Friedberg (Hessen)

  • Der Thread zu Kaiserstraße 114 (vgl. meinen zeitgleichen Beitrag dort) ist zugegeben hauptverantwortlich dafür, dass ich meine Aufmerksamkeit mal auf das von mir aus gerade mal 20 Minuten mit dem Auto entfernte Friedberg gelenkt habe. Als unzerstörte, ehemalige Reichsstadt ist es ähnlich wie Limburg auch wegen der örtlichen Nähe zu [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] interessant, da die Architektur bei 30 km Luftlinie natürlich sehr ähnlich ist, und es eine ganze Reihe erhaltener spätmittelalterlicher Fachwerkbauten gibt. Nachfolgend ein kleiner Abriss der Ergebnisse meiner Aufmerksamkeit und meiner Einschätzung des gegenwärtigen Zustandes.

    Auf den ersten Blick ist die Stadtentwicklung von Friedberg eine etwas andere als von [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon], vielleicht vergleichbar mit Nürnberg, da der eigentliche Siedlungskern die noch heute gut erhaltene Burg aus der Stauferzeit ist (im Zuge der Burgenlandpolitik der Staufer), in deren Abhängigkeit südlich davon wohl zeitgleich eine ihren Grundzügen durchaus als planmäßig zu erkennende Stadt begründet wurde. Sie ist topographisch den Städten der Ostsiedlung nicht unähnlich, die bis zu 30 Meter breite, rund 600 Meter lange Marktstraße (heute Kaiserstraße) weist auf die Burg als Machtzentrum, von der zu den Seiten in nahezu rechten Winkeln Seitengassen abzweigen, die innerhalb einer grob ovalen (die Rundung des Grundrisses im Westen durch einen natürlichen, später trocken gelegten See verhindert) und durch einen Mauerring befestigten Grundfläche schmale rechteckige Baublöcke bilden.

    Eine Besonderheit Friedbergs ist, dass sich die Burg im Spätmittelalter völlig von der Stadt ablöste und neben der Reichsstadt, im Heiligen Römischen Reich in dieser Form wohl einzigartig, als Burggrafschaft Friedberg, eine eigene rechtliche Einheit bildete. Krisenfrei verlief dieses Nebeneinander allerdings nicht ab, so brannten die Bürger die Burg während des Interregnums (um 1275) nieder. Die Blüte lag zweifellos im 13. und 14. Jahrhundert, damals erreicht sie zeitweilig die Zahl von im Mittelalter nicht unbedeutenden 3.000 Einwohnern, hatte eine eigene jüdische Gemeinde (die uns eine der schönsten Mikwen Europas in dieser heute so klein erscheinenden Stadt hinterlassen hat), florierte durch die Tuchproduktion sowie die Lage an der Hohen Straße und hielt sogar zweimal im Jahr eine Messe ab.

    Mitte des 14. Jahrhunderts begann der allmähliche Niedergang, die seit 1330 abgehaltene Frankfurter Messe zog die Wirtschaftskraft ab, auch die Tuchproduktion verlagert sich nach dort, das Reich verpfändete die Stadt an verschiedene „Herren“ (Hessen, Frankfurt, Mainz), zuletzt bis 1535 dann vollständig an die Burggrafschaft. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Einwohnerzahl fast gedrittelt und zwei Stadtbrände großen Schaden angerichtet, Friedberg sank zu einem besseren Bauerndorf herab. Nachdem über die Stadt fast alle großen Kriege des 17., 18. und dann auch frühen 19. Jahrhunderts hinweggingen, ohne dass es zu einer großen Katastrophe wie in Magdeburg oder Worms kam, würde ich das Stadtbild heute als weitgehend auf die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg zurückgehend einschätzen.

