Stadtbild in Deutschland: Bilanz der letzten 10 Jahre

  • Sind Deutschlands Städte in den letzten 10 Jahren schöner oder hässlicher geworden? Was meint Ihr?

    Nach meiner Meinung sind die Städte - trotz vieler Bausünden - insgesamt schöner geworden. Der große Abrisswahnsinn der letzten Jahrzehnte (mit Ausnahme von Extremfällen wie Chemnitz und Hamburg) ist gestoppt. Viele Bauten wurden aufgewertet und es gibt eine Reihe von Neubauten mit hoher Wertigkeit (auch wenn diese Bauten fast nur das Luxussegment betreffen). Es gibt Rekonstruktionsvorhaben, die man sich vor zwanzig Jahren nicht einmal im Traum vorstellen konnte (Potsdam, Schloss Berlin, [lexicon='Altstadt Frankfurt'][/lexicon]/M., Dresden etc.). Meine Beobachtung bezieht sich in großen Teilen auf die Schwerpunktstädte dieses Forums (Ruhrgebietsstädte etc. habe ich wenig Einblick).

    Wie ist Eure Meinung dazu?

    ...

  • Ich weiß nicht, ob sich das rein quantitativ erfassen lässt, für mich fallen die Entwicklungen auseinander:

    Unisono herrschte ja Mitte/Ende der 1970er Jahre ein pures Erschrecken, was die Zurichtung der Städte mittels moderner Architektur und mehr noch durch exorbitante Verkehrsbauten anging. Damit ging, zumindest geglaubt, eine höhere und vor allem gefühlte Wertschätzung für die historische Bausubstanz einher. Eine andere Gewichtung des sinnlich und bedeutungsstiftenden, generationsübergreifenden Schönen gegenüber dem rein Praktischen.

    Gerade dass es in den ostdeutschen Bundesländern 5 vor 12 stand für die historische Bausubstanz, hat dieser Entwicklung noch einmal einen enormen Schub verliehen. Hier war gerade in den Klein- und MIttelstädten noch da, was "im Westen" der Glattsanierung nach dem Krieg weitestgehend zum Opfer fiel.

    Das als kleiner Ausflug in die Zeit vor den gefragten 10 Jahren.

    Ich glaube, dass sich seither die Entwicklung wie oben angeführt, stark geschieden hat. Zweifellos sind hervorragende Architekten da, die um die Bedeutung des auf dem Areal Stehenden wissen, keine Entwurfseinreichung ohne Verweis auf die Geschichte, allerdings ist das wirkliche und gefühlte Verstehen dabei recht unterschiedlich. Die einen haben sich intensiv und auch gefühlsmäßig damit beschäftigt, für die anderen ist die Geschichte beliebig interpretierbares und wahlloses Material. Das gilt dann auch für den Druck der Investoren, gerade in den großen Städten. Zudem: Nachdem das Wichtigste in den ostdeutschen Bundesländern restauriert worden ist und die bedeutendsten Rekonstruktionsprojekte gegriffen haben, wächst offenbar eine Architektengeneration in die Geschicke hinein, die in Kombination mit den ihnen zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten dem Stadtraum teilweise fast schon brutaler entgegentritt, als die Vertreter des seinerzeit genannten Brutalismus es taten. Wer nie einen Strich auf einem Stück Papier zu ziehen brauchte, wer die eigene Handschrift in dieser Richtung nicht kennt, sondern aus der riesigen Palette seiner Tools nur die entsprechenden auswählt, um per Computer Aided bzw. Computer Animated Design seine baulichen Hüllen in die Welt projiziert, was soll da kommen? Wer nicht zu Fuß durch die Straßen geht und eine tatsächliche Anschauung erhält, sondern per google earth und drei- und vierfacher Geschwindigkeit durch die Straßen fegt, dass ein Bild entsteht: Ist es ein Unkenruf, wenn ich schreibe, dass wenn die Bäume nicht von Natur aus da wären, sondern heutige "cool" tuende Architekten die Aufgabe hätten sie zu entwerfen, die meisten Stämme quadratisch und die meisten Blätter grau wären?

