• Bausünde Schützenmuseum

    Nun hat auch die malerische Fachwerkstadt Duderstadt (leider gibt es noch hier keine Galerie) ihre Bausünde, das 2011 eröffnete Schützenmuseum an der Stadtmauer:
    http://www.urlaub-mitten-in-deutschland.de/tmp/web/468c48…3589eeab5bc.jpg


    http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Go…a-und-Goldglanz

    http://www.markushattwig.de/wp-content/upl…derstadt-04.jpg

    Artikel zur Eröffnung des Museums im Göttinger Tageblatt:

    http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Du…gnung-eroeffnet

    Das Ganze natürlich garniert mit dem üblichen Geschwurbel. Zitat:

    Durch die Kombination aus alt und neu ist ein echter Hingucker
    entstanden. Der garantiert nicht nur ein museales, sondern auch ein
    architektonisches Alleinstellungsmerkmal, durchbricht den Automatismus
    der Wahrnehmung und fasziniert durch die Kühnheit der Kontraste. Mit
    Fachwerk allein lockt man heute keinen auswärtigen Besucher mehr hinter
    dem Ofen hervor
    .

    Es gibt durchaus kritische Stimmen:

    http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Du…r-Denkmalschutz

    Einmal editiert, zuletzt von Ravensberger (14. Dezember 2013 um 19:26)

  • "Mit Fachwerk allein lockt man heute keinen auswärtigen Besucher mehr hinter dem Ofen hervor"

    Doch, gerade damit! Nicht mit irgendwelchen neumodischen Anbaumonstern, mit denen stolz rumdackelnde, geschmacksbefreite Provinzpolitiker ihre Städte und Dörfer verschandeln. Denn so einen "mutigen, kontrastierenden" Scheiß sieht man mittlerweile in jedem zweiten Ortskern. Auch hier in Baden-Württemberg.

    In dubio pro reko

  • Ja, fürchterlich. Als Solitär auf der grünen Wiese, im Gewerbegebiet oder einem modernen Ensemble wäre das ja noch ein Blickfang.

    Aber in diesem grandiosen zuvor unangetasteten Ensemble ist es ein Verbrechen sondergleichen! Zum kotzen. Ernsthaft: Ich hoffe, dieser Müll wird mit Graffititags, Farbbomben und dergleichen verunziert (während die Fachwerkbauten verschont bleiben). Das würde zumindest die Ablehnung der Einwohner offenbaren.

    Wobei ich hier natürlich nicht zur Sachbeschädigung aufrufen möchte, sondern lediglich einen Gedanken laut äußere... ;)

  • Hier noch ein Infoblatt zum Neubau. http://www.museumsverbund.de/museen/DUD_Fly_Westerturm.pdf
    Natürlich auch in Englisch... Allein die Übersetzung von "Stadtluft mach frei" ("City air makes free") hat mich etwas stutzig gemacht. Ich denke, dass hätte man als auch im Englischen aus gutem Grund eigentlich feststehenden Begriff besser so belassen.

    Die verglaste Stadtmauer finde ich übrigens fast noch schlimmer als den Neubau. Der steht wenigstens in der Flucht und nimmt die Neigung des Fachwerkhauses auf. Man könnte also immerhin dran vorbeischauen...

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia (15. Dezember 2013 um 01:18)

  • "Mit Fachwerk allein lockt man heute keinen auswärtigen Besucher mehr hinter dem Ofen hervor"

    Wäre mal interessant, zu erfahren, mit was man sie statt dessen "hinter dem Ofen hervor" locken will. Mit einigen Glasscheiben und `nem Stahlgerüst? Stelle mir gerade vor, dass davor die Japaner mit Fotoapparaten stehen und sagen: "Oh, so eine Glaskonstruktion haben wir noch nie gesehen."

    Der goldene Bau erinnert mich irgendwie an den Columbus-Neubau in Dresden (http://imageshack.us/a/img39/1987/018x.JPG), nun nur noch etwas im schiefen Libeskind-Stil modisch aufgemotzt. Schlecht. :daumenunten:

  • Nichts für ungut, aber man kann auch dramatisieren. Wenn man manche Kommentare hier liest, könnte man meinen, die Stadt wäre abgebrannt. Natürlich ist das Museum eine dumme, unnötige und typisch niedersächsisch-provinzielle Bausünde. Aber das Ding steht am äußersten Rand der Altstadt am Ende einer Ausfallstraße, beeinträchtigt praktisch keine Sichtachse und es wurde dafür auch nichts abgebrochen. Gerade im Harzraum im weitesten Sinne gibt es so ungefähr 1001 vom Abriss bedrohte wertvolle Gebäude, um die ich mir mehr einen Kopf machen würde als um diese Aktion hier.

