Dresdner Hof- und Staatsbauten - Zwinger

  • Und das der Asphalt rauskommt ist auch sehr schön.

    Die Brücke über den Zwingergraben ist aber nicht mit aufgelistet, sollte doch eigentlich auch mal erneuert werden?

    Wenn nicht anders angegeben, sind alle Bilder von mir.

  • Bekanntlich führt der rote Split ja zu problematischen Ablagerungen an den Objekten im Zwinger (bspw. im Mathematisch-Physikalischen Salon). Sehr schön also, dass es hier eine Perspektive gibt.

  • Ich hoffe, man wird mich am Leben lassen, aber ich fürchte ich werde gleich Blasphemie begehen. ;) Es ist etwas, was ich mich schon länger frage, was ich allerdings noch nie angesprochen gesehen habe und ich kann doch nicht der Einzige sein, dem das auffällt:
    Warum passt Sempers Galerieanbau am Zwinger so wenig zum Zwinger und stört ihn sogar erheblich in seiner Wirkung und Entfaltung? Hier hätte etwas viel feingliedrigeres, neobarockes hingehört, kein monumentaler Neorenaissancebau. Man hätte hier den Zwinger gekonnt vollenden können, was ja immer geplant war, aber man hat es nicht getan. Warum? Und hat sich unter den Zeitgenossen niemand daran gestört?
    Ich weiß, Semper wird weithin als Genie angesehen, aber das Genie sehe ich hier nicht. Es erinnert mich schon an das, was moderne Architekten oft völlig unpassendes und uneinfühlsames an Altbauten dranklotzen.

  • Deine Vorstellung, dass man den Zwinger über 100 Jahre später - "wie immer geplant" "barock vollenden" gewollt hätte, ist doch eine ziemlich romantisierende Vorstellung von Kontinuität

    - in der geschmacklichen Entwicklung unserer Altvorderen;

    - bezüglich der allgemeinen Werte und positiven Bewertungen vorheriger Epochen "in der Guten alten Zeit" ;

    - in der baulichen Entwicklung des Zwingers;

    - im Gang der Geschichte.

    Heute kann man es sich - ob Laie oder nach ein paar Semestern Kunstgeschichte - einfach nicht vorstellen... Aber allgemein wurde zur Zeit Sempers die barocke Architektur abgelehnt und als nicht erhaltenswert eingestuft.

    Bereits um 1780 wendete sich so ziemlich jeder gebildete, nicht "ewig gestrige", "moderne und weltoffene" Dresdner - beginnend mit dem Einfluss des "Bilderstürmers" Winckelmann - angewidert vom Gebäudeensemble Zwinger ab. Wegen seiner überbordenden Skulpturen wurde es als "geschmackliche Entgleisung" empfunden. Man erwog in den gebildeten Kreisen ernsthaft, alle Skulpturen zu beseitigen und durch klassizistischen Fassadenschmuck zu ersetzen. Das geschah aber aus Kostengründen nicht.

    Statt dessen sparte man "nur" am Bauunterhalt und kümmerte sich wenig.

    Durch fehlenden Bauunterhalt waren Feuchteschäden zu verzeichnen und die hochkarätige barocke Innenarchitektur litt erheblich.

    Auch die Bibliothek moderte vor sich hin und zog dann irgendwann wegen unhaltbarer Zustande vom Zwinger ins Japanische Palais um.

    Andere Sammlungen litten ebenfalls, blieben aber vor Ort.

    Das Nymphenbad war durch den "Zahn der Zeit" mehr oder weniger Ruine.

    Heute gibt es am Zwinger wieder 700 Skulpturen. Doch gerade diese waren im 19. Jahrhundert eine "Beleidigung des guten Geschmacks". Auch mussten sie gepflegt werden und verursachten Kosten. Also FORT mit dem "alten Gelumbe"! So waren also die Balustraden im 19. Jahrhundert von den "schwülstigen" Skulpturen "befreit".

    Zwinger (Dresden) – Wikipedia

    In diese Situation hinein errichtet Semper in den 1830-er Jahren sein erstes Opernhaus.

    Sein damit in Verbindung stehendes Forum-Projekt - als Verbindung des Opernhauses mit dem Französischen Pavillon durch niedrige Galeriebauten, bei Öffnung des Zwingerhofes zur Elbe hin - wird aus Kostengründen und wegen fehlender Nutzungsideen für die geplanten langgezogenen Bauteile nicht umgesetzt. (Die von ihm vorgeschlagene Orangerie wird dort nicht gewollt und entsteht später im Herzogin Garten, wo sie funktional besser hinpasst.)

