Berlin-Mitte - St.-Hedwigs-Kathedrale

  • Gründe gibt es für sowas immer. Was heißt "verständlich"? "Verständlich" muss ja nicht heißen "akzeptierbar" für alle. Auf jeden Fall ist die Purifizierung des Raumes und die Möblierung in Form eines Stuhlkreises eine zunächst optisch drastische Abkehr von der Tradition. Es ist bereits ein Unterschied, ob der Priester wie früher gemeinsam mit der Gemeinde nach Osten betet oder ob er hinter dem neu aufgestellten Klein-Altar stehend seine Schäfchen die ganze Zeit anguckt, wie es heute schon der katholische Normalfall Ist (der lutherische durchaus nicht überall). Wie er das hier allerdings macht, ob er sich im Stuhlkreiszentrum langsam um sich selber dreht, weiß ich nicht... Natürlich hat das auch tiefere theologische Gründe, die Seinsheim bereits dargelegt hat. Die kann man akzeptieren - oder auch nicht. Mir soll´s hier eher um die Ästhetik gehen. Da ist die Schließung des Riesenlochs schon ein Gewinn. Die kalt-geschleckt sterile Atmosphäre wäre sicher milder, wenn man bei dieser Gelegenheit wenigstens die korinthischen Säulenkapitelel wieder hergestellt hätte. Für mich jedenfalls ist sicher: dem großen Friedrich hätte "seine" Kirche in dieser Form nicht gefallen! Und an den hätte man ja nebenbei ruhig auch ein bisschen denken können...

  • Jedenfalls hat man sich anders als beim kunsthistorisch wie ideologisch sicher nicht hochgeschätzten Dom eben nicht für rekonstruktive Maßnahmen entschieden, und das mit einer Rigorosität, die eigentlich ziemlich einzigartig ist.

    Das hing mit den unterschiedlichen Kriegsschäden in beiden Kirchen zusammen.

    Die Hedwigskirche, 1747-1773 erbaut, seit 1929 Bischofskirche, war im Krieg völlig ausgebrannt, die Innenausstattung verloren. Der Wiederaufbau erfolgte 1952-1963 unter der Leitung des westdeutschen Architekten Hans Schwippert. Es war das einzige Mal, dass ein westdeutscher Architekt in der DDR tätig war. Für viele Christen mit DDR-Hintergrund hatte die Schwippert'sche Gestaltung einen besonderen Wert. Sie stand unter Denkmalschutz. Die jetzige Neugestaltung erfolgte gegen den Willen der Denkmalpflege.

    Beim Berliner Dom waren im Krieg nach einem Bombentreffer Teile der Hauptkuppel bis auf das Untergeschoss herabgestürzt. Die Predigtkirche, also der Raum unter der Kuppel, wurde unmittelbar nach dem Krieg durch eine Notkuppel gesichert. Große Teile der Innenausstattung des Domes hatten den Krieg überstanden. Dazu die Sicht der DDR-Denkmalpflege in einer Publikation von 1982:

    "Der Befund im Inneren des Domes legt wegen der Erhaltung ganzer Teilbereiche der Ausstattung eine Instandsetzung nahe, selbst für den stark beschädigten Kuppelraum eine denkmalpflegerische Rekonstruktion im Sinne jener der Semper-Oper in Dresden. Der ehemalige Zustand des Gebäudes mit seinem vielseitigen ikonographischen Programm wird demnach in den achtziger Jahren weitgehend wiederhergestellt werden. [...]
    Eine besondere Kostbarkeit des Berliner Domes ist seine reiche Kunstsammlung. Sowohl die überkommenen Ausstattungsstücke als auch die Sarkophage der Hohenzollern sollen in musealer Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. So wird nach Abschluß der Wiederaufbaumaßnahmen der Berliner Dom als herausragendes Baudenkmal für die deutsche Architektur- und Kulturgeschichte am Ende des 19. Jahrhunderts stehen, verbunden mit Sammlungen, deren geschichtliche und künstlerische Bedeutung die Hauptstadt der DDR bereichern werden."
    (Karl-Heinz Klingenburg, "Der Dom zu Berlin", erschienen als Heft 120 der Reihe "Das christliche Denkmal", Berlin 1982, S. 13)

    Der Wiederaufbau des Domes begann 1975.

    Die Hedwigskathedrale ist heute innen übrigens nicht "protestantisch schlicht", sondern einfach nur modernistisch schlecht.

