Berlin-Mitte - St.-Hedwigs-Kathedrale

  • Ein Paradox liegt darin, daß der "Dom" protestantisch ist und einfach mehr hermacht; die Vorstellung von St. Hedwig mit einer richtigen Kathedrale aber so gar nicht gelingen will. Vielleicht könnte man ja tauschen.

    Nein, machen wir freilich NICHT. Der Kaiser würde sich samt Bismarck im Grabe umdrehen! :lachen:

  • Weingeist : ich finde das aber nicht paradox, sondern folgerichtig: Berlin ist nunmal eine primär protestantische Stadt und keine katholische. Ich finde es eher komisch, dass die wichtigste protestantische Kirche aus dem Historismus stammt und nicht aus dem Mittelalter, wie man es für eine große Hauptstadt mit langer Geschichte annehmen würde... ich kenne mich mit der Kulturgeschichte Berlins überhaupt nicht aus, aber gab oder gibt es in Berlin denn keine bedeutende gotische Kirche?

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Im Mittelalter war Berlin eher eine kleine Landstadt mit dem gegenüberliegenden Cölln (heute Museumsinsel) hat es sich später dann zusammengetan. Eigentlich sind nur die Marienkirche und die Nikolaikirche daher aus der gotischen Zeit und wirklich "etwas bedeutender". Wobei die Nikolaikirche eben aus neueren Zutaten wie Türme besteht.

  • Danke, welche Kirche fungierte dann als Dom vor der Errichtung des neobarocken Doms?

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • ...ich kenne mich mit der Kulturgeschichte Berlins überhaupt nicht aus, aber gab oder gibt es in Berlin denn keine bedeutende gotische Kirche?

    Es gibt die Nikolai- und die Marienkirche. Beides waren städtische Pfarrkirchen. Berlin war aber im Mittelalter niemals ein Bistum. Der Bischofssitz lag in Brandenburg an der Havel. Insofern fehlt es an den historischen Voraussetzungen.

  • Es gibt die Nikolai- und die Marienkirche. Beides waren städtische Pfarrkirchen. Berlin war aber im Mittelalter niemals ein Bistum. Der Bischofssitz lag in Brandenburg an der Havel. Insofern fehlt es an den historischen Voraussetzungen.

    Gibt ja auch noch die Heilig-Geist-Kapelle und das Graue Kloster. ;)

  • Danke Tegula, das erklärt es natürlich. Dann war es so ähnlich wie im Falle Münchens, das auch die meiste Zeit kein eigenes Bistum war, sondern zum Bistum Freising gehörte, bevor dieses 1817 mit München zum Erzbistum München-Freising zusammengelegt wurde.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus

  • Danke, welche Kirche fungierte dann als Dom vor der Errichtung des neobarocken Doms?

    Es gab am gleichen Standort des heutigen Berliner Doms vorher einen anderen Dom, genannt zweiter Dom, der für den neuen Dom abgerissen wurde.
    Der vorherige Dom wurde auch einmal umgestaltet, von Schinkel.

    Im Wikipedia Artikel zum Berliner Dom gibt es bei Geschichte Infos dazu:

    Berliner Dom – Wikipedia
    de.wikipedia.org

    Vorher gab es noch einen anderen Dom, genannt erster Dom, der Stand ungefähr dort, wo heute das Staatsratsgebäude steht.

    Berliner Dom – Wikipedia
    de.wikipedia.org
  • Dieser erste Dom wiederum war ursprünglich (seit dem späten 13. Jahrhundert) die Klosterkirche der Dominikaner, nach der Reformation dann protestantische Schlosskirche. Der Anbau der Doppelturmfront geschah zu dieser Zeit.

  • Es gibt in der Hedwigskathedrale zwar Stühle, aber vor jedem Stuhl, an der Rückseite des davor stehenden, ist auch die Möglichkeit gegeben sich hinzuknien, wenn man denn mag oder kann :zwinkern:.

