Denkmalschutz in Baden-Württemberg

  • Dass es mit dem Denkmalschutz in Baden-Württemberg nicht weit her zu sein scheint, erleben wir ja andauernd. Und damit meine ich nicht nur die absolute Situation, die ja auch in anderen deutschen Ländern unbefriedigend ist. Ich meine mehr den Umstand, dass in punkto Denkmalschutz in Baden-Württemberg die Uhren anscheinend ganz anders gehen als in den anderen Ländern. Die Großzügigkeit, wie hier mit dem historischen Erbe umgegangen wird, scheint mir beispiellos.

    Heute habe ich aber das hier entdeckt, und da war ich echt bedient:

    Zitat

    Die Lage in Baden-Württemberg ist (im Sinne der Wikipedia) desolat. Die Infoseite der Stadt Stuttgart zum Denkmalschutz gibt einen Überblick:

    Das Denkmalschutzgesetz Baden-Württembergs sieht gemäß deklaratorischem Prinzip vor, dass für die Kulturdenkmaleigenschaft keine besondere Erklärung oder Erfassung in irgendwelchen Listen nötig ist. „Einfache“ Kulturdenkmale nach § 2 DSchG BW werden (aus Gründen der Praktikabilität) dennoch in internen Listen erfasst, die aber nicht veröffentlicht sind, und „eine Auskunft zur Denkmaleigenschaft eines Gebäudes ist nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 Landesdatenschutzgesetz nur möglich, wenn ein berechtigtes Interesse des Antragstellers glaubhaft dargelegt wird“ (zumindest in Stuttgart, s. Infoseite der Stadt Stuttgart). Ob überhaupt für jede Gemeinde im Land eine solche Liste existiert, ist unklar; für Wüstenrot bspw. existierte noch 1999 keine Liste. „Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung“ nach § 12 DSchG BW werden in ein Denkmalbuch eingetragen, das aber ebenfalls nicht öffentlich ist: „Die Einsicht in das Denkmalbuch ist jedermann gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt.“ (§ 14 Abs. 2 DSchG BW)

    (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia…%C3%Bcrttemberg)


    Nochmal: Es gibt offenbar noch nicht einmal Denkmallisten für alle Gemeinden! Eine Erfassung in Listen sei nicht nötig! Begründet wird das mit der Tatsache, dass sich die Eigenschaft eines Objektes daraus ergibt, dass es der (freilich höchst schwammigen) Legaldefinition von Denkmälern entspricht. Das ist im Prinzip vernünftig und wird auch in Bayern so gesehen. In der Praxis aber ist es für den Schutz der Denkmäler erforderlich, die zu schützenden Objekte dennoch irgendwie zu deklarieren. Eine vernünftige Vorgehensweise wäre es m. E., das Gebiet von Altstädten gesamtheitlich in einer Denkmalliste aufzuführen und alle Bauvorhaben denkmalrechtlich zu behandeln. Diese Auffassung hat unser früheres Mitglied Georg Friedrich bereits formuliert:

    Wenn es nach mir ginge, hätte man sich gar nicht lange mit einer Einzeldenkmalerfassung aufgehalten, sondern einfach den gesamten Altstadtbereich sofort unter strengsten Denkmalschutz gestellt, wovon sämtliche Vorkriegsgebäude automatisch betroffen wären.

    Wir sehen ja immer wieder, wie unsicher sich die Einzelerfassung von Denkmälern darstellt. Immer wieder wird erst beim Abbruch eines Gebäudes sein hohes Alter festgestellt.

    Es gibt in Bayern den Widerspruch, dass man offiziell zwar auch dem Grundsatz der Legaldefintion folgt (Denkmaleigenschaft richtet sich nach objektiven Eigenschaften der Objekte, Denkmalliste ist demzufolge nicht deklaratorisch, sondern nachrichtlich), die nicht in der Liste eingetragenen Denkmäler in der Praxis aber keinen Schutz besitzen. Und so sieht es auch aus: Diese Gebäude können unter bestimmten Umständen ohne große Vorwarnung beseitigt werden. Das ist natürlich genau das, was mit Hilfe des Denkmalschutzes verhindert werden sollte.

    In Bayern aber gibt es immerhin flächendeckend Denkmallisten. Und mehr noch: Sie sind veröffentlicht, auch im Internet einsehbar. Die Grundidee ist die, dass das, was als Denkmal bekannt ist, einen besseren Schutz genießt.

    In Baden-Württemberg aber erfolgt die Erstellung von Denkmallisten scheinbar auf freiwilliger Basis. Und mehr noch: Eine Einsichtnahme oder Auskunft für jedermann ist nicht vorgesehen. Die Begründung mit dem Datenschutz erscheint mir vorgeschoben. Bei dieser Geheimniskrämerei muss einfach der Verdacht aufkommen, dass die Behörden und Kommunalverwaltungen einfach schalten ubd walten wollen, wie es ihnen beliebt. Eine Nachvollziehbarkeit des Verwaltunsghandelns durch die Bürger stört da natürlich. Zumindest einige Kommunen aber zeigen mehr Transparenz. Der Landkreis Biberach gehört offenbar dazu.


    So sympathisch mir Baden-Württemberg als unser Nachbarland auch sein mag, aber der Umgang mit den Denkmälern ist einfach nur schlimm!

