Deutsche Stadtgründungen im Osten

  • Vater dieses sich erstmals in der Galerie "Die junge Elbe" entzunden habenden Stranges ist Mündener, dem ich nunmehr ein bisschen zur Hand gehen will.
    Grundsätzlich ist jeder eingeladen, sich einzubringen, denn das Thema ist denkbar umfangreich.
    Ich werde mit Böhmen und Mähren beginnen, und sodann Ostösterreich als Parallele oder Kontrast darstellen.

    Die Frage, ob es in Böhmen und Mähren, ja überhaupt im Deutschen Osten vor der Kolonisierung Städte gab, ist sehr kontrovers, aber im Ergebnis zweifellos zu bejahen. Der radikalste, früher sehr häufig mitgeteilte dt. Standpunkt für die Böhmischen Länder, der natürlich überheblich und provokant klingen musste, lautete folgendermaßen: Alle Städte Böhmens sind deutsche Gründungen, mit Ausnahme der Hussitenstadt Tábor.
    Das ist natürlich nicht aufrechtzuhalten.
    Prag, Brünn, Olmütz, Znaim, bestanden unzweifelhaft vorher als Siedlungen, die städtische Merkmale aufwiesen. Die Ausstattung mit Magdeburger Stadtrecht oder den Privilegien als "Königsstädte" muss als für die eigentliche Stadtwerdung nicht konstitutiv angesehen werden. Ähnliches gibt wohl auch für kleinere Städte, die vor allem in der Nähe alter Burgen und Befestigungsanlagen angelegt wurden, zB Neuhaus, bzw Teltsch, für welches eine Kolonisierung gar nicht nachweisbar ist.
    Indes spielte die Ankunft der Deutschen auch in diesen Städten zumeist eine große Rolle für den Ausbau.
    Im 13. Jh also holten die böhmischen Könige deutsche Kolonisten ins Land, die ein großes System von Städten gründeten. Ihren Höhepunkt nahm diese Entwicklung und dem letzten Przemysliden, dem zweiten Ottokar, der 1278 im Kampf und die Kaiserkrone bei Dürnkrut an der March fiel, was für das Reich wahrscheinlich keine günstige Entwicklung bedeutete, indem dadurch der Weg für das wohl unfähigste Herrschergeschlecht, das sich über Jahrhunderte im Sattel zu halten vermochte, geebnet werden sollte - unsere Habsburger. Przemysl Ottokar war natürlich alles andere als ein unfähiger Idiot, seine Politik im späteren Ostpreußen wäre wohl von romantischen Nationalisten in den Himmel gehoben worden bzw von den modernen Antideutschen als rassistisch verdammt worden, hätte diesen primitiven Sichtweisen nicht seine halbtschechische Abstammung etwas im Wege gestanden. Die weitgehende Ausrottung der Pruzzen und die Gründung des nach ihm benannten Königsberg gehen stark auf sein Konto.
    Wäre bei einem Sieg Ottokars die Geschichte anders verlaufen? Wäre nicht dann Prag bzw Böhmen das Zentrum des HRR, wäre also ganz Deutschland böhmisch geworden, mit allen denknotwendigen Auswirkungen (vor allem dass die Tschechen als Bewohner dieses Machtzentrums zu einer Art Oberschicht geworden wären und sich bereitwillig vermischt hätten)?
    Noch 1945 bezeichnete der hochkriminelle (eine beträchtlicher Euphemismus) Klement Gottwald Ottokars Kolonisierung als historischen Fehler, der nunmehr rückgängig gemacht werden müsse (was natürlich auch in gewissem Sinne erfolgte).
    Im 13. Jh entstanden also die allermeisten Städte in Böhmen neu). Sie dennoch aus heutiger Sicht als "deutsche" Städte zu bezeichnen, geht nicht an. Viele von ihnen hatten schon relativ bald, va in der Hussitenzeit, ihre Besitzer gewechselt und nahmen eine tschechische Entwicklung. Spätgotik, Renaissance, zwei wichtige Stile, die für böhmische Städte prägend wurden, erlebten diese Städte unter tschechischer Hoheit. Sogar auf üblicherweise zum deutschen historischen Besitzstand gezählte Städte wie Saaz oder Prachatitz trifft dies zu.
    Wir müssen uns klar sein, dass wir hier nur den nackten Grundriss betrachten.
    In Böhmen konkurrierten zwei deutsche Platzformen : der süddeutsche Längsmarkt und der sich erst mit der Ostkolonisation herausbildende ostdeutsche Zentralmarkt.
    Zweifellos ist zweitgenannte Form in Böhmen überwiegend, dies auch dann, wenn der Stadtgrundriss von schwierige Geländeformen bestimmt wurde.
    Beispiele für den Längsmarkt sind interessanterweise gehäuft in Ostböhmen anzutreffen, jedenfalls mehr als im Süden: Königgrätz, Jaromiersch, Leitomischel, Zwittau (bereits Mähren). Aber auch im Süden gibt es Beispiele: Taus, Wittingau, Zlabings. Bei Märkten ist diese Form überhaupt stark vertreten: Oberplan, Hohenfurth, Kalsching uva.
    Typisch für die böhm. Länder ist der quadratische Ringplatz. Er findet sich im groß- wie im kleinstädtischen Bereich. (ideal: Budweis, riesig: Pilsen: 139 x 193). Daneben existieren auch Rechteckformen (Prachatitz, riesig: Iglau). Dieser "Ring" wurde so typisch, dass eine tschechische Neugründung im 16- Jh nur aus einem ummauerten Ringplatz bestand, und dies trotz ungünstiger Geländeformen, die die Ebenmäßigkeit des Platzes offenbar nicht beeinträchtigte: Neustadt an der Mettau,

    Diese neuen Städte verdrängten idR nicht slawische Vorgängersiedlungen, sondern wurden in ihrer Nachbarschaft errichtet. Diese bekamen häufig das Attribut Alt- vorangesetzt.
    Der Stadtumriss ist idR rund bzw oval. Mitunter zwingen die Geländeformen zu unregelmäßigen Lösungen, v.a bei Flussschlingen. In Nordmähren findet man auch viereckige Umrisse, zB M. Trübau und Neutitschein.

    IdR standen die Monumentalbauten wie Großkirchen, Schlösser, nicht am bzw auf dem Ring, sondern etwas abseits. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, wie die Bartholomäuskirche zu Pilsen, die quasi die Stadtmitte markiert, vgl auch Bischoftheinitz, Bechin, Jamnitz. Am (nicht auf dem) Ring stehen die Hauptkirchen in Taus, Königgrätz, Chrudim.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich lese hier schon eine Weile mit und muß gestehen, daß Ihre Beiträge für mich zu den faszinierendsten, weil am tiefgründigsten und im besten Fernau`schen Sinne am kantigsten sind, sie liefern viel Stoff zum Diskutieren und Nachdenken.

    Darf ich Sie einmal fragen, worin Ihre vernichtende Kritik an den Habsburgern im Kern besteht?

    Jemand wie Sie, der so eine apodiktische Aussage trifft, hat ja sicher noch eine Menge im Hinterkopf, was ihn dazu angetrieben hat.

    Mit besten Grüßen an die Troglodyten, deren Lebensformen sicherlich gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können :wink:

  • Lieber Kyritzer, danke für die Blumen. Eigentlich sind Sie von diesem Strang direkt angesprochener, anders als ich, der ich aus keiner veritablen Gründungsstadt komme, und sind natürlich eingeladen, hier über Kyritz was beizutragen. Auch eine kleine Galerie wäre ein guter Forumseinstand. Schließlich gibt es in Kyritz offensichtlich viel zu photographieren.
    Zu Ihrer Frage, Sie Fernauianer: Nun, in den Werken Ihres Meisters finden Sie gar viel Despektierliches über die Habsburger. Meiner Erinnerung nach hat er gerade bei seiner Beschreibung der Marchfeldschlacht so eine vernichtende Bemerkung nicht unterlassen können. Seinen Hauptvorwurf brauche ich Ihnen sicher nicht zu wiederholen (Stichwort Heiratspolitik). Auch wenn F. mitunter eher zur Polemisierung als zu profundem Wissen tendiert, wird man ihm in vielem beipflichten können, zumindest bis ca 1700. Dann übertreibt er ein bisschen und war gar zu parteiisch. Wie auch immer: die schlimmen Katastrophen, die HRR und ganz Mitteleuropa heimsuchten, wird man sicher zu einem gerüttelten Maß der egoistischen und kurzsichtigen Politik den HB mit anlasten müssen, ebenso wie den Umstand, dass sie eben keine vernünftige Reichsidee zustande gebracht haben, unsere späte Monarchie, die sich aber auch mehr von selber ergeben hat, mal ausgenommen. Mehr an dieser Stelle nicht dazu.