  • Gerade im Harzraum im weitesten Sinne gibt es so ungefähr 1001 vom Abriss bedrohte wertvolle Gebäude, um die ich mir mehr einen Kopf machen würde als um diese Aktion hier.

    Stimmt! Man betrachte sich z.B. Osterwiek. Die Altstadt macht stellenweise einen ziemlich desolaten Eindruck, vieles wird in den nächsten Jahren zusammenfallen und verschwinden, was Kriege, Brände und DDR überstanden hat. Dennoch ist es einfach lächerlich von den Offiziellen zu glauben, dass irgendwer nach Duderstadt wegen dieses Dingens kommt. Die Leute, die die Stadt besuchen kommen gerade wegen des Fachwerks. Welchen Grund sollte man sonst haben die Stadt zu besuchen oder gibt´s da noch irgend ein Must-see?

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Hallo liebes Forum,

    ich lese schon lange fleißig mit und deswegen ist es schön zu sehen, dass nun auch meine Heimat thematisiert wird.

    Zur Bausünde: Obwohl ich in der Nähe wohne, musste ich mir dieses Gebäude erst mal in Erinnerung rufen. Denn es steht wirklich sehr versteckt und man gelangt für gewöhnlich nur daran vorbei wenn man vom Parkplatz in das Zentrum möchte. :wink: Dennoch ist dieses Gebäude hinreichend hässlich und ich hoffe sehr, dass die Duderstädter nicht irgendwann auf die Idee kommen sowas mitten in die Stadt zu stellen. Denn es ist erstaunlich wie schön die Altstadt doch erhalten ist. Aber wie bereits erwähnt, der Glaskasten neben dem Westerturm stört mehr als das goldene Blechgebäude.

    Beste Grüße aus dem Eichsfeld.. :smile:

  • Zum Bau in Duderstadt: Sicherlich gibt es größere Probleme, aber dies ist ja nun einmal der Strang, der sich mit diesem Bau befasst. Andere Probleme werden in anderen Gesprächsfäden diskutiert. Das eine schließt also das andere nicht aus.

  • Also nun lasst mal bitte die Kirche im Dorf, bzw seht die beiden Neugestaltungen auch im Zusammenhang. Da das Eichsfeld im Allgemeinen und Duderstadt im Besonderen meine "zweite Heimat" ist, habe ich die bauliche Entwicklung der letzten Jahre in und um den Westerturm etwas genauer verfolgt. Auch habe ich mich, bevor ich mich aufraffte diese Zeilen zu schreiben, noch einmal ans Telefon gesetzt und Bekannte aus Duderstadt über ihre Meinung befragt (meine persönliche und unumkehrbare Meinung ist eine Positive), die Meinungen meiner Bekannten und deren Umfeld gehen naturgemäß auseinander, wobei allerdings das Positive überwiegt, aber auch negative Stimmen gibt es. Das Wort "Verbrechen" in dieser Hinsicht ist jedoch nur hier im Forum gefallen. Fangen wir mit der "verglasten Stadtmauer" an. Es handelt sich hier keineswegs um eine schnöde Zurückstellung der Stadtmauer hinter Stahl und Glas, sondern um einen begehbaren Bereich der Stadtmauer, der sich hinter der Glasumhausung befindet und der schließlich in das Innere des Westerturms führt. Zuvor befand sich an dieser Stelle ein Gebäude, welches jedoch keinen geschichtlichen Wert hatte, sondern wohl erst nach den beiden Stadtbränden (1911 und 1915), der nahezu das gesamte Sackviertel als Viertel innerhalb des Ringes vor dem Westerturm einäscherte, entstand. Auf dieser Ansichtskarte vor dem II. WK ist die Situation von der Spiegelbrücke her gesehen zu erkennen:


    Noch vor Jahren stand dieses Gebäude, wurde aber im Zuge der Umgestaltung des gesamten Bereiches abgebrochen und die dahinter liegende Stadtmauer freigelegt. Auf diesem Video, man entschuldige bitte die miese Qualität, es ist aber noch auf altem VHS-Bändern aus dem Anfang der 1990er
    Jahren entstanden, ist die Situation unter 0:42 bis 0:47 zu erkennen:

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    Heute ergibt sich von dieser bekannten Stelle dieser Blick und aus der Gegenrichtung, von "Maria am Lindenzaun" her, ist begreiflicherweise dieser gläserne Eingangsbereich überhaupt nicht zu sehen:


