• Manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder

    Liegt eigentlich nicht auf Messkircher Gemeindegebiet (sondern Mühlingen) steht aber dennoch in Verbindung, denn der hier errichtete Bahnhof sollte eigentlich in der Stadt gebaut werden. Doch die Messkircher stellten sich quer. Also setzte man den Bahnhof an den Abzweig der Bahnlinie nach Pfullendorf die sich praktisch mitten im Nirgendwo befindet, lediglich die direkt an den Gebäuden vorbeiführende B313 sorgt für einen direkten Verkehrsanschluss.

    Mit Einstellung des Personenverkehrs 1972 verfielen die Gebäude immer mehr. Vor einigen Jahren stürzten dann auch wesentliche Teile des Stationsgebäude ein. Lediglich der nördliche Seitenflügel wurde weiter genutzt und wenig qualitätsvoll erneuert.

    Auf folgender Seite befinden sich Ansichten des noch halbwegs intakten Stationsgebäudes.
    http://www.vergessene-bahnen.de/Ex305a_2.htm

    Letztes Jahr wurde dann überraschend das ebenfalls schon heruntergekommene Wohnhaus renoviert. Diese Renovierung erfolgte sehr behutsam. Die Fassade blieb nahezu komplett erhalten lediglich wurden Balkone angefügt und die entsprechenden Fenster zu Türen umgebaut, wobei die Sandsteinleibungen erfreulicherweise nach untern verlängert wurden. Ebenfalls wurde auf der Rückseite eine komplette Türleibung neu geschaffen.


    Ansicht von der Bundesstraße


    Vorderseite


    Neu errichtet wurden drei Garagengebäude die Stilecht angepasst wurden

    Und nun der absolute Knüller. Die Ruine des Stationsgebäudes wurde nun vom selben Investor erworben und soll wiederaufgebaut werden. Gegenwärtig finden Beräumungsarbeiten statt. Dabei wird so behutsam vorgegangen das Reparable Teile aufbereitet werden können. Unter anderem werden Türen Fenster und Fensterläden so ausgebaut dass sie restauriert werden können. Ob diese Teile allerdings wieder eingebaut werden ist mir nicht bekannt. Dennoch verspricht dies das erfreulichste Bauprojekt der weiteren Region zu sein. An diesem abgelegenen Ort war damit überhaupt nicht zu rechnen.



    Im Inneren ist natürlich nicht viel zu Retten.

  • Das ist natürlich sehr erfreulich, super, vielen Dank für den Bericht! Es gibt noch dermaßen viele verfallende Bahnhofsgebäude, da können wir uns über jedes, das erhalten oder sogar rekonstruiert wird nur riesig freuen.

    Die Klosterstadt Campus Galli halte ich dennoch mit Abstand für das interessanteste Bauprojekt in der Region, das auch weit überregionale Strahlkraft entwickeln kann. Ähnlich wie der Burgenbau in Guedelon.
    Wie geht es dort eigtl voran?

  • Nicht nur die oberen Geschosse sondern auch das Erdgeschoss wurde abgerissen. Geblieben ist lediglich die Straßenseite des Erdgeschosses und das historische Gebälk, das wieder eingebaut wurde.

    "Nicht mehr zu retten" das hört man ja oft. Technisch kann man alles retten aber der Bären war wirklich baufällig und bereits zum Teil eingestürzt. Bereits 1784 wird das Haus als baufällig bezeichnet, in den folgenden Jahrhunderten hat man dem immer wieder mit umfangreichen Baumaßnahmen entgegenzuwirken versucht. Deshalb waren vom ursprünglichen Haus nurmehr rudimentäre Reste überkommen. Zudem ließ der letzte Eigentümer das Gebäude auch mutwillig verfallen.

    Dies gilt jedoch nicht für das Hinterhaus und das Nachbarhaus. Beide befanden sich in einem verhältnismäßig gutem Zustand und waren auch künstlerisch interessanter. Dass ausgerechnet sie so vollständig weichen mussten ist bitter. Damit sind in dem gesamten Quartier keine historischen Gebäude mehr erhalten (die südlich anschließenden 2 Häuser waren bereits den Bomben im WK2 zum Opfer gefallen).

  • Die neue Bärenschenke ist seit einiger Zeit fertigstellt. Heute wurde die Herberge in den Obergeschossen eröffnet. Sowohl aus historischer als auch aus städtebaulicher Sicht meiner Meinung nach ein herber Verlust. Doch immerhin handelt es sich nicht um einen lieblosen, auf Profit ausgelegten Baukörper. Der Neubau ist dem Vorgänger deutlich nachempfunden, zeigt sich aber doch als deutlich erkennbarer Neubau wie z. B. fehlende Fensterrahmen. Auch die Fenster selber wirken ziemlich billig.

    Bärenschenke

    Anstelle des "Munz"-Hauses befindet sich die Gartenwirtschaft noch in provisorischer Gestallt. Hier werden noch Bäume gepflanzt.