  • Ich stimme den Vorrednern zu. Schlicht ist nicht zwingend schlecht, wenngleich beide etymologisch dieselbe Wurzel haben. Es gibt weiße, vergleichsweise schlichte Innenräume auch im Barock, ich denke an San Carlo alle Quattro Fontane in Rom oder an den Dom in St. Blasien von Ixnard. Selbst Kitzingen-Etwashausen von Balthasar Neumann überzeugt. Aber in St. Hedwig hat man nicht nur diese minimalistische Ikea-Bestuhlung geschaffen und den Altar ebenerdig wie einen Infotisch im Kaufhaus angelegt; man hat auch, Gartenfreund hat es angesprochen, die korinthischen Säulen nicht wiederhergestellt. Vor der Renovierung hatten die Säulenschäfte wenigstens noch ihre Entasis und eine kleine Einschnürung am Übergang zum Gebälk. Die neuen Stützen sind, so weit ich es von Bildern her beurteilen kann, einfach nur noch zylindrisch.

    Mit anderen Worten: die Architektur ist nicht nur steril, sie ist auch völlig anorganisch. Sie gehorcht einem völlig toten Geometrismus. Dagegen leben die oben genannten Beispiele von der Dynamik der Wand, der Dramaturgie der Gewölbe und der Tektonik der Säulenordnungen. Wenn das gegeben ist, kann der Raum auch schlicht sein.



    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Na ja, "schlicht" würde ich keines dieser Beispiele nennen... Am wenigsten überhaupt das letzte, mit einer Neumannschen Raumauflösung..., aber auch nicht das prunkvolle römische erste.

  • Den hier hatten wir noch nicht:

    Die St.-Hedwigs-Kathedrale am Bebelplatz: Ein protestantisches Schullandheim?
    Die St.-Hedwigs-Kathedrale ist wieder geöffnet. 360.000 Katholiken haben nun einen frisch renovierten Bischofssitz. Wäre dieser doch nicht so protestantisch…
    www.berliner-zeitung.de
    Quote

    Ein Ort für Gläubige, auch anderer Religionen, und auch für Nichtgläubige soll die St.-Hedwigs-Kathedrale sein, erklärte Erzbischof Heiner Koch am Sonntag bei der Wiedereröffnung. Das ist löblich, und trotzdem wünscht man sich ein wenig mehr katholischen Markenkern, ein wenig mehr Zierrat, ja Kitsch in der völlig herzlosen und ungemütlichen Atmosphäre. Zumindest wurde im Zuge der aufwendigen Umbaumaßnahmen für einen LAN-Anschluss im Inneren der Kathedrale gesorgt.

    Bei den Feierlichkeiten am Sonntag, an denen auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) teilnahm, sagte dieser: „Wir feiern hier den Zusammenhalt.“ Dem kann man nur zustimmen, denn eine katholische Messe feiert man hier nicht.

    Der Autor versucht sein tiefes Unbehagen auszudrücken und prinzipiell stimme ich ihm zu, so ganz trifft er den Punkt aber nicht. Eine Kirche muss nicht "kitschig" sein und "gemütlich" schon gar nicht, um als katholisch wahrgenommen zu werden.

    Und noch eine Frage zu Wegners Worten: Welchen "Zusammenhalt" meint er? Denjenigen, bei welchem die Stadt Berlin und der Bund diese Verstümmelung großzügig für das Bistum gesponsert haben, dabei sich über ihre eigenen Gesetze weggesetzt haben und man quasi institutionsübergreifend mit viel Steuerzahlergeld über den Köpfen von Gemeinde und Kritiker "zusammengehalten" hat?

  • „Wir feiern hier den Zusammenhalt.“ Dem kann man nur zustimmen, denn eine katholische Messe feiert man hier nicht."

    Nach der Limburger Geschicht´ ist nun und nach sechs Jahren Bauzeit die verpulverte Summe von 44,2 Mio. als solche offenbar noch kein Garant für eine reibungslos praktikable Nutzung. Ein Indikator für eine gewisse Lern- und Weiterentwicklungsfähigkeit isses nicht; ein Garant für eine funktionsfähige Folgenutzung isses offenbar auch nicht, denn sonst würde dem oben zitierten Satz seine Grundlage fehlen.

    Eine Kirche muss nicht "kitschig" sein und "gemütlich" schon gar nicht, um als katholisch wahrgenommen zu werden.

    Nein, eine katholische Kirche muß weder kitschig noch gemütlich sein, aber "heimelig", anheimelnd, sollte sie schon sein und ihren Gemeindemitgliedern; aber vor allem auch ihren Gästen einen Ort bieten, an dem man sich wohl, willkommen und einigermaßen zuhause fühlen kann. Welch eine Form von Religion hier zelebriert wird, ist noch nicht ganz klar zu beantworten. Insoweit hat der letzte Halbsatz, daß man hier keine katholische Messe feiert, seine volle Richtigkeit. Das Hochgebet beispielsweise ist wohl dasjenige, das man bei Wiederaufstieg der Treppe aus dem unterirdischen Höllenschlund der Unterkirche betet. Und hier greift er auch schon wieder, der letzte Halbsatz, daß man an einem solchen Ort halt einfach keine katholische Messe feiern kann. Manche Autoren sollten angefragt werden, ob sie nicht auch hier bei uns ein wenig schreiben möchten.

  • Na ja, "schlicht" würde ich keines dieser Beispiele nennen... Am wenigsten überhaupt das letzte, mit einer Neumannschen Raumauflösung..., aber auch nicht das prunkvolle römische erste.

    Kitzingen-Etwashausen von Neumann käme sogar ohne Figurenschmuck aus. Das entscheidende sind die Säulen und das Gebälk. Die Säulenordnung ist der Wesenskern der Architektur. Gleiches gilt für die anderen Architekturen. In St. Hedwig bedeutete die Verstümmelung der Säulen, die allerdings schon im Krieg erfolgte, den eigentlichen Todesstoß für den Innenraum. Insofern war für mich schon der Schwippert-Raum defizitär.

    Und dann fehlt neben der architektonischen eben auch die liturgische Dynamik. Liturgie ist kein statisches Ereignis, sondern ein dynamischer Prozess. Er vollzieht sich zum einen in der Vertikalen: von oben nach unten (Manifestation des Göttlichen in der dinglichen Welt) sowie von unten nach oben (Transzendierung des Irdischen). Zum anderen verläuft Liturgie horizontal: Richtung Altar als das Entgegenschreiten des Gottesvolkes hin zum im Jenseits wartenden Christus und gegenläufig aus der imaginären Sphäre des Apsisbildes bzw. des Retabels als ein Hereintreten Gottes in die Welt.

    Diese Dynamiken sollte die Sakralarchitektur veranschaulichen und verstärken. In Hedwig herrscht dagegen Stilltand.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ich darf in diesem Zusammenhang noch einen anderen Aspekt einbringen, der für die Liturgie gleichermaßen zählt wie für die Architektur und die Kunst überhaupt: den der SCHÖNHEIT.

    Schönheit steht seit der klassischen Moderne im Verdacht, nicht authentisch, ja unehrlich zu sein. Das Authentische wird oft sogar im Hässlichen gesucht, im Betonbrutaslismus etwa oder im nackten Geometrismus. Man hat Angst, alles andere könne kitschig sein. Dass es auch eine wahrhaftige Schönheit gibt, so wie umgekehrt die Wahrheit immer schön ist, wird bestritten (erinnert sei nochmals an die platonische Trias vom Wahren, Guten und Schönen).

    Gesellschaften und Institutionen, die nicht bereit sind, sich durch Schönheit zu repräsentieren, weil sie fürchten, das könne als unangebrachte Selbstverklärung missverstanden werden, und die meinen, glaubwürdiger zu sein, wenn sie sich permanent selbst anklagen und sich folglich durch eine eher unschöne Kunst - oder auch durch würdeloses Auftreten - darstellen, besitzen keinerlei Anziehungskraft und zelebrieren letztlich eine selbstzerstörerische Morbidität. Dies kann durchaus in der Illusion eines glückverheißenden Fortschrittsdenkens geschehen. In diesem Fall geht mit der Hässlichkeit der Selbstbetrug - und damit auch die Unwahrheit - einher.

    Wen es interessiert, hier ein wunderbarer Vortrag von Martin Mosebach, der auch das grundlegende Buch über die Häresie der Formlosigkeit geschrieben hat:

    External Content www.youtube.com
    Content embedded from external sources will not be displayed without your consent.
    Through the activation of external content, you agree that personal data may be transferred to third party platforms. We have provided more information on this in our privacy policy.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Schönheit steht seit der klassischen Moderne im Verdacht, nicht authentisch, ja unehrlich zu sein. Das Authentische wird oft sogar im Hässlichen gesucht...

    Dem möchte ich als Kunstliebhaber und Kunsthistoriker doch widersprechen. Da du die Kunst generell ansprichst, erlaube ich mir festzustellen, dass der Expressionismus in der Malerei wunderschöne Schöpfungen hervorgebracht hat. Man denke nur an den Blauen Reiter. Und auch in der Architektur hat der Expressionismus viel zu bieten für das Auge. Insofern ist diese pauschale Aussage zu weitgehend, wenn sie die klassische Moderne mit einschließt. Man kann sich natürlich mit Recht darüber unterhalten, wohin uns die Kunst und Architektur der Nachkriegszeit gelenkt hat. Moderne ist nun mal nicht immer gleich Moderne.

