plätze bilden. Dahinter aufgehäuft eine Ansammlung grauer Monolithen und Quader.
    Im folgenden Bild wird auch deutlich, daß das geplante Center in seiner Breitenausdehnung nach dem jetzigen Stand des Wissens keineswegs so besonders breit ausfallen könnte als geplant: an der Ecke zum Gutenbergplatz hin befindet sich der "Chinesenpavillon", bei dem natürlich sofort klar wird, was für ein enorm wichtiger Standort hier dahintersteht. Rechts angeschnitten ist das Gebäude der Deutschen Bank, was ECE zwar ebenfalls benötigen würde, aber der Eigentümer sich in Sachen eines Verkaufs ebenfalls sehr bedeckt hält.

    Blick vom Nordbereich der Lu auf die südliche Hälfte mit der Überbauung der Fuststraße, die in den 60er Jahren erfolgte. Im Hintergrund der Bischofsplatz und der Standort des Übergangs der Weihergartenstraße mit dem "runden Eck". Durch die zu sehende Überbauung der Fuststraße wird der Bischofsplatz verdrängt und ausgegrenzt und dieser wichtige Übergangsbereich in die Altstadt geht durch die Überbauung der Fuststraße in der Wahrnehmung unter.

    In diesem Bereich mündete die ehemalige Hintere Präsenzgasse in die Lu ein; diese Straße ging durch die Überbauung des Areals vollständig verloren. Im Bild rechts ist das Gebäude der Deutschen Bank zu sehen, ein postmodernes Gebäude der 80er Jahre, welches zwar zum geplanten Projekt benötigt werden würde, aber nicht im Besitz des ECE-Konzerns ist.

    Blick vom Abschnitt westlich der Weißlilienstraße auf den Schillerplatz, bei dem der Osteiner Hof erkennbar ist. Dieser Bereich wird nach den ersten Aussagen nicht zum geplanten Bereich gehören.

    Blick vom Schillerplatz auf den Dom. Dieses Raumbild wurde erst nach 1945 möglich, die südliche Baugrenze der Lu reichte in den Bereich der heutigen Baumpflanzungen heran und hatte damals etwa die gleiche Traufhöhe wie die Nordseite. Erst nach 1945 wurde der Domblick vom Schillerplatz aus möglich. Durch die mögliche Bebauung würde dieser Blick verbaut werden, jedenfalls würden anstelle der Pavillons nun dreigeschossige Bebauung bis an die heutige Baumreihe heranreichen. Der drohende Verlust des Schillerplatzblicks zum Dom war mit der erste Aufhänger vor zwei Jahren.

  • Die "Entdeckerfreude" ist noch sehr frisch, und einmal mehr zeigt sich, daß es in der Goldenen Stadt doch immer noch etwas neues zu entdecken gibt. Es handelt sich um den Scheitelstein der Torfahrt des ehemaligen "Weißbierhauses", das ehemalige "Zum weissen Bierhaus" in der Kolpingstraße 16, dessen Reste der Fassade aus dem 1. OG uns hier schon begegnet sind und dessen Scheitelstein heute in der Durchfahrt eingemauert ist und demzufolge auch nur bei geöffnetem Tor zu sehen ist. Für die Zeit um 1755 ist es durchaus interessant, daß in diesem ehemals so bedeutenden Bürgerhaus noch in dieser späten Zeit dieser Scheitelstein die Formensprache der Zeit um 1720 und früher spricht. Einmal mehr zeigt sich, daß eine richtige und regelrechte Spolienstudie mehr als notwendig wäre.