    Zurück zu Böhmen.
    Die verschiedenen Umrisse und Marktformen bedingen natürlich auch verschiedene Straßenraster. Für Westler ist die Erkenntnis wichtig, dass im Osten alles abseits vom Ringplatz sozusagen Stadtgebiet zweiter Ordnung war. Náměstí, also etwa: auf der Stadt, heißt es auf Tschechisch (das alte Lehnwort "rynk", das im Polnischen - rynek - und im Ukrainischen - rynok - noch gebräuchlich ist, verdrängend). Hier lebten die Ringbürger, das Patriziertum der Stadt. Bis zur Erfindung des Fernsehens spielte sich das gesamte städtische Leben hier ab, vom Markttreiben bis zur Anbahnung zwischengeschlechtlicher Verbindungen. Korso oder Bummel hieß die zweite wichtige agorale Funktion des Ringplatzes.
    Die Parzellen um den Ring waren die wertvollsten. Der Ring war bei der Gründung eine riesige, ausgesparte Fläche im Straßenraster. Im Idealfall gingen die Straßen von seinen Ecken aus, die Platzkanten nach allen Richtungen verlängernd (Budweis). Der quadratische Raster ergab sich quasi von selbst.
    Hier ein Miniaturbeispiel: Neutitschein (Nordmähren):

    Der Stadtumriss ist allerdings quadratisch, was wie erwähnt in Nordmähren öfters anzutreffen ist. Dadurch ergibt sich ein harmonischer Stadtgrundriss. Im Regelfall geraten die Quadratraster mit dem Kreis oder Oval der Stadtmauern ein wenig in Konflikt, die Straßen ergeben gegen den Stadtrand zu Ausfransungen.

    Im Sudetenvorland (hier ganz orographische gesprochen!) überwiegt der sog. schlesische Stadtgrundriss. Musterbeispiele sind Trautenau und Braunau. In Schlesien selbst ist mir eigentlich nur Schweidnitz als Idealtyp aufgefallen. Vielleicht kann man sagen, dass dieser Grundrisstyp in Neisse quasi zum Ring wurde, dh der Ring selbst hat diese Grundrissform.
    Vielleicht ist es kein Zufall, dass ich auf diesen Begriff in Böhmen gestoßen bin, zur Beschreibung eben spezifischer nordostböhm. Formen. Ob er für Schlesien wirklich haltbar bzw ergiebig ist?
    Zwei zunächst parallele Straßen durchlaufen den Ring, der dadurch entsteht, dass einfach der Häuserblock zwischen ihnen an dieser Stelle ausgespart ist.
    Nach dem Ring laufen die Straßen allmählich zusammen und bilden ev. einen zweiten kleinen Platz, oft Niedertor oder Kleiner Ring genannt.


    xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
    -----------------------------------------------------------xxxxxxxxxxxxxxxxx
    xxxxxxxxxxxx..........R.........xxxxxxxxxxxxx--------------- xxxxxxxxxxxxxxx
    xxxxxxxxxxxx..........I...........xxxxxxxxxxxxxxxxx (Niedertor)-------------
    xxxxxxxxxxxx..........N..........xxxxxxxxxxxxx...............xxxxxxxxxxxxxxx
    ----------------------G-------------------------------xxxxxxxxxxxxxxxxx
    xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx


    Wichtig ist, dass zum Ring nur von zwei Seiten Durchzugstraße führen, im obigen Beispiel also nur von W und O. Nord und Süd bleiben ausgespart, die Platzwände dort sind ideal geschlossen. In Trautenau bildet die Südzeile die sogenannten "Langen Lauben". Sie durchlaufen die Stadt von West nach Ost und werden an keiner Stelle unterbrochen!

    Eine andere Lösung wird durch Prachatitz repräsentiert.
    Der Ostteil weist so etwas wie ein rechtwinkliges Gassensystem auf. Dies wird nur durch Aufgabe des kreisförmigen Umrisses ermöglicht. Im Westen ist der Kreis unbehelligt geblieben. Hier vermittelt ein "Ausgleichsring" zwischen Zentralmarkt und den kreisförmigen Mauern.

    Bei den länglichen Straßenmärkten bestimmen diese völlig den Grundriss. Niemals bilden sie symmetrisch die Sradtmitte wie in Bayern, wo idR auf beiden Längsseiten Gassensystem zu finden sind. In Extremfällen wird auf ein Gassensystem überhaupt mehr oder weniger verzichtet, Ring= Stadt!, zB Jaromer, Zwittau. In Leitomischl besteht immerhin eine Parallelgasse, so auch im Wesentlichen in Königgrätz, wobei dieser Grundriss hier denn doch erweitert wird: die Quergasse (die sich noch weiter in ein kleines System zersplittern darf) wird gemeinsam mit dem spitzen Ende des (Großen) Rings von einem kleinen viereckigen Platz "aufgefangen". Die Längsachse der Stadt wird demnach von zwei hintereinander liegenden Plätzen bestimmt. Auf der gegenüberliegenden Seite, neben der Kathedrale, kommt es auch zu einer Bildung von kleinen Plätzen und Gassen. Das allerdings ist in Böhmen schon die Maximalvariante, die "großstädtischste Lösung" des süddt. Straßenmarktes.
    Eine interessante Variante davon findet sich im südmährischen Zlabings, das gewisse Parallelen zu niederösterreichischen (waldviertler) Städten aufweist: zwei hintereinander angeordnete längliche Plätze bilden die Längsrichtung, nach Norden hin verläuft eine langgezogene Parallelgasse (die denn auch "Lange Gasse" heißt). Nach Süden hin wird die Kirche von einer Gasse umschlossen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Kommen wir auf das benachbarte Österreich zu sprechen. Hier stellt sich die Lage grundsätzlich gar nicht unähnlich dar, wenngleich die Dinge nicht so drastisch ausgeprägt sind.