    Bärenschenke

    Zustand 2017


    Bärenschenke

    Bärenschenke


    Bärenschenke

    Hinterhaus zur Kanalgasse

    Bärenschenke

  • Auch die Fenster selber wirken ziemlich billig.

    Die haben im Vorzustand aber mindestens ebenso billig gewirkt, wenn nicht billiger. Auch die Fensterformate waren im Vorzustand weit unhistorischer/schlechter als beim nun historisierenden Neubau. Optisch also auf jeden Fall eine Verbesserung. Zur Substanz kann ich nichts sagen.

    P.S.: Was ist aus dem oben gezeigten Stationsgebäude geworden?

  • Auch die Fensterformate waren im Vorzustand weit unhistorischer/schlechter als beim nun historisierenden Neubau.

    Unhistorischer??? Ab der Auskragung an aufwärts dürften die Fenster zu einem grossen Teil noch das ursprüngliche Format besessen haben, als das Fachwerk noch frei lag. Die Fensteröffnungen am Erd- und 1. Obergeschoss dürften dem 18./19. Jahrhundert entstammt haben.

    Nun ist alles schön gerade, regelmässig und perfekt...

  • Ich kenne mich zugegebenermaßen nicht mit Meßkirchischen Bauspezifika aus. In unserer Region aber sind querstehende Fensterformate in Fachwerkbauten, wie ich sie im Vorzustand oberhalb der Auskragung sehe, untypisch. Sie sind stets ein Zeichen für "Modernsierungen" der 1960er/1970er Jahre. Die historischen Fenster sind hochstehend. (Siehe z.B. hier) Auch in Tübingen erkenne ich das so. (Siehe z.B. hier) Sollte das im vorliegenden Fall Meßkirchs anders sein, so dass liegende Fensterformate im Stil der 70er historisch korrekt sind, bitte ich um eine alte Fotografie, die den Zustand des Hauses in der Vorkriegszeit zeigt.

    P.S.: Auch eine übertriebene Begradigung erkenne ich im Neubau nicht. Asymetrien wurden weitgehend beibehalten.

  • Querstehende Fensteröffnungen sind bei Fachwerkbauten die Regel, allerdings fehlten bei den beiden querformatigen Fenstern die Mittelpfosten. Im Normal fall sind es Zwillings- und Reihenfenster, die aus einer Aneinanderreihung von kleinen hochformatigen Fenstern besteht. Das zweite Fensater von links am zweiten Obergeschoss dürfte in den 1970er Jahren verändert worden sein; die andern drei sind viel älter, was man am Falz für die einstigen Winterfenster (Kastenfenster) erkennen kann.

    Das Tübinger Beispiel ist insofern schlecht gewählt, weil es Fachwerkbauten aus dem 16. bis 18. Jahrhundert zeigt, aber mit veränderter Fensterteilung des 19. Jahrhunderts, also eine klassizistische Fensteranordnung. Auch das andere Beispiel aus Seligenstadt zeigt fast ausschliesslich im 19. Jahrhundert veränderte und regularisierte Fensteröffnungen.

    So ist es richtig: eine Aneinanderreihung von kleinen hochformatigen Fentern. Das war auch im alten Frankfurt und Nürnberg so.

    Schwertgasse-19-23_16.07.2008_1622x50.jpg

  • So weit sind wir also gar nicht auseinander. Ich sprach von "Modernisierungen" der 1960/70er Jahre, die querformatige Fenster schufen. Du schreibst ebenfalls, dass die Fenster in Fachwerkhäusern hochformatig sind (seien es die Originalformate oder die Formate des 19. Jahrhunderts). Das Querformat sei durch Entfernung des Mittelpfostens entstanden. Ergo: Folge einer "Modernisierung". Insofern stellte der Vorzustand nicht den historischen Zustand da.

    Nun kann man darüber streiten, ob es besser gewesen wäre, die Fenster, wieder durch einen Mittelpfosten optisch in das mögliche Ursprungsformat zu bringen. (Wie gesagt, ein Vorkriegsfoto wäre hilfreich.) Der Bauherr hätte vermutlich gar nichts dagegen gehabt, da mehr Fensterflächen stets gut vermarktbar sind. So ist es nun aber anders gekommen.

    Stellen wir uns einfach vor, dass das Gebäude original ist und die einstige "historische" Modernisierung nicht in die Entfernung des Mittelpfostens, sondern in die Verschließung des einen Fensters gemündet ist. Oder stellen wir uns vor, dass es sich eben um einen angepassten Neubau handelt, der den Vorgängerbau weitgehend aufgreift. Und diesen Neubau finde ich recht gelungen. Es hätte ja auch eine Schuhschachtel dort hinkommen können, was mich in Baden-Württemberg überhaupt nicht überrascht hätte.

  • Ich kann dem Neubau nichts abgewinnen, auch wenn es keine Schuhschachtel geworden ist, keine bodentiefen Fenster hat und diese auch nicht in Strichcodemanier angeordnet sind.

    Erstens wurde ein Haus abgebrochen, das unter Schutz stand, zweitens wurde eine ahistorische Baulücke geschaffen, auf der auch ein historisches Haus stand, das - wie ich mich erinnere - nicht unter Schutz stand, und drittens ist der "Neubau" irgendwie lieblos geworden - gelecktes Dach, lieblose Einflügelfenster mit Sprossen in Aspik, formal komischer Anbau an der Rückseite, sehr unsorgfältig gelöste Details.

    Da kann ich zu Messkirch nur noch sagen "Gute Nacht, wenn ihr so weiter wurstelt".

  • Das was Jörg Mauchen vielleicht als „billig“ bezeichnet, trifft durchaus auf die Fenstergliederung der gewählten Hochformate zu. Es bleibt ein Versagen unserer Zeit (oder Ausdrucksmittel des Zeitgeistes wie auch hier immer noch mancher Forist meint) ordentliche Fenstersprossen mit augenscheinlich differenzierter Dimensionierung vernachlässigen zu können, ganz abgesehen von Putzfaschen und Fensterläden wie sie für diese Fensterformate lokal selbstverständlich sind. Mit den Fenstern als Augen des Hauses steht und fällt stets das Erscheinungsbild eines Neubaus dieser Art.

    Und gleichwohl die formale Nachahmung des Neubaus unter Einbeziehung des Erdgeschosses vom Vorgängergebäude in dieser Situation nicht einmal mehr obligatorisch und die Annäherung der äußeren Form zwar erfreulich, ja überzeugend selbst im aufgehenden neuen Teil erscheint, wirkt der Neubau als Ganzes mit seinem ablenkenden Orangerot bereits jetzt wie ein modisch sanierter Altbau.

    Die bloße Übernahme der Kubatur in Anlehnung an das Vorgängergebäude einschließlich der optisch abwertenden Mängel infolge früherer kurzsichtiger Modernisierungsmaßnahmen - die im übrigen auch in diesem Beispielsfall in Summe mit zum Substanzverlust des Vorgängergebäudes beigetragen haben dürften - zeugt abschließend von einem grundlegend fehlenden Gestaltungsverständnis der Planenden und Relativierenden.

  • Zur Ehrenrettung des Neubaus und bevor es wieder heißt, die Kritik daran sei unverhältnismäßig: Das Gebäude hat, abgesehen vom unverzeihlichen Substanzverlust des geschützten Baudenkmals, selbstredend eine Qualität, bei der wiederum Schwächen entscheidender Details - wir erkennen es auch bei den traditionellen Neubauten in Lübeck - besonders ins Auge stechen. Zur Verbesserung dieser ist diese konstruktive Kritik daher notwendig und nicht mit der fundamentalen Kritik an modernistischen Kuben des Investoren- und Internationalen Stils gleichzusetzen!

  • @Graf Cylinar Detailliertere Aufnahmen habe ich gerade nicht zur Hand. Es scheint sich aber um Kunststofffenster in Holzoptik und zwischen den Scheiben liegenden Sprossen zu handeln. Davon bin ich kein Fan.

    Zur Frage bezüglich der Zeitstellung der Obergeschossfenster: Ich bin überzeugt die Öffnungen wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vergrößert. Ähnliche Beispiele gibt es genügend. Das Gebäude wurde häufig umgebaut zuletzt wurde 1980 das 2. Obergeschoss weitgehend neu errichtet. Hilfreich ist auch diese Skizze der Fachwerkkonstruktion, die jedoch weder maßstäblich noch vollständig ist. Die Grundlage stellte eine Fotographie durch das Gerüst bei der Fassadenrenovierung vor einigen Jahren dar. Beachtet dort ein in der Mitte des 2. OG. befindliches originales vermauertes Fenster.

    Bärenschenke

    Versuch einer Einteilung in Bauphasen.

    rot: ursprünglicher Bau (wahrscheinlich 1603), grün: eventuell 18. und 19. Jahrhundert, gelb: 20. Jahrhundert


    Fensterbänder waren in der Region durchaus verbreitet, aber wie bereits gesagt in Form von mehreren nebeneinandergelegenen Fensteröffnungen die jeweils durch einen Pfosten von einander getrennt waren, meist in Form eines Fenstererkers. Davon sind in Messkirch aber keine mehr erhalten und bislang nur bei einem Gebäude nachgewiesen. Mit einem Fenstererker wäre am ehesten im 1. OG. rechts zu rechnen denn dort befand sich offenbar eine Bohlenstube. im Bereich des Hinterhauses wurde ein konsolenartiger Brüstungspfosten gefunden. Dies deutet auf einen Fenstererker auch dort hin.

  • Danke für die beiden Skizzen! Beim Betrachten des Abbruchvideos aus diesem Beitrag weiter oben dachte ich als erstes , dass da keine baugeschichtliche Sondierungen mehr gemacht wurden, oder zumindest nicht umfangreich.

  • Es wurden auch keine Bauuntersuchungen gemacht. Zwar hat ein Denkmalpfleger die nicht einsturzgefährdeten Gebäude begangen aber was dabei herausgekommen ist weis ich noch nicht. Was ich hier zeige kommt alles von mir.