  • Das folgende Bild stammt von einem schon etwas älteren Offsetdruck unbekannten Jahres. Zu sehen ist der Brand in Richtung Norden, wobei natürlich besonders unser Kaufhaus von 1317 ins Auge fällt. Ein ähnliches Gemälde findet sich im Landesmuseum und wurde ungefähr um 1810 herum angefertigt, als das Kaufhaus kurz vor dem Abriß stand. Weiterhin ist eine Anzahl von Zeichnungen erhalten, mit denen es möglich wird, sich ein recht genaues Bild vom Brand zu machen. Vom Kaufhaus selbst sind nur noch der zu sehende Kurfürstenfries sowie die Madonna über dem Portal, allerdings in einem ganz schlecht erhaltenen Zustand, heute noch erhalten. Im Zusammenhang mit den erhaltenen Fotos ist es möglich, sich ein Bild des Brand in seinem alten, gewachsenen Zustand zu machen. Hierbei fallen auch deutlich die beiden zweigeschossigen Häuslein vor dem Kaufhaus auf, die natürlich an diesem so wichtigen Standort ebenfalls eine Händler- und Krämerfunktion innehatten.
    Linkerhand ist zunächst das Haus zur Rosau (Brand 1) zu sehen, welches seinen Ursprung zumindest in der Renaissance hatte und zu einem späteren Zustand unter Putz lag. Die Fenster als auch die Fensterkörbe stammten allerdings aus einer Phase eines Umbaus im Spätbarock oder im Rokoko.
    Anschließend war mit dem Haus zur Rosenau/ Molhaus bzw. Medehaus, Brand 3 ein giebelständiges Haus erhalten, das sich nach der Freilegung durch sein Fachwerk als ein Gebäude der Renaissance präsentierte und ein Eckhaus zur vorderen Schafsgasse war.
    Das folgende Eckhaus ist Brand 5 (zum kleinen Neideck, Niedeck), welches aufgrund seiner Breitenverhältnisse das stattlichste bekannte Fachwerkhaus fränkischen Typs in der Altstadt war und wie erwähnt seine Wurzeln in der Gotik hatte. Auffällig ist auch, daß man hier ein wenig von der bereits angesprochenen Modernisierung erkennen kann, die das Gebäude im Zeitraum von Louis-XVI oder kurz darauf in einem frühen Klassizismus erhielt. Abgesehen von der zu sehenden Hausmadonna in einem Muschelbaldachin hat man sogar das Gefühl, einen kolossalen Pilaster an der Hausecke zu sehen. Deutlich wird auch, daß die nördliche Hälfte der Brand-Westseite doch deutlich hervorspringt.
    Die Westseite setzt sich fort bis zur ehemaligen hinteren Schafsgasse. In diesem Bereich nördlich ist mit dem dreigeschossigen Gebäude das ehemalige, weit ausladende Haus Brand 15 zu sehen, welches um 1710 auf dem Areal des vormaligen Patrizierhofs Zum Cleman errichtet wurde und in der Nutzung als Gasthof (Zu den drei Reichskronen) über viele Jahrzehnte als eine der ersten Adressen der Stadt galt. Wie für die Zeit des ersten Drittels des 18. Jhd. üblich, war auch dieses Gebäude durch sein Zusammenspiel von Putz und Rahmen aus rotem Sandstein gekennzeichnet. Eine nicht gerade besonders häufig zu beobachtende Lösung war die Torfahrt in dieser Form, wobei dies natürlich auch mit der Nutzung als Gasthof und den Gegebenheiten des Straßenverkehrs an diesem Ort zusammenhing. Ungewöhnlich weit ausladend war die 14-achsige Hauptfassade mit einer gesamten Breite von etwa 40 m. Neben die Einfahrt wurden 1836 zwei Fußgängerpforten eingefügt. Von diesem Gebäude ist noch ein Grundriß erhalten, bei dem sich zeigt, daß zunächst ein vorderer Hofbereich folgte, dann ein Zwischengebäude mit einer Durchfahrt, von wo aus man dann in den hinteren Hoftrakt gelangte. Wegen des Neubaus eines Postgebäudes wurde das Haus in den 1870er Jahren abgerissen.
    Rechterhand des Kaufhauses lugt der Eisenturm neugierig hervor und unter ihm sehen wir das Haus Brand 25 (Zum Eiseneck) welches als Kopfbau zwischen 1784 und -86 errichtet wurde und als Durchhaus von jeweils vier Achsen sowohl am Brand, am Brandgäßchen als auch in der Löhrstraße eine besondere Dominanz entfaltete. Das Haus ganz rechts an der Ecke ist das bekannte Klein-Brandenberg, welches durch Putz und die Eckquaderung wie in so vielen anderen Fällen auch hier einen massiven Steinbau vortäuscht. Die Freilegung des spätgotischen Fachwerks erfolgte erst etwa um die Jahrhundertwende. Wie in Mainz typisch, auch hier eine Hausmadonna aus dem 18. Jhd.
    Zu sehen ist am Kaufhaus das provisorische Dach, welches nach 1793 aufgebracht wurde. Nach dem Abriß des Kaufhauses 1814 wurde zwar der Brand-Platz deutlich erweitert, aber die geschichtliche Tiefe und auch das bedeutendste Gebäude an diesem so wichtigen Platz ging verloren.