    1) Auch die österr. Städte treten vergleichsweise spät in die Geschichte ein.
    2) Auch hier sind - mit Ausnahme Wiens - die vor der Gründungsphase vorliegenden Siedlungen zwar als solche nicht zu leugnen, wahrscheinlich aber eher Marginalien. Was man eben als "Stadt" bezeichnen will, ist Definitionssache.
    3) Auch hier ist demnach zwischen "gewachsenen Städten" und "Gründungsstädten" zu unterscheiden. Der Unterschied zwischen beiden Phänomenen liegt mE bloß darin, dass in den sog . "Gewachsenen Städten" der vorhandene Kern sozusagen in die neue Stadt integriert wurde. Beispiele dafür sind Linz, Tulln, St, Pölten. Die großen Stadtplätze sind die gleichen wie in Gründungsstädten, daneben besteht ein älterer Altstadtteil (vgl die Linzer Straßenbezeichnung: Altstadt). Die Gründungsstädte sind hingegen (wenn nicht gar gänzlich aus dem Nichts) NEBEN der Vorsiedlung entstanden und haben diese nicht in ihre Mauern miteinbezogen. Drastischstes Beispiel ist die Stadt Retz. Hier steht sogar das alte kirchliche Zentrum, die Pfarrkirche, AUSSERHALB. Dahinter findet sich ein ganzes Gassensystem (bis heute mit Altsubstanz), samt dem alten Dorfanger (heißt auch heute noch "Altstadt". Vgl auch Drosendorf - Stadt (die heutige Stadt Drosendorf mit ihrem historischen Stadtkern) und Drosendorf- Altstadt = die darunter liegende dörfliche Siedlung um eine alte Kirche.
    Alles in allem kann man sagen, dass die gewachsenen Städte etwas häufiger als in Böhmen anzutreffen sind. Krems und Stein beispielsweise sind Musterbeispiele dafür. Hier fehlen die Elemente der Gründungsstädte (großer Markt, regelmäßiger Grundriss).
    4) Bei den Gründungsstädten steht im Vergleich zu den böhm. Ländern das fortifikatorische Element klar im Vordergrund. Für die deutschen Kolonisten war Böhmen kein Feindesland, in welchem sie sich über alle Maßen einigeln mussten. Die Nord- und Ostgrenzen Österreichs hingegen war äußerst heikler, umkämpfter Boden.
    Gründungsstädte sind hier Festungsstädte. Im Waldviertel kam der Typus der Burgstädte auf. Dieser unterscheidet sich sehr von den Gründungen im Osten Niederösterreichs und der Steiermark, sowie von den Städten Böhmens:
    a) der Umriss und der sich daraus ergebende Grundriss wird vom Terrain bestimmt. Nun kommen in der Natur kaum rechte Winkel vor. Maßgeblich sind also die Krümmungen von Flussläufen und Bergrücken. Typisches Beispiel ist Drosendorf. Die vorgefundene Lage ist einfach ideal - ein vom Fluss an drei Seiten umspülter Bergrücken, dessen vierte Seite großteils von einem einmündenden Bach von der Hochfläche abgeschnitten wird. An der verbleibenden Verbindung zur Hochfläche wurde groß aufgetürmt: Burg und das riesige Hornertor. Wie die restliche Stadt beschaffen ist, erschien wohl zweitrangig - sie ging ohnehin kaum über dörfliche Struktur hinaus. Man kann sagen, dass ungleich mehr Steine für die Ummauerung verwendet worden waren! Letztlich ergibt sich die Stadtanlage gleichermaßen aus dem Terrain - ein langgezogenes Dreieck, dessen Spitze in Richtung Schlinge zweigt mit der Kirche in der Mitte (wohin sonst damit?). Hinter dem breiten Ende ansatzweise ein, zwei Gassen.
    Drosendorf ist ein nicht zur Systematisierung geeigneter Sonderfall. So günstige Bedingungen fand man eben nicht immer vor. Die übrigen Burgstädte sind ebenfalls langgezogen, Ellipsenförmig, beziehen die (idR von früher her bestehende) Burg und Kirche in das Verteidigungssystem ein, indem diese wichtigen Punkte einander gegenübergestellt werden. Die Stadt findet sich quasi dazwischen (Weitra: Breitseite, Waidhofen, Gmünd: Längseite). Auch hier ließ das Terrain den ostdeutschen Zentralmarkt bzw die in Österreich bevorzugte Abwandlung des Rechtecks idR nicht zu, weshalb man mit dem Längsmarkt Vorlieb nahm (Ausnahmen: Eggenburg, ev auch Heidenreichstein). Eggenburg stellt auch dahingehend eine Ausnahme dar, als Burg und Kirche zu einem wuchtigen Ensemble zusammengefasst wurden.
    Die Waldviertler Burgstädte ließen ganz ohne Zweifel kein urbanes Leben aufkommen. Dass sie heute ungleich weniger städtebauliche Substanz als die benachbarten Städte Südböhmens und -mährens aufweisen (Ausnahme Eggenburg), ist zweifelsohne nicht bloß den häufigen Stadtbränden geschuldet. Immerhin ist es tragisch, dass just das bedeutende Waidhofen, dessen architektonische Formen den Donauraum mit Südböhmen verbunden haben durften, 1872 ein Raub der Flammen wurde.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Hallo Ursus,

    ein klasse Text und sehr interessant zu lesen.
    Für mich besonders spannend, da ich ursprünglich aus dem Osten (Eisenhüttenstadt) komme und hier lange Jahre verbracht habe.Die Gründung Eisenhüttenstadts erfolgte 1961 als Fürstenberg an der Oder mit dem Ort Schönfließ und Stalinstadt zu Eisenhüttenstadt vereint wurde. Eisenhüttenstadt ist die jüngste Stadt Deutschlands.
    Als sogenannte Planstadt 1961 gegründet, beinhaltet sie architektonisch
    betrachtet alle Baustile der damaligen DDR, vom Zuckerbäckerstil bis hin
    zum Plattenbau. Viele der Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Diese am Reißbrett geplante Stadt ist heute das größte Flächendenkmal Europas.
    Sie hieß bis dahin aus Anlass des Todes von Stalin Stalinstadt und erhielt im Zuge der Entstalinisierung ihren neuen Namen, was für die Einwohner in der Region den politschen Wandel symbolisch unterstrich.

    Historischer Überblick:

    • 1251 Gründung der Stadt Fürstenberg an der Oder
    • 1286 Bezeugung als Civitas und Zollstätte
    • 1635 nach dem Prager Frieden: Fürstenberg mit der Niederlausitz zum Kurfürstentum Sachsen
    • 1815 Fallen an Preußen
    • 1891 Beginn der industriellen Entwicklung
    • 1925 Bau des Oderhafens
    • 1950 Beschluss zum Bau des Eisenhüttenkombinats Ost und einer sozialistischen Wohnstadt
    • 1953 Umbenennung in Stalinstadt
    • 1955 Entstehung fünf weiterer Hochöfen
    • 1961 Gründung von Eisenhüttenstadt
    • 1986 Unterzeichnung der Städtepartnerschaft zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt
    • 1988 Höchststand der Einwohnerzahl von über 53.000
    • 1990 nach Wiedervereinigung sinkt die Zahl der Einwohner auf 31.000
  • Nachdem der Strangtitel für den Nicht-Eingeweihten nicht besonders aussagekräftig ist, und offenbar bereits missverstanden wurde, noch einmal zur Klarstellung:

    Hier geht es um hochmittelalterliche Stadtgründungen in den Gebieten Brandenburg, Pommer, West- und Ostpreußen, Schlesien, Böhmen und Nordösterreich.


    Somit ist das genannte Eisenhüttenstadt bis auf den in der Tat sehr interessanten Ortsteil Fürstenberg hier nicht relevant.

  • Nun, so streng wollen wir nicht sein, ein jeder Beitrag ist willkommen, und Eisenhüttenstadt liegt immerhin geographisch in unserem Gebiet, wenngleich ein historischer Zusammenhang schwer darzustellen sein dürfte - schließlich erfüllte die Stadt wohl gänzlich anders gearteten Zweck.

    Bevor wir zu den Städten des östlichen Tieflandes kommen, noch eine kleine Ergänzung. Richtigstellung würde ich nicht dazu sagen, das ginge zu weit. Das Quadrat als Marktplatzform ist bekanntlich erzböhmisch und kommt nicht in Österreich vor, sagten wir so ungefähr (Sachsen ist jetzt nicht so Thema).
    Hier gibt es aber eine skurrile Ausnahme, die nicht einordenbar erscheint.

    Hier mal zur Abwechslung ein Bild, dass es nicht gar so fad ist:

    Die Gründung von Hadersdorf am Kamp, dh die Anlage dieses Platzes, der Ort bestand schon vordem, fällt genau in unsere Zeit (12.Jh). Es hat es niemals zur Stadt gebracht, und bestand nur aus diesem einen Platz, aus sonst nichts. Keine Befestigungen, keine Tore, nichts. Ein riesiger, quadratischer Handelsplatz für die gesamte Region als planmäßige Anlage. Und das stellt uns vor eine interessante Frage: Warum machte man gerade diesen Platz quadratisch?
    Was spricht überhaupt für das Quadrat? Damit leiten wir schon nach Ostösterreich über, wo wir auf quadratische Stadtgrundrisse stoßen.

