• Bevor wir den letzten Gang in Sachen Südmähren und Österreich einlegen, bleiben wir der Systemlosigkeit dieses Stranges treu bzw treiben diese auf die Spitze, indem wir uns mit einer bisher hier zu Unrecht sehr vernachlässigten Stadt beschäftigen: Meißen.

    Für diese Vernachlässigung besteht aller Grund - eine Übersicht über das ZG-Vorkommen in dieser Stadt ist angesichts des unbefriedigenden Dokumentationsstandes (womit natürlich die Verfügbarkeit der Abbildungen gemeint ist) ziemlich mühselig.

    Und das nicht nur internetmäßig... Ich darf von mir behaupten, dass ich Meißen-und Sachsen-mäßig recht gut aufgestellt bin, was Architekturbücher, insb. Bildbände betrifft. Aber zB die ZG im Bischofsschloss... glatte Fehlanzeige... Selbst das Spezialwerk der beiden Radas lässt, was Bildmaterial betrifft, da völlig aus.

    Dank des Buches von M+O Rada bin ich sehr wohl in der Lage, alle ZGs dieser Stadt aufzulisten, aber damit hat es sich schon.

    "Meißen-ZG" wird eigentlich nur mit der Albrechtsburg assoziiert, und auch hier nur mit bestimmten Räumen.

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    Der Meißner Burgberg als ein Eldorado für ZG-Liebhaber (oder soll man "Mekka" sagen?).

    Natürlich gibt es hier die größte Akkumulation von ZG auf engstem Raum weltweit.

    Sachsens Museen entdecken - Museum - Albrechtsburg Meißen

    Hier wären zu nennen: Albrechtsburg

    Dom-Kreuzgang

    Bischofschloss

    Probstei-Gebäude (Burgplatz 7).


    Und trotzdem... steht dieses grandiose Ensemble im Zeichen der sakralen Gotik, des Doms, letztlich bis zu einem gewissen Grade der Neogotik mit leichten Jugendstilelementen. Die ZG bleiben sogar hier als Minderheitenprogramm im Schatten des eigentlichen architektonischen Geschehens, bzw eine Art Fußnote. Dazu kommt, dass der geniale Meister Arnold hier etliche andere Architekturelemente ausprobliert und etabliert hat, die mit seinem Stil weit eher assoziiert werden - die "Vorhangbogenfenster", Sitznischenportale, überschneidende Kehlungen an Portalen...

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    Stromer7

    Probstei, Burgplatz 7. Herrliche Architekturdetails in beeindruckender Kumulation. So ganz nebenbei ist das Erdgeschoss mit ZG versehen.

    Ins Bischofschloss hab ich mal durch verschlossene Türen oder Fenster reingeschaut - herrliche ZG. Als Amtsgericht oder so was ist es höchstens zu Parteienverkehrszeiten zugänglich, und da nur bestimmte Räume oder Fluchten, wenn überhaubt. Ich war leider am WE dort. Die Radas erwähnen nur den Turm Liebenstein und eine Wendeltreppe, ein Aufriss des EGs nach Gurlitt e.a. zeigt an, dass es etliche ZG geben muss, so auch Wikipedia:

    "Im Erdgeschoss sind über eigenartig verschachtelten Räumen reiche Zellengewölbe eingezogen, die Räume im Obergeschoss wurden zumeist durch Umbauten entstellt."

    Der Turm Liebenstein ist in gleich drei übereinanderliegenden Geschossen mit ZG versehen. Sie wurden hier erstmals in einem Rundbau angelegt. Das ist dann bei M+O-Rada näher beschrieben, aber was taugt uns schon ein erzähltes Mittagessen?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Die Albrechtsburg in Meißen ist in diesem Kontext so bedeutend, weil das Zellengewölbe von hier wohl seinen Siegeszug antrat, somit entwicklungsgeschichtlich an den Anfang gestellt werden muss: https://wissen.schloesserland-sachsen.de/haeuser-gaerte…e-der-gewoelbe/

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  • Wahrscheinlich hätte man in Polen noch mehr Rückschlüsse gewinnen können, da hier einschlägige Erfahrungen vorliegen müssen, nämlich beim Wiederaufbau der Danziger Kirchen, allen voran der Marienkirche, deren ZG eingestürzt waren. Nützlich ist es auch, sich die erhaltenen ZG von oben anzusehen, dh von der "Rückseite".

    Leider wurde in Leipzig das weitgehend erhaltene ZG des teilzerstörten Observantenklosters nach 45 demoliert.

    Die eine These dieses Films halte ich für nicht zutreffend: Nämlich dass ZG dazu dienten, besonders große Räume einzuwölben. Gibt es dann außerhalb von Thüringen ostwärts bis ins Baltikum und südlich bis zur Donau keine eingewölbten großen Räume?

    Am Ende der Gotik entstanden in vielen Regionen "manieristische" Spielarten von Gewölben. Ich denke da zum Beispiel an die Schlingrippengewölbe, gekappte Rippen oder den Versuch, die Rippen vollkommen von den Gewölbekappen zu lösen. Auswüchse und Experimente (um es mal etwas negativ zu betiteln) sind ein häufiges Phänomen von Spätphasen einer Entwicklung.

    DAS ist auch mE der einzige Sinn und Zweck der ZG. Ich möchte irgendwann noch näher drauf eingehen, aber hier aus gegebenem Anlass (der letztverlinkte Film) nur soviel: Die Technik der ZG bewirkte keinen eigentlichen "wölbetechnischen Fortschritt", sondern bedeutete letztlich wohl eine funktionalistisch betrachtet höchst unnötige Erschwerung.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Die ZG in Meißen (Unter-)Stadt sind nicht so besonders zahlreich.

    Vor allem die Liste der betroffenen Bürgerbauten ist endenwollend und kann mit den mährischen Städten Zlabings und Znaim nicht mithalten. An sich hätte man sich für Meißen mehr erwarten dürfen.

    Rathaus, Obergeschoss: Steinernes Kämmerlein

    Marktplatz 9, Bennohaus:

    Eingangshalle:

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    Man beachte den Blick in die Wendeltreppe (siehe unten):

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    Bennohaus, Markt Nr. 9 : Radtouren und Radwege | komoot

    Dazu noch: Wendeltreppe (siehe oben 2. Bild)

    und ein von der Eingangshalle heute abgetrennter Raum EG links:

    Die Inneneinrichtung von Gewölberestaurant St. Benno

    Gewölberestaurant St. Benno, Meißen - Restaurantbewertungen (restaurantguru.com)

    Görnische Gasse 4, Eingangshalle

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    Görnische Gasse 4

    Beide Bilder: Görnische Gasse 4 (stadt-meissen.de)

    Wie gesagt: das ist keine besonders aufregende Bilanz, überhaupt angesichts der Tatsache, dass Meißen niemals zerstört worden ist. Wir können daraus folgern, dass die Bürgerstadt damals nicht besonders reich gewesen ist, und dass die Bauleute lieber woanders hingezogen sind, zB ins nahegelegene Dresden, wo sie auch beim Schlossumbau tätig wurden, und wo hinsichtlich der Bürgerhäuser keine verlässliche Aussage mehr zu treffen ist, und auch nach Pirna, wo es mindestens zwei Beispiele gibt (eigentlich auch nicht viel).

    Dieser überschaubare Verbreitungsgrad in den an und für sich gut erhaltenen Städten Sachsens (so auch Freiberg, Annaberg, man beachte auch den Umstand, dass sich in Städten wie Torgau und Wurzen abseits der Kirchen und Schlösser überhaupt nichts findet), lässt darauf schließen, dass die ZG in bürgerlichen Bauten offenbar ein Minderheitenprogramm blieben, das sich viele einfach nicht leisten konnten.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.