Artikel zum Thema Stadtentwicklung

  • Zitat

    Die Hauptstadt braucht einen Plan, meint der Berliner Senator für Stadtentwicklung. Eine Vorstellung dafür hat er nicht. Die traurige Wahrheit ist, dass die Planer 20 Jahre alten Idealen nacheifern.

    http://www.welt.de/kultur/kunst-u…erg-wohnen.html

    Zitat

    Die Wahrheit ist, dass Planer, die vor zwanzig Jahren studiert haben, heute noch umsetzen wollen, was sie damals gelernt haben: Charta von Athen, Trennung der städtischen Funktionen, verkehrsgerechte, aufgelockerte Stadt der weiten Wege und des Ressourcenraubbaus. Weil sie darin noch immer Ideale eines zukunftsweisenden Städtebaus realisiert sieht, will Regula Lüscher die nächste Internationale Bauausstellung (IBA) in die "Draußenstadt" (den Stadtrand) verlegen, und auch Müller bekannte sich nun öffentlich noch einmal ausdrücklich dazu.

    Es ist das alte Evangelium der "soz. Stadt", wie es der große Vordenker Ernst May in Frankfurt in den 1920er-Jahren gepredigt hatte, das Denken in Kategorien der Wohnraumversorgung und des sozialen Wohnungsbaus, der ja nichts anderes als ein Wohnungsdiktat war. Die Bürger mussten so hausen, wie es ihnen eine allgewaltige Sozialplanung vorgab und wie es die kommunale Wohnungswirtschaft ihnen in Gestalt von Wohnsilos und Plattenbaugebirgen vor die Nase setzte.

    In dubio pro reko

  • Zitat

    Vielleicht nicht in Stuck und Marmor, aber in einer Struktur und in einem Anspruch, der sich mit diesen heute weit über Berlin hinaus als Modellstadtteile für die Revitalisierung der europäischen Stadt gehandelten Beispielen vergleichen lässt?


    Sehr vage Aussage und warum die eventuelle Einschränkung vorweg?

  • Fehlgeleiteter Städtebau führt zum Siedlungsbrei

    Inzwischen ist in zahllosen Untersuchungen belegt, was durch diese Ideologien angerichtet worden ist: Le Corbusiers Doktrin der strikten Trennung von Wohn-, Gewerbe- und Freizeitbereichen hat zur Verödung von Städten, zu endlosen Wegen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, zu unbeherrschbaren Verkehrsströmen geführt.

    http://www.welt.de/debatte/kommen…dlungsbrei.html

    Daneben gibt es Modellplanungen für ganze Städte und Stadtkerne, die zwischen "moderner" und "klassischer" Gestaltung vermitteln – etwa aus der Werkstatt des Luxemburger Architekten Rob Krier. In Holland, wo sie realisiert wurden, waren die Quartiere komplett verkauft, bevor auch nur die erste Baugrube ausgehoben war. Vom deutschen Planungs-Etablishment aber werden sie standhaft ignoriert.

    In dubio pro reko

  • Vielen Dank für den Hinweis! Ja, wenn wir Guratzsch nicht hätten, jemanden, der Klartext redet, wo sonst Planer wie Presseleute mit Fleiß immer an den eigentlichen Missständen vorbeischauen! "Ein Planungsdesaster von historischem Ausmaß" - so ist es, und dieses Desaster wird Jahrzehnt für Jahrzehnt stumpfsinnig fortgesponnen, obwohl die von der Bevölkerung (so weit bekannt) gefeierten Gegenbeispiele gewissermaßen vor der Haustür liegen, vor allem in Holland. Aber wenn schon Baukultur die Sachwalter des Planungsalltags nicht interessiert, dann Stadtbaukultur erst recht nicht. Dafür haben sie den Kopf nicht frei und so wursteln sie nach scheinbar bewährten Rezepten einfach immer weiter.

  • Im DB-Magazin "mobil" Ausgabe: 08.2013 gibt es derzeit einen sehr interessanten Artikel über Stadtplanung: "Unser Platz" von Hans Oberländer auf den Seiten 56 bis 61.