    Ich halte es auch weiterhin für falsch, der Neugestaltung der Hedwigs-Kathedrale pauschal die Schönheit abzusprechen. Deren Ästhetik hat eine sterile Komponente, aber das gilt zum Beispiel für klassizistische Kunst ebenso, zumal diese aus einem Missverständnis entstanden ist, in der Antike sei Architektur und Skulptur strahlend weiß gewesen. Mit dieser Fehlinterpretation geht dann eine Formreduktion und der Verlust der Plastizität einher, wie es auch in der Hedwigs-Kathedrale zum Tragen kommt.

  • Der Expressionismus hat in der Tat eine Reihe sehr eindrucksvoller Kirchenräume hervorgebracht und ebenso eindrucksvolle Gemälde und Skulpturen bzw. Plastiken. Sie sind vielfach berührend, begeisternd, zum Teil auch erschütternd. Aber ich würde sie nicht als schön bezeichnen, zumal es auch überhaupt nicht in der Absicht dieser Künstler lag, schön zu malen oder zu modellieren. Ich denke, sie haben sich bewusst gegen das klassische Schönheitsideal positioniert, zum Teil sogar dagegen rebelliert. Die Idee, dass das Schöne nicht wahrhaftig sei, dass das Wesentliche oft im Unschönen liege, hat m. E. auch in dieser Kunstrichtung ihren Ursprung.

    Und ja, der Klassizismus gleitet bisweilen auch schon in die Sterilität ab, weshalb ich persönlich ihn - selbst in seinen Höchstleistungen - für weniger bedeutend halte als die Kunstepochen davor. Mosebach sagt zu Beginn seines Vortrags etwas, das mich sehr überzeugt: Die bürgerliche Welt liebt das Geschmackvolle. Guter Klassizismus ist geschmackvoll. Er ist durch und durch bürgerlich. Aber das Geschmackvolle ist etwas sehr Innerweltliches, es hat nicht jene metaphysische Dimension, die wahre Schönheit erreichen kann. Die Hagia Sophia, der Hochchor des Kölner Doms, der Schlüterhof, Neresheim, Maria Laach - sie sind nicht geschmackvoll, sondern sehr viel mehr.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Das würde ich nicht so unterschreiben, abgesehen davon, dass es fraglich ist, ob es so etwas wie ein klassisches Schönheitsideal überhaupt gibt, bzw ob ein solches für alle Stile verbindlich sein kann. Versuche, sich in der Moderne, sich einem klassischen Schönheit verpflichtet zu fühlen, gehen in der Regel nicht gut aus - in allen Kunstrichtungen. Ehrlich geht mir sogar das Apollon-musagète-Gehabe eines Strawinsky ziemlich auf die Nerven, obwohl das in den 1920er-Jahren noch so etwas wie Originalität für sich in Anspruch nehmen konnte. Überhaupt heutzutag halte ich das einfach für keinen gangbaren Weg mehr, da zu abgenutzt, zu kraftlos. Eigentlich trifft das gut auf die Innenraugestaltung der Hedwigskathedrale zu: eine durch und durch klassische Orientierung, in völliger Ideenlosigkeit gleichsam ausgetrocknet oder versteinert. Letztlich hast du da sogar dein "klassisches Schönheitsideal", völlig auf sich allein gestellt. Deine drei zitierten Beispiele hingegen verstehen Emotionen auszulösen. Daher halte ich auch die Diskussion, die (natürlich gewollte) Schönheit des Expressionismus zu leugnen, für unfruchtbar.

    Du gehst ja drauf ein:

    Und ja, der Klassizismus gleitet bisweilen auch schon in die Sterilität ab, weshalb ich persönlich ihn - selbst in seinen Höchstleistungen - für weniger bedeutend halte als die Kunstepochen davor. Mosebach sagt zu Beginn seines Vortrags etwas, das mich sehr überzeugt: Die bürgerliche Welt liebt das Geschmackvolle. Guter Klassizismus ist geschmackvoll. Er ist durch und durch bürgerlich.