  • Ich glaube, dass das Bewusstsein für die Stadt als lebender oder belebter Organismus größer geworden ist. Vorallem die Jungen schätzen wieder den Charme des Historischen, ohne altbacken zu sein. Selbstvertändlich wird das Leben im Historischen Umfeld mit den Anforderungen der Zeit kombiniert. Man schätzt das historische Ambiente mit Hightech-Einrichtung. Bei uns an der Weinstraße sind unsanierte historische Häuser heute kaum noch zu bekommen. Gab es vorallem bei kleinen Häusern noch vor 10, 20 Jahren einen regelrechten Schnäppchenmarkt so muss man heute recht lange suchen, denn die Nachfrage hat leider auch die Preise in dei Höhe getrieben. Liebevoll saniert haben diese die vorher manchmale etwas heruntergekommenen Ortskerne stark aufgewertet. Das Bewußtsein für Bausünden hat sich meines Erachtens auch hin zum besseren entwickelt. Um das unsägliche Haus am Dom im Worms, von dem wir es hier auch schon hatten, ist es nach massiven Bürgerprotesten still geworden, offiziell herrscht Baustopp. Und das in Worms, dessen Verantwortlichen nach dem Krieg scheinbar jedes Bewußtsein für das Stadtbild abhanden gekommen zu sein schien. Die derzeit herrschende "Rekowelle" um es mal überspitzt zu formulieren, spricht auch für sich. Wer hätte sich das alles vor 20 Jahren träumen lassen um mich meinem Vorschreiber anzuschließen. Damalige Großprojekte wie der Frankfurter Samstagsberg oder der Hildesheimer Marktplatz muten angesichts der laufenden oder realisierten Projekte fast putzig an. In den Achtzigern waren das ja ganz große Nummern. Man kann nur aucf einen Domino-Effekt hoffen.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Subjektiv würde ich meinen, dass gerade in den letzen 10 Jahren einfach unfassbar viel Positives für die deutschen Stadtbilder geschah. Angefangen von der Fertigstellung der Frauenkirche in Dresden, die (für mich) das Initial für die "Rekowelle" in D entfachte. Ohne Dresden glaube ich nicht, dass Potsdam in diesem Umfang überhaupt erst möglich geworden wäre, wenn überhaupt. Frankfurt mit seinem kleinen Rekoprojekt wäre meiner Meinung nach ohne Dresden sogar eher unwahrscheinlich - trotz des Römers. Dass in dieser Zeit auch noch viele weitere größere und kleinere Rekos errichtet wurden (Braunschweig, Hannover, Nürnberg, Wesel, bald auch Berlin usw.) ist doch auch beachtlich.

    Auch in Berlin gibt es wunderschöne, neue Traditionsarchitektur, die in den letzten zehn Jahren stetig gewachsen ist und es kommen auch zukünftig ansehliche Projekte hinzu. Ja und [lexicon='Leipzig'][/lexicon]...dieser Stadt kann man sprichwörtlich beim Schönwerden zusehen.

    Schöne Stadtbilder entstehen nicht über Nacht und deshalb müssen wir vermutlich in Jahrzehnten rechnen, aber Hand aufs Herz: Ab 1945 ging es architektonisch stets bergab und erst seit gefühlten 10-15 Jahren dreht sich der Wind langsam wieder in die richtige Richtung...ich bin verhalten optimistisch.

  • Den Galuben an [lexicon='Leipzig'][/lexicon] kann scheinbar nichts erschüttern. Wenn ich jedoch an die Höfe am Brühl, die Verschüttung am Burgplatz, das neue Parkhaus in der Ritterstraße, den in der Pipeline befindlichen Museumswinkel am Brühl sowie das Staffelgeschoss auf dem Hotel de Pologne denke, fallen mir doch so einige Kritikpunkte ein.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Die wenigen Rekonstruktionsprojekte können nicht aufwiegen, daß wir mit jedem weiteren Jahr weniger Baudenkmäler haben. Und es fallen ständig weitere, wenn auch nicht mehr in dem Umfang wie noch in den 60ern.