    "Die Bausünden von Jahrzehnten machten viele Innenstädte zu Orten der Ödnis. Jetzt werden öffentliche Plätze als Spielwiesen für die Bürger gestaltet und erleben so eine Wiedergeburt."

    "Zurück zum historisch Bewährten"

    Es gibt auch eine Online-Ausgabe, bitte Link beachten:
    http://mobil.deutschebahn.com/was-bleibt/unser-platz/

    Für weniger Ideologie!

  • Ich finde grad keinen anderen Themenstrang, deshalb packe ich den Artikel einfach mal hier rein.

    Bausünden gibt es viele, eine Sammlung findet sich jetzt gebunden auf 180 Seiten von der Autorin Turit Fröbe. Hier finden sich einige bekannte, einige weniger bekannt Bauwerke, besonders aus Berlin. Auch gibt es eine Erklärung für das Aussehen der Humboldtbox.


    http://www.welt.de/kultur/kunst-u…Bausuenden.html

    APH - am Puls der Zeit

  • Ich weiß gar nicht, wieso das Alexa immer wieder als Bausünde vorgebracht wird, ich finde das Gebäude eigentlich ganz gut, da gibt es weitaus Schlimmeres, gerade in Berlin.

    In dubio pro reko

  • Das stimmt - auch wenn die Art Deco-Ansätze in diesem Fall wirklich ein bisschen künstlich nach Disneyland aussehen. Aber ein Hauptkritikpunkt am Alexa ist auch die bauliche Lösung Einkaufszentrum an diesem Ort. Der Stimmann-Plan sah ja glaube ich an der Stelle eine bauliche Neuordnung mit Einzelgebäuden vor - im Sinne der Stadtreparatur wäre es sicherlich geeigneter gewesen.

    ...

  • Zitat


    Wohnraum-Studie: Forscher warnen vor Verwahrlosung deutscher Städte

    Deutschland steht vor einem Paradox: Mieten sind in vielen Großstädten kaum noch bezahlbar, gleichzeitig stehen ganze Wohngebiete leer. Eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt, wie sich diese Entwicklung fortsetzen wird: Die Forscher warnen vor Zuständen wie in Detroit.

    ...Der deutsche Wohnungsmarkt driftet auseinander - zu diesem Schluss kommt auch eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, die am Donnerstag vorgestellt wird. Demnach wird die Nachfrage nach Wohnraum in Metropolen und ihrem Umkreis weiter zunehmen. Zugleich aber werde sich "das Phänomen schrumpfender Städte und Kreise zum Massenphänomen ausweiten", so Studienautor Michael Voigtländer....

    ...Bis zum Jahr 2050 ist der Gipfel der Nachfrage den Berechnungen zufolge auf jeden Fall überschritten. Schon vorher werden besonders Regionen in Thüringen und Sachsen-Anhalt den schrumpfenden Wohnungsmarkt zu spüren bekommen. Im thüringischen Suhl etwa könnte die Nachfrage bis 2030 um fast 23 Prozent einbrechen - jede fünfte Wohnung wäre dann überflüssig. Doch auch im Westen der Republik gehen Kommunen auf Schrumpfkurs: Im Kreis Salzgitter könnte die Nachfrage um 17 Prozent zurückgehen, in Remscheid um fast 14 Prozent.

    Zunehmen wird die Nachfrage dagegen in Großstädten wie München (um 13,5 Prozent), Hamburg (7,1 Prozent), Frankfurt (6,8 Prozent) und Berlin (6,4 Prozent). Beachtlich ist jedoch, dass die stärkste Zunahme nicht in einer Stadt, sondern dem Münchner Umland erwartet wird. Kreise wie Erding (plus 15,8 Prozent), Ebersberg (14,5 Prozent), Dachau (13,8 Prozent) und Freising (13,6 Prozent) dürften den Forschern zufolge den größten Ansturm erleben. ...

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soz…e-a-920535.html

    APH - am Puls der Zeit

  • Hallo zusammen,

    da dieses Interview in der PNN es einfach allgemeingültig auf den Punkt bringt, und der Potsdam-Thread daher schon zu speziell ist, hier veröffentlicht und für absolut lesenswert empfunden. Danke Herr Philipp Maaß, dass ich zumindest in Teilen meine Ansicht über Architekten revidieren durfte.