    Mathematisch gesehen hat das Quadrat einen großen Vorzug, nämlich den der Flächenmaximierung bei vorgegebenem Umfang. Oder anders ausgedrückt, denn, wenn schon, dann hat man wohl so gedacht: den der Umfangminierung (=Aufwandsminimierung) bei vorgegebener Fläche. Besser wäre nur noch der Kreis, den man denn auch in Böhmen als Stadtumriss häufig antrifft.
    Wenn ich also möglichst viel Fläche schaffen will, ohne allzuviele Umgrenzungen zu errichten, wähle ich ein Quadrat. Wenn ich eine gewisse Einheit (Fläche, Wohnraum für so und soviel Leute) befestigen will, wähle ich für diese Fläche ein Quadrat.
    Eine quadratische Ummauerung ist wahrscheinlich besser zu verteidigen als eine runde. Man hat immerhin Ecken, in welchen Türme, Burgen und sonstige Wehranlagen doppelt zur Geltung kommen. So verfuhr man in den ostniederösterreichischen Gründungsstädten (typisch Retz, Wr. Neustadt).
    Der Nachteil einer vierteckigen Ummauerung: rechte Winkel kommen in der Natur kaum vor. Flussläufe oder Abhänge verlaufen häufiger gekrümmt. Dort, wo es gilt, gewisse topographische Vorzüge auszunutzen, wie in der böhm--mähr. Hochebene, kam man auf naturgegebene rundere Formen zurück. Im flachen nö Osten hingegen baute man viereckig.
    Siedlungen, in denen das agorale Element im Vordergrund stand, bekamen den größtmöglichen Marktplatz. Durch die Minimierung der Randbebauung erhielten die Randparzellen einen höheren Wert, als zB bei einem sich durch die ganze Stadt ziehenden Straßenmarkt. Die Marktplatzform war aber natürlich auch vom Stadtumriss abhängig.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Ein riesiger, quadratischer Handelsplatz für die gesamte Region als planmäßige Anlage. Und das stellt uns vor eine interessante Frage: Warum machte man gerade diesen Platz quadratisch?
    Was spricht überhaupt für das Quadrat? Damit leiten wir schon nach Ostösterreich über, wo wir auf quadratische Stadtgrundrisse stoßen.

    Ich gebe dir mal ein Beispiel aus exakt derselben Zeit mit ähnlichen Merkmalen: Den Marktplatz von Broos in Siebenbürgen. Auch dort wurde Alles anhand von bestimmt angeordneten Parzellenreihen entworfen, auch dort gibt es Platzecken ohne Straßeneinmündung (in Hadersdorf an der Kirche, in Broos an der Nordwestecke), und auch der dortige Platz war von Anfang an als Marktplatz gedacht.

    Die Informationen zu Broos nebenbei beziehe ich aus den sehr zu empfehlenden 3 Bänden zum mittelalterlichen Städtebau Siebenbürgens von Paul Niedermaier (in diesem Fall Band 1).

  • Kommen wir auf Retz zu sprechen.
    Erst 1941 wurde die Altsiedlung mit der Neustadt zusammengelegt! Die bis heute zu sehende Bipolarität ist eine städtebauliche Besonderheit.
    Natürlich ist die "Neustadt" weit interessanter, nicht nur in unserem Zusammenhang.

    Rudolf von Habsburg verlieh Graf Berthold von Rabenswalde (1278–1312) Grafschaft und Herrschaft Hardegg als Lehen. Der Graf blieb nicht lange im schon damals höchst abgelegenen Hardegg, sondern zog ins unweite, aber ungleich leichter erreichbare Retz, wo er das Dominikanerkloster stiftete (die Dominikanerkirche wurde 1295 fertiggestellt) und im fast gleichzeitig eine neue Stadt gründete, die den Namen der alten Siedlung trug.
    Die Ausmaße betrugen 400x 300 m, waren also bereits dem Quadrat angenähert. An den Ecken standen die wichtigsten Bauwerke, die auch zu Verteidigungszwecken errichtet wurden: Burg im NW (heute "Althof", ein Meierhof), Vassallenhäuser (nicht erhalten) im NO, Meierhof, heute Schloss Gatterburg im SO und Dominikanerkloster im SW. Die Hauptstraße durchschnitt die Schmalseite von N nach S, ebenso die Schmalseite des großen Rechteckplatzes, mit 13.000 m² einem der größten Österreichs (vergleichbar mit Linz). Es durchläuft die beiden Stadttore.
    An den Ecken mündet jeweilos eine Straße ein, NO nach O. SO nach S, SW nach W und NW nach N - eine sehr sinnfällige Anordnung. Das Straßenraster ist streng rechteckig und darüber hinaus weit von der Primitivität Waldviertler sowie manch böhmischer Städte entfernt.

    Die Nebengassen wirken durchaus kleinstädtisch, niemals dörflich:

    Manche dieser Hauptplatzhäuser stammten im Kern noch aus dem Mittelalter:

    Auch die meisten anderen Gründungsstädte NÖs sind nicht vom Landesherrn, sondern von Adeligen auf ihrem Landbesitz erbaut worden. Führend waren hiebei die Kuenringer (Weitra, Dürnstein, Zwettl, Zistersdorf, Gmünd).

    Eine Ausnahme stellt diesbezüglich die babenbergische Gründung Laa an der Thaya dar (1230). Wenngleich sich bis heute sehr bedeutende mittelalterliche Substanz erhalten hat (Burgruine, Stadtbefestigung, rom-got. Veitskirche, Altes Rathaus), so kann man sich doch nicht des Eindrucks erwehren, dass es sich hiebei ein wenig um eine gescheiterte Stadt handelt. Die weitgehend dörfliche Bebauung und die öde und sinnlos anmutende Weite des Hauptplatzes verleihen der Stadt an der Grenze eine depressiv-provinzielle Stimmung.
    Nochmehr trifft dies natürlich auf die Przemysl-Ottokarsche Gründung Marchegg zu. Zwischen Wien und Pressburg bestand einfach keine Raum für eine Stadt mit 10.000 Einwohnern, Wien selbst hatte auch nur das Doppelte, und keine der übrigen Städte des Landes überstieg die 5.000er Marke. Schon die Ausmaße waren gigantisch: 900x 750 Meter! Königsberg in Preußen war wohl eine bedeutendere Angelegenheit.
    Einige skurrile Details:
    Es handelt sich hier um die grö0te Stadtgründung NÖs! Der Marktplatz ist 270 m lang. Zur Besiedlung warb Ottokar Ansiedler aus Mähren (Kolonisierung mal umgekehrt), später kamen auch Bayern und Brabanter (!) hinzu. Dennoch wurde aus diesem von Gelsen und Hochwasser, später vor allem Türken geplagten Kaff nichts. Die Marchauen sind heute noch die Hauptattraktion dieser vorwiegend aus Freiflächen bestehenden "Stadt", die gleichwohl auch als Militärsammelplatz gegen die Ungarn gedacht war.


    Besser steht es ums nördlich gelegene Zistersdorf (1250), wenngleich dies alles Städte sind, von denen die große Welt noch nie etwas zu hören bekommen hat.

    Die Städte des östlichen Weinviertels haben sich allesamt nicht vielversprechend entwickelt. Ein wenig muss man dabei an die Gründungen der Mittelslowakei denken, an die Liptau mit Rosenberg, St. Nikolaus, Deutsch Liptsch. Riesengroße Marktplätze im Nichts.

    Im Falle Laas zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen Gründungsstadt und gewachsener Stadt nicht scharf zu ziehen ist. Linz etwa gilt als gewachsene Stadt - ihre "Altstadt" befindet sich noch innerhalb der Mauern der späteren Erweiterung. Stadtbildprägend ist jedoch die Erweiterung nach O mit dem großen Platz und den Kirchen im O.
    Auch in Laa wurde der Dorfanger integriert (im N vor der Burg). So gesehen wäre es auch eine "gewachsene Stadt"? Alles Ansichtssache.

    Wirklich bedeutend wird es erst südlich der Donau.

    @ mündener
    Interessanter Vermerk, danke. Werd mich mit Broos beschäftigen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    2 Mal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (17. September 2013 um 22:48)

  • Die Oberstadt von Klosterneuburg wurde im 12 JH von den Babenbergern gegründet, die Siedlung darunter ist älteren Ursprungs. Unter Przemysl Ottokar wurde die Stadt umfassend befestigt. Auch heute sind in der Oberstadt sämtliche Attribute einer Gründungsstadt bemerkbar, vor allem der rechteckige Platz. Die Stadt hieß damals Neuenburg und umfasste einen nördlich der Donau gelegenen Teil, der mit seinem riesigen Marktplatz als Kornmarkt dienen sollte. Erst später wurden diese Städte getrennt: Korneuburg und Klosterneuburg. Bis heute sind sie nicht durch eine Brücke verbunden.
    Ganz im Osten wurden drei babenbergische Gründungsstädte errichtet: Hainburg, Bruck und Neustadt.

