Lübeck - Neubauten im Gründerviertel

  • Eeendlich wieder mal ein fantasievoller Giebel! Auch wenn die Fassade samt Fenstern sonst völlig schmucklos ist, wirkt sie durch die Verschiebung der Fenster und deren Grössenabnahme nach oben abwechslungsreich. Das weitausladende Abschlusssims steht wohl gar weit vor, aber es tut der Fassade als Witterungsschutz sicher gut.

    Irgendwie scheint es mir aber, als stünde man vor einem Haus aus der Gotik/Renaissance, das um 1800 klassizistisch verändert wurde, und dem man einen horizontalen Abschluss geben wollte, aber vergass, den Giebel abzubrechen. Das horizontale Abschlussgesims und der Giebel gehören irgendwie nicht zusammen. Ich hätte das obere Giebelabschlussdreieck deshalb plastischer gestaltet. Jedenfalls, wenn dann die Baulücke links mit der Reko geschlossen ist, wird hier ein besonders stimmiges Ensemble entstanden sein!

    Gibt es bei Fischstraße 16 ein Feuchtigkeitsproblem oder ist das bei überstehenden Teilen normal?

    Als verantwortlicher Architekt könnte ich da nicht ruhig schlafen. Ich hatte mir überlegt, ob es daran liegen könnte, dass die Fassade zweischalig aufgebaut ist, die Giebelstufen aber massiv, da hier ja keine Wärnedämmung nötig war, und die massiven Stufen deshalb langsamer austrocknen als die Bereiche mit Isolation unten. Diese Lösung verwarf ich aber, denn nach der heutigen Baukunst hat man die Giebelstufen bestimmt nicht massiv gemauert. Liegt es vielleicht daran, dass die horizontalen Abschlussprofile falsch konstruiert sind, die das Wasser hinterziehen anstatt abtropfen lassen?

  • Genau so ein Gesims hätte ich mir jetzt noch vorgestellt. Da bin ich sehr froh, dass das noch kommt, für mich sah dieser Bereich schon fertig aus.

  • Irgendwie scheint es mir aber, als stünde man vor einem Haus aus der Gotik/Renaissance, das um 1800 klassizistisch verändert wurde, und dem man einen horizontalen Abschluss geben wollte, aber vergass, den Giebel abzubrechen. Das horizontale Abschlussgesims und der Giebel gehören irgendwie nicht zusammen.

    Das war aber beim historischen Haus auch schon so. Auf die schnelle habe ich es nur auf diesem Foto gefunden, das gemeinfrei sein sollte:

    Fischstraße 24 ist das helle Haus oberhalb des auf der Straße stehenden Handkarrens. Es handelte sich in der Tat um ein Haus aus der Renaissance, dessen Treppengiebel Barock abgeschweift wurde. Im Klassizismus wird man dann aber wohl auch noch dran "herumgefummelt" haben.

    Es gibt in Lübeck tatsächlich aber noch krassere Beispiele von "nicht vollendetem" Klassizismus:

    Lübeck, Hundestraße 88. Quelle: Wikipedia, Urheber: Martin Lemke, Lizenz: CC-BY-SA 4.0

    Über dem eigentlich geraden klassizistischen Fassadenabschluss sind die beiden oberen Giebelstufen im Originalzustand der Renaissance verblieben.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Fischstr. 24: Auf der historischen Fotografie sieht man, dass der obere Dreieckabschlussgiebel beim Vorgängerbau tatsächlich plastischer ausgebildet war und so mit dem Abschlussgesims besser harmonierte.

    Hundestr. 88: Exakt so einen Vorgang meinte ich. Jetzt nähme es mich noch wunder, ob die beiden seitlichen Fenster, die sich mit der Dachschräge dahinter überschneiden, einst mit einem Scheinfenster bemalt waren. Dies entspräche aber vielmehr der barocken Tradition; der Klassizismus ging damit womöglich lockerer um und beliess solche Scheinöffnungen im Fassadenton.

  • frank1204

    Vielen lieben Dank - wie immer für die wunderschönen Bilder vom Aufbau in Lübeck...!

    Darf ich was fragen?