    Die gründerzeitliche Überformung ließ zwar auch nicht die Altstadt aus, aber die Zahl der Abrisse und Neubauten dürfte vielleicht ein Dutzend betragen, da auch zu allen Seiten Platz zur Stadterweiterung war und schon von Alters her eine Reihe von Vorstädten bestand. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem die Stadt keinen Schaden nahm, war Friedberg bis zum Fall des Eisernen Vorhangs ein Sitz der US-Armee (vgl. auch Elvis Presley), was ähnlich wie im Frankfurter Bahnhofsviertel nicht nur positive Auswirkungen auf die Stadtentwicklung hatte. Auch wurden die Häuser in dieser Zeit mit den üblichen Erungenschaften des technikpositivistischen Industriezeitalters verschönert. Freilich waren die Amerikaner trotz der jüngeren Funktion als Kreisstadt des Wetteraukreises wohl ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, der nun fehlt.

    Zusammenfassend darf man festhalten, dass es wohl kaum noch eine zweite so gut erhaltene Stadt in Hessen zumindest südlich des Taunus gibt, die in vielen Teilen so siffig und sanierungsbedürftig wirkt. Die einstige Marktstraße, heute die Kaiserstraße, ist gesäumt von eigentlich großartigen Ensembles, die jedoch überwiegend von großflächiger Werbung und Ladeneinbauten entstellt sind. Fenster und Türen sind fast immer zum Heulen, Westdeutschland pur. Symptomatisch auch, dass die wohl irgendwann in den 1960ern gepflanzen Bäume mittlerweile so groß sind, dass man die Altbauten während des Sommers praktisch null und auch im Winter teils nur ziemlich eingeschränkt bewundern kann. Neben wenigen verbleibenden Traditionsgeschäften zeigt sich viel Leerstand und bestenfalls fragwürdige Nutzung (Ein Euro-Läden, Imbissbuden, Spelunken, Spielhöllen etc.), die Strukturkrise im Zuge der Landflucht schlägt hier, gerade mal 30 km von [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] entfernt, mit voller Wucht zu – eigentlich das alte Problem, wenn man auf die Geschichte blickt. Geradezu als Witz muss man es bezeichnen, wenn man in einem Zeitungsartikel von 2010 lesen darf, dass die Altstadtsanierung 2014 beendet sein soll. Ich würde mal behaupten, dass momentan fast jedes zweite Altstadthaus mehr oder minder noch oder wieder der Sanierung, oder um dieses furchtbare Wort mal nicht zu verwenden, der Restaurierung bedürfte.

    Abschließend noch etwas zum Denkmalschutz: die http://denkmalliste%20der%20stadt%20auf%20wikipedia (vgl. DenkXweb), die ich gerade bebildere, weist abzüglich der fünf Gesamtanlagen gerade mal 132 Objekte auf, auch das ist eine sonderbare Form des Humors. Nach was für Kriterien (?) die schutzwürdigen Objekte vor Jahrzehnten festgelegt wurden, man weiß es nicht, spontan würde ich auf Auswürfeln der Hausnummern bei einem feucht-fröhlichen Abend tippen. :unsure: Großmann 1983 war offenbar auch eine große Hilfe, da sich seine Liste eigentümlich mit der Denkmaltopographie deckt. Die Zahl der Objekte dürfte aber mindestens mal um 50, eher 60 % zu niedrig gegriffen sein. Dazu zum Abschluss noch ein paar illustrierende Bilder.

    Kaiserstraße 84–72 (von rechts nach links) von Nordwesten, nur die Nr. 72 steht unter Denkmalschutz, zusammen mit dem Abschnitt im nächsten Bild noch die am „bürgerlichsten“ gebliebene Gegend:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Jenseits der Schirngasse links im obigen Bild, bis zum Deichmann (Nr. 52) steht nichts unter Denkmalschutz:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Nr. 22–4 (von rechts nach links) von Nordwesten, hier steht nichts (!) unter Denkmalschutz:


    (Klicken zum Vergrößern)

    Nachfolgend ein paar der meiner Einschätzung nach interessantesten Objekte.

    Kaiserstraße Nr. 44/46, denkmalgeschützt, nicht wirklich restauriert, die Denkmaltopographie übernimmt wörtlich Großmann 1983 und nimmt eine Errichtung in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts an. Wohl ursprünglich ein später nicht nur horizontal, sondern auch vertikal geteiltes Hallenhaus, laut Großmann später um ein Geschoss aufgestockt, dessen Gefüge im Hinblick auf die Fenstergrößen aber immer noch recht gut erhalten sein dürfte:

    Nr. 73, denkmalgeschützt, eines der wenigen Häuser, die wohl in jüngerer Zeit einigermaßen denkmalgerecht restauriert worden sind, leider ohne Freilegung, vermutlich ist das Fachwerk zu sehr durch Ladeneinbauten und einen wohl auf das 18. Jahrhundert zu setzenden Umbau der Obergeschosse verdorben. Die Denkmaltopographie nimmt Großmann 1983 folgend eine Errichtung im 14. Jahrhundert an, die urkundliche Ersterwähnung ist wohl 1333, wie auch inschriftlich auf dem Haus vermerkt. Dies könnte sich durchaus mit der Bauzeit decken. Die einst wohl monumentale Halle im Erdgeschoss ist wie üblich verbaut:

    Nr. 75, denkmalgeschützt, vielleicht das interessanteste Objekt in Friedberg für den Fachwerkfreund. Noch nicht restauriert, das Gefüge scheint den Fenstergrößen nach ziemlich intakt, die Denkmaltopographie nimmt wie auch Großmann 1983 das 14. Jahrhundert an:

    Nr. 85, denkmalgeschützt, nicht restauriert, ebenfalls recht interessant, die Denkmaltopographie spekuliert nur auf „spätmittelalterlich“. Nicht bei Großmann 1983. Worauf sich die inschriftliche Datierung 1464 bezieht, ist unklar. Das Gefüge erscheint auch hier ziemlich gut erhalten. Die vorsichtig zu Gruppen zusammengefassten Fenster des ersten Obergeschosses würden eine Errichtung um das vorgenannte Jahr durchaus zulassen:

    Weitere Ensembleansichten und Objekte werde ich nach und nach ergänzen. Die Kaiserstraße hat im Moment Priorität, da wegen der Bäume spätestens ab März wieder nichts mehr zu sehen sein wird.

    5 Mal editiert, zuletzt von RMA II. (2. Januar 2014 um 03:48)

  • Der heutige Eindruck der Friedberger Altstadt ist in der Tat etwas zwiespältig. Einerseits erscheinen viele Gebäude heruntergekommen und es kommt der Eindruck einer einheitlichen Altstadt nicht auf. Dies steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass die historische Bausubstanz eigentlich noch überwiegend vorhanden ist.

    Ich denke Grund hierfür ist zum einen die Geschichte der Stadt und andererseits die Stadttopograhie.

    Wie bereits von RMAII schön dargelegt hat die Stadt Friedberg, wie im übrigen viele Reichsstädte, im späten Mittelalter mit einer tiefen Wirtschaftskrise zu kämpfen gehabt. Hiervon hat sich die Stadt bis in das neunzehnte Jahrhundert nicht erholt. Anders war dies etwa in der benachbarten Reichsstadt Wetzlar. Auch dort ist die Wirtschaft im späten Mittelalter zusammengebrochen, aber es kam nach der Verlegung des Reichskammergerichts Ende des 17. Jahrhunderts ein auch an den Bauwerken ablesbarer wirtschaftlicher Aufstieg. In Friedberg war dies nicht der Fall, so dass im überwiegenden- auch zu groß gewordenen- Stadtgebiet eine Architektur vorherrscht, wie diese in kleinen Ackerbürgerstädten zu finden ist.

    Zentrum des städtischen Lebens war seit jeher und ist allerdings die Marktstraße, heutige Kaiserstraße. An dieser hatten bereits im Mittelalter die Kaufleute ihre Häuser, an ihr befinden oder befanden sich das Rathaus und die weiteren reichsstädtischen Einrichtung, mit Ausnahme der Kirchen. Die Häuser dort dürften vielfach noch einen mittelalterlichen Kern haben.

    Diese Entwicklung hat zur Folge, dass sich auch heute der Handel in der Kaiserstraße konzentriert, während der übrige Teil der Altstadt im wesentlichen etwas abseitig wirkt. Aber auch in der Kaiserstraße kommt urbanes Leben nicht recht auf. Die Kaiserstraße ist als ehemalige Marktstraße relativ breit, die im Mittelalter auf der Mitte der Straße errichteten verschiedenen öffentlichen Gebäude sind im Verlauf der Jahrhunderte (vor allem im 19.Jhd) alle beseitigt worden (was bei Städten mit Marktstraßen leider meist der Fall ist). Für die Stadtplaner "natürlich ideal", so konnten eine breite Fahrbahn und große Parkplätze angelegt werden. Bis vor einigen Jahren führte die Bundesstraße 3 über die Kaiserstraße in voller Länge. Heute gibt es hier zwar keinen Durchgangsverkehr mehr, allerding noch den gesamten Innenstadtzielenden Verkehr.

    Die Bebauung an der Kaiserstraße wirkt im Verhältnis zur Breite der Straße allerdings vielfach als zu niedrig. Dies war natürlich noch anders, als auf der Mitte der Straße Gebäude oder Brunnen standen. Dadurch, dass gerade die historischen Häuser, wie das Haus Nr. 114 abgrissen werden, wird diese Situation sicher nicht verbessert, zumal dieses Haus eines der "höheren" Gebäude in der Kaiserstraße ist.

    Die Kaiserstraße endet an der Burg, die durch Tor und Graben von der Stadt getrennt, mit ihren Burgmannenhäusern auch heute noch wie eine eigene Stadt wirkt.

  • Auf dem Gelände der Friedberger Burg, die zu den größten Burganlagen Deutschlands gehört, sollen drei Reihenhäuser gebaut werden. Das Projekt scheint bereits in trockenen Tüchern und wurde auch von der Denkmalpflege abgesegnet. Erst jetzt wurde das Bauvorhaben in der Presse bekannt:

    http://www.wetterauer-zeitung.de/Home/Kreis/Sta…_pageid,80.html

    Es gibt durchaus kritische Stimmen:

    Ein Friedberger, der anonym bleiben möchte, kann nicht verstehen, dass die Denkmalschützer die Reihenhäuser genehmigt haben. Der historische Charakter der Burg werde zerstört: »Hätte da nicht das Landesamt für Denkmalschutz mit einer entsprechend hohen Förderung einspringen sollen?« Auch werde der Verkehr aufgrund der neuen Mieter zunehmen, was Parkplatzprobleme nach sich ziehe und dem letzten verbliebenen historischen Pflaster in der Burg nicht zuträglich sei. »Die Bauarbeiten gehen ja erst los. Mal sehen, was da am Ende übrig bleibt.«

  • ^


    (...) Auch wenn es sich bei den Reihenhäusern laut Plan um eine relativ schlichte Architektur handele, ... (...)

    Gibt es irgendwo Bilder dieser schlichten Häuser? Anscheinend existiert ja ein Plan. Hoffentlich werden das wenigstens nicht wieder weisse Wärmedämm-Schuhkartons mit Flachdach. Das wäre echt zu viel des "Guten".

  • Leider wurden bisher keine Entwürfe dieser Reihenhäuser präsentiert. Eigentlich kein gutes Zeichen...

    Dafür gibt es einen neuen Artikel in der Wetterauer über die Bausünden auf dem Burgareal:

    http://www.wetterauer-zeitung.de/Home/Kreis/Sta…_pageid,80.html

    Fast schon erschreckend, wie aktuell die damals vorgebrachten Argumente für die Errichtung der Sichbeton- Turnhalle aus den 1960er Jahren sind:
    »Man habe den Bau längs zur Straße errichtet, um eine Transparenz gegenüber dem Platz vor der Burgkirche zu erreichen.«
    »Charakteristisch« für die Turnhalle sei »die künstlerische Gestaltung der Außenwände«, heißt es weiter. Hervorgehoben werden »die reliefartige unaufdringliche Aufgliederung« der Wände. »Der Gedanke, figürliche Darstellungen anzubringen, wurde in Anbetracht der historisch bedeutungsvollen Altbauten des Burgbezirks fallen gelassen.« Immerhin. Dafür wurde an der nördlichen Wand ein »ornamentales, plastisches Relief in der Art senkrechter und waagerechter Strukturen nach einer strengen Komposition geschaffen«, dessen Licht- und Schattenspiel bei Gegenlicht besonders interessant sei.


