Ich habe eine ganze Menge in diesem Forum gelesen und ich hatte den Eindruck, dass hier inzwischen nur noch vermeintliche (!) Rekonstruktionen abgefeiert werden. Daher hier meine Frage: Ist eine möglichst strenge Rekonstruktion erstrebenswert, wenn Detaillösungen (Bautenschutz, Wärmeschutz) immer zu schlechteren Detaillösungen führen als im Original? Oder sollte man sich dann nicht lieber für einen neuen Entwurf entscheiden?
Ich finde, es ist bei derartigen Betrachtungen immer wichtig, in welchen Größenordnungen wir uns bewegen. Wenn wir uns die Größe der Städte von heute anschauen, im Vergleich zu ihrer Größe im Mittelalter, dann macht der mittelalterliche Kern nur einen Bruchteil der Gesamtfläche aus.
Ich kenne mich mit Lübeck zwar nicht aus, aber soweit ich das herausgefunden habe, hat bis ins späte 19. Jahrhundert die Stadt die rot eingefärbte Fläche nicht überschritten:
Von dieser Fläche kommt wiederrum meistens nur ein Bruchteil für Rekonstruktionen/Bauen im historischen Stil in Frage. Die Anzahl der Häuser, die dann von der Energieeffizienz oder dem Brandschutz nicht ganz auf dem modernen Stand sind, ist derartig gering und der Gewinn durch Authentizität derartig groß, dass ich es für absolut gerechtfertigt und wünschenswert halte, für derartige Häuser die Regeln anzuwenden, die für noch erhaltene Altstädte gelten. Wäre die Altstadt noch vorhanden, würde sie ja auch niemand wegen mangelndem Brandschutz abreißen.
Moderne, die Grundfläche besser ausnutzende, wärmegedämmte und brandgeschützte Häuser kann man ja immer noch in 90% des sonstigen Stadtgebietes bauen.
Wenn man sich schon die Mühe macht, und sich auf die Historie besinnen möchte, dann im Idealfall auch richtig, am Besten auch mit historischen Bautechniken und Materialien, das ist meine Meinung. Wie gesagt, es geht meistens um klitzekleine Bereiche, die ein paar Dutzend Häuser betreffen.
Soweit ich mich erinnern kann, hat es in jüngerer Zeit keine unlöschbaren Brandkatastrophen mit Dutzenden Toten in Altstädten gegeben, auch nicht in weit ausgedehnten Altstädten in Italien oder Frankreich. Mir kommt da eher der Hochhausbrand in London in den Sinn, wo auch noch die Fassadendämmung die Katastrophe verschlimmert hat. Soviel zu Brandschutz in modernen und alten Häusern.
Und das Problem mit der Energieeffizienz lässt sich wohl am Besten mit dem Einbau einer modernen und effizienten Zentralheizung lösen, anstatt mit giftigen Dämmungen, die nach wenigen Jahren verschimmeln und als Sondermüll entsorgt werden müssen.
Nichtsdestotrotz sind das natürlich Maximalforderungen hier im Forum von Leuten, mich eingeschlossen, die in der übergroßen Mehrzahl selber keine derartigen Projekte realisieren oder realisiert haben und sich mit den rechtlichen Details nicht auskennen. Für das, was ich fordere, müsste vermutlich sowieso zuerst die Gesetzeslage angepasst werden, was in absolut weiter Ferne steht. Oder man muss seltsame baurechtliche Verrenkungen anstellen, wie man das in Frankfurt gemacht hat.
In jedem Fall sind Bauherren, die solche Projekte realisieren absolut rar gesät, insofern ist dein Engagement @Tobias_HH sehr begrüßenswert. Ich wünsche also viel Erfolg und vielleicht kommen wir ja über den Weg an ein paar Insider-Informationen, wie die Realisierung in Lübeck abläuft.