    Soll Fischstraße 26 tatsächlich eine Reko werden? Das hatte ich ja gar nicht mitbekommen. Das wäre ja superschön. Als ich mich vor vielen Jahren erstmals intensiver mit dem Gebiet beschäftigte, las ich, dass es ja doch noch etliche historische Architekturfragmente gab / gibt und bedauerte es sehr, dass man nicht mehr rekonstruieren wollte. Kommt denn in die 26 irgendwas "echt Historisches" rein? (Portal o Ä.)

    Und: Aus welchem Material ist denn das später eingefügte Gesims an dem (ebenfalls wunderschönen) Haus Nr. 26, weißt Du das? Sicher doch kein Haustein, wenn man den so einfach nachträglich drangemacht hat. Ich frage, weil es bei uns hier in Dresden ja massive Kritik an den verwendeten Ersatzstoffen gab / gibt.

    Danke!

    Die Einladung nach Dresden steht natürlich nach wie vor!

  • Das ist selbstverständlich ein Baumangel.

    In das Mauerwerk darf von oben kein Wasser eindringen. Ausblühungen und Frostabsprengungen sind hier vorprogrammiert. Nicht von heute auf morgen - gut gebrannte Ziegel halten schon was aus. Längerfristig aber auf jeden Fall. Historisch wurde dies durch eine Reihe Dachpfannen verhindert.

    Was immer hier verbaut wurde - es erfüllt seinen Zweck offensichtlich nicht.

  • Update vom 12.1.2021

    Jetzt geht es Schlag auf Schlag - auch Fischstraße 18 präsentiert sich nun gerüstfrei:

    Abb.1: Fischstraße 18. Der Giebelumriss ist ja schön. Auch die Steinfarbe und die gemauerten Bögen gefallen mir. Das war es dann aber auch schon. Ich muss leider bei meiner Meinung bleiben, dass der ehemals schöne Entwurf mit der erheblichen Vergrößerung der Fenster bei gleichzeitiger Verringerung von 5 auf nur 3 Achsen leider eine "Verschlimmbesserung" war. Der hängende Fenstersturz oben ist überambitioniert und das EG ist völlig verschroben. Schade. Aber immer noch deutlich besser als die vielen gestalt(ungs)losen Häuser in der Alfstraße. Und es mag sein, dass es in der fertigen Straße dann später doch besser aussieht als jetzt ohne den linken Nachbarn.


    Abb.2: Die bisherige gerüstfreie Straßenabwicklung der Fischstraßen-Nordseite.


    Abb.3: Fischstraße 18 und 16. Na gut, zusammen wirkt es gar nicht mal sooo schlecht. Wie gesagt mal abwarten, bis alles fertig ist.

    Das ist selbstverständlich ein Baumangel.

    In das Mauerwerk darf von oben kein Wasser eindringen. Ausblühungen und Frostabsprengungen sind hier vorprogrammiert. Nicht von heute auf morgen - gut gebrannte Ziegel halten schon was aus. Längerfristig aber auf jeden Fall. Historisch wurde dies durch eine Reihe Dachpfannen verhindert.

    Was immer hier verbaut wurde - es erfüllt seinen Zweck offensichtlich nicht.

    Ich glaube nicht, dass da irgendwo Wasser in das Mauerwerk bzw. hinter die Verklinkerung gelangt ist und es von innen her durchfeuchtet ist. Wenn ich das richtig sehe, sind die Giebelstaffeln oben horizontal abgeschlossen, so dass das darauftreffende Wasser einfach vorne und hinten direkt an der Fassade herunterläuft. Die Oberseiten bei historischen Giebelstaffeln fallen dagegen nach hinten, also zum Hauskörper hin, ab und sind - wie Du richtig schriebst - zudem zum Schutz des Mauerwerks mit einer Reihe Dachpfannen gedeckt, die hinten ein Stück überstehen. Dadurch läuft das Wasser auf den Staffeln nach hinten weg und tropft mit etwas Abstand zur Fassade einfach auf das Dach des Hauses und wird über dessen Ablauf mit abgeführt.

    Warum es für heutige Architekten nicht möglich ist, eine so einfache und geniale Lösung zu übernehmen, die sich zudem über Jahrhunderte bewährt hat, wissen wohl nur sie selbst. Offenbar muss man heute immer das Rad neu erfinden. Nur Schade, dass wie hier zu sehen ist, dabei oft gar keine Räder herauskommen... :kopfschuetteln:

    Soll Fischstraße 26 tatsächlich eine Reko werden? Das hatte ich ja gar nicht mitbekommen. Das wäre ja superschön. Als ich mich vor vielen Jahren erstmals intensiver mit dem Gebiet beschäftigte, las ich, dass es ja doch noch etliche historische Architekturfragmente gab / gibt und bedauerte es sehr, dass man nicht mehr rekonstruieren wollte. Kommt denn in die 26 irgendwas "echt Historisches" rein? (Portal o Ä.)

    Und: Aus welchem Material ist denn das später eingefügte Gesims an dem (ebenfalls wunderschönen) Haus Nr. 26, weißt Du das?

    Ja, der letzte mir bekannte Stand ist, dass Fischstraße 26 eine Fassadenreko werden soll. Ich war dazu vor längerer Zeit (ca. 2 Jahre her) auch auf einer Veranstaltung, auf der das Architekturbüro Schröder-Berkentien das Projekt vorstellt (haben ja auch die Reko Fischstraße 17 gemacht). Der Stand war damals der, dass der Architekt am Forschen war, ob irgendwo noch Reste des Sandsteinportals eingelagert seien und er auch schon ein gute Steinmetzwerkstatt für die Neuanfertigung gefunden hatte. Ich hatte weiter oben darüber berichtet. Gerade habe ich aber festgestellt, dass die Webseite von Schröder-Berkentien offenbar nicht mehr exisitert...? :wie:

    Ich hoffe nicht, dass sich das Projekt zerschlagen hat. Das wäre wirklich schlimm. Falls jemand aktuelle Infos hat, gerne her damit.

    Alle Fotos von mir

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Fischstraße 18 und 16. Na gut, zusammen wirkt es gar nicht mal sooo schlecht. Wie gesagt mal abwarten, bis alles fertig ist.

    Dann hoffe ich mal dass das Unterteil von Haus Fischstr. 16 noch weiß gestrichen wird, in dieser Beton-Optik ist das wenig ansprechend.

  • Meines Wissens nach ist die Sichtbetonoptik geplant/gewollt und wird nicht mehr gestrichen.

    Kleiner Nachtrag zu meinem letzten Beitrag: Nein, leider weiß ich nicht, aus welchem Material die nachträglich aufgebrachten Gesimse sind.

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  • Gerade habe ich aber festgestellt, dass die Webseite von Schröder-Berkentien offenbar nicht mehr exisitert...? :wie:

    Ich hoffe nicht, dass sich das Projekt zerschlagen hat. Das wäre wirklich schlimm. Falls jemand aktuelle Infos hat, gerne her damit.

    Ich weiß es natürlich nicht genau, aber das dürfte daran liegen, dass aus SBS nunmehr SB geworden ist.

    Frau Spilker ist ausgeschieden und ist doch auch (wie berichtet) mit Fischstraße N°28a befasst/beauftragt.

    Deswegen zieht Schröder-Berkentien auf eine neue Adresse um. Dadurch steht zu hoffen, dass es für Fischstraße N°26 bei den bisherigen Planungen bleibt - obwohl ja noch nichts offiziell ist.

    P.S.: Zu Thomas Schröder-Berkentien als Nachfahre von Carl Berkentien und zum Haus Mengstraße N°31

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Ah, danke für die Info. Die Seite von Frau Spilker hatte ich bei Google auch gefunden, aber nicht die neue von Schröder-Berkentien. Daher war ich verunsichert.

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  • Update vom 12.1.2021

    Jetzt geht es Schlag auf Schlag - auch Fischstraße 18 präsentiert sich nun gerüstfrei:

    Abb.1: Fischstraße 18. Der Giebelumriss ist ja schön. Auch die Steinfarbe und die gemauerten Bögen gefallen mir. Das war es dann aber auch schon. Ich muss leider bei meiner Meinung bleiben, dass der ehemals schöne Entwurf mit der erheblichen Vergrößerung der Fenster bei gleichzeitiger Verringerung von 5 auf nur 3 Achsen leider eine "Verschlimmbesserung" war. Der hängende Fenstersturz oben ist überambitioniert und das EG ist völlig verschroben. Schade. Aber immer noch deutlich besser als die vielen gestalt(ungs)losen Häuser in der Alfstraße. Und es mag sein, dass es in der fertigen Straße dann später doch besser aussieht als jetzt ohne den linken Nachbarn.

