Zunächst - die Stadt, die wir hier vorstellen wollen, heißt Велико Търново und liegt in Bulgarien. Sie zu genau transkripieren scheitert am ъ, dem 2. Buchstaben des Hauptnamens, den es im Deutschen nicht gibt. Dh den Buchstaben gibt es natürlich, nicht, das ist ja klar, das Problem ist der damit bezeichnete Laut. Ein konsonantischer Vokal, ein stimmloses u.
Meinstens trifft man auf "Weliko Tarnowo", aber das a ist genauso unrichtig wie e, i, o oder u. Man hüte sich, das vokalisierende Hauptgewicht auf das r zu legen, wie etwa Trnava. Nein, es heißt T'-rnovo.
Die Geschichte der Stadt ist eine Katastrophe. Das kann man natürlich von Dresden oder Nürnberg auch sagen, wobe man damit sicher unrecht hätte. Diese Städte hatten eine ruhmreiche, großartige Geschichte mit einem schlimmen Ende, dies allerdings zu einer Zeit, zu der die Geschichte dieser Städte ohnehin zu Ende gewesen ist, zuder diese Städte ohnehin zu historischen Marginalien geworden waren. Egal ob Deutsches Reich, Weimarer Republik, Drittes Reich, DDR oder BRD - die wirkliche Geschichte spielte sich woanders, in neuen Machtzentren, ab. Die Zerstörung von Nürnberg oder Dresden war quasi posthum, lediglich eine Fußnote, gerade mal der Ausfluss eines pervertieren Gehirns, das sich aus satanischer Freude diesen Genuss gönnte.
Nürnberg und Dresden durften immerhin Nürnberg und Dresden werden.
Weliko Tarnowo hingegen durfte nur vergleichsweise kurze Zeit es selbst sein, und dies in einer frühen, quasi embryonalen Phase.
Eine großartige Stadtanlage, die das Zeug zu einem balkanesischen (schon dieses Adjektiv ist verflucht, da es aus der Tätersprache stammt, aber hier gibt es kein verständlicheres) Prag oder Kiew hatte, ging mitten in der Ausbauphase zugrunde.
Alles was blieb, waren ein paar Mauern.
Lesen wir, wie die notorisch politisch -korrekte Wikipedia den Untergang des alten Tarnowo schildert:
ZitatFortdauernde innere politische Kontroversen und Auseinandersetzungen mit Serbien führten schließlich zu einer solchen Schwächung des Reiches, dass die Truppen des Osmanischen Reiches im Juli 1393 trotz Widerstandes nach dreimonatiger Belagerung Weliko Tarnowo einnehmen und zerstören konnten. Ein Teil der Bevölkerung, darunter die Würdenträger, wurde massakriert, ein weiterer zwangsausgesiedelt (sürgün)[
.
Sehr schonend formuliert. "Ein Teil wurde, ein weiterer..." Sogar einen wissenschaftlichen Spezialausdruck gibt es dafür - sürgün. Allerliebst.
Kurzum, von Tarnowo blieb fast nichts, und das blieb die nächsten 400 Jahre so, die wir daher getrost vergessen können. Türkische Herrschaft eben. Frag einen Bulgaren oder Ungarn. Zu der Zeit nach 1840 kommen wir später, für dieses Forum ist das eine Art Pflichtthema: die Suche nach der geraubten Kultur. Die Lage ist etwas prekärer als in Nürnberg oder Dresden: wie gewinnt man sich eine Kultur wieder, die niemals stattgefunden hat?
Die türkische Landnahme Bulgariens ging übrigens nicht von heute auf morgen vonstatten. Anfangs waren nur es nur ehrbare Einwanderer, die "friedlich Handel treiben wollten". Irgendwann standen dann Heere im Lande Man sagt, dass Zarewetz den Invasoren, pardon Kulturbereicherern widerstanden hätte, dass die Fortifikationen zu stark gewesen wären. Letztlich öffnete eine verräterische Hand die Tore, angeblich eine Mutter, die ihre geschändete Tochter auslösen wollte, so die Legende.
Schon die landschaftliche Einbettung ist genial:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Medi…ovo_map_SVG.svg
In der Schlinge die Burgstadt Zarewetz, gegenüber die Festungsanlage Trapesitza. Dazwischen die Neustadt, Asenow genannt, an den Rändern die Fränkische und Jüdische Vorstadt. Zarewetz allein barg innerhalb seiner Mauern 22 Kirchen.
Die bisherigen Bilder zeigten Zarewetz mit dem darunterliegenden Asenow.
Hier Zarewetz (links) und Trapesitza (rechts). Dazwischen die heutige Stadtmitte, quasi die "Altstadt" (ja so etwas gibt es auch):
Hier noch einmal Zarewetz mit einer der Hauptsehenswürdigkeiten von Asenow, der Kirche zu den 14 Hl Märtyrern mit noch romanischem Westwerk: