Es geht hier aber nicht darum, wie die Kirche als irdischer Verein zu organisieren ist, sondern wie wir Gläubigen Gott gegenübertreten, das ist ein riesiger Unterschied. Wir haben kein Recht, uns auf die gleiche Ebene zu stellen wie das Allerheiligste, das ist für mich fast ein Sakrileg.
Das genau ist der Punkt. Man kann nicht, was jahrhundertlang als heilig galt, plötzlich als nebensächlich über Bord werfen. Damit gäbe die Kirche zu verstehen, dass ihre bisherige Existenz eine Lüge war.
Auch begreifen die meisten nicht, was Tradition bedeutet. Das ist keine Folklore, die man den Zeitläuften anpassen kann. Vielmehr steht die Idee dahinter, dass die katholische Lehre ein von Gott empfangenes (traditum) Glaubensgut (depositum fidei) ist, ein Glaubensschatz, den sie treuhänderisch zu verwahren und zu verwalten hat. Sie ist nicht befugt, dieses Glaubensgut zu verändern. Zum Glaubensgut gehört aber auch die Liturgie, zumindest sofern sie zentrale Glaubensaussagen zu vergegenwärtigen hat. Lex orandi, lex credendi - das Gesetz des Betens entspricht dem Gesetz des Glaubens.
Durch die gezielte, höchst manipulative Anpassung an einen sich stets ändernden Zeitgeist macht die Kirche sich zwangsläufig überflüssig. Sie verschleudert ihr depositum und löst sich so von innen her auf. Und überall, wo sie dies tut wie in Westeuropa, zerfällt sie.
Man muss ja kein gläubiger Katholik sein, aber als Katholik zu meinen, Selbstpreisgabe hätte etwas mit Reform zu tun, ist ein verhängnisvoller Irrtum. Am Schluss bleibt Ringelpietz mit Anfassen um einen runden Tisch bei ein paar Orgelklängen, Kerzenschein und hübschen Liedern. Das ist dann aber kein Alleinstellungsmerkmal, das wirklich Sinnsuchende bzw. Gottsuchende überzeugt.