    Danke für das Update! Sehr schade, dass hier auch entgegen der Empfehlungen des Gestaltungsbeirats nach innen öffnende Fenster zur Straßenseite verbaut wurden. Das Haus wird damit unnötig aus der Reihe tanzen.

  • frank1204

    Ist die Fischstraße 26 dieses Haus hier gewesen? Das sieht da aber ganz anders aus als auf der Rekozeichnung......!!??
    Bist du sicher, dass das als Reko kommen soll oder nicht doch nur als freie Adaption??

    Es soll im Inneren wohl auch noch eine schöne historische Diele noch gehabt haben..... Wäre ja toll, wenn so etwas auch mal käme .

    [© Historische Postkarte. Dürfte gemeinfrei sein]

  • Nein, das auf dem von Dir verlinkten Bild ist das Glandorpsche Haus Fischstraße 34. Ja, das war wirklich ganz außergewöhnlich. Aber selbst wenn man wollte, könnte man es nicht mehr rekonstruieren (zumindest nicht am originalen Ort), da die Parzelle durch die Verschiebung der Krummen Querstraße nicht wiederhergestellt werden kann.

    Eine freie Adaption davon ist ja der Entwurf für die neuen Eck-Parzelle Fischstraße 28b, einige Meter höher als der Ursprungsstandort. Ob dieser jedoch kommt, steht meiner Kenntnis nach momentan in den Sternen.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Update vom 18.1.2021

    Jetzt ist auch das Haus Braunstraße 14, das im Kern noch den umgebauten Berufsschulrest enthält ist, ausgerüstet:

    Abb.1: Braunstraße 14. Der finale Anstrich fehlt aber offenbar noch. Wie ich schon vorher schrieb, gefällt mir die Fassade sehr gut - und ist wie ich finde, sogar eine der besten unter den Neubauten. Es vermittelt den Eindruck eines klassizistisch überformten historischen Altstadthauses, in das neuere Fenster eingebaut wurden. Das Haus ähnelt zudem sehr dem Vorgängerbau, und ich bin sehr froh, dass hier kein "neumoderner" Entwurf direkt neben dem gotischen Haus Nr. 12 entstanden ist, das so viel besser zur Geltung kommt. :thumbup:


    Abb.2: Braunstraße 14 und 12 noch einmal aus der anderen Richtung. Die alte Gaslaterne zwischen den Häusern verbreitet hier auch zusätzlich etwas Altstadtflair. So etwas nenne ich Stadtreparatur!


    Abb.3: Braunstraße, Nordseite. Hier noch einmal der altuelle Gesamtstand in der Braunstraße. Das Foto hatte ich im Vorbeigehen leider versehentlich sehr schief aufgenommen. Die weißen, durch das Drehen entstandenen Ecken bitte ich mir nachzusehen - ich wollte nicht zuviel vom Bild abschneiden, es aber auch nicht so extrem schief hier reinstellen.


    Abb.4: Kurzes Update aus der Fischstraße: Die fertiggestellten Rückseiten der Nummern 16, 18 und 24.


    Abb.5: Die Vorderseiten der Häuser Fischstraße 24, 18 und 16 - ich glaube, ich hatte hiervon noch kein Gesamtfoto komplett ohne Gerüste gezeigt.

    Alle Fotos von mir

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Vielen Dank für die schönen Bilder und Infos, Frank.

    Wo Du gerade die Gaslaterne erwähnst: Ist denn bekannt, welche Straßenbeleuchtung im rekonstruierten Bereich des Gründerviertels geplant ist?

  • Nein, das weiß ich leider nicht. Aber es ist eine gute Frage. Dass da historische Laternen kommen, kann ich mir allerdings nicht vorstellen.

    Vermutlich eher so etwas wie in Hüx- und Fleischhauserstraße, siehe dieses Bild.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)