Lübeck - Neubauten im Gründerviertel

  • Ich schließe mich den Rekonstruktionsbefürwortern an, denn ich denke, dass man die Verantwortlichen und die Öffentlichkeit eher von einer Rekonstruktion des wohl historisch bedeutsamen Viertels überzeugen kann denn von reinen Fantasiegebäuden. Beides ist derzeit unwahrscheinlich, aber einer Rekonstruktion würde ich tendenziell noch eher zutrauen Gehör zu finden. Das setzt natürlich erst einmal intensive Recherche voraus, was dort überhaupt vor dem Krieg gestanden hat. Wenn sich dann Lücken ergeben, weil die Häuser zum Teil nicht dokumentiert sind, nur eine überformte, mediokre Fassadenversion überliefert ist, oder eine Rekonstruktion mit einer zukünftigen Nutzung gänzlich unvereinbar ist, dann kann man auf das Model von L Architecture zurückgreifen. Das finde ich im übrigen bis auf kleine Details, auf die Frank aufmerksam gemacht hat, großartig - vielen Dank das du es uns vorgestellt hast! :daumenoben:

  • Auch bei bildindex.de gibt es einiges, wenn man nach Lübeck und den Straßennamen sucht.
    Viele Bilder sind auch in den von mir in Beitrag 95 verlinkten Bürgenachrichten zu finden, zudem in vielen Bildbänden mit alten Ansichten, die ich in gedruckter Form vorliegen habe. Des weiteren wird es sicher im Lübecker Stadtarchiv, dessen Bestände den Krieg überlebt haben, noch einen Fundus geben, könnte ich mir vorstellen.
    Wie ich weiter oben auch schon schrieb, ist die Fischstraße nahezu komplett gut dokumentiert. Es existiert hier sogar eine Rekonstruktionszeichnung der ganzen Straße wie ebenfalls in den BN 114 und auf dem 2. Foto in meinem Beitrag 26 dieses Threads zu sehen ist. Es gibt also mehr als genug Material, um einen Großteil des Gebiets rekonstruieren zu können.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (24. Oktober 2014 um 10:58)

  • Da könnte man doch wieder nach dem Leitbautenprinzip arbeiten.
    Besonders wünschenswert, wäre das Budenensemble mit der kapelle Am Stegel vor der Marienkirche !!

  • @ L'Architecture
    Vielen Dank für deine Entwürfe und das Unternehmen.
    Dies ist ja nicht nur ein Forum für Rekonstruktionen, sondern auch für traditionelle Neubauten. Insofern bist du hier durchaus richtig mit deinem Anliegen.
    Ich bin gespannt auf deine überarbeiteten Entwürfe, in welche die detaillierte sowie konstruktive Kritik der Forumsteilnehmer einfließt.

  • Danke für den Link, Palantir!
    So ungefähr hab ich mir das vergestellt.
    Zwar alles sehr schön, aber nichts, das es im erhaltenen Lübeck nicht mehr gäbe...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Das ist aber unerheblich, denn es geht hier darum, eine Metropole des Mittelalters in seiner Gesamtheit zurückzugewinnen. Das ist eine in Deutschland einmalige Chance. Es gibt noch Regensburg, aber mit Augsburg und Nürnberg wird das schon nicht mehr gelingen, geschweige denn mit [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon], Köln oder Magdeburg.
    Deshalb sollten das Gründerviertel, die Ausstattung der Großkirchen und die Räume des Rathauses rekonstruiert werden, denn es ist faktisch möglich, Lübeck wieder komplett zu haben.
    Daß der Marktplatz in Lübeck nie das zentrale Schmuckstück der Stadt war, wie man vielleicht erwarten würde, ist mir bewußt. Heute ist es, abgesehen vom Rathaus, von völlig belanglosen Bauten des 20. Jh. umgeben und damit im grunde genommen so unerträglich wie der Stuttgarter Marktplatz auch.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

    2 Mal editiert, zuletzt von Brandmauer (26. Oktober 2014 um 01:44)

  • Hier ist der geänderte Entwurf und ich bitte wieder um direkte Kritik. Vielen Dank bis hierher. Die Fassaden von 3 Häusern sollten lt. Wettbewerb gestaltet werden. Die Traufständigen Gebäude vom letzten Mal kommen in die Einhäuschen Querstr. und sind erst für die Gewinner der ersten Phase gedacht, ich hab hier schon mal vorgearbeitet. Wichtig sind erst mal die drei hier für den Wettbewerb.