    In dubio pro reko

  • bilderbuch

    Stimmt schon, was Du schreibst. Es ist in [lexicon='Leipzig'][/lexicon] nicht alles Gold, was glänzt. Gerade beim Kaufhaus am Brühl ist vieles in die Hose gegangen. Wie prächtig würde diese Ecke erst aussehen, wenn man den herrlichen Hänselbau nicht abgerissen, sondern saniert und um das eindrucksvolle Dach ergänzt hätte. Wo viel Licht, das ist auch viel Schatten. Und auch das Hotel de Pologne hätte ich gerne einmal vielleicht auch als Hotelgast besuchen wollen...naja, wenigstens nicht auch abgerissen.

    Trotzdem ist mir persönlich keine schönere Großstadt in D bekannt, die jedes Jahr zusätzlich schöner wird und sich so um ihre Bausubstanz vor 1945 dermaßen kümmert wie [lexicon='Leipzig'][/lexicon]. Wenn ich wieder nach Sachsen ziehen würde, dann heute vermutlich am Ehesten nach [lexicon='Leipzig'][/lexicon]. Ich könnte prinzipiell nur in einer Stadt wohnen, wo meine Seele sich auch darin wohlfühlt...

  • Gezielt zur Rekonstruktion:

    Die Anstoßwirkung von Projekten andernorts halte ich für einen ganz wichtigen Aspekt. Auch ich denke, dass Ludwig Güttler und sein Engagement für die Dresdner Frauenkirche gerade für die Rekonstruktion eine bedeutende, wenn nicht gar nicht die bedeutendste Rolle gespielt hat, schlicht, dass es geht.

    Analog wie seinerzeit die Aktivitäten gegen die weitere flächenhafte Vernichtung von historischer Bausubstanz beileibe nicht etwa wirtschaftlich oder poliltisch geführt wurde, sondern vor allem GEFÜHLT, im Sinne eins Zuhauses und einer räumlichen Identität, was bis dato überhaupt nicht mehr auf der Agenda stand, analog ist es auch bei der Rekonstruktion. Ohne persönliches Herzblut und Überzeugungskraft verrinnt es im bloß Geschäftlichen und letztlich liebloser Ausführung.

    Im Zeitraffer lief es wohl in vielen Städten ab. Beispielsweise in Potsdam: Die Forderung zur Wendezeit nach Abrißstop der Bauten des 18. Jhs. und nach Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss, wo schon der Theater-Rohbau die gewaltsam umgepflügte Stadtstruktur einbetonieren sollte. Doch zunächst noch ohne gemeinsame und konkrete Vorstellung, was entlang der wiederhergestellten historischen Straßenverläufe konkret gebaut werden soll. Dann tatsächlich durch Beschäftigung mit der Geschichte und inspiriert durch Dresden die Vorstellung historischer Leitbauten in der ästhetisch brach gefallenen Mitte. Woanders, in kleinen Orten, die das gewaltsame Umpflügen der städtischen Struktur nicht erleiden mussten: zunächst die ausschließliche Rettung der Bausubstanz.

  • Also, man muss einfach mal nüchtern feststellen, dass neben immer noch zahlreichen maßstabsprengenden, klotzigen, hässlichen, [...] Projekten doch mittlerweile auch etliche Bauten in Gestalt der klassischen Moderne (20er), traditionelle Neubauten und auch Rekoprojekte angegangen wurden oder aktuell geplant sind. Das ist doch ein Schritt in die richtige Richtung. Dass hier einige Städte die Vorreiterrolle übernehmen und einige sich diesem "Trend" noch vehement verweigern, ist nichts Ungewöhnliches und sollte nicht zu arg beunruhigen. Das sind Umdenkprozesse, deren Mühlen langsam mahlen...der Deutsche ist nicht unbedingt für seinen Revolutionsgeist bekannt ;)

    Ich bin verhalten optimistisch, was die Zukunft zumindest diesbezüglich angeht.

    Um noch einmal auf [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zurückzukommen. Ich kenne keine deutsche Großstadt über 500.000 EW, die ihre Denkmäler so liebevoll saniert und so exzessiv Fassaden teilrekonstruiert und wiederbestuckt, zudem hat [lexicon='Leipzig'][/lexicon] etliche Projekte vorzuweisen, die zeigen, wie gefällig Moderne auch sein kann (ich sage nur TRIAS, LKG-Karée an der Prager Straße, Goldschmidtstr. 35 usw.) , zudem enstehen derzeit auch einige Projekte in traditioneller Ausführung...

    hier Beispiele

    der Link zum DAF sei erlaubt

    http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showpost…5&postcount=363

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    http://www.kuenne-neubau.de/images/inhalte…_grundrisse.pdf

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    http://www.lm-architektur.de/typo3temp/pics/99f5cd6118.jpg

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    http://www.mann-schott-architekten.de/hotel-grand-parkside-leipzig

    ____________________________________________

    "Die Liegenschaft war historisch gesehen mit einem
    prunkvollen Gründerzeithaus bebaut, was jedoch im Krieg völlig zerstört
    wurde. Der Projektentwickler und Architekt hat in seinem Entwurf des
    neuen Mehrfamilienhauses den alten Baustil aufgegriffen und komplettiert
    so das bestehende Gründerzeithausensemble."

    Quelle: http://www.stimmo.de/investments_detail.php?id=5

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    http://www.hansa-real-estate.de/images/stories…_SH_6-8_Web.jpg

    ____________________________________________

    http://abload.de/img/bucksdorffstr.332013-irsfj.jpg

    Quelle: DAF "Auenschreck" http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/showpost…&postcount=1218

    ____________________________________________

    Quelle: http://www.architektur-adolph.de/projekte.php?b….jpg&id=2&nid=1

    und dergleichen gibt es dort viel...

    Ja, es ist eine Freude [lexicon='Leipzig'][/lexicon] beim Werden zuzusehen...

    Klar gibt es auch hier etliche Bauten, die daneben sind, aber im Gegensatz zu Dresden...ist die Plusseite erheblich größer als die Minusseite...das muss ich hier mal ganz klar sagen!!

    Gruß DV

    P.S. von dieser Villa war nach dem Krieg nur noch ein Rest, nämlich das EG übrig...wird aktuell ergänzt....so wird's wieder

    [url=http://rendart.net/portfolio/2010-stadtvilla,-leipzig.html]http://rendart.net/portfolio/2010-stadtvilla,-leipzig.html[/url]

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

    Einmal editiert, zuletzt von DarkVision (11. August 2013 um 21:37)

  • Um noch einmal auf [lexicon='Leipzig'][/lexicon] zurückzukommen. Ich kenne keine deutsche Großstadt über 500.000 EW, die ihre Denkmäler so liebevoll saniert und so exzessiv Fassaden teilrekonstruiert und wiederbestuckt, zudem hat [lexicon='Leipzig'][/lexicon] etliche Projekte vorzuweisen, die zeigen, wie gefällig Moderne auch sein kann (ich sage nur TRIAS, LKG-Karée an der Prager Straße, Goldschmidtstr. 35 usw.) , zudem enstehen derzeit auch einige Projekte in traditioneller Ausführung...

    Da kann ich dir nur lebhaft zustimmen. Wenn ich auch mal radikal subjektiv mein Erleben im Umgang mit deutschen Städten artikulieren darf, muss ich sagen: unter den deutschen Großstädten fand ich bisher allein [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und Potsdam wirklich schön - schön in dem Sinne, dass man eine Stadt so genießen kann, wie das vor dem 2. Weltkrieg weithin möglich gewesen sein muss. In allen anderen Städten schiebt sich permanent missratener Architekturschrott ins Bild, selbst die wenigen im Weltkrieg kaum zerstörten Städte (z.B. Heidelberg) sind dermaßen durchsetzt und umgeben von modernistischer Banalität, dass das Wohlbefinden auf wenige unversehrte Bereiche begrenzt bleibt. In [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und Potsdam als zwei exemplarisch entwickelten einstmals ostdeutschen Städten fehlte zum einen das Geld, um die Stadt durch Trivialmoderne zu entstellen, andererseits erforderte die allgemein heruntergekommene, aber in großen Teilen erhaltene alte Bausubstanz nach der Wiedervereinigung eine so durchgreifende Auffruischung, dass geradezu strahlende Stadtbilder entstanden. Dies ist ein wunderbarer Ausgleich für jahrzehntelanges Zurückgesetztsein gegenüber prosperierenden, aber auch ästhetisch degenerierenden westdeutschen Städten.