    Es ist auffällig, dass dort, wo es "wirklich darauf ankam", an der Ostgrenze des alten Europa, die Babenberger selbst am Werk waren.
    Sicherlich waren die Böhmen-Einfälle entlang der Nordgrenze zwar kein Honiglecken für die drangsalierte Bevölkerung, aber letztlich ging es dabei nur um die Verhinderung von mow "kleinen" Grenzkorrekturen. Die "Urgrenze" zwischen Niederösterreich und Böhmen/Mähren ist bis heute umstritten. Die österr. Seite reklamiert Zlabings und Neubistritz, die tschechische Weitra. Hier im Osten war es eine Existenzfrage für das Babenbergerreich. Die Ebene bildete ein einladendes Einfallgebiet für Ostvölker. Nach Niederwerfung der Ungarn kam zweimal oder öfters der schlimmste Feind des Abendlandes. Bis auf das unglückliche Hainburg hielten die Gründungsstädte noch im Jahre 1529. Sie waren eben gekonnt angelegt. Wiener Neustadt erlitt sogar 1683 fast keine Beeinträchtigungen. Die Unterstadt von Klosterneuburg war 1683 unhaltbar, die Oberstadt harrte aus und veweigerte die Übergabe, anders als die alten Städte Baden und Mödling, die törichterweise auf das Wort eines Türken vertrauten, das ihnen Schonung versprochen hatte (sog. Taqiya). Die Massaker von Baden und Mödling gingen in die Geschichte ein. Auch Bruck an der Leitha muss mit der Schande leben, sich dem bösen Feind ergeben zu haben, obwohl es weit besser befestigt war als die zuvor gefallenen Städte Eisenstadt und Ödenburg.
    Aber, wie gesagt, die Bilanz der Gründungsstädte sah auch 1683 nicht übel aus - zwei von ihnen sich - 500 Jahre nach ihrer Erbauung eine beachtliche Leistung. Vielleicht waren die Türken auch bestrebt, sich im Vorfeld Wiens nicht übermäßig zu verausgaben, die Schlacht um die Heldenstadt Güns im Jahre 1532 war ihnen noch in zu guter Erinnerung. Dadurch blieb Wien zum damaligen Zeitpunkt eine zweite Belagerung erspart. Auch kleine Städte konnten den Lauf der Geschichte beeinflussen.
    Sicherlich konnte auch Wiener Neustadt 1683 seiner mittelalterlichen Funktion der Verteidigung des Steinfeldes nicht mehr gerecht werden. Selbstverständlich war es das mit modernen Festungswerken ausgestattete Wien und nicht seine kleine spätmittelalterliche Schwester, die das Abendland für die nächsten, sagen wir, 350 Jahre retten musste. Aber dass die Stadt als solche standhielt, ihren Bewohnern und ihren Kunstschätzen Schutz bot, bleibt eine beachtliche Leistung auch für die früheren Erbauer. Erst am 6.3. 2012 konnte der stolze romanisch- gotische Dom der Stadt (der sogar den US- Bomben getrotzt hatte) durch türkische Hand in Brand gesetzt werden.

    Beginnen wir mit Hainburg.

    Die erste schriftliche Nennung erfolgte im Nibelungenlied im Zusammenhang mit Rüdiger von Bechelaren.

    Mit der Heimoburc war jedoch nicht die heutige Burg über der Stadt, sondern ein Kastell bei Deutsch-Altenburg gemeint. Daneben gab es im heutigen Stadtgebiet ein Kastell, um das die ursprüngliche Siedlung lag.

    Kaiser Heinrich III. verfügte um 1050, auf dem Schlossberg die heutige Heimenburg zu bauen, was schließlich durch Gebhard Bischof von Regensburg, Herzog Konrad von Bayern und Markgraf Adalbert dem Siegreichen erfolgte.

    Die darunter angelegte Gründungsstadt ist beeindruckend: Mit seinen 2,5 km langen Stadtmauern, drei erhaltenen Toren und 15 Türmen aus dem 13. Jahrhundert besitzt Hainburg eine der ältesten und am besten erhaltenen Stadtbefestigungen des östlichen Mitteleuropas.

    1108 kam die Burg in den Besitz der Babenberger. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde die Burg durch das Lösegeld für Richard Löwenherz erweitert. Um 1220–1225 wurde die Befestigungsanlage noch verstärkt. Unter anderem wurde das Wienertor und damit das größte mittelalterliche Stadttor Europas gebaut. Der untere Teil wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gebaut, der obere Teil 1267/1268 durch Ottokar II. von Böhmen.

    Als einzige der niederösterreichsichen Gründungsstädte südlich der Donau wurde Hainburg zweimal von den Türken vernichtet. Besonders schlimm war das Schicksal im zweiten Krieg (1683).

    Zitat

    Am 11. Juli 1683 wurde im „zweiten osmanischen Feldzug“ (Großer Türkenkrieg) die Stadt eingenommen und gänzlich zerstört, die Burganlage und Befestigungsanlagen erlitten starke Schäden. Die Bevölkerung versuchte durch das Fischertor in die Donauauen zu fliehen, die Torflügel konnten jedoch nicht rechtzeitig geöffnet werden. In der engen Gasse vor dem Fischertor kam es zu einer Massenpanik und einem Gemetzel. Der Überlieferung nach starben über 8000 Menschen, fast die gesamte Stadtbevölkerung. Einer der wenigen Überlebenden war der Wagnergeselle Thomas Haydn, Großvater von Joseph und Michael Haydn.


    So immerhin die Wikipedia, deren politisch-korrekte Wachposten offenbar an dieser Stelle geschlafen haben.

    Erstaunlicherweise ist bis heute relativ viel gotische Substanz erhalten geblieben.

    Bruck an der Leitha

    Auch hier bestand eine Vorsiedlung, ehe die Babenberger die Stadt ausbauten. Auf dem großen rechteckigen Markt wurde ein Wachtturm errichtet, der dann in die heutige barocke Pfarrkirche integriert wurde. Am Standtrand wurde eine große Burg errrichtet, deren Bergfrit heute noch steht. Noch 1529 widerstand die Stadt dem Feinde tapfer und unter schweren Verlusten.

    1683 hingegen war die Geschichte der Stadt schmählich. Zunächst war noch Verteidigungswille vorhanden, so wurde die Vorstadt von den Bewohnern selbst in Brand gesteckt. Nach vorheriger Weigerung einer Übergabe der Stadt, kapitulierten sie ebenso, wie bereits vorher Eisenstadt und Ödenburg. Die Stadt musste Kontributionen leisten, unter anderem 50 Wagen Gerste und Mehl für das Lager vor Wien. Anders als Hainburg blieb der Stadt so die totale Massakrierung erspart, wenngleich auch Bruck ziemlich entvölkert wurde.

    Wenden wir uns nun der bedeutendsten Gründungsstadt zu. Die Rede ist natürlich von Wiener Neustadt.

    Eigentlich hieß sie nur Neustadt, das Attribut "Wiener" kam erst im 16 Jh hinzu.
    Mit einem etwas unsauberen Quadrat von 620 x 685 m war sie die größte der Babenbergischen Gründungen (wenngleich sie durch Ottokars Marchegg deutlich übertroffen werden sollte, aber was zählt schon Marchegg?).
    Auch sie wurde mit erpressten Lösegeldern für Richard Löwenherz erbaut bzw befestigt (hiezu macht der Hobbyhistoriker Herbert Rosendorfer in "Deutsche Geschichte" seine einzige vernünftige Anmerkung zum Thema Kreuzzüge: angesichts dieses vor Akkon hervortretenden dämlichen Konkurrenzdenkens der Christen konnte diese Unternehmung einfach nicht gut enden!).