    Zu den letzten Kommentaren:


    frank1204
    schlichter und hockannt, leider kein renaissance weil frühgotisches Gründerviertel
    Die Steine sind jetzt autentischer
    Das ganze Viertel wird sich an den Vorschlag der Gotik eh nicht halten deshalb wird es ein Sielmischmasch

    Dank an Kralle für den Kommentar

    ursus carpaticus: ich habe Minimalismus in die Fassaden einfließen lassen
    die neuen Gebäude sind eher vertikal
    "Andersrum: Was ist dokumentiert, welche Häuser wären konkret rekonstruierbar, was wäre konkret zu fordern?"
    Bei der Frage hab ich die Gotischen Häuser selbst entworfen anstatt irgendwas zu kopieren.
    Wenn sie 1:1 Kopien gotischer Häuser haben wollen dann ist ein Veto bei der Stadt das erste was SIE machen sollten!
    Da müssen wir schon mal die Arbeit teilen, ich mach nur was die Bürger wollen und die Stadt auch.

    Der Herzog: leider sind 1:1 Rekonstruktionen nicht erwünscht, ändern Sie das bei der Stadt mit Protesten.

    Brandmauer: leichter wär eine 1:1 Kopie aber es ist nicht erwünscht von der Stadt

    Johan: Gut formuliert, so sehe ich das auch. Die Gotik wurde überbaut und im Krieg zerstört.
    Der Stiel ist es der das älteste Viertel aber dominieren sollte. Nehmen wir die einmalige Chance war.

    thommystyle™: Das wäre Ihr Job ein Rekonstruktionsplan selbst zu fordern. Ich frage mich nur wie eine Garage
    oder andere moderne Dinge da rein passen sollen und was genau Restauriert man an einer Stelle wo es alle paar Jahre ein anderes Haus gab? Man kann eine Lösung finden aber die Stadt hat was anderes beauftragt.

    zeitlos: man tut was man kann :)

  • Die Entwürfe gefallen mir schon besser. Allerdings so frühgotisch war die Ecke nicht. Es gab viel Renaisscance vor dem Krieg in diesem Viertel.

  • Auch mir gefallen diese überarbeiteten Entwürfe deutlich besser, das sieht schon viel mehr nach Lübeck aus, insbesondere die beiden unteren. Sehr wohltuend, dass die neugotische Überfrachtung weg ist. Allerdings verstehe ich nicht ganz, was das Burgtor mit dem Gründerviertel zu tun hat - nämlich genauso wenig wie das offenbar für die Erstentwürfe als Vorbild dienende Rathaus.

    Da direkte Kritik erwünscht ist, würde ich diese auch gerne nochmal äußern:

    Zum oberen Entwurf: Hier stört mich das zurückgesetzte 1.OG. Falls das bezugnimmt auf das hinterlegte Burgtorbild: Dort sind alle Geschosse in einer Flucht, unterteilt durch hervorstehenden Gesimse. Wurde hier eventuell eine optische Täuschung falsch interpretiert? Die Spitzbogenblenden im EG könnte man auch noch weglassen. Es würden fassadenplane gemauerte Rundbögen (Entlastungsbögen) über Tür und Fenster reichen. So insgesamt der am wenigsten lübsche Entwurf der drei.

    Zum mittleren Entwurf: Mit hohem Erdgeschoss und hochformatigen Fenstern sieht das ganze doch gleich viel besser aus. Hier stört mich eigentlich nur noch das Maßwerk in den Hochblenden. Und die große Öffnung links im Erdgeschoss - aber hier soll wahrscheinlich die Tiefgarageneinfahrt hin, oder?