  • Das stimmt schon, [lexicon='Leipzig'][/lexicon] und Potsdam weisen für Deutschland herausragende Stadtbilder auf. Allerdings würde ich das positive Urteil über Potsdam etwas herabstufen. Wer sich z.B. vom Hauptbahnhof der Innenstadt nähert, der durchquert eine Reihe von überdimensionierten Verkehrsschneisen und sieht einige Brüche im Stadtbild mit Plattenbauten, Brachen und baulich unbefriedigenden Nachkriegslösungen. Heidelberg ist in diesem Sinne sogar noch unversehrter: Wer die Hauptstraße langläuft hat - mit wenigen Ausnahmen - kilometerweise links und rechts historische Bebauung.

    ...

  • So ist es und füge jetzt zart und leise auch noch Erfurt zu Deiner Aufzählung dazu.

    Und das fängt schon allein mit dem Erfurter Hauptbahnhof an, diesem Entree der thüringischen Landeshauptstadt, im Vergleich zur Ankunft zwischen Verladestraßen und verklinkerter und betonierter Hinterhofarchitektur des Potsdamer Gleisanschlusses. Wobei, auch das muss gesagt werden, sich dann allerdings nach allerlei Schrecknissen nach Verlassen des Gebäudes in Potsdam urplötzlich "der Festsaal" sich öffnet, wie es der Schriftsteller Georg Hermann schon vor hundert Jahren vom alten Bahnhof aus beschrieben hat.

    (Vielleicht kann das auch exemplarisch stehen.)

  • Und das fängt schon allein mit dem Erfurter Hauptbahnhof an, diesem Entree der thüringischen Landeshauptstadt,

    Ich bin über den Umbau des Erfurter Bahnhofes nicht sehr glücklich. Der Abriss des dominanten und soweit mir bekannt auch recht einzigartigem Inselgebäudes war kein optischer Schritt nach vorne. Siehe unter anderem hier oder die Bildergalerie hier

  • Ich bin über den Umbau des Erfurter Bahnhofes nicht sehr glücklich. Der Abriss des dominanten und soweit mir bekannt auch recht einzigartigem Inselgebäudes war kein optischer Schritt nach vorne. Siehe unter anderem hier oder die Bildergalerie hier

    Gut, wegen des Abrisses und der (bloßen?) Vorverblendung der alten Fassade nehme ich etwas von meiner Aussage zurück, dennoch fühle ich mich als Mensch in der gläsernen Bahnhofshalle von Erfurt zehnmal mehr willkommen als zwischen der Verladestraße und der Hinterseite von Verwaltungsbauten in der brandenburgischen Landeshauptstadt. Eine Umnutzung anstatt eines Vorbaus der Fassade wäre in Erfurt natürlich besser gewesen. Was die umgekehrte Richtung angeht, gilt die Empfindung selbstverständlich auch: Vom Erfurter Hauptbahnhof fühle ich mich sowohl tags als auch spät abends, wenn er leuchtet, mit seiner weithin gläsernen Halle schon vom Anger her eingeladen, vom Potsdamer Landtags-Stadtschloss her laufe ich auf ein mir Unbehagen bereitendes unförmiges Etwas zu, so wie ein Mensch, der sich im Breitesten seines ohnehin schon Breiten mir entgegenstellt.