    Die vier Ecken waren durch Monumentalbauten besonders bewehrt (Burg, Klosterkirchen, Ecktürme).
    Der große Platz (natürlich rechteckförmig) umfasst die Fläche 180 x 80 m. Unweit davon ähnlich große der Kirchplatz, der mit der heutigen Domkirche zieml8ich ausgefüllt wird. Das Straßensystem ist rechtwinklig, vier Hauptstraßen, die nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet waren und zu den Stadttoren führten, unterteileten sie in vier Viertel, die nach den dort liegenden Monumentalbauten benannt wurden.Die Stadt wurde durch eine 5 m hohe und 1 m starke aus Stein gefügte Stadtmauer umgeben, die an den Ecken durch massive Ecktürme verstärkt war; die vier Stadttore wurden zusätzlich durch Türme gesichert. Die Stadtmauern wurden durch einen Graben umgeben, der durch örtliche Bäche und vor allem den Kehrbach gespeist wurde.
    Abgesehen von den langjährigen Scharmützel zwischen Matthias Corvinus und Kaiser Maximillian I. wurde die Stadt (bis zum 2. Weltkrieg) niemals erobert oder zerstört.
    Sie stellt eine der größten städtebaulichen Leistungen der damaligen Zeit dar und hat trotz der Kriegszerstörungen viele großartige Bauten und Straßenzüge bis in unsere Zeit gerettet.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (18. September 2013 um 19:34)

  • Zum Abschluss ein Blick in die Bundesländer.
    Zunächst nach Oberösterreich.
    Es geht natürlich nicht an, Freistadt, die bedeutendste aller Burgstädte unerwähnt zu lassen.
    Im Gegensatz zu ihren niederösterreichischen Pendants handelt es sich um eine "richtige" Stadt, also nicht nur um einen ummauerten und mit ein, zwei Nebengassen versehenen Hauptplatz.
    Dieser ist hier bereits in der für die östlichen Städte typischen Rechteckform gehalten.

    Hier, in äußerst kaltem Klima, entstand also ein einigermaßen urbanes Zentrum. Bis heute hat diese Konstellation ihren Reiz, vo allem in der kalten Jahreszeit - städtisches Leben inmiiten von rauher Einöde.


    Auch in den entlegensten Nebengassen ist die Bebauung städtisch und nicht dörflich:

    Eigentlich würde man anhand dieser Bilder eine wesentlich höhere Einwohnerzahl erwarten:


    Auch hier erfolgte die Babenbergische Gründung bei alten Siedlungen. So bildet die heutige Salzgasse den am frühesten besiedelten Teil der Freistädter Altstadt, denn hier befand sich eine der drei Vorgängersiedlungen, ein Straßendorf genannt Pregarten. Der Name deutet auf tschechische Wurzeln hin (Přehrady= Vorburg, die gemeinte Burg war Vorgängerbau des heutigen Salzhofs=Altenhof), wie auch jener der südlichen Vorgängersiedlung Zaglau (vgl Cáhlov= tschech. für Freistadt). Ursprünglich war die Salzgasse, über die der Durchzugsverkehr ging, mit dem darin gelegen Salzhof das wirtschaftiche Zentrum der Stadt.


    Nr 10 und 12 sind die einzigen erhaltenen got. giebelständigen Häuser der gesamten Stadt, nachdem Kaiser Maximillian aufgrund der beiden schweren Stadtbrände zu Beginn des 16 JH.s) die Errichtung der Neubauten in 'welscher' Manier', dh mit hochgezogenen, vorgeblendeten Brandmauern verordnet hatte. Dadurch hat Freistädt Züge der Inn-Salzach-Städte angenommen und nimmt sich aus heutiger Sicht, da die Vermittlung des Inn-Salzach Stils nach Norden über Freistadt erfolgte, "böhmischer" aus.


    Aus der Gründungszeit bzw aus der Zeit bis 1500 sind nach den beiden Stadtbränden natürlich nur Festungsbauten wie hier der rom.-got Bergfrit der Burg erhalten geblieben:


    Der Rathausturm diente gleichermaßen als Stadtbefestigung, diese doppelfunktion ist typisch für Burgstädte, die robuste Bauten unabhängig von ihrer Primärenfunktion in den befestigten Rand integrieren:

    Dei Stadt hielt dem Hussitensturm stand, wie sie überhaupt in ihrer ganzen Geschichte niemals erobert worden ist!

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • In Oberösterreich stehen zwei Platzformen miteinander in Widerstreit: der süddeutsche Längsmarkt und der österr. Rechteckplatz.
    Bei den sog. gewachsenen Städten herrscht der Längsmarkt vor. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich auch bei den großartigen Stadtplätzen der schon mitunter seit der Römerzeit bestehenden Siedlungen, der bedeutenden oö Städte wie Enns, Wels, Steyr, um Gründungen des 13. JHs handelt.

    Zitat

    Der Platz geht auf die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück, als zwei ältere Siedlungskerne um die Stirapurc und die Stadtpfarrkirche verschmolzen. Die Linsenform ergab sich wohl aus einem ehemaligen Straßenverlauf und den Geländegegebenheiten. Er ist bis heute mittelalterlich parzelliert und die Kerne vieler Häuser sind gotisch, auch wenn spätere Umbauten und Fassadenneugestaltungen, etwa im barocken Stil, darüber hinwegtäuschen.

    Wikepedia. Ähnlich sind die Verhältnisse in Wels.
    Enns ist ein frühes Beispiel einer typisch österr. rechteckigen Planstadt (steir. Otakare bzw Babenberger), wie auch Freistadt.
    Der Linzer Hauptplatz ist eine typische rechteckige Eweiterung des 12/13 Jhs neben einer älteren Siedlung.
    Enns und Steyr gehörten übrigens damals zur Steiermark, zählt zu deren ältesten Städten. Bei den westlicheren Städten spielte das fortifikatorische Element ganz offensichtlich keine so große Rolle.

    Kommen wir zur Steiermark.
    Diese wurde erst zur Zeit Ottokar Przemysls kolonisiert und mit befestigten Städten ausgestattet. Typische gegründete Festungsstädte an der Grenze zu Ungarn sind: Friedberg, Hartberg, Fürstenfeld und Radkersburg.Nur Hartberg wies eine einigermaßen bedeutende Vorsiedlung im Altstadtgebiet auf, Radkersburg bestand vordem nur auf dem linken, heute slowenischen Murufer.
    Auffallend ist, dass die Rechteckplätze gegen Süden immer länglicher wurden, was man heute zumeist mit der Entwicklung der Gotik in Zusammenhang bringt.

    Der steirischen Hauptstadt Graz ist niemals formell das Stadtrecht verliehen worden. Graz ist das Musterbeispiel einer gewachsenen Stadt, die um mehrere Siedlungskerne entstand und niemals eine besonders bedeutende planmäßige Erweiterung erfuhr. Der heutige Hauptplatz nimmt sich demnach verglichen mit anderen österr. Städten mickrig und unorganisch aus, er ist einfach eine nachträglich erweiterte Straßengabel. Große Plätze sind eben immer ein Ergebnis planmäßiger Gründung. Die Stadt Krems in NÖ, eine der wenigen reinen gewachsenen Städten NÖs, besitzt überhaupt keinen nennenswerten Marktplatz.

    Planmäßige Neuanlagen durch Ottokar Przemysl sind auch die bedeutenden Städte Leoben und Bruck, bei denen jedoch, da schon im Landesinneren gelegen, das merkantile Element im Vordergrund stand.