  • Geldsegen für den Denkmalschutz im Südwesten

    Baden-Württemberg wird in diesem und im kommenden Jahr rund 50 Millionen Euro in die Denkmalpflege investieren. Zudem wird der Bund mit rund drei Millionen Euro insgesamt 16 kommunale, kirchliche und private Kulturdenkmale fördern, teilte das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft am Mittwoch mit. Dazu gehören etwa die Schlosskirche in Haigerloch, die Sternwarte in Mannheim oder der Hoppenlau-Friedhof (Foto) in Stuttgart.

    http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.baden-w…34d67b8e15.html

    In dubio pro reko

  • "Im sogenannten Kenntnisgabeverfahren", das ist die neue Art, sich von Altgebäuden zu trennen. Wie wir erfahren, ist das Haus auch bis dato nicht auf der Denkmalliste. Dabei erkennt man auf den ersten Blick, dass es ein Fachwerkhaus mit städtebaulicher Wirkung ist. Ich sehe als Erklärung dieser Art von Verwaltungspraxis, dass es in Baden-Württemberg keinen wirkungsvollen Denkmalschutz gibt, weil das von den Herrschenden so gewünscht ist.

    Ja ja, unsere Informationsgesellschaft. Dank technischer Errungenschaften kriegen wir alles mögliche mit, was auf dieser Welt so passiert, ob es für uns wichtig ist oder nicht. Aber dass Verwaltung und Gemeinderat systematisch über Bauvorhaben informiert werden, kriegen sie nicht gebacken.

  • Ich habe früher auch immer versucht, irgendwie anhand der Zugehörigkeit zu Baden oder Württemberg Rückschlüsse auf die Stadtbildpflege zu ziehen, aber letztlich läßt sich da kein Schema erkennen (außer vielleicht, daß Oberschwaben generell die schöneren Städte zu bieten hat).

    Das kann ich bestätigen. Etwa zwischen Pforzheim und Karlsruhe ist die Trostlosigkeit nachkriegsdeutscher Bau(un)kultur ebenso zu besichtigen wie östlich von Pforzheim (Mühlacker u.a.). Gerade Nordbaden bietet überall da, wo keine historisch bemerkenswerten Dorf- und Stadtkerne erhalten sind, das gleiche Erscheinungsbild der totalen Abwesenheit von Baukultur. Es scheint im heutigen Deutschland eine Art Achse baukultureller Nichtigkeit zu geben, die alle diesbezüglichen Defizite in Gesamtdeutschland übertrifft; diese Achse scheint sich nach meinen Erfahrungen von Nordwürttemberg ohne Unterbrechung bis ins Rheinland zu erstrecken und die Regionen einzuschließen, in denen sich das geistlose Profitstreben seit den Wirtschaftswunderjahren am ungehemmtesten austoben konnte. Im übrigen bestätigt diese Beobachtung, dass die deutsche Nachkriegsarchitektur weithin und bis heute ohne architektonisch-baukünstlerische Substanz auskam und die deutschen Stadtbilder ausschließlich von dem zehrten und zehren, was Krieg und Wiederaufbau übrig gelassen haben.

  • Die genaue Abgrenzung zwischen Baden und Württemberg ist nicht immer einfach, im Osten kommen dann nach Franken und Baiern dazu.
    Zeno: Lauda-Königshofen und Bad Mergentheim würde ich beide noch zu Franken zählen, ebenso Tauberbischofsheim. Bad Mergentheim hat Geschichte, auch wegen des Deutschritterordens, während Lauda ein Provinzkaff ist, das im Zuge der Industrialisierung etwas wuchs.

  • Mißverständlich von mir formuliert. Ich meinte, es ist nicht nur schwierig Württemberg von Baden abzugrenzen, sondern auch von Franken und - mit dem "Puffer" von Baierisch-Schwaben - von Baiern.
    Ist Schwäbisch Hall z.B. eine württembergische oder fränkische Stadt? Es ist nicht immer einfach zu sagen...

  • Nach allgemeiner Sicht der Dinge wohl eher nicht. Außerdem: Seit 1642? Das ist aber reichlich spät. Nach dieser Logik wäre Ulm übrigens eine bayerische Stadt.

    Ich kenne halt den Begriff "Altwürttemberg" und der bezeichnet üblicherweise die württembergischen Gebiete vor dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803.

  • Noch eine kleine Nachbemerkung: Obwohl Wiesensteig, wie von Zeno amtlich festgestellt, nicht richtig baierisch war, hatte die Zugehörigkeit der kleinen Stadt doch bis heute sichtbare Folgen in Bayern: Der Münchener Hofbildhauer Johann Baptist Straub (u.a. auch Lehrer von Ignaz Günther) kam in Wiesensteig zur Welt, so wie auch sein genialer Neffe Franz Xaver Messerschmidt (der allerdings nach seiner Ausbildung in München nach Österreich weiterzog).


    Franz Xaver Messerschmidt 003 [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], by Gryffindor (Own work), from Wikimedia Commons

  • Ist Schwäbisch Hall z.B. eine württembergische oder fränkische Stadt? Es ist nicht immer einfach zu sagen...

    Eine falsche Alternative. Schwäbisch Hall ist sowohl eine württembergische als auch eine fränkische Stadt. Große Teile im Nordosten Würrtembergs sind fränkisch besiedelt - wie übrigens auch ganz Nordbaden; nur spricht man da nicht von Franken, sondern eher von Kurpfälzern, aber das sind Südfranken. Die politischen Ländergliederungen zeigen nun mal oft beträchtliche Abweichungen von den ethnisch-sprachlichen, oder besser gesagt, es handelt sich um zwei Gliederungen, die miteinander überhaupt nichts zu tun haben (der allemannische Siedlungsraum z.B. erstreckt sich über vier Staaten!).