    15 Jahre später entscheidet man sich, den "gammeligen" Zwinger vom "schönen neuen" Opernhaus durch den - heute wie damals zu Recht berühmten - Galeriebau abzutrennen.

    Dabei hat man den Schluss des Museumskomplexes Zwinger im Blick. Man schafft ein Art Rundgang durch die Sammlungen um den Hof herum.

    Der Zwingerhof wird im Stil der Zeit - wohl erstmals - gärtnerisch aufwändig gestaltet und mit einem zentralen Denkmal (heute auf dem Schlossplatz) gefüllt.

    Immerhin ist Semper so feinfühlig, dass er zum Zwinger hin die Fassade bewusst herabstaffelt; mit Rücksicht auf den Maßstab des Zwingers. Doch zum Theaterplatz hin soll der Bau mit dem Theater und der Hofkirche korrespondieren. Da muss sie natürlich monumental sein. Und ist damit eben im Hof - mit der heutigen hohen Wertschätzung für die barocke Ursprungsidee beurteilt - immer noch zu hoch.

    Betrachtet man sie aber als das was sie damals war, nämlich eine Überformung des altmodischen, unbrauchbar gewordenen und nur rudimentär erhaltenen barocken Festplatzes Zwinger zum bedeutenden Museums-Ensemble, so kann man den vorsichtigen Umgang Sempers mit dem Bestand doch positiv beurteilen.

    Man muss sich klar machen, dass der Zwinger erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder allgemein als barockes Hauptwerk von den Bildungsbürgern geschätzt wurde. Dieser Sinneswandel begann mit Gurlitt in den 1880-er Jahren.

    Der Zwinger wurde erst in den 1920-er Jahren durch Ermisch wieder auf seine barocken Formen zurückgeführt. Sehr viel Bausubstanz ist nicht mehr original barock, sondern Reko nach den Plänen Pöppelmanns.

    Fazit:

    Als die Gemäldegalerie errichtet wurde, hatte der Zwinger als barocke Baulichkeit keine künstlerische Bedeutung. Sein Wert wurde verkannt. Damals sollte sich gestalterisch alles nur noch auf die neue Galerie beziehen, was durch reduzierten Figurenschmuck am Barockbauwerk und eine andere gärtnerische Gestaltung unterstützt wurde.

    Erst mit dem nötigen zeitlichen Abstand konnte man die Bedeutung des Zwingers wieder erkennen, arbeitete ihn als eigenständiges Kunstwerk wieder heraus und befreite ihn damit aus der vor 200 Jahren als "Zwangsehe" arrangierten Einheit mit dem späteren Galeriegebäude.

    Darum stehen heute in Dresden zwei Hauptwerke der Welt-Architektur neben einander und sind für feinfühlige und kunstsinnige Betrachter nicht (mehr) 100%-ig miteinander kompatibel.


    Ab Mai wird der interessierte Dresden-Besucher endlich eine umfangreiche Dauer-Ausstellung zur Baugeschichte des Zwingers vorfinden. Dann können solche berechtigten Fragen zu seiner Geschichte durch virtuelle Modelle hoffentlich gut beantwortet werden.

    Ich habe heute zufällig einen Blick in die Bogengalerie werfen können... Man baut die Ausstellungsarchitektur...


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    Übrigens:

    Semper selbst hat an den Maiaufständen 1849 auf Seiten der Bürger "leitend" "für die gute Sache" mitgekämpft. Er hat - wohl an anderen Stellen in der Stadt - Barrikadenbau überwacht und koordiniert. Deswegen musste er anschließend aus Dresden fliehen.

    Dass bei diesen Kämpfen der stadtseitige Teil des Ensembles Zwinger massiv geschädigt wurde, nämlich komplett ausbrannte, hat damals vermutlich zu Diskussionen darüber geführt, ob der Wiederaufbau des Zwingers sich an Pöppelmann oder dem Neubau der Galerie orientieren soll.

    Revolution als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für moderne Architekten?

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    Und noch ein Gedanke:

    Gerade der Wechsel in der Wertschätzung des Zwingers sollte uns zu Toleranz und Demut anregen.