    Über Kärnten ist nichts Besonderes zu vermelden. Die wichtigsten Städte St. Veit, Klagenfurt sind Spanheimer Gründungen, sohin auch planmäßige Siedlungen, die an Wehrhaftigkeit und Großzügigkeit jedoch nicht mit ihren nördlichen Schwestern mithalten konnten.
    Es herrscht der Längsmarkt vor (Villach: 8:1).
    Kärnten ist eher ein Land der Burgen . So retteten die Mauern von Hochosterwitz während der Türkennot ungleich mehr Menschleben.Ein paar Worte über den Sonderfall Klagenfurt. die Hauptstadt ist eine Neuanlage des 16. Jhs, die dem alten Babenbergischen Wiener Neustadt nachempfunden scheint. Allerdings wurde die ältere Stadt in diese Neuanlage integriert, der neue Platz entstant parallel zum unweiten alten linsenförmigen Marktplatz. aufgrund dieser zeitlichen Distanz ist Klagenfurt nicht mehr Gegenstand dieser Diskussion.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (19. September 2013 um 11:56)

  • Noch ein Blick weiter nach Osten, nach Oberungarn, die heutige Slowakei, die hier nicht fehlen sollte. Hier sind einige der aller markantesten Stadtanlagen zu finden.
    Über die Kolonisierung der heutigen Slowakei, insb. über den damit verbundenen menschlichen Aufwand, gehen die Historikermeinungen auseinander, aber aus dem vorhandenen dichten Städtenetz, das aus ausnahmslos deutschen Gründungen fusst, kann man annehmen, dass dieser recht beträchtlich war. Manche nehmen daher eine ähnlich große Anzahl deutscher Kolonisten wie in Böhmen/Mähren an.
    Alles in allem kann gesagt werden, dass die deutsche Kolonisierung des Karpathenraums (abgesehen von Siebenbürgen) fehlschlug, nicht nachhaltig genug war. Offenbar war es in Böhmen/Mähren bzw dem eigentlichen deutschen Osten der Kontakt mit dem Mutterland, der für stetigen Nachzug sorgte und so für Nachhaltigkeit sorgte. Die deutschen Gründungen Galliziens und der Slowakei hingegen konnten sich in der Regel nicht halten, auch große Städte wie Krakau und Lemberg nicht. Als Gallizien österreichisch wurde, war es bereits zu spät.
    In der Slowakei hattte bis 1945 nahezu jede bereits slowakisierte Stadt eine kleine deutsche Minderheit um die 3-5%, unabhängig davon, ob es sich um mit dem Deutschtum seit jeher in Zusammenhang gebrachten Städte wie Leutschau, Schemnitz oder Neusohl handelte oder um bei auch mit Mitteleuropa Bewanderten völlig unbekannte Städte wie Michalovce oder Waagbistritz. Mit der gescheiterten Kolonisierung ist auch aus den allermeisten Städten nichts geworden, sie entsprechen allzu oft dem bereits erwähnten Laa an der Thaya - sehr viel Platz, wenig Bebauung.
    Auch in der Slowakei trifft der ostdt. rechteckige Zentralmarkt auf den südd. Straßenmarkt. Letztgenannter jedoch ist bedeutsamer und erfährt hier eine sehr originellen Ausprägung, um deretwillen dieser Exkurs überhaupt vorgenommen wurde.
    Es beginnt in der Zips, wo die gesamte Stadtlänge umfassende Plätze auftreten, die sich an beiden Enden zu Straßen rückentwickeln und in der sehr bauchigen Mitte die wichtigsten weltlichen und kirchlichen Bauten aufnehmen bzw umschließen. Am Ausgeprägtesten erscheint dies in Zipser Neudorf. Im Osten der Zips erscheinen dann zwei Städte, die zu den bedeutendesten der Slowakei zählen: Kaschau und Eperies. Diese beiden Städte kann man natürlich nicht als "misslungen" bezeichnen, Eperies ist zwar eher klein geblieben, besitzt aber den schönsten Stadtplatz der Slowakei, und Kaschau hat sich überhaupt zur Großstadt gemausert. Dennoch: kein Vergleich zu Krakau oder Lemberg. Offenbar konnte sich das urbane Element in Polen besser herausbilden.
    Daneben gibt es Beispiele für bedeutende Zentralmärkte, vor allem in Leutschau und Neusohl. Abe auch diese Städte sind, unabhängig von ihrer heutigen Einwohnerzahl (die in Leutschau gering und in Neusohl groß ist), Provinz-, ja Kleinstädte geblieben. Die Gassen in Leutschau sind , ungeachtet ihrer alten Substanz dörflich geblieben. In Neusohl gibt es sogar nicht einmal ein nennenswertes Straßennezt, alles gruppiert sich um das zentrale Ensemble von Stadtburg und Hauptkirche sowie um den Rechteckplatz. Ein "slowakisches" Rothenburg gibt es einfach nicht. Der Leutschauer Ring kann es von der (Längendimension) mit dem Krakauer oder Lemberger aufnehmen, auch er umschließt in der Mittel die bedeutendesten Bauten (ev. und kathol. Kirche, Rathaus, Stadtturm), aber das war es dann auch schon!
    Über den Rest Ungarns mag ich nicht mehr viel berichten. Nicht zuletzt durch die Zerstörungen der Türkenkiege erscheint allzu viel vernchtet, was die Systematisierbarkeit, und nur um eine solche geht es hier, doch beträchtlich erschwert. Mir scheint, dass es dort nicht viele bedeutsame Beispiele gegeben hat, nicht im Westen (eistenstadt, Ödenburg, Güns), nicht in der Mitte (Ofen, Fünfkirchen), und letztlich auch nicht in Siebenbürgen (Schäßburg kommt in der Oberstadt überhaupt ohne zentralen Platz aus, Kronstadt erscheint einer gewachsenen Siedlung entsprungen zu sein (ganz untypischer Dreiecksplatz, Hermannstadt ist überhaupt recht unregelmäßig gewunden, was den kleinen Ring betrifft, während der Große Ring überdimensioniert und leer erscheint. Mediasch hingegen ist ein typischer Zentralmarkt).Es fehlt hier einfach der große Wurf, und da braucht man nicht einmal an Kaschau, Wiener Neustadt oder gar Iglau (36.000 m² Platzfläche!) zu denken.

    Am Schluss wäre noch, da dies keiner tut, auf ein spätes, nicht unbedingt deutsches, aber in diesem Zusammenhang höchst wichtiges Projekt zu verweisen, auf die Prager Neustadt. Ich mache das gleichzeitig ausführlich und ohne viel Aufwand, indem ich Wikipedia abkupfere:

    Zitat

    Sicherlich im Zusammenhang mit seiner Krönung zum römisch-deutschen König am 26. November 1346 fasste Karl IV. den Entschluss, in Prag eine neue Stadtanlage zu gründen. Nachdem er mit der Errichtung des Erzbistums Prag 1344 schon die kirchliche Selbständigkeit erreicht hatte, sollte mit der Gründung der Prager Neustadt die neue Residenz des Königs weiter aufgewertet werden. Außerdem riefen die schon unter Karls Vater Johann von Luxemburg auftretenden Platzprobleme innerhalb der Stadtmauern Prags nach einer Lösung. Zahlreiche, zumeist ärmere Menschen tschechischer Nationalität hatten sich in den vor der Stadtmauer gelegenen Siedlungen niedergelassen, woraufhin eine beinahe durchgängige Bebauung entlang der Moldau entstanden war.

    Das Novum bei dem Vorgehen Karls war, dass er nicht den üblichen Weg, die Schaffung rechtlich abhängiger Vorstädte oder die Erweiterung der Altstadt, wählte, sondern stattdessen mit der Neustadt eine unabhängige Königsstadt mit eigener Rechtsordnung schuf. Karl IV. plante jedoch eine physische und juristische Vereinigung mit der Altstadt und ordnete 1367 eine gemeinsame Verwaltung an, die aber vor allem am Widerstand der beiden Stadträte scheiterte und bereits 10 Jahre später wieder rückgängig gemacht werden musste. Nachdem den Bewohnern der Neustadt eine Vielzahl von Rechten und Freiheiten eingeräumt worden war, wurden im Gegenzug den Bewohnern der Altstadt, die nun an allen Seiten von der Neustadt umschlossen war, ihre bisherigen Rechte und Freiheiten verbrieft und der freie Zugang durch die beiden nördlichen Tore der Neustadt zugesichert.

    Die Neustadt umfasste eine Fläche von rund 250 ha und war damit mehr als doppelt so groß wie die Altstadt (106 ha). In der Nord-Süd-Richtung hatte sie eine Ausdehnung von rund 5 km, in Ost-West-Richtung 0,8 bis 1,2 km. In der Mitte der Straße ließ Karl IV. durch Verbreiterung nach Osten den Viehmarkt (Dobytčí trh), den heutigen Karlsplatz (Karlovo náměstí), anlegen. Mit einer Ausdehnung von rund 550 m × 150 m war dieser lange Zeit der größte Platz Europas und das administrative und wirtschaftliche Zentrum der Neustadt. Er diente hauptsächlich dem Vieh-, Fisch-, Holz- und Kohlenhandel und hat seine zentrale Funktion erst in jüngerer Zeit an den Wenzelsplatz verloren.