    Sind es nicht dieselben Phrasen, mit denen man auch heutzutage wieder versucht, völlig missratene Neubauten zu rechtfertigen, die man ohne jedes Feingefühl in unsere historischen Innenstädte klatscht? Es ist wirklich erschreckend! Eine Retro-Welle, auf die ich gut verzichten könnte...

  • Am unteren Ende der Kaiserstraße (im Bereich der alten Stadtmauer) sollen Neubauten entstehen. Die bestehenden Altbauten Kaiserstraße 118/20 sollen saniert werden und damit erhalten bleiben. Das Ganze nennt sich "Kaiserhof", nachdem das einst geplante Einkaufszentrum "Kaisergalerie" auf diesem Areal zu den Akten gelegt wurde. Die Neubauten sind meines Erachtens allerdings alles andere als gelungen:

    http://www.wetterauer-zeitung.de/regional/wette…m/art472,125565

    http://www.kaiserhof-gmbh.de/

    Hoffnung gibt es auch für das lange Zeit leer stehende Fachwerkhaus Kaiserstraße 114 (siehe oben), für das gerade ein Nutzungskonzept erarbeitet werden soll.

  • »Pfui Teufel!« Der Verein »Stadtbild Deutschland« hat sich die Friedberger Altstadt angeschaut und ist »schockiert«: Der Zustand mancher Häuser erinnere an ein »DDR-Ghetto« der 1980er-Jahre.


    »In der Altstadt sieht es aus wie in einem DDR-Ghetto« (fnp.de)

    Lustig, ich fahr ab und zu nach Friedberg, da Freunde von mir dort wohnen. Kaiserstraße toll (bis auf den scheußlichen Elvis Platz) mit den ganzen Fachwerkhäusern, Burg Friedberg auch schön, aber dann sah ich die Altstadt. Der Artikel spricht mir aus dem Herzen. Wie man die ganze historische Bausubstanz und einen zentralen Platz so verkommen lassen kann, ist mir schleierhaft. 2014 habe ich Friedberg das erste Mal besucht und schon da war es schlimm. Vom Klientel her gleicht es heute einem bulgarischen Ghetto in der Nähe von Plowdiw.

    Friedberg hat eh ein Problem, da die ganze Identität der Stadt auf Elvis Presley beruht.

  • Leider ist dieser Artikel nur allzu wahr. Ich kann diese Zustände vollauf bestätigen. Viele der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude sind leider total heruntergekommen und nur noch mit großem Aufwand zu retten. Etliche davon wurden billig aufgekauft und die völlig unsanierten Wohnungen zu horrenden Preisen an Flüchtlinge und Migranten aus Osteuropa vermietet. Die überbelegten Häuser werden regelrecht kaputtgewohnt. Das ist seit Langem bekannt, doch die Verantwortlichen schauen nur zu, wie der Stadtteil immer mehr herunterkommt.

    Leider sieht es auf der Kaiserstraße auch nicht besonders aus. Hier könnte man Einiges machen, doch hat man irgendwie keinen Sinn für den Wert und die Bedeutung dieser mittelalterlichen Marktstraße mit ihren zum Teil uralten Häusern. Die Straße könnte ein Schmuckstück sein! Der Elvis Presley-Platz ist in der Tat keine Augenweide. Doch anstatt hier Stadtreparatur zu betreiben und anstelle des einstigen Kaufhauses Joh eine altstadtgerechte Bebauung zu entwickeln, kommt es demnächst knüppeldick. Das Gebäude soll bis auf das Erdgeschoss abgerissen und durch eine geradezu typische Spekulationsarchitektur ersetzt werden. Es soll ein riesiger Flachdachklotz errichtet werden, der weit über die umliegenden Gebäude hinausragt:https://www.fnp.de/bilder/2022/02…222-4c-1ua6.jpg

    https://www.wetterauer-zeitung.de/wetterau/fried…t-91287481.html

    Eine eindeutige Verschlechterung der jetzigen Situation:https://media1.faz.net/ppmedia/aktuel…in-investor.jpg