    Jetzt sind wir allerdings hier schon etwas spezifisch geworden, doch ist das wiederum ein Teil der letzten Jahren Baukultur.

  • Ich kann überhaupt nicht erkennen, dass sich das Bauen in den letzten Jahren irgendwie verbessert hätte. Es gibt freilich immer wieder gute Einzelbauten, aber im großen und ganzen ist es doch eine einzige Katastrophe, wie gnadenlos und ohne jegliche Rücksicht auf die Stadtbilder drauflosgeklotzt wird. Es ist so weit gekommen, dass man froh sein muss um jeden 50er-Jahre-Bau, weil eigentlich nie etwas besseres nachkommt. Während es um 1988 einen Höhepunkt beim angepassten Bauen gegeben hat, ist man seitdem einen völlig anderen Weg gegangen. Man hat auch immer mehr den Eindruck, dass bei den Verantwortlichen überhaupt kein Gefühl für ein harmonisches Stadtbild mehr da ist, sondern im Gegenteil Freude an der Störung des Überkommenen, um nicht zu sagen, der Zerstörung von fast allem, was uns heilig ist.

    Vielleicht ist es auch eine regionale Angelegenheit und im Norden sieht es mittlerweile besser aus. Und im Osten sowieso. Aber im Süden, in Bayern und Baden-Württemberg, wird dem Modernismus gefrönt, dass es einfach nicht mehr schön ist.

  • Die winzige Altstadt von [lexicon='Leipzig'][/lexicon] mit ihren paar älteren Bauten und nicht wenig Nachkriegsmüll empfinde ich ziemlich unbedeutend. Potsdam kenne ich (noch) nicht. Aber generell, bis auf die paar wenigen erfreulichen Rekonstruktionsprojekte wird doch fast überall in jede Altstadt provozierend irgendwelche Kuben und Flachdachkisten hineingeklotzt, bei dessen Anblick mir jedenfalls kotzübel wird und mir den Besuch in mancher Stadt seitdem erübrigt hat, sei es Ulm, Memmingen oder Innsbruck. In Mü wird es mir eh jedes Mal im Altstadtbereich schlecht (und nicht nur mir, im Bekanntenkreis sagt eigentlich auch jeder: je neuer, desto häßlicher, wieso kann man heute nicht mehr schöner bauen?). Es gibt davon erfreuliche Ausnahmen, in M wie auch einiges was meinetwegen aus Berlin hier vorgestellt wurde, aber in M beschränkt es sich auf außerhalb der sog. Altstadt und selbige gibt es in Berlin ja nicht mehr.

  • Sehe ich genauso, Zeno. Nicht nur das dem Modernismus gefrönt wird (das Ingolstädter Kongresshotel und das Museum der bayerischen Geschichte sind nur die Spitze des Eisbergs), es verschlägt auch einem die Sprache angesichts der Abrisswelle von historischen Gebäuden die besonders auch in Bayern tobt. Und das besonders in den letzten zehn Jahren. Ich wiederhole: Wir waren im Süden schon einmal weiter. Optimismus kommt bei mir keiner auf.

  • Die winzige Altstadt von [lexicon='Leipzig'][/lexicon] mit ihren paar älteren Bauten und nicht wenig Nachkriegsmüll empfinde ich ziemlich unbedeutend.


    Zum Stadtbild gehört mir für mich auch bissl mehr als nur die unmittelbare Altstadt und obwohl die Gegebenheiten im Süden der Republik, vor allem wohl auch in Ba-Wü wohl leider gänzlich andere sind, möchte ich dennoch die sich meherenden positiven Signale im Zuwachs an Kubenmüll nicht an die Wand gedrückt sehen. Wir können natürlich auch alle in Depressionen verfallen. Fragt sich nur, wem damit geholfen ist.

    Ich hoffe ja immer noch, dass die positiven Beispiele aus [lexicon='Leipzig'][/lexicon], Berlin usw Schule in anderen deutschen Städten machen, sowie die Reko der Frauenkirche das Signal für andere Rekonstruktionsprojekte in Deutschland war.

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia