Hamburg - die alte Fachwerkstadt (Galerie)

  • Ein sehr interessantes Thema, danke für die Eröffnung dieses neuen Strangs. Man findet heute in Hamburg ziemlich zerstreut noch einige Fachwerkhäuser. Im Stadtteil Harburg gibt es sogar eine kleine Altstadt bzw. einen Rest davon. Ein großer Teil der Altstadt wurde schon beim Großen Brand 1842 zerstört und danach wurde sehr viel abgerissen. Ich habe eine Reiseführer für Hamburg von 1930 in dem immer noch von großflächigen Abrissen der Gängeviertel die Rede ist. Das letzte größere zusammenhängende Viertel wurde aber erst 1958 für den Bau des Unilever-Hochhauses abgerissen.

    Ich habe mal ein paar frei verfügbare Bilder aus den Wikimedia Commons gesammelt.

    Am bekanntesten sind neben dem Nikolaifleet denke ich die Krameramtsstuben in direkter Umgebung von St. Michaelis.


    Urheber: Arnold Plesse


    Urheber: Freepenguin

    Bäckerbreitergang


    Urheber: Staro 1

    Reimerstwiete

    Urheber: Ajepbah

    Urheber: Ajepbah

    Peterstraße, eine der prächtigsten Straßen Hamburgs, es handelt sich zum großen Teil um Rekonstruktionen aus den 60er bis 80er Jahren von verschiedenen ehemaligen Hamburger Häusern.


    Urheber: Staro1

    Urheber: Mbdortmund

    Thielbek


    Urheber: Dirtsc

    Valentinskamp

    Urheber: Ajepbah

    Nikolaifleet


    Urheber: KMJ

    3 Mal editiert, zuletzt von Michael (20. Januar 2013 um 18:08)

  • Hamburg war in der Tat äußerst faszinierend mit seiner Fachwerkarchitektur. Eine Mischung aus "norddeutschem" Frankfurt und Amsterdam, um es mal salopp zu beschreiben. Dennoch darf man die Hamburger Fachwerkviertel nicht durch die rosa Brille sehen. Die Wohnverhältnisse und die hygienischen Zustände waren unter aller Kanone. Mediziner der Zeit waren entsetzt. Robert Koch sprach von südeuropäischen Zuständen. Hoflatrinen, Prostitution und Gewalt durch Kneipenschlägereien waren an der Tagesordnung. Dass dort um die Jahrhundertwende (!) die Cholera ausbrach ist wahrlich kein Ruhmesblatt für HH und Deutschland! Die Sanierung, im Sinne von Gesundung, sprich Abriss dieser Viertel wurde im HH einhellig begrüßt und führte zu der von Lichtwark beklagten Abrissmentalität. Die seit den 20er Jahren begonnenen denkmalgerechte Sanierung (Katharinenstraße, Cremon, etc. ) wurde leider durch die Bombenangriffe ausradiert. So blieben vom alten HH nur sehr wenige Traditionsinseln wie das Nikolaifleet erhalten.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Die Auffassung, ein Haus, eine Siedlung, einen wie hier angesprochenen Gang, eine stadtgeschichtlich wichtige Siedlungsflächen ausgehend von den hygienischen Zuständen der Jahrhundertwende zu beurteilen, ist ein Schreckgespenst und ein Fehler, der seit Jahrzehnten die Meinung beeinträchtigt und den Blick auf das wesentliche trübt und leider auch die gewünschten Rechtfertigungsgründe liefert, um jedwede neue Ideologie durchzusetzen und um die öffentliche Meinung doch nur dahin zu verschieben, daß eben alles alte schlecht ist und alles neue gut.
    Dasjenige, was z.B. Hamburg und Frankfurt ausgemacht hat, ist über viele Jahrhunderte auf einer jeweiligen Hausparzelle gewachsen. Hierzu gehört z.B., daß eine Kaufmannsfamilie eben ihr Stammhaus hatte und dort gewohnt und gearbeitet wurde und dort ihr Geld verdient haben. All diese über jahrhunderte gewachsene Identität einer jeweiligen Stadt ist verloren und statt dessen haben sich städtische Wohnungsbaugesellschaften diese ganzen alten Parzellen angeeignet. Die Ergebnisse in Form dieser abartigen Wohnmaschinen, mit dem so überaus zukunftsweisenden Wort Wohnriegel, Zeilenbebauung etc. läßt sich u.a. östlich des Frankfurter Domes bewundern - und im Rückblick und der Erinnerung an das, was dort einst stand, macht die bestehende Gegenwart nur umso trostloser. Der Rückblick auf die Entwicklung des Dom-Römer-Projekts zeigt doch auch, daß auch dort immer wieder mit der Keule der beiden Schlagwörter Hygiene und Altstadtgesundung auf die Vertreter einer etwas substantielleren Meinung eingedroschen wurde und dabei vergessen oder verdrängen, daß eben der eigentliche Hintergrund der Altstadtgesundung zwischen 1933 und 1945 doch ein etwas anderer war als der, der imer wieder vorgegeben wird. Zugleich ist eine Erscheinung unserer Zeit, daß immer wieder die Hygiene um 1900 angesprochen wird, dabei aber immer wieder ausgeklammert wird, daß diese Häuser über einen Zeitraum von 500, 600, 700 Jahren "funktioniert" haben und daß eine Modernisierung dieser Häuser in Form der hygienischen Erfordernisse überhaupt nicht zur Debatte steht, weil diese ganz selbstverständlich ist. Offensichtlich ist man nicht bereit einzusehen, daß solche wundervollen Städte wie Limburg, Alsfeld, Butzbach usw. seit vielen Jahrhunderten bestehen und daß auch solche Häuser wie Römer 2-4-6 in Limburg mit einer Wasserversorgung und den hygienischen Erfordernissen hervorragend funktionieren. Das gilt für Limburg, dies läßt sich in Lübecks Gängen erkennen und dergleichen kann auch für Hamburg gelten.
    Ansonsten bleibt zu sagen, daß es seine Richtigkeit hätte, wenn es möglich wäre, dieses alte Stück Hamburg hier weiter zu präsentieren, denn es ist eine Freude.