  • Markt 17 (Zum Schöneck, zum kleinen Maulbeerbaum) 1765
    Um die Hintergründe des heutigen Marktes zu kennen, ist es wichtig, ein kleines Detail zu wissen: an der teilrekonstruierten Nord- und Ostseite des Marktes stießen vor der Zerstörung zwei verschiedene Zeitströme aufeinander, die sich durchaus etwas widersprechen: die Nordseite zeigt heute (wieder) überwiegend das althergebrachte und über Jahrhunderte gewachsene Bild von Häusern mit unterschiedlicher Traufhöhe. Dem stehen auf der Ostseite die neuen Tendenzen eines durchgeplanten Städtebaus in der Mitte des 18. Jhd. gegenüber, die den Wunsch nach einem einheitlichen Bild und gleichen Traufhöhen erkennen lassen. Zur gleichen Zeit wurde beispielsweise nach dem Dombrand 1767 das Marktportal des Doms im Stil des Rokoko neu gestaltet. Bei der gotischen sog. Alten Münze, die (auf der südwestlichen Grenze der Markt-Ostseite) als Rathaus genutzt wurde, stand zu diesem Zeitpunkt ein Neubau in der Grundhaltung des Spätbarock im Gespräch, der zwar nicht verwirklicht wurde, wo aber in den 1810er Jahren mit dem "Lennig-Haus" zumindest Geschoßzahl und Traufhöhe aufgenommen und verwirklicht wurden. In dieser Grundhaltung entstand Markt 17 als bürgerlicher Neubau der Witwe Kramer. Die zu diesem Zeitpunkt ansehnliche Breite der Hauptfassade entstand durch Zusammenlegung zweier bisheriger, bereits im frühen Mittelalter bebauten Parzellen, wobei die südliche davon das bisherige "Haus zum kleinen Schöneck" war. Am 22.10.1763 erklärte die Witwe Kramer, in ihrem neben dem „Engel“ gelegenen Haus Bögen brechen zu wollen. Der städtische Plan zur Errichtung eines neuen Rat- bzw. Stadthauses, verbunden mit dem Wunsch einer recht einheitlichen Erscheinungsform der Markt-Ostseite, hielt das Vorhaben zunächst auf. Die Pläne des zu dieser Zeit wichtigsten Architekten Johann Valentin Thoman, dem Architekten des Osteiner Hofs, der hier sein profanes Meisterwerk schuf, hatten in der Folge das Ziel, „eine Gleichförmigkeit mit dem einst zu erbauendem Stadthaus zu erzielen“. Daraufhin wurde beschlossen, daß „der Kramerin nichts mehr in den Weg zu legen und ihren in allem zur Zierde der Stadt gereichenden Bau fördern solle“. Am 08.10.1765 war das Haus fertig. Obwohl das Haus, auch im Zusammenhang mit der Position als Eckhaus des Markt-Quartiers an der Ostseite, durch seinen Standort bedingt, bis 1945 von vielen Menschen sehr häufig gesehen und wahrgenommen wurde, ist ihm ein größerer Bekanntheitsgrad versagt geblieben. Trotz seiner hohen architektonischen Feinheit wurde das Haus leider nur unzureichend gewürdigt, so daß leider etliche Details nicht mehr nachvollziehbar sind.