    Da können dann auch begrünte Innenhöfe und Dachterrassen nichts mehr retten. Es gibt nur erste Skizzen, endgültige Entwürfe scheinen noch nicht vorzuliegen. Da bereits andere Investoren abgesprungen sind, fürchte ich, dass die Stadt den neuen Bauherrn bezüglich der baulichen Gestaltung gewähren, da die Angst doch zu groß ist, dieser würde bei einer zu starken Einmischung ebenfalls das Handtuch werfen. Leider kann man diesen Trend auch in anderen Städten beobachten. Zu gerne lassen sich die Städte das Heft aus der Hand nehmen und überlassen städtebaulich sensible Bereiche einfach irgendwelchen Investoren. Was dabei herauskommt, können wir zum Beispiel sehr schön bei der Emsgalerie in Rheine sehen, die sich wie ein Krebsgeschwür der historischen Altstadt bemächtigt hat:https://www.mbn.de/wp-content/uploads/2021/03/ems_e.jpg

    Vorzustand:https://dam.destination.one/664633/abbdd35…bild-rheine.jpg

    https://abc-klinker.de/wp-content/upl…_Referenzen.jpg

  • Snork 6. April 2022 um 19:34

    Hat den Titel des Themas von „Friedberg (Hessen) - Allgemein“ zu „Friedberg (Hessen)“ geändert.
  • Puh. Da scheint es regelrecht geboten, sich aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Stadtbildes für einen Erhalt der Substanz des Joh und eine Revitalisierung einzusetzen. Eine Entkernung sollte doch hier genügen.

    Was die Fachwerkhäuser angeht, kann die Initiative aus Wanfried sicher als vorbildlich gelten in Hessen. Stadtbild ist ja gut aufgestellt in dem Land - womöglich kann hier der Funke entzündet werden. :)

    Links zu dem Ort:
    http://www.fachwerkfreunde.de/k2/content/48-wanfried

    https://www.deutschlandfunk.de/neue-wanfriede…chwerk-100.html

    https://buergerwerk.net/project/buergergruppe-wanfried-2/

  • Ich war an diesem Wochenende wieder mal in Friedberg und leider sind die Zustände am Fünf-Finger-Platz immer noch eine Zumutung.

    Eine Schande für eine eigentlich sehr interessante und sehenswerte kleine Stadt.

  • Was ist an diesen Bildern einer schönen alten Stadt genau auszusetzen? Patina?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Na, wenn vergammelte Baumarktfenster, Rolläden, Betondachziegel, allgemein vergrößerte Fenster/ unpassende Ladeneinbauten, billige Reuchtreklame, Münchner Rauhputz, etc. etc. als Patina gelten, dann sieht es natürlich ganz super aus?

  • Na ja, anlässlich der Lösung der Fensterfrage in bundesdeutschen Städten kann man natürlich in ein immerwährendes und daher redundantes Lamento ausbrechen. Was die anderen Details betrifft: Städte altern eben, und nicht immer würdevoll. Natürlich fallen mir die von dir genannten Details auf, nichtsdestotrotz handelt es sich um ein substantiell intaktes Ensemble, das sich irgendwann mal reparieren lassen wird und einen gewissen Charme des nicht ganz Perfekten, ja Provisorischen ausstrahlt und darin auch eine gewisse Patina aufweist. Hier leben halt Leute, die nicht besonders viel Geld haben, aber das Alte immerhin nicht beseitigt und substituiert haben. Dass man ein solches Bild unbedingt schlecht reden muss, versteh ich einfach nicht angesichts "Altstadtstraßen" à la Memmingen, wo viele sauber herausgeputzte Häuslein herumstehen, die abgesehen von ihrer architektonischen Belanglosigkeit halt nur den Nachteil haben, dass sie völlig neu sind.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Niemand muss irgendein Bild schlechtreden. Das würde suggerieren, es wäre alles noch annehmbar. Der Zustand der Altstadt (gerade an der Stelle) ist beschämend für so ein historisches Städtchen und das sah gefühlt jeder Friedberger so, mit dem ich gesprochen habe. Der Zahn der Zeit nagt an den Häusern und für "irgendwann" ist es dann zu spät.