  • Ich wollte ja nur anmerken, wie es kam, dass das alte Hamburg von den Hamburgern selbst so gering geschätzt wurde. Die Gängeviertel Hamburgs sind, was ihren hygienischen und sozialen Zustand um die Jahrhundertwende angeht, mit keiner anderen Altstadt Deutschlands zu vergleichen. Schon gar nicht mit einer Kleinstadt wie Limburg. Sie waren weitgehend Wohnviertel der Unterschicht, regelrechte Slums. Das Verschwinden der Gänge und Höfe, war für Zeitgenossen ein Segen für die Stadt, ging es doch auch mit einer "sozialen Gesundung" allerdings durch Verdrängung der Bewohner einher. Dass dabei auch ausnahmslos die Vorderhäuser verschwanden ist aber schon traurig. Davon abgesehen sehe ich auch keinen Sinn in der Sanierung hüttenhafter Hinterhäuser. Ich habe mich mal mit dem alten Hamburg beschäftigt und muss sagen, dass die Gänge und Höfe das Problem waren. Sie waren einfach nicht sanierungsfähig. Die Wohnungen waren dunkel, muffig und feucht, das hätte durch die schiere Enge auch nicht behoben werden können.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

    Einmal editiert, zuletzt von Pfälzer Bub (21. Januar 2013 um 13:32)

  • Das Gebäude erinnert mich irgendwie an einen 50er-Jahre Bau. Jedenfalls auch nicht schöner. Muss man das bestaunen, nur weil es alt ist?

    Bewundern nicht, aber dabei handelt es sich um eines der letzten verbliebenen Neustädter Fachwerbauten. deshalb hat es als Denkmal einen besonderen Stellenwert. Weniger frontal abgelichtet ist es auch durchaus fotogen
    http://antiwome.homeip.net:8080/foto/2005/03/2…30_122429AA.jpg

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  • ...dies läßt sich in Lübecks Gängen erkennen und dergleichen kann auch für Hamburg gelten.

    Ein kleiner Nachtrag:
    Die Lübecker Gänge waren, soweit ich informiert bin, bitte korrigieren wenn ich mich irre, Sozialprojekte für die ärmere Bevölkerung, ähnlich der Fuggerei in Augsburg. In Hamburg würden diese rein spekulativ bebaut ohne sozialen Gedanken, rein aus Profit. Der Name täuscht.
    Dem Neustädter Gängeviertel lag keinerlei Plan zugrunde. Es war ein einziger Irrgarten aus Fachwerkhöfen und Gassen
    Hier:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Gängeviertel

    steht beispielsweise, dass die Zustände schon im 18 JH beklagenswert waren, da war man sonst nicht so zartfühlend.

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  • Ich stimme Weingeist voll und ganz zu. Die Abrisse um 1900 kann ich verstehen als die Zustände am schlechtesten waren, im 17./18. Jahrhundert gab es sicher noch Gärten hinter den Häusern, die mit dem Anstieg der Bevölkerung immer dichter bebaut wurden, aber nicht als Ende der 1950er Jahre das letzte verbliebene Gängeviertel abgerissen wurde.

    Hamburg bestand aber nicht nur aus den Gängevierteln, sondern zu großen Teilen aus Kaufmannshäusern, die ebenfalls häufig Fachwerkhäuser waren, wie man gut auf den von DortmundWestfalica verlinkten Bildern sieht.

    @Volker: Ich bin außerordentlich froh dass dieses Haus noch steht, es war bis vor kurzem wie seine Nachbarhäuser vom Abriss bedroht und ich kann es auch auf Grund seines Alters bestaunen, wie ich es in 300 Jahren wohl auch für einen 50er Jahre Bau könnte, wenn es nur noch eine handvoll davon gäbe.

  • Bestaunen nur aufgrund des Alters (hier im Forum öfter anzutreffen) ist für mich keine Option, das ist Altersfetischismus nach dem Prinzip "des Kaisers neue Kleider", und mit dem Modernitätsfetischismus gleichzusetzen. Ein Haus muss schön aussehen und dadurch Wert erhalten, das allein zählt für mich. Ob es 1700 oder 1900 erbaut wurde ist mir dabei gleich. Und an diesem Fachwerkaus kann ich nunmal optisch nichts reizvolles entdecken, es sieht einfach langweilig funktional aus, was soll daran (ohne besagte Brille betrachtet) besser sein als an einem Nachkriegsbau? Es ist eben alt, na und?

    PS: Ich will jetzt aber keine off-topic Diskussion lostreten, daher wieder zurück zum Thema.

    In dubio pro reko