Lübeck - Neubauten im Gründerviertel

  • frank1204 Von den sieben Links lassen sich nur zwei öffnen, der erste und der dritte. Bei den restlichen stellt sich Google quer.

    Danke für den Hinweis. Ich hatte das befürchtet. Es scheinen dann temporäre Links gewesen zu sein. Ich hatte die zwar extra in einem anderen Browser ausprobiert, um zu prüfen, ob das nur bei mir gültige Session-Links sind - da ging es - aber offenbar sind die Links dann zeitlich begrenzt gültig gewesen - oder nur für meine IP. Wie auch immer - ich habe die nicht funktionierenden Links entfernt, da die Bilder auch alle über die beiden funktionierenden Links zu sehen sind - man muss dann halt etwas scrollen.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Neuer Entwurf für Braunstraße 16

    Im Gründungsviertel geht es nun doch langsam weiter. Das Grundstück Braunstraße 16 ist nun in die Anhandgabe gegangen. Bei der heutigen Sitzung des Gestaltungsbeirats, der ich beiwohnte, stellte der neue Bauherr seinen Entwurf für das Grundstück vor. Vorweg: dieser neue Entwurf gefällt mir sehr gut - eine deutliche Verbesserung zu den beiden Vorgängern, aus denen glücklicherweise nichts geworden ist.

    Abb.1: Braunstraße 16, Architekt Sönke Utke. Mir gefällt der Entwurf sehr gut - lübeck-typisch und passt daher gut in die Altstadt. Sehr schön auch, dass hier endlich einmal Backsteine in historischer Farbgebung zur Anwendung kommen sollen. Viel besser als dieser ganze unpassende bunte Steinreigen vieler anderer Häuser. Überhaupt ein sehr unaufgeregter Entwurf. Schön auch die Blendnische ganz oben im Giebel.

    Der Beirat regte noch folgendes an:
    - die Steine sollten so zugeschnitten werden, dass es nicht nach beliebig vorgeblendeter Ziegeltapete aussieht, sondern nach tragender Wand. Aus den Steinen soll die Statik der Fassade ablesbar sein.
    - das Gesims über dem EG sollte nicht auf einer Höhe mit dem des Nachbarhauses liegen. Hier wird es noch eine Verschiebung geben - ich hoffe ein wenig nach unten.
    - Die bisher außen aus Aluminium geplanten Fenster sollten stattdessen aus Holz gefertigt werden.
    - Irgendwo wollten sie noch Rollschichten haben, habe aber nicht genau verstanden wo.


    Die Plätze für das Publikum waren seitlich zum Monitor angeordnet, auf dem die Bilder gezeigt wurden. Daher konnte ich nur aus spitzem Winkel fotografieren. Ich habe das obige Bild geradegerichtet, bei den folgenden spare ich mir den Aufwand aber, daher schräge:

    Es standen vier Varianten zur Diskussion, jeweils mit und ohne Faschen und mit geraden und bogigen Fenstern:

    Abb.2: Varianten 1 und 2, rundbogige Fenster


    Abb.3: Varianten 3 und 4, gerade Fenster

    Der Beirat empfahl Variante 2, die auch aus meiner Sicht die beste ist.


    Abb. 4: Varianten der Rückseiten, einmal verputzt und einmal steinsichtig. Der Bauher bevorzugte die steinsichtige, da der Putz immer mal wieder gestrichen werden muss und dann alles, z.B. das Gerüst, durch das Haus getragen werden muss, da es keinen anderen Zugang gibt. Dass man das vermeiden möchte, ist verständlich. Der Beirat empfahl allerdings eine geschlämmte Steinfassade. Nach meiner Beobachtung muss man da sogar noch öfter dran als an eine Putzfassade...
    Die asymmetrische Traufhöhe auf dem Bild ist übrigens ein Darstellungsfehler, beide Seiten sollen natürlich gleich hoch werden.


       

    Abb.5: Hier noch einmal zum Vergleich die beiden furchtbaren Vorgängerentwürfe (links 2016, rechts 2018). Da ist der neue Entwurf doch eine ganz erhebliche Verbesserung!


    Abb.6: Der neue Entwurf in der Straßenansicht.Er wertet die Straße meiner Meinung nach erheblich auf. Ich hoffe, dass die Nr. 20 auch in der zu sehenden oder ähnlicher Form kommen wird - das Grundstück ist ja noch frei, da der ehemalige Bauherr abgesprungen war.

    Alle Fotos von mir

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  • Diese Entwürfe wirken fürs erste ansprechend und positiv und könnten vielleicht im Endergebnis dazu führen, daß man sich im Vergleich zum Angebot im Gründungsviertel mit ihnen sicher sehr gut arrangieren kann. Vielleicht könnte man noch auf einige Details eingehen, die vielleicht noch zu optimieren wären, aber das ist wirklich ein guter erster Eindruck, der optisch Spaß macht. Die Braunstaße hätte sicher das Potential, sich zu einer emporgehobenen Position in diesem Bereich entwickeln zu können. Das trifft nicht auf alle sonstigen Straßen des Gründungsviertels zu.

    Die Tuchfühlung mit den Entwürfen aus 16 und 18 ist demgegenüber einfach nur zum Verzweifeln. Wollte man damit ein Verlustgefühl nach den 80ern kompensieren, hat Lübeck in den 70ern und 80ern ansonsen keine innerstädtischen Beglückungen erhalten, daß man sie im Gründungsviertel noch einmal hätte aufgießen müssen?

  • Danke für die Bilder vom aktuellen Neubauprojekt.

    Ich finde, das Gründerviertel mausert sich immer mehr zu einem wirklich großartigen, stimmigen und Lübecker Atmosphäre Atmendem Wiederaufbau- Projekt. Selbst fast ganz ohne Rekos (was hier und da natürlich noch eine Zacken besser gewesen wäre). Großen Glückwunsch von der Elbe in die Hansestadt und alles Gute für die letzten Baufelder!

  • Update vom 21.09.2024

    Nach einiger Zeit der Ruhe kommt jetzt die Bautätigkeit wieder in Gang:

    Abb.1: Fischstraße 23: Die Kellerwände stehen inzwischen. Es ist hier leider das eingetreten, was ich befürchtet hatte: Der furchtbare Entwurf für dieses Grundstück wird offenbar tatsächlich doch noch gebaut:


    Fischstrasse_23-kl.jpeg

    Abb.2: Fischstraße 23, Hangebruch Amman Architekten, Foto von mir aus der GBR-Sitzung am 08.03.2018. Ja, richtig gelesen: Der Entwurf wurde bereits vor über 6 1/2 Jahren vorgestellt. Ich hatte gehofft, dass das nach dieser langen Zeit nichts mehr werden wird und wie bei den meisten anderen "Dauerbaulücken" auch hier ein neuer Bauherr mit einem neuen Entwurf kommen würde. Tja, offenbar "Pustekuchen". Ich lasse mich jetzt aber nicht nochmal darüber aus - das hatte ich bereits seinerzeit gemacht. Sonst schreibe ich mich noch in Rage. Wer sich mehr zu diesem Entwurf antun möchte, kann das auf der Seite der Architekten machen. Soweit ich vorhin irgendwo gesehen hatte, steht noch eine Wohnung von 70qm für über 400.000 Euro zum Verkauf. Wer gibt denn für so etwas soviel Geld aus?


    Abb.3: Fassadenproben für Fischstraße 23. Es wird im wesentlichen Klinker werden, aber die schmalen Zwischenräume zwischen den Fenstern werden aus eingefärbtem Beton gefertigt. Das "Arrangement" in Mitte sieht ja zumindest farblich ganz angenehm aus. Auch hier aber wieder die inzwischen obligatorischen Gefängnisgitter, sogar außenliegend, was im Gestaltungsleitfaden nicht erwünscht war. Hoffentlich wird es wenigstens nicht die links zu sehende Variante mit den einfärbten Steinen und Fugen. Das wäre bei dem Haus aber auch schon fast egal. Das ganze steht übrigens auf dem noch freien Grundstück Nr. 28b. schräg gegenüber und einige Parzellen die Straße hinab. Wie dahinter zu erahnen ist, steht dort auch der Baukran. D.h. es muss sämtliches Baumaterial über Straße und einige Häuser gehoben werden. Auch nicht gerade angenehm. Wenn das Vorhaben Nr. 26 (die Fassadenreko) auch endlich mal "in die Puschen" käme, könnten die den Kran ja gleich mitnutzen.


    Abb. 4: Fassadenprobe auf dem Grundstück Fischstraße 15. Offenbar geht es hier auch bald los. Vielleicht kommt ja zumindest hier ein neuer Entwurf statt des am 15.11.2018 im GBR vorgestellten (s.u.). Kleiner Tipp meinerseits: Bitte die Fugen schließen und hellen Mörtel nehmen. So wie auf dem Bild ist es leider nicht ortstypisch. Die Steine an sich finde ich aber sehr passend.


    fischstrae_15iycz5.jpg

    Abb.5: Fischstraße 15, Ziebell + Partner, Foto von mir aus der GBR-Sitzung am 15.11.2018. Da auf dem Bild oben aber rote Steine zu sehen sind, hege ich die Hoffnung, dass hier auch ein ganz anderer und hoffentlich besserer Entwurf kommen wird.

    Alle Fotos von mir

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Heute mal eine Ansicht der Fischstraße vom gegenüberliegenden Traveufer aus. Ich hatte hier vor längerer Zeit schon mal ein ähnliches Bild gepostet, aber inzwischen sind mehr Häuser fertig:

    Der Kran steht auf dem Eckgrundstück 28b und wird für die Baustelle Nr. 23 genutzt.

    Und noch eine Detailansicht aus dem Bild:

    In die zusehende Lücke kommt dann noch die Fassadenreko Nr. 26.

    Fotos von mir vom 22.09.2024

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Was kann man aus den Unzulänglichkeiten des Lübecker Gründungsviertels für Satzungen künftiger Altstadtverdichtungen lernen? Welche Fehler sollten z.B. beim künftigen Magdeburger Altstadtprojekt, dem Prämonstratenserberg, vermieden werden. Welche Gestaltungsvorgaben kosten nicht allzuviel, bringen aber eine erhebliche Gestaltungswirkung?

  • Was genau ist denn überhaupt schiefgegangen?

    Meiner Meinung nach haben die Architekten es in Lübeck nicht vermocht, überzeugende Entwürfe in Anlehnung an die traditionelle örtliche Architektursprache zu entwickeln.

    Dabei wäre dies gerade in Lübeck einfach gewesen, denn in Schleswig -Holstein wurde speziell Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts oft sehr schlicht gebaut: Simple, schmucklose Ziegelbauten mit Sprossenfenstern. Im Gegensatz zu den realisierten Neubauten im Gründerviertel aber mit in sich stimmigen Proportionen.

    Es bräuchte strengere stilistische Vorgaben, und definitiv mehr echte Rekos (Leitbauten).

  • Meiner Meinung nach haben die Architekten es in Lübeck nicht vermocht, überzeugende Entwürfe in Anlehnung an die traditionelle örtliche Architektursprache zu entwickeln

    Hä, wie bitte? Also ich finde die Neubauten im Gründerviertel in Lübeck schon überaus stimmig und gelungen. 2-3 Rekonstruktionen von besonders wertvollen Fassaden wären halt wichtig gewesen.....

  • Man würde sich den Fassaden im Gründungsviertel wesentlich unverkrampfter annähern können, wenn die irgendwo anders stehen würden. Hier wirken sie steril, dialektfremd und unpatiniert. Trotz des standorttypischen Materials strahlen sie eine gewisse Steifheit aus. Der Vergleich mit alten Bildern und mit dem, was hier mal stand, ist vor allem vor dem Hintergrund der schon wahrzeichenhaften Marientürme oft sehr frustbehaftet. Die Macht der alten Bilder ist vor dem geschichtlichen Hintergrund als Gründungs- und Kaufmannsviertel hier wirklich sehr hoch; hier lag das geistige Herz der Stadt.

    2-3 Rekonstruktionen von besonders wertvollen Fassaden wären halt wichtig gewesen.....

    Da Problem ist, daß hier in der Alf-, Fisch- und Braunstaße so ziemlich alle Fassaden wichtig waren. Jetzt: eine etwas anämische Fischkopfbaumaßnahme.

    Für Magdeburg: "authentisches" Material, wenn Backstein (kommt das hier überhaupt in Betracht?) kein Fabrikziegel, sondern handgestrichen, keine Experimente, sondern ausarbeiten, was für die alte Stadt charakteristisch ist. Fenstergrößen in einem traditionellen Maß und nicht als Strichcode, stadt- und regionaltypische Ziegel, keine schnurgraden Gassen und Wege, Vorderfassaden als Straßenfassade, Rückfassade auch öffentlich als Fußweg, evtl. Durchwegung von Höfen wie in Dresden im Quartier Hoym. To be continued.

  • Weingeist

    Alles geht halt nicht immer. Ging auch am Neumarkt nicht. Aber ab der Existenz von mind. einem Architekturfragment hätte ich die Reko gefordert/festgeschrieben.

    Es zeigt sich einmal mehr, wie wichtig das engagierte bürgerschaftliche Promoten von Rekonstruktionen ist. Im Alleingang nach dem Motto "das müssen die doch wissen" passiert da rein gar nichts (siehe auch Berlin)

    Das Palais Hoym am Neumarkt war bis 1990 vollkommen in Vergessenheit geraten. Indem wir es aber nicht immer nur forderten, sondern mit unzähligen Bildern, Visualisierungen und am Ende auch mit einer umfangreichen Publikation in einer eigenen Broschüre vorstellten und publik machten, konnte auch das SPA nicht mehr drumherum und der Bau war schon 15-20 Jahre vor seiner jetzt erfolgenden Reko wieder in aller Munde:

  • Existenz von mind. einem Architekturfragment

    Leider spielt da auch der geschichtliche Hintergrund mit dem Detail als erster Luftangriff auf eine deutsche Stadt 1942 und danach der forcierte Umgang mit dem Areal und der Ruinenberäumung hinein. Luftbilder in der Literatur zeigen hier den Horror vacui noch zur Zeit des Kriegs sehr deutlich. Da das wesentliche Baumaterial Backstein war und Bestandteile nicht immer aus Sandstein waren, war eine Sicherstellung nicht selbstverständlich.

  • Ja, leider war die Trümmerräumung in Lübeck wirklich sehr schnell und sehr gründlich. Laut dem sehr guten Buch "Bomber gegen Lübeck", dass den Luftangriff und die zerstörten Bauten ausführlich dokumentiert, aber auch auf die Trümmerräumung und den Wiederaufbau (letzteres allerdings nur sehr knapp) eingeht, begannen die Aufräumarbeiten unmittelbar nach dem Luftangriff und dem Löschen der teils noch tagelang schwelenden Brände und waren im Wesentlichen bis Ende 1942 abgeschlossen - also zu einem Zeitpunkt, als die meisten anderen Städte noch nicht mal zerstört waren.

    Die Enttrümmerung war dabei so gründlich, dass nur wenige erhaltene Fassaden stehen blieben, vor allem die Löwenapotheke, das 20er-Jahre-Kaufhaus am Klingenberg, die Fassaden Fischstraße 15-19 und vielleicht ein halbes Dutzend Portale und zwei Handvoll weitere Fassaden (z.B. Kohlmarkt 13, dessen Giebel erst 1946 einstürzte und dessen Fassadenrest inklusive Statius-von-Düren-Terrakotten und Portal dann bis Anfang der Fünfziger verschwand). Bis auf das ans neue Schabbelhaus Mengstraße 50 translozierte Portal von Fischstraße 34, das allerdings im Wesentlichen aus Backstein bestand, sind alle erhaltenen Portal- und Fassadenreste in den Nachkriegsjahren beseitigt worden. Von einigen der Portale, befinden sich Reste im Depot der Denkmalpflege, ebenso wie zahlreiche weitere Spolien von bereits vor dem Krieg abgebrochenen Häusern, ich weiß allerdings nicht, ob die alle mal sukzessive dokumentiert wurden und ob bei den meisten die Herkunft bekannt ist.

    Soweit ich weiß, hat die BIRL (Bürgerinitiative Rettet Lübeck) sich vor Beginn der Neubebauung des Gründungsviertels mal dafür eingesetzt, dass die Spolien aus dem Gründungsviertel auch wieder dorthin zurückkehren, aber da ich davon später nie wieder etwas gehört habe, ist das wohl im Sande verlaufen.

    Wobei es ja nicht unmöglich ist, auch im Nachhinein noch ein altes Portal zu rekonstruieren und an einem bereits fertigen Neubau anzubringen, falls der Bauherr das will und noch genügend originale Bauteile vorhanden sind.

    P.S.: Dass sich ein Portal selbst aus relativ wenigen Spolien zumindest einigermaßen sicher rekonstruieren lässt, habe ich in einem Beitrag in unserem Jahresbereicht "Archäologie in Lübeck 2022" aufgezeigt, der sich inzwischen auch online findet: https://www.luebeck.de/files/stadtleb…icht%202022.pdf ("Die Ladies aus der Breiten Straße", S. 47-64). 2022 wurden zahlreiche Bruchstücke eines Spätrenaissanceportals aus Sandstein im Straßenraum vor dem Haus Breite Straße 27 gefunden, die wahrscheinlich bei der Erneuerung der Fassade um 1820 in den Boden gelangten. Die Fragmente wurden natürlich geborgen, dann gereinigt und ich habe sie schließlich 3D-gescannt und virtuell wieder zusammengepuzzelt:

  • Wie es unter diesen Umständen gelingen konnte, ausgerechnet die Fassade des Buddenbrookhauses zu sichern, erscheint als das pure Wunder. Die der Mengstraße 6 war kaum geringer zu schätzen, wurde aber nicht erhalten. Dem verfemtem Autor Th.M. zum Trotz könnten hier vielleicht die Hintergründe der Umetikettierung als "Wullenweber-Haus" eine Rolle spielen, zum anderen die Besitzverhältnisse und die damalige Nutzung. Im Gründungsviertel hätte noch viel viel mehr gerettet werden können.

  • Ich würde generell sagen, dass das Lübecker Gründerviertel, dessen Gelungenheit ich nicht in Abrede stellen will. ÜBERHAUPT KEIN Vorbild für Magdeburg sein kann. Es geht da und dort um ganz Verschiedenes: In Lübeck um möglichst niveauvolle Lückenschließung, in Magdeburg um eine Reminiszenz an die seinerzeitige Altstadt. Lübeck hat noch genug Altstadt, Magdeburg keine mehr. Eher wäre ein Vergleich mit dem Berliner Nikolaiviertel angebracht. Das Magdeburger Projekt hat nur dann Sinn, wenn es möglichst viele Rekos möglichst ansprechend vereint. So "ungefähre" Anspielungen in modernem Gewand wären dort völlig sinnlos, hier ist architektonisches Substrat gefragt. Es geht in Magdeburg nicht um "Stadtbild", dazu ist dieser Flecken zu abgelegen, zu klein und auch zu unbedeutend, sondern um Architektur, nämlich um das Wiedererstehen konkreter bedeutsamer Barockfassaden um ihretselbst willen.

  • ... erster Luftangriff auf eine deutsche Stadt 1942


    Nur als Randbemerkung zu verstehen: Lübeck war keineswegs die erste deutsche Stadt, die bombardiert wurde.

    Zwei Beispiele:

    Schon am 12. Mai 1940 erfolgte der erste Luftangriff auf Mönchengladbach.

    Mit dem 16. Mai 1940 begannen die ersten Luftangriffe auf Bochum.


    Gewiss, Lübeck war die erste deutsche Stadt, deren historisches Zentrum mit einem massiven Flächenbombardement überzogen wurde.

    "Wenn wir die ehemalige Schönheit der Stadt mit der heutigen Gemeinheit verrechnen, kommen wir, so die Bilanz, aufs direkteste in den Schwachsinn." (E.H.)

  • :augenrollen:

    " ... doch hatte noch keine deutsche Stadt bis 1942 die Erfahrung eines auf die totale Zerstörung ganzer Viertel gerichteten Angriffs aus der Luft machen müssen."

    (aus: Lutz Wilde, Bomber gegen Lübeck).

  • Wir hatten in diesem Strang von Anfang an bei vielen Neubauten die Einfallslosigkeit bei Giebeln bemängelt. Sicher mag es am Geld gelegen haben, dass nicht überall in schönere Giebel investiert wurde. Aber es gab auch Fauxpass, die nicht hätten sein dürfen! Viele Architekten haben eine Giebelgestaltung gar nicht verstanden - Kunststück, man lernt dies auch nirgendwo mehr. Ich vermute, viele Architekten standen hilf- und auch orientierungslos da und entwarfen dann irgendetwas Kleinteiliges, Altaussehendes. 'Hilf- und auch orientierungslos' - das möchte ich betonen. Stattdessen kamen sie dann mit modischen Details wie bodentiefen Fenstern, einseitig abgeschrägten Fensterleibungen, Glasbrüstungen, alt aussehenden Backsteinen, schmucklosen Dreiecksgiebel in Investorenform, wie man sie von Lindau über Ulm, Frankfurt bis in den hohen Norden antrifft...

    Umso wichtiger wäre es gewesen, den Architekten eine Lübeck-spezifische, kunstgeschichtliche Ausbildung zu geben. Hierzu hätte es nicht einer städtebaugeschichtlichen Analysierung bedurft, denn die Strassen und Grundstücke waren ja weitgehend gemäss dem Vorkriegszustand vorgegeben. Hingegen hätte es dringendst einer Darstellung der bauchronologischen Entwicklung der Lübecker Fassaden bedurft, angefangen bei der Gotik bis hin zum Klassizismus (an Romanik gibt es meines Wissens nach bei Profanbauten nichts mehr Sichtbares), und weiter zur Materialisierung.

    Mit der baugeschichtlichen Entwicklung der Lübecker Giebel hatte ich mich vor einem Jahr damit zu befassen begonnen und hier im Baukulturforum die Ergebnisse gepostet, aber wirklich nur begonnen... :wink: . Es ist natürlich eine sehr grosse Anzahl an Giebeln, um so eine Entwicklung darzustellen. Und die Giebel sind ja nur ein Teil der Fassaden. Dasselbe hätte man auch mit Fensterformaten, allgemeinen Proportionen, Materialisierung, Wertigkeit nach Geschossen etc. machen können.