  • Wie es sich verhält, so verhält es sich. Man kann auch gewisse Dinge nicht isoliert betrachten. Die heile Butzenscheibenwelt deutscher Fachwerkstädte gibt es längst nicht mehr. Wer will heute noch in so was wohnen? Man beachte die Schilder und Tafeln. Wie auch immer: Wir sehen auf diesen Bildern ein Armeleuteviertel. Ein bisserl bewegen wir uns in diese Richtung:

    On the way down to Mexico / As I danced in your romeo / You say poverty is picturesque /

    As you dragged your nails across my chest

    Already Over Me (Remastered) - YouTube

    Gut, das hätte sogar mich mehr betroffen, da ich diesen ästhetischen Zustand sozusagen ... verteidigte.

    Aber die Probleme sitzen eben tiefer. Und die Altstadt von Friedberg wäre nicht das einzige, was aufgerieben wird.

    Geschrei um Symptome?

    Noch steht sie jedenfalls, diese Altstadt. Zumindest soweit auf den Bildern ersichtlich.

    Das ist nicht überall mehr der Fall.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Typisch Deutschland. Einfach mal ins Elsass fahren, dann erkennt man schnell, wie groß der Stolz der Elsässer auf ihre Heimat ist. Dort möchte man wohnen! Die pflegen ihre kitschigen Fachwerkhäuser, während man in D alles verkommen und abreißen lässt. Was alt ist muss weg. Kein Platz für Geschichte. Diese Bilder (oben) zeigen sehr gut, wie wenig Interesse man am Erhalt der Altbauten zeigt. Unfassbar!

  • Wie wahr Anroth2! Genau dasselbe dachte ich mir beim Betrachten der Fotos! Es hängt leider Gottes alles von der Einstellung und dem Selbstbild des Volkes ab. Aber was erwartet man groß von einem Volk, das zu einem nicht geringen Anteil Politiker wählt, die offen aussprechen mit ihrem Land nie etwas anzufangen wussten. Diese existenzielle Krise birgt aber nun die Chance, dass sich danach alles um 180 Grad wandelt. Wenn das der Preis ist, dann darf sich (das) Stadtbild Deutschland zukünftig womöglich Hoffnung auch auf diese Zeitenwende machen. In jeder Krise liegt auch eine Chance. Meine älteste Tochter macht gerade Führerschein: Wenn die Ampel ausfällt, dann gilt wieder Rechts vor Links! ?

  • während man in D alles verkommen und abreißen lässt. Was alt ist muss weg. Kein Platz für Geschichte.

    Das was da auf einem Platz in Friedberg geschieht ist aber keineswegs typisch für hessische Klein- und Mittelstädte.

    Teile der Friedberger Altstadt sind allerdings wirklich in einem schlechten Zustand. Das ist zwar (@UC) besser als abgerissen, dennoch nicht ideal. Mich hat das bei Besuchen in Friedberg immer schon gewundert, weil die Stadt Friedberg schon sehr Wert auf ihre Geschichte, insbesondere auch die als Reichstadt legt und als im Speckgürtel von Frankfurt gelegen auch eigentlich die finanziellen Mittel zur Erhaltung der Altstadt vorhanden sein müssten. Augenscheinlich fokussiert man sich aber eher auf die Kaiserstraße und ihre Bauten und die Burg wo die herausragenden Bauwerke stehen.

    Der Reflex in"D" würde man alles verkommen und abreißen lassen und alles was alt sei müsse dort weg, ist aber auf jeden Fall in Friedberg (und auch in allen anderen mir bekannten hessischen Städten mit historischen Altstädten) unangebracht.