  • Zitat von MDR

    "So gebe es in dem schlichten, weißen Kirchensaal von Herrnhut weder Kanzel noch Altar, denn es solle nicht von oben herab gepredigt werden, erklärt sie: "Ich liebe den Ausspruch von Graf Zinzendorf, der meinte, wenn Menschen im Saal sind, dann ist der Saal geschmückt. Das heißt: Jeder Mensch, der hierher kommt, ist ein Schmuckstück.""

    Diesen Schluß lässt die Betrachtung der Fotos aus dem Einweihungsgottesdienst in der Hedwigskathedrale nahezu zwingend zu!

    Der Mensch im Mittelpunkt eines Zentralbaus: Du bist das Universum!

    Der Mensch als Universum, das klingt ja fast ein wenig nach Giordano Bruno. Und dieser Kontext wird natürlich auch durch das Pantheonzitat, das Friedrich II. dem Architekten Bouman vorgeschrieben hatte, evoziert. Der Religionsverächter Friedrich hat da den Katholiken ein Kuckucksei ins Nest gelegt und wohl auch seinen Spaß daran gehabt, genauso wie der erste Dom im Lustgarten eher an eine Maison de Plaisance als an eine Kirche erinnert. Friedrich II. hat die Typologien wohl gerne ein wenig durcheinandergewürfelt.

    Und der Mensch als Mittelpunkt im Kosmos - das so zu sehen, ist natürlich vollkommen legitim. Aber es ist halt nicht katholisch. Auch Herrnhut ist es nicht. Und was auch viele Journalisten nicht begreifen, weil sie die Transzendenz nicht mehr auf dem Schirm haben: Die Litgurgie ist Ausdruck der Gottesherrschaft, nicht der kirchlichen Macht. Sie ist Ausdruck der Vaterunserbitte "adveniat regnum tuum" - Dein (König-)Reich komme.

    In einer katholischen Kirche etwas Nicht-Katholisches zu erwarten ist so, wie wenn ich im Fußballstadion auf ein schönes Handballspiel hoffe.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ich habe gewisse Alte Messen als etwas "lieblos", "mechanisch" empfunden. Ich kann auch mit der Gregorianik auf lange Sicht nichts anfangen, dh ein Hochamt nur mit gregorianischer Musik. Diese ist mir zu schlicht und zu freudlos, aber ganz sicher nicht zu "banal". Eher, dh ganz strenggenommen wären Gesänge wie das Eingangslied "Ein Haus voll Glorie..." mit seinem Ohrwurmcharakter so zu apostrophieren, aber mir gefallen diese Lieder trotzdem besser und ich will sie nicht missen. Gregorianik ist für mich Material, Baustein, aber kein Selbstzweck.

    Die Alte Messe und die Gregorianik sind dann ermüdend, wenn sie lieblos oder routiniert praktiziert werden. Bei einem guten Priester erkennt man aber sofort, dass er in die Liturgie eintaucht, sich dabei ganz zurücknimmt und das Mysterium hervortreten lässt. Allerdings setzt das eine große Demut seitens des Zelebranten und eine gewisse Gewöhnung seitens des Gläubigen voraus, weil es so eben völlig anders ist, als das, was wir sonst kennen. Dasselbe gilt für die Gregorianik. Das Wort soll im Vordergrund stehen, nicht der musikalische Effekt. Gregorianik ist Askese. Eine Ikone verlangt das "Fasten des Sehens" (Benedikt XVI.), die Gregorianik ein Fasten des Hörens. Aber wenn man sich erst einmal eingehört hat, ist sie großartig. Und dann gibt es ja durchaus sehr eingängige Melodien:

    Das Kyrie der Missa de Angelis:

    External Content www.youtube.com
    Content embedded from external sources will not be displayed without your consent.
    Through the activation of external content, you agree that personal data may be transferred to third party platforms. We have provided more information on this in our privacy policy.

    das Credo III:

    External Content www.youtube.com
    Content embedded from external sources will not be displayed without your consent.
    Through the activation of external content, you agree that personal data may be transferred to third party platforms. We have provided more information on this in our privacy policy.

    das Tantum Ergo:

    External Content www.youtube.com
    Content embedded from external sources will not be displayed without your consent.
    Through the activation of external content, you agree that personal data may be transferred to third party platforms. We have provided more information on this in our privacy policy.

    das Adoro Te devote (mein Favorit)

    External Content www.youtube.com
    Content embedded from external sources will not be displayed without your consent.
    Through the activation of external content, you agree that personal data may be transferred to third party platforms. We have provided more information on this in our privacy policy.

    oder das Veni Creator Spiritus, das die Märtyrerinnen von Compiègne auf dem Weg zum Schafott sangen.