    Zitat: "Es gibt unter der großen Mehrheit der Architekten einen demokratieabträglichen Absolutheitsanspruch, der inhaltlich besagt, dass moderne Architektur abstrakt und reduziert sein muss, dass es etwa keine Gesimse geben darf oder keine Profilierung der Fassade. ... Nun existiert die dadurch fast zwangsläufige Kisten- und Kubenarchitektur schon seit fast einhundert Jahren, nur dass Sichtbeton jetzt manches Mal durch Glas ersetzt wird. Genau genommen wird mit der abstrakt-modernen Architektur durch dieses ständige Wiederholen bekannter Formen Historisierung betrieben, also das, was man denjenigen, die sich für traditionelle Architektur oder gar Rekonstruktionen aussprechen, oft mit den Schlagwörtern „Lüge und Fälschung“ vorwirft." Und weiter sagt er, Zitat "Ich denke, dass die bisherige Durchsetzung des Absolutheitsanspruchs für eine architektonische Moderne, die sich in Abstraktion und Reduktion erschöpft, damit selbst beschneiden und stetig wiederholen soll, gerade das beschwört und begründet, was ihre Vertreter doch zu einhundert Prozent ablehnen: den Wunsch nach der Rekonstruktion. Ein klassisches Paradoxon!" Großartig! Durch das massive Bekämpfen der Historie wird die Historie beschworen und gewünscht. Einfach großartig. Und weiter "Doch wenn die Akzeptanz für die abstrakte Moderne der jeweiligen Epoche fehlt, reißt jede Generation die Bauten der vorangegangenen wieder ab: eine unglaubliche Verschwendung von finanziellen wie baulichen Ressourcen in einer insgesamt schrumpfenden und alternden Gesellschaft." Mit anderen Worten: wir können uns keine Beliebigkeit der Moderne mehr leisten. Na wenn das kein Statement ist. Und zuletzt auch noch das: "Ideen, Pläne und Stadtgestaltungen zur Findung ausschließlich an Wettbewerbsjurys mit bekannter Zusammensetzung zu vergeben, wirkt im Ergebnis ungefähr so, wie wenn Pharmaunternehmen die Gesetze für die Gesundheitspolitik schreiben." Welch Rückrad hat doch dieser Herr Phillip Maaß. Mit dieser Aussage gewinnt der nie wieder einen Architektenwettbewerb. Dabei ist doch die Aussage mehr als Wahr. Das gehört prämiert! Warum nur ist er nicht mehr als Architekt tätig?

    Grüße...
    Luftpost

    Einmal editiert, zuletzt von Luftpost (2. Januar 2014 um 21:28)


  • Aber seit wann ist denn Philipp Maaß Architekt? Hat er nicht Soziologie studiert und beim hochgeschätzten Prof. Rehberg promoviert?

    Hallo Bilderbuch,

    dann revidiere ich sogleich meine halb-revidierte Meinung zum Berufsstand des Architekten und sage weiterhin: der gehört abgeschafft, solange die nichts besseres fabrizieren, als Würfelhusten oder höhlenartige Skulpturen.

    Grüße...
    Luftpost

  • Vielleicht ließe sich die Angelegenheit wie folgt formulieren?

    Es gibt keine von vornherein guten und schlechten Architekten,
    nur eben solche, die eine lebendige, unmittelbare Anschauung vor Ort haben,
    die sich zum Bauplatz hinbegeben und ihre Sinne walten lassen ...

    ... und solche, die es nicht tun, die von Sydney aus Gebäude in New York
    oder Chicago planen, von Oman aus Gebäude in Stockholm oder Berlin,
    von Sao Paulo Gebäude in Nairobi, Prag oder Teheran.

    Ohne zuvor einen Fuß auf den Bauplatz gesetzt zu haben und ohne
    von ihren abstrakten Prinzipien gelassen zu haben.