    In der Verschmelzung der beiden damals herrschenden Grundprinzipien eines diskreten und zurückhaltenden Spätbarock, der schon deutliche Tendenzen des Klassizismus in den Fassaden aufweist, bei gleichzeitiger Betonung des Erdgeschosses in feinstem Rokoko, steht das Haus, ähnlich wie das Hotel Stadt Rom am Dresdner Neumarkt, für diese Zeit auf einem Rang, der fast keinen Vergleich mehr mit weiteren Bauten seiner Zeit duldet. Die drei Obergeschosse besaßen sechs Fensterachsen mit Rahmen aus Sandstein mit sehr flachen Stürzen. In ähnlicher Form waren diese etwa ab den 1770er Jahren gebräuchlich. Lediglich im Obergeschoss besaßen diese Fenstergewände zusätzlich noch Keilsteine. Die Betonung des ersten Obergeschosses entspricht dabei ganz den allgemein verwendeten Traditionen des Barock.
    Durch die relativ engen Straßenverhältnisse bedingt, war die Hausecke an der Einmündung zur Mailandsgasse hin abgeschrägt und besaß dort zwei Fensterachsen mit geringeren Fensterbreiten als die am Markt. Die Errichtung eines Erkers und auch eines Altans wurden der Witwe Kramer abgelehnt. Die Hintergründe hierzu lassen vermuten, daß neben dem Wunsch nach einem einheitlichen Erscheinungsbild der noch nicht verwirklichten Quartierseite auch die beengte Raumsituation an der Einmündung der Mailandsgasse eine wesentliche Rolle spielte. In der Funktion als Handels- bzw. Geschäftshaus stand jedoch das Erdgeschoss umso mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit. Obwohl dieses Haus, gerade auch an diesem so prominenten Standort, sicherlich viel besser überliefert sein müßte, ist es trotz der zu wenigen Informationen dennoch möglich, auch von dem so bedeutenden Erdgeschoß ein recht genaues Bild zu gewinnen.
    Zum Markt hin erschienen die fünf Erdgeschoßfenster als die Verlängerung der Fensterachsen. Der Eingang befand sich vom Markt aus gesehen in der zweiten Achse von rechts.
    Der wichtigste Blickfang waren zweifellos die Rocaillen in den Ladenbögen, die die Stelle der bis dahin verwendeten Keilsteine mit grotesken Masken einnahmen. Diese Rocaillen bildeten die bedeutendste Bauzier des gesamten Gebäudes. In dem Medaillonporträt in der Rocaille oberhalb des Ladeneingangs wird der Architekt Johann Valentin Thoman vermutet.
    Der Hausgrundriß ist überliefert und zeigt rechts der Mitte der Parzelle einen recht kleinen Innenhof, der von allen Seiten des Hauses umschlossen wurde.
    Der eigentliche Hauseingang lag auf der östlichen Grenze auf der Nordseite in der Mailandsgasse. Die Baubeschreibungen sprechen davon, daß trotz dieser etwas widrigen Umstände das Treppenhaus durch zum Innenhof hin bestehende Fenster hell beleuchtet war und sich dieses bis hin zum Dachgeschoß durchzog.
    Johann Valentin Thomas profanes Meisterwerk bildete an der Ostseite des Marktes ein eindrucksvolles Zeugnis seiner Zeit. Ein noch umfassenderer Grad der Erinnerung wäre ihm sehr zu wünschen.
    Nach der vollständigen Zerstörung wurde die Parzelle in den 1950er Jahren neu bebaut. Die Raumsituation an der Ecke Markt und Mailandsgasse ist geblieben.