    Das gilt für den Neo-, oder eher Neo-Neo-Klassizismus. Den Klassizismus selber würde ich nicht in Frage stellen, es war eine logische Stilentwicklung, die wohl jeder damalige progressive Künstler in irgendeiner Form durchmachen musste. Persönliche Vorlieben spielen da keine Rolle. Sicher ist mir B. Neumann lieber als Weinbrenner, aber das hat hier nichts zu sagen.

    Das Problem ist hier ein anderes, nämlich die emotionale Komponente der Liturgie, die einfach nicht jeden Stil zu vertragen scheint. Ich bin zB gegenüber einer gewissen Ultra-Moderne, etwa dem Kubismus Fritz Wotrubas keinesfalls feindselig eingestellt, würde aber die Wotruba-Kirche nur als architektonische Sehenswürdigkeit und nicht als liturgischen Ort ansehen. Ich gehe sogar weiter:

    Ich hab die Heilige Messer in Ludwigsthal (Bayerischer Wald)

    undefined

    Von Bayerwaldpfade - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=58586328

    als eher unangenehm empfunden, obwohl sie fraglos würdig war. Aber der Innenraum hatte etwas Unechtes an sich, was auf die Liturgie ausstrahlte. Ich hatte den Eindruck eines götzenartigen Kultes, es tut mir leid, dieses Gefühl war sicher unangemessen und sogar einer meinerseitigen (schuldhaft selbstverursachten) Beeinträchtigung geschuldet, aber es war ehrlich empfunden. Ich hatte geradezu den Eindruck, mein Zustand würde in puncto Künstlichkeit perfekt mit diesem Raum korrelieren. Auch in Wiener Gründerzeit-Kirchen umfängt mich (ohne Entgleisungen dieser Art) ein Gefühl des Unechten, das man als Gläubiger und Gottsuchender eigentlich überhaupt nicht gebrauchen kann. Den Berliner Dom kann ich in diesem Zusammenhang nicht beurteilen, denn dort wohnte ich einem protestantischen Gottesdienst bei, der eo ipso nicht in diese Richtung Gefahr läuft.

    Kurzum: eigentlich mag ich (als Messbesucher) nur alte Kirchen. Zuviel Modernismus schadet. Das ist ausschließlich mein Problem.

    Mit der Hedwigskirche hat das nicht viel zu tun, denn ihr Inneres ist bei näherer Betrachtung gar nicht modernistisch, sondern nur schlecht.

  • Ich finde das Foto von Ludwigsthal überwältigend - wirklich in dem Sinne, dass man überwältigt wird - , wobei ich auch nicht sagen kann, ob ich darin andächtig einer heiligen Messe beiwohnen könnte. Ich habe in der Birnau ein traditionelles Pontifikalamt erlebt, das war für mich ein ganz prägendes Erlebnis, weil Paramente, Liturgie und Architektur eine vollkommene Einheit bildeten.

    Die Alte Messe ist zunächst gewöhnungsbedürftig, man muss sie sich über Jahre erschließen, gerade weil sie so tiefgründig ist und uns viel abverlangt. Sie steht eben für eine Gegenkultur zur säkularen Moderne, wohingegen Hedwig der Versuch ist, sich dem modernen Säkularismus anzupassen. In gewisser Weise ist das m. E. auch in Notre-Dame de Paris geschehen.

    Um den Aspekt der Schönheit kommen wir m. E. auf Dauer nicht herum. Nur weil wir Schönheit unterschiedlich interpretieren, heißt es ja nicht, dass es sie nicht gibt. Es ist, würde ich sagen, wie mit allen Idealen: sie können irgendwann obsolet sein, irgendwann auch wiederentdeckt werden; aber wenn man von vornherein auf sie verzichtet, gleitet man in die Indifferenz und damit in die Trivalität ab. Umgekehrt dürfen Ideale natürlich auch nicht verabsolutiert werden - sonst haben wir eine Ideologie.

    Und grundsätzlich gilt: alles wirkt unschön, wenn ihm etwas Erzwungenes oder Gewolltes anhaftet.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Hier noch ein Video mit verschiedenen Aufnahmen der Architektur:

    External Content www.youtube.com
    Content embedded from external sources will not be displayed without your consent.
    Through the activation of external content, you agree that personal data may be transferred to third party platforms. We have provided more information on this in our privacy policy.

  • Hier noch ein Video mit verschiedenen Aufnahmen der Architektur:

    External Content www.youtube.com
    Content embedded from external sources will not be displayed without your consent.
    Through the activation of external content, you agree that personal data may be transferred to third party platforms. We have provided more information on this in our privacy policy.

    Schade, dass die schöne und prachtvolle Musik nicht übereinstimmt mit der durch und durch aseptischen Architektur.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.