    Vielleicht wird man sich in 70 Jahren wundern, dass tatsächlich mal jemand den Kulturpalast abreißen wollte....

    ????

  • Ich hoffe, man wird mich am Leben lassen, aber ich fürchte ich werde gleich Blasphemie begehen. ;) Es ist etwas, was ich mich schon länger frage, was ich allerdings noch nie angesprochen gesehen habe und ich kann doch nicht der Einzige sein, dem das auffällt:
    Warum passt Sempers Galerieanbau am Zwinger so wenig zum Zwinger und stört ihn sogar erheblich in seiner Wirkung und Entfaltung? Hier hätte etwas viel feingliedrigeres, neobarockes hingehört, kein monumentaler Neorenaissancebau. Man hätte hier den Zwinger gekonnt vollenden können, was ja immer geplant war, aber man hat es nicht getan. Warum? Und hat sich unter den Zeitgenossen niemand daran gestört?
    Ich weiß, Semper wird weithin als Genie angesehen, aber das Genie sehe ich hier nicht. Es erinnert mich schon an das, was moderne Architekten oft völlig unpassendes und uneinfühlsames an Altbauten dranklotzen.

    eryngium hat bereits die perfekte Antwort formuliert. Ich will noch hinzufügen, dass die Semper'sche Lösung, die Zeitumstände und die damalige Ablehnung des Barocks berücksichtigend, nicht die schlechteste ist. Die Zwingerfassade unterscheidet sich erheblich von der Elbfront. Semper hat sich durchaus bemüht, gerade im Erdgeschoss einen gewissen Übergang zur bestehenden Zwingerarchitektur hinzubekommen. Für Neubarock war es vor Gurlitt einfach noch zu früh.

  • Blick in die Ausgrabungen im Zwinger. Hier die Empore vor der Porzellansammlung.

    Und ein freigelegtes Stück Rampe im Stallhof.

    Schöne Städte werden letztlich auch glückliche Städte sein.

  • Der Französische Pavillon wurde heute "entkleidet".

    Ausstellungseröffnung demnächst!

    Und so wie der Deutsche Pavillon sah er vorher aus...


    Bonusbild: Gemäldegalerie - Antikensaal

  • Die Dresdner Neuesten Nachrichten haben einen ausführlichen Artikel samt Bildergalerie über die archäologischen Grabungen im Zwingerhof veröffentlicht, die u.a. folgendes zu Tage förderten:

    • Reste höfischer Festbauten wurden ausgegraben (z.B. vom Reithaus) und auch der Zwingergrotte, zu der gehörig ein kleiner Keller ausgegraben wurde, dessen Zweck man noch nicht kennt.
    • Die barocke Gartengestaltung von etwa 1713 bis 1718 will man v.a. anhand von Pflanzlöchern und ehemaligen Wegen nachvollziehen können.
    • Der Unterbau der jetzigen Wege besteht teilweise aus beschädigten und bei der Restaurierung unter Hubert Ermisch gewechselten Fassadenteilen des Zwingers, u.a. ganze Köpfe und Schulterpartien von Satyren, die als Anschauungsmaterial für die Zwingerbauhütte geborgen wurden.
  • Diese Lampen. Das geht gar nicht.

    Da müssen noch Gardinen davor.

    Bogengalerie L. Wo sind eigentlich die Galerien A bis M? Oder ist das rechts und links?

    Schöne Städte werden letztlich auch glückliche Städte sein.

  • Ja und wieso vergraben sie die wieder? Das hab ich ja noch nie gehört, dass Archäologen das gefundene wieder reinwerfen und wieder zuschütten. Jedenfalls nicht bei Mobilien oder Einzelstücken.

  • Ja und wieso vergraben sie die wieder? Das hab ich ja noch nie gehört, dass Archäologen das gefundene wieder reinwerfen und wieder zuschütten. Jedenfalls nicht bei Mobilien oder Einzelstücken.

    Das halte ich auch für eine Zeitungsente. Für spätere Generationen liegt da auch kein neuer Erkenntnisgewinn drin, wenn die originale Fundsituation nicht mehr gegeben ist.

  • Es scheint wohl sehr viel zu sein. Jedes noch so unkenntliche Bruchstück aufzuheben, würde keinen Sinn machen und der Platz ist wohl auch nicht da. Es ist eine pragmatische Lösung, diese Teile einfach wieder zu vergraben.