    Damit bin ich am Ende meines Beitrages. Den sicherlich wichtigeren Teil über die eigentlichen deutschen Kernländer wird Mündener und vielleicht auch andere fortführen. Das Thema ist sicher sehr spannend, da man auch einen Bezug zu den bayerischen Riesenplätzen herstellen kann und auch schon relativ westliche Länder wie Thüringen (Coburg!) oder das nördliche Niedersachsen (Am Sand zu Lüneburg) als Vorbilder bzw Ausgangspunkt nicht ganz vernachlässigen sollte (was ich für meinen Teil eigentlich nicht erfüllt habe).
    SDer Stoff beginnt eigentlich erst jetzt so richtig. Es ist sicher schade, dass Georg Friedrich nicht mehr mitschreibt, denn von ihm kam bei derartigen Themengebieten sehr Wertvolles und auch Ausgefallenes. Vielleicht kann ja jemand aus Süddeutschland etwas über Bayern schreiben, dessen Platzanlagen ja zweifellos das Ergebnis weitreichender Planung sind.

    Am Schluss folgende Binsenweisheit, die mir jedoch zuvor nicht so voll bewusst war, und die ich deshalb hier niederschreibe:

    Große Platzanlagen, egal ob viereckig oder langgezogen, sind ausnahmslos das Produkt einer relativ späten planmäßigen Gründung (oder Erweiterung). Nur ohne Planung gewachsene Städte kommen ohne große Plätze aus, in Österreich sind das interessanterweise die größten bzw wichtigsten Städte, Wien und Graz, bzw der älteste bürgerliche Kern Salzburgs, dazu von den kleineren Städten Krems und Stein. Vor allem über Krems habe ich mich bisher immer gewundert, nämlich darüber, dass diese so alte und schöne Stadt als einzige in Mitteleuropa keinen nennenswerten Hauptplatz aufweist. Dabei ist dies sozusagen der "Normalfall" des deutschen Mittelalters, siehe Rothenburg, Hildesheim, den Hauptmarkt zu Nürnberg vor allem in seinem Nordteil - chaotisch und ohne klare Flucht. In Polen, Tschechien oder der Slowakei existiert hingegen kein solches Beispiel einer völlig organisch gewachsenen Stadt, auch die großen Prager Plätze sind (nachträglich verbaute oder vergrößerte) Gründungsanlagen. Daher wirken Wien und Graz verglichen mit Prag, Brünn, Olmütz im zentralen Altstadtbereich kleinstädtischer bzw weniger großzügig. Sie sind auch - anders als bei den böhm. Beispielen - keine großstädtischen Entsprechungen der allermeisten Mittel- und Kleinstädte.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
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    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Lieber Ursus,

    danke für den hochinteressanten Beitrag. Ich hoffe, Ausführungen zu anderen Regionen werden folgen, leider hält sich ja die Resonanz in Grenzen (dieses Thema, speziell unter dem Schlagwort "Deutsche Ostsiedlung", wird in der indoktrinierten BRD, von der DDR ganz zu schweigen, vermutlich höchst stiefmütterlich behandelt, in Österreich fühlt man sich heute ja wohl gleich gar nicht angesprochen).

    Wien, Graz...verständlich, genauso Wr Neustadt. Was ist mir Prag? Du schreibst, es sei keine "deutsche" Gründung gewesen, der von dir zitiete wiki-Artikel sagt jedoch wohl etwas Anderes. Was ist also das Ergebnis; Prag (Neustadt) als deutsche Ostgründung, ja/nein?

    Herzlich

    "Ich denke an Wien, so wie Sie an Brüder, an Freunde denken, die jetzt an der Front sind. Nun sind sie fern von Ihnen und Sie wissen sie in Gefahr, ohne ihnen beistehen, ohne diese Gefahr teilen zu können" - Stefan Zweig 1940

  • Kömmt drauf an, was du als deutsche Ostsiedlung verstehst, Kleist. Auf jeden Fall fällt die Neustadt nicht in unsere Zeit und liegt sogar deutlich außerhalb. Die Luxemburger und insbesondere der vierte Karl waren natürlich Kaiser des HRR, aber waren sie spezifisch deutsch? Gut, das war Ottokar sicher noch weniger, aber immerhin bediente er sich deutscher Siedler.
    Beim vierten Karl steht das "deutsch" jedenfalls im Hintergrund. Es ging ihm um Böhmen, um böhmischen Landespatriotismus, Er schuf auf böhmischem Boden die größte Stadt nördlich der Alpen und besiedelte sie mit Angehörigen der böhm. Nation.
    In Hinblick auf das HRR ist es natürlich zulässig, sie unter deutscher Ostsiedlung zu führen, und deshalb wurde sie auch hier erwähnt.
    Schön, wieder was von dir zu hören.
    Dieser Strang entstand eigentlich in der Galerie "Die junge Elbe" und wird vom Mündener bei Gelegenheit weitergeführt werden, der auch die Idee dazu hatte.
    Österreich wird üblicherweise nicht innerhalb der dt. Ostsiedlung gehandelt, mich interessierte aber der Zusammenhang bzw das Unterscheidende.

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    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich möchte, mir in diesem Strang am passendsten erscheinend, ein Frage zu den Stadtgründungen des Deutschen Ordens stellen. Gibt es auf dem heutigen Gebiet Deutschlands (Österreich würde ich ausschließen, das erscheint mir unwahrscheinlich) noch Städte, die auf eine Gründung durch den Dt. Orden im Rahmen der Ostkolonisation zurückgehen?

    Anscheinend liegen alle Städte, die vom deutschen Orden gegründet wurden, im heutigen Polen.
    Hier findest du die Namen der Städte:
    http://www.westpreussen-online.de/html/zeittafel.html

  • Man sollte die Stadtgründungen des Deutschen Ordens und die sogenannte "Ostkolonisation" bzw. "Deutschen Ostsiedlung" differenzierter betrachten. Mit der Deutschen Ostsiedlung ist ein Prozess gemeint, der sowohl ohne als auch mit dem Deutschen Orden stattgefunden hat. Städte die östlich von Elbe und Saale liegen sind meist im Zuge der Besiedlung im 13. Jhdt. gegründet worden und diese lassen sich eben bis zur Grenze nach Polen auch im Bundesgebiet finden. Da das Hoheitsgebiet des Deutschen Ordens einzig und alleine im heutigen Polen, Russland und den Baltischen Staaten liegt, sind Stadtgründungen eben dieses Hoheitsgebietes nicht in der BRD zu finden.
    Die Deutsche Ostsiedlung beinhaltet auch die Siedlung in den Gebieten Steiermark und Kärnten.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Ich kann nur diese meine Zeilen zitieren:

    Zitat von uc

    Den sicherlich wichtigeren Teil über die eigentlichen deutschen Kernländer wird Mündener und vielleicht auch andere fortführen. Das Thema ist sicher sehr spannend, da man auch einen Bezug zu den bayerischen Riesenplätzen herstellen kann und auch schon relativ westliche Länder wie Thüringen (Coburg!) oder das nördliche Niedersachsen (Am Sand zu Lüneburg) als Vorbilder bzw Ausgangspunkt nicht ganz vernachlässigen sollte (was ich für meinen Teil eigentlich nicht erfüllt habe).

    Es wäre wirklixh interessant, verbliebene dt. Gebiete in diesem Zusammenhang zu betrachten. Hier hab ich leider zuwenig Überblick.

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  • Anscheinend liegen alle Städte, die vom deutschen Orden gegründet wurden, im heutigen Polen.Hier findest du die Namen der Städte:
    http://www.westpreussen-online.de/html/zeittafel.html

    Das ist eine Übersicht über Westpreußen, die du verlinkt hat. Das Stammland des Ordens war aber Ostpreußen! Daher ist deine Aussage nicht richtig, denn beispielsweise Königsberg liegt jetzt in Russland ...