    Wie kam es überhaupt zu diesem Umbau. Wohl im Vorfeld der Stadtfeierlichkeiten (1075 Jahre der geschichtlichen Ersterwähnung von Duderstadt) aber sicher auch bei routinemäßigen Bauuntersuchungen wurde festgestellt, dass die Standfestigkeit des in den Jahren 1424 bis 1506 erbauten Turmes, der sich in diesem Bereich befindlichen Stadtmauer und somit auch einiger angelehnter Baulichkeiten (auch des alten Schützenmuseums, dazu komme ich noch) nicht mehr gewährleistet war. Man sprach gar von Einsturzgefahr. Ob das so schlimm war, mag dahingestellt sein, es war jedoch Gefahr im Verzug. Behutsam wurde dann das sich rechts neben dem Turm befindliche Gebäude abgetragen und ein nicht verfälschtes Stück der Stadtmauer mit Wehrgängen und alten Treppenanlagen kam zum Vorschein. Ob wieder entdeckt oder bekannt, das entzieht sich meiner Kenntnis. Was lag nun näher, als dieses Stück Mittelalter erlebbar zu machen? Und so entstand der Eingangsbereich mit der gläsernen Umhüllung mit folgenden Anblick:


    Noch besser dieses Video:

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    Man kann also erkennen, dass es sich wirklich keineswegs, wie wohl fälschlicherweise angenommen, nur um eine vorgesetzte Glasfassade handelt, sondern um eine interessante Lösung diesen Bereich erlebbar und begehbar zu machen. Und dies wir von den fast allen meiner Bekannten auch so akzeptiert. Wer sich nun wirklich daran stört, der kann sich ja den Westerturm von dieser bekannten Ansicht anschauen und braucht auch nicht das Innere des Turms besteigen:


    Nun zum leidigen neuen Schützenmuseum und hier gehen die Meinungen tatsächlich auseinander. Zunächst einmal muss jedoch gesagt werden, dass man dieses Museum schon etwas suchen muss. Es fällt nicht gleich ins Auge. Der gewöhnliche Tourist betritt die Stadt entweder vom, vom "Eichsfelder" schon erwähnten, Parkplatz herkommend, über "Hinter der Mauer", schwenkt dann in die Bahnhofstraße ein um dann über die Marktstraße zur Spiegelbrücke zu gelangen oder er wendet sich entlang des äußeren Weges in Richtung Westertor und betritt dann über "Maria am Lindenzaun" durch den Westerturm die Innenstadt. Den Weg im inneren Gang an der Mauer, welcher direkt zum Westertor und vorbei am neuen Schützenmuseum führt, laufen relativ wenige Besucher (Ausnahmen bestätigen die Regel, so ich, der aber meistens auf diesem Wege kaum eine Menschenseele findet). Weiterhin ist zu bemerken dass, wie schon angedeutet, nahezu das gesamte Sackviertel im Jahre 1911 bzw. 1915 ein Raub der Flammen wurde und im Stile der damaligen Zeit wieder aufgebaut wurde. Sicher werden einige jetzt sagen, aber eben im Stile dieser Zeit, dem muss ich entgegenhalten, eigentlich nur an der Spiegelbrücke. Die Sackstraße selbst, na ja. Bei der Eingangs genannten Untersuchung stellte sich heraus, dass auch das an der Mauer angelehnte alte Gebäude baufällig war und auch dieses, wie das sich rechts (Innenseite) des Westerturms befindliche Gebäude keine baugeschichtliche Bedeutung aufwies. Dieses Bild zeigt diese Situation:


    Und was nun? dieses kleine aber baufällige Gebäude (im Vordergund zu sehen) mit großem Aufwand wieder herzustellen oder nicht doch einmal etwas Neues wagen? Als mir einer meiner Duderstädter Bekannten einen Entwurf mailte, war ich auch zunächst skeptisch, aber jetzt wo es steht gefällt es mir, es gibt wirklich schlimmere Sachen. In diesem Mix aus Mittelalter, aus Bauten aus dem zweiten Dezennien des 20. Jahrhunderts, aus Neubauten aus den 1960er bis 1970er Jahren passt auch einmal etwas Aufreizendes. Sicher werden wohl die Meisten in diesem Forum nicht unbedingt meiner Meinung sein, aber eine riesige Bausünde oder gar ein Verbrechen ist das kleine Bauwerk nun wirklich nicht. Ich finde es toll:


    Im Anschluss noch einige Bilder. Zunächst ein Blick zum auf dem Gang auf der Mauer befindlichen Georgstürmchen:


    Blick von dort in das Vorland von Duderstadt bis hin zum Lindenberg:


    Und eine seltene Ansichtskarte der Bahnhofstraße mit dem Vorgängerbau der St. Servatiuskirche und einigen Gebäuden, welche bei den Stadtbränden ein Raub der Flammen wurde. Übrigens, St. Servatius gefällt mir persönlich besser als St. Cyriakus:

    Und schließlich noch eine Frage. Wie gefällt euch dieses Parkhaus?


    (Eigene Fotografien, Ansichtskarten Bestand eigenes Archiv.)