    Mich hatten eben auch die Nürnberger Giebel interessiert, und diese sind zahlenmässig überschaubarer. Insbesondere über die gotischen Blendarkadengiebel als älteste bekannte Giebelform an Nürnberger Profanbauten habe ich nun im Baukulturforum eine solche Abhandlung abgeschlossen. Eine solche Arbeit hätte man schon vor Inangriffnahme der Neubebauung des Gründerviertels tätigen sollen. Sie und weitere Abhandlungen hätten den Architekten eine Orientierung geben können.

    Nürnberg - Gotische Blendarkadengiebel in der Altstadt

    Die mittlere Straße in dem Quartier, die Fischstraße:

    Man hat sich redlich bemüht. An die Stilsicherheit und harmonische Proportionierung der alten Fassaden kommen diese Häuser gleichwohl nur selten heran. Allerdings wären moderne Entwürfe die noch weit schlechtere Lösung gewesen, denn auch diese weisen ja die gleichen Defizite in der Gestaltung auf. Es dürfte an der ungenügenden, nicht mehr gründlich und ernsthaft vermittelten baukünstlerischen Ausbildung der Architekten liegen.

    Zwei Gegensätze nebeneinander:

    Links: schlecht proportioniert, Fantasieform eines Giebels in Form eines Käsebrettgriffes, bodentiefe Fenster, reine Spielerei mit runden Formen. Einen Halbkreisbogen auf den Kopf zu stellen hat nichts mit Kreativität oder Stilsicherheit zu tun, sondern ist einfach nur noch kindische Spielerei.
    Rechts: modern und trotzdem Lübeck-typisch!


    Zwei Gegensätze nebeneinander:

    Links vom Haus im Mittelgrund: schwerfällig, fantasielos und zu dunkle Backsteine. Für mich ein reiner Investorenbau - nichts mehr und nichts weniger.
    In der Mitte: ein schönes, lübeck-typisches Haus. Ich weiss allerdings nicht, ob es eine Rekonstruktion ist. Einzig das Hallenfenster ist gar gross geraden.


    Weitere Aufnahmen aus der nördlichsten der drei parallel verlaufenden Gründerviertelstraßen, der Alfstraße:

    Diese kräftig strukturierte Fassade wirkte in echt, trotz der zunächst nicht altstadttypisch erscheinenden Motivik, ziemlich gut. Sie brachte mich zu der Erkenntnis, dass es gerade diese Art von plastischer Ausdrucksstärke ist, an der es vielen Fassaden im Gründerviertel mangelt, und die sich eben bei den Lübecker Altbauten bis in die Gründerzeit noch typischerweise findet:

    Ich weiss, der Mehrheit der Forumsmitglieder gefällt diese Fassade. Ich kann absolut nichts mit ihr anfangen. Sie ist zwar verspielt, aber auch düster und klobig. 'Verspielt' - das darf kein Kriterium für moderne, altstadtgerechte Architektur sein. Allein die Materialwahl in Form von dunklen Sichtbacksteinen ist grundfalsch. Dunkle Backsteine waren öffentlichen oder besonders reichen Bauten vorbehalten, nicht aber gewöhnlichen Privatbauten. Mit der Form der Fenster hat sich der Architekt überhaupt nicht befasst, sondern es sind einfach ausgeschnittene Löcher wie aus einem wechselseitig gefalteten Blatt Papier.


    Auf Anhieb gefällt mir hier die Giebelkontur, auch wenn sie minimalistisch ist. Aber der Rest - einfach billiger modischer Schnickschnack in Form von abwechslungsweise mal nach links und mal nach rechts verdrehten Fenstern, modische Schüttelfenster im Giebel, modische, bodentiefe Fenster. Es fehlt nur noch, dass eine Seite der Fensterleibungen noch schräg ist...


    Schon in diesem Beitrag vor fünf Jahren versuchte ich zu zeigen, mit wie wenig Aufwand man anständige Giebel hätte erhalten können:


    Und nun beim linken Haus lediglich eine Zufügung mit konkaver Giebellinie und Dreieckaufsatz, und beim rechten Haus drei Stufen:

    Lübeck Giebelvergleich