    Mich rührt diese schlichte Eindringlichkeit sehr. Im übrigen sind es auch Höhepunkte der mittellateinischen Dichtung.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Umbau der Hedwigs-Kathedrale?!

    Die Katholischen Oberhäupter in der Hauptstadt haben das neue Konzept so schön erklärt. Ich finde, von den selben Architekten der Hedwigs-Kathedrale sollte dringend auch der Kölner Dom in eine "gesamtdeutsche, helle Version" umgestaltet werden. Warum immer nur bei uns in Berlin?!

  • Naja, ich würde vorschlagen, mir losse dr Dom in Kölle, de hillije drie Könnije un dr Dicke Pitter och. Wenn von Berlin gesamtdeutsche Lösungsansätze vorgegeben wurden, ess et noch nie jot jejange. Und wenn die Heiligen Drei Könige heute zum Antrittsbesuch ins Erzbistum Berlin kämen, würde angesichts von um die 44 Mio. Baukosten das Gold sofort amortisiert, der Weihrauch zur Linderung des Leibwehs des Kämmerers verwendet und die Myrrhe an die Zahnpastaindustrie weitergeleitet werden. Berlin hat einen Düsseldorfer als Erzbischof. Man vermutet bereits, daß auch aus dieser Kölner Perspektive heraus alles so bleiben sollte, wie es ist.

  • Seinsheim:

    Ich versteh, was du meinst und halte das auch für gut und richtig, fürchte aber, dass es mir da an Reife und innerer Einkehr fehlt. Was meinen Hang zur Besserung erschwert: Ich steh nicht ganz allein mit meiner Ignoranz. Die Schöpfer von Großen Messen schätzten, so glaube ich, den gregorianischen Ausdrucksgehalt auch nicht besonders. Beethoven Missa Solemnis ist äußerst ungregorianisch. Der alte Bruckner hatte zum Erzbischof von Prag anlässlich der Uraufführung seiner Achten gesagt: Gellns, das is was anders als Ihre gregorianischen Gsangeln. Von Janaceks Glagolitische Messe, von der man sagte, hier werde ein neuer Weg gezeigt, wie Mann mit Gott zu reden habe, ganz zu schweigen.

    Kurz um: Ich liebe zu sehr die Emotion, die Ekstase, den Rausch. Auch in derlei geistlichen Angelegenheiten. Architektonisch entspräche dies wohl eine Vorliebe für fränkisch-böhmischen Spätbarock gegenüber Romanik.

    So etwas wie die heutige Hedwigskirche muss natürlich auf allen Linien versagen.

  • Das Problem der katholischen Kirche war noch nie zu viel Abkehr von Traditionen, sondern ihr mangelnder Reformwille. Insofern ist die Gestaltung der St.-Hedwigs-Kathedrale vielleicht ein mutiger Schritt in die richtige Richtung. Das heißt ja nicht gleich, dass man die Liturgie an allen Orten komplett umkrempeln muss. Aber vielleicht schaut man erst mal, was sich in Berlin mit der neuen Gestaltung des Kirchenraums bewähren wird, bevor man es verteufelt.

  • Es geht hier aber nicht darum, wie die Kirche als irdischer Verein zu organisieren ist, sondern wie wir Gläubigen Gott gegenübertreten, das ist ein riesiger Unterschied. Wir haben kein Recht, uns auf die gleiche Ebene zu stellen wie das Allerheiligste, das ist für mich fast ein Sakrileg.

    "In der Vergangenheit sind wir den andern Völkern weit voraus."

    Karl Kraus