  • Ob die Zuordnung zur "nördlichen Altstadt" ganz korrekt ist, vermag ich nicht zu sagen. Aber wenn nicht, dann sind die beiden gezeigten Kirche scharf an der Grenze zu dieser.

    Barockkirche St. Peter

    Kirchenruine St. Christoph. Heute Mahnmal mit politisch korrekter Geschichtsinterpretation

  • Vielen Dank an Heimdall.
    Anbei einen Textauszug aus meinen bisher unveröffentlichten 200 Reserveseiten zur Peterskirche:

    Peterskirche
    Vom jenseitigen Rheinufer aus gesehen bilden das Schloß, das Deutschhaus, das Zeughaus und die Peterskirche mit ihren markanten Zwiebeltürmen ein bedeutendes Gegenstück zum stadtbildprägenden Dom und ergeben gemeinsam mit der Palastfassade des Deutschhauses ein prachtvolles und dabei heiter-festliches barockes Raumbild.
    Ursprünglich befand sich weit nördlich der Stadt eine Fischersiedlung, die möglicherweise schon im sechsten Jahrhundert eine Peterskirche erhielt, deren Nachfolger eine stattliche Kirche mit Doppelturmfassade etwa aus dem 12. oder 13. Jhd war und in ein Kollegiatsstift umgewandelt wurde. Nach vielen Beschädigungen durch Hochwasser und insbesondere durch die Schweden im 30jährigen Krieg wurde die alte Peterskirche aber nicht mehr genutzt, verfiel vollständig und wurde 1657 abgerissen.
    Statt der alten Peterskirche nutzten die Stiftsherren nunmehr die innerstädische Kirche des roman. Udenmünster und erhielten 1746/47 die Genehmigung zum Abriß der alten baufälligen Kirche. Da der Bruder des Kurfürsten Ostein Propst der Peterskirche war, nahm Ostein aufgrund der direkten Nähe zu Schloß und Deutschhaus unmittelbaren Einfluß auf die Planungen und akzeptierte erst den achten vorgelegten Entwurf des sehr bedeutenden städtischen Architekten Johann Valentin Anton Thoman, der zur gleichen Zeit am Schillerplatz auch das Ostein´sche Familienpalais errichtete. 1748 wurde die Baugrube ausgehoben, 1749 durch Ostein der Grundstein gelegt. 1751 ist die Fassade im Bau, 1756 wird der Außenbau vollendet und die Kirche geweiht, deren Innenausbau aber erst 1762 abgeschlossen ist. Die komplett aus rotem Mainsandstein geschaffene Fassade läßt Einflüsse des römischen Barock erkennen, der Kirchenraum in feinstem Rokoko selbst gilt neben der Trierer Paulinskirche als das bedeutendste Sakralgebäude des Rokoko am Rhein bzw. im Westen Deutschlands. Der Innenausbau selbst wurde von den führenden Hofkünstlern ausgeführt, wobei besonders die Deckenfresken Joseph Ignaz Appiani als außerordentliches Kunstwerk zu nennen wären. Ab 1792 folgen für die Peterskirche stürmische Zeiten: Als „Tempel der Vernunft“ von den Franzosen zweckentfremdet, folgt die Aufhebung des Petersstifts 1802. Alsdann dient sie anstelle des zerstörten Doms als Kathedrale, von 1816 an zuerst österreischische, dann preußische Garnisonskirche und wird bis 1930 von der frz. Besatzung genutzt. Schon bei einem Angriff 1944 wurde das Glockengeschoß des Südturms durch eine Sprengbombe vollständig zerstört und stürzt auf das Mittelschiffgewölbe, das beim großen Angriff 1945 vollständig vernichtet wird. 1949 wird mit dem Wiederaufbau begonnen, 1952 kann die Kirche wieder gottesdienstlich genutzt werden, aber die Restaurierungs- und Rekonstruk- tionsarbeiten sowie die Wiederherstellung der zerstörten Stuckaturen dauern bis 1989 und finden einen krönenden Abschluß in der Rekonstruktion der Deckenfresken durch Karl Manninger, sodaß dieser so bedeutende Rokokobau bis auf das zerstörte Chorgestühl wieder vollständig erlebbar ist. Das obere Glockengeschoß des Südturms wurde vollständig rekonstruiert. Erst auf den zweiten Blick fallen die Pilasterkapitelle auf, die stark purifiziert neu geschaffen wurden.

  • Ich bewege mich wohl etwas nördlich der Altstadt, bereits in der Neustadt. Dennoch wollte ich ein kleines Fundstück zeigen. Eine schön erhaltene oder restaurierte Werbebotschaft.

    Wir nähern uns von der Christuskirche...

    Und nun das... :applaus:


    Noch zwei Aufnahmen als Zugabe.

    Das Schloss von Süden

    Ein kopierter römischer Triumphbogen

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    Viele Bilder aus Mainz findet man übrigens auf der Seite

    http://mainz-images.blogspot.de/