    Dementsprechend sehen die Gebäude dann eben auch aus:
    Allerweltlich, austauschbar, überall & nirgends, eine nur variiertere Ausgabe der Einheitsbauten des Staatssozialismus,
    seinerzeit programmatisch und gleichförmig zwischen Eisenach und Wladiwostok auf die Erde gestellt,
    heute erdumspannend mit etwas mehr Proportion und etwas variierteren Bauteilen versehen.

  • je banaler die Kisten desto größer der Dummsprech:

    Zitat

    Marketing-Sprache: Willkommen im ParkHofBogenQuartierPalais

    "Hurry up, Marc!", "Karree Monte Venezia", "Wohnduett Johann & Louise": Immobilienfirmen erfinden hochtrabende Namen für ihre Neubauprojekte. Je bombastischer die Formulierung, desto einfallsloser die Architektur.
    [...]
    Die bombastischen Namen der Häuser stehen oft in seltsamem Kontrast zu ihrer faden Erscheinung. Meist sind es austauschbare Allerweltsbauten, in der Regel teilverklinkerte Flachdach-Würfel mit Maxi-Balkonen, um Quadratmeter zu schinden. Eine Ansammlung von Betonfertigteilen und Gipskartonwänden. Schmucklos, nicht weil es gerade Zeitgeist ist, sondern billig.

    Mit dem besonderen Namen, so das Kalkül, erwecken die Häuser den Anschein der Exklusivität. Ein oft benutzter Trick: die Personalisierung. In Hamburg werden zwei benachbarte Häuser als "Wohnduett Johann & Louise" vermarktet, in Berlin nehmen die "Drei Marien Parkvillen" Gestalt an, nämlich "Marie Louise", "Marie Charlotte" und "Marie Sophie". Andere Bauträger versuchen mit dem Einsatz englischer Vokabeln, ein Gefühl von Weltläufigkeit zu erzeugen: "The Charleston" (Berlin), "The Monaco" (München) oder "The House" (Berlin).
    [...]

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/unt…e-a-954177.html

    Eigentlich ideal fürs bullshit-bingo geeignet... :lachen:

  • Sehr schön, dass diese Auswüchse auch einmal öffentlich thematisiert werden. Bei uns im Münchener Hirschgarten gibt es neben dem Hirschgarten Palais auch noch die Hirschpark-Terassen, die Park-Residenz Hirschgarten, das Hirschgarten-Forum, das inPunkto Hirschgarten (übrigens sehenswerte Aussiedler-Retroarchitektur, bis auf die Balkongitter sieht das Gebäude aus wie aus den 50ern) und ganz neu das protzige "Friends", von dem bisher jedoch nur übergroße Werbetafeln existieren. Anspruchsvolle, hochwertige Architektur findet man jedoch kaum, dafür tolle Namen.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Zitat

    Wie eine Planerkaste unsere Städte ruiniert
    Weil die Mieten in besonders beliebten Quartieren rasant steigen, rufen Politiker wieder nach Regulierung. Dabei war es dieser staatliche Zugriff, der nach 1945 die deutschen Städte entstellt hat.

    Jahrzehntelang haben deutsche Stadtoberhäupter beklagt, dass die Innenstädte verödeten, dass sie zu Slums verkämen, dass bedrückende Ghettos entstünden. Nun plötzlich sind die Innenstädte bei Mietern wieder gefragt. Eigentlich müssten dieselben Bürgermeister jetzt jubeln, denn alle düsteren Prophezeiungen haben sich als Hirngespinste entpuppt.

    Aber das Gegenteil ist der Fall. Der frische Wind, der die Märkte kräftig aufgemischt hat, soll abgewehrt, die erhöhte Nachfrage nach innerstädtischem Wohnen ausgebremst werden. Und das erreicht man am sichersten, indem man nach einem altbewährten Mittel greift: dem Einfrieren der Mieten, womit sich schon die Nazis und die Kommunisten die Regie über die Städte, Wohnwünsche und Lebensplanung der Menschen angeeignet hatten. Mit Mietpreisbremsen, Mietspiegeln und der Reglementierung des Wohnungsbaus in den Großstädten kehrt der Dirigismus in den Städtebau zurück.
    [...]


    http://www.welt.de/debatte/kommen…e-ruiniert.html