    Den unteren Entwurf finde ich mit geringem Abstand zum mittleren am besten. Ich würde hier allerdings die Fassade im unteren Bereich etwas anders aufteilen: Anstatt das 1. und 2. OG optisch zusammenzufassen wäre es angebrachter, EG und 1.OG zusammenzufassen und das 2. OG abzuteilen. Das brächte optisch den Eindruck eines hohen Dielengeschosses. Die Hochblenden sollten dann darüber beginnen.

    schlichter und hockannt, leider kein renaissance weil frühgotisches Gründerviertel
    Die Steine sind jetzt autentischer
    Das ganze Viertel wird sich an den Vorschlag der Gotik eh nicht halten deshalb wird es ein Sielmischmasch


    Ich weiß garnicht, warum hier so auf der Gotik herumgeritten wird. Wie ich bereits schrieb, gab es vor der Zerstörung eine Vielfalt an Baustilen - von der Gotik bis hin zu Gründerzeitlern. Die gotischen Fassaden machten sogar nur einen geringen Anteil von vielleicht zwei oder drei Fassaden pro Straßenseite aus. Woher kommt denn die Idee, das Gründerviertel sei zu nahezu 100% (früh)gotisch gewesen? Die Erstbebauung bestand im 12. Jh. sogar aus Holzhäusern, die nach und nach durch Steinbauten ersetzt wurden. Die ersten dieser waren sogar noch spätromanisch. Ein rein gotisches Gründerviertel gab es - wenn überhaupt - nur eine kurze Zeit.

    Als kleines Schluss-Statement meines Beitrages möchte ich noch erwähnen, dass ich diesen stark historisierenden Entwürfen keine großen Chancen einräume. Wie schon geschrieben: Die Verantwortlichen wollen keine Rekonstruktionen. Warum sollten sie dann Entwürfe akzeptieren wollen, die auch fast Rekonstruktionen sein könnten? Ich denke, man wird bei den Entscheidern leider nur mit konsequent modernen Entwürfen, die vielleicht hier und da ein altes Motiv modern zitieren, landen können. Das wünsche ich mir nicht, spreche aber aus langjähriger und leidvoller Erfahrung mit dem Thema "Bauen in der Lübecker Altstadt". Ich denke, realistisch gesehen wird leider nicht viel mehr als Entwürfe nach Art des Gabler-Hauses drin sein. Alles andere wäre für mich eine (positive) Überraschung.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Allerdings verstehe ich nicht ganz, was das Burgtor mit dem Gründerviertel zu tun hat -


    Ich denke mal das nicht das Burgtor den Bezugspunkt darstellt sondern das Haus auf der Linken Seite.


    Als kleines Schluss-Statement meines Beitrages möchte ich noch erwähnen, dass ich diesen stark historisierenden Entwürfen keine großen Chancen einräume. Wie schon geschrieben: Die Verantwortlichen wollen keine Rekonstruktionen. Warum sollten sie dann Entwürfe akzeptieren wollen, die auch fast Rekonstruktionen sein könnten? Ich denke, man wird bei den Entscheidern leider nur mit konsequent modernen Entwürfen, die vielleicht hier und da ein altes Motiv modern zitieren, landen können. Das wünsche ich mir nicht, spreche aber aus langjähriger und leidvoller Erfahrung mit dem Thema "Bauen in der Lübecker Altstadt". Ich denke, realistisch gesehen wird leider nicht viel mehr als Entwürfe nach Art des Gabler-Hauses drin sein. Alles andere wäre für mich eine (positive) Überraschung.


    Warscheinlich hast Du genügend negative Erfahrung mit der realen Entscheidungs- und Auswahlkultur in Lübeck, aber trotzdem sollte man nicht nachgeben oder resignieren. Die Entwürfe sind doch ein guter Anfang und ein Lichtblick, so stelle ich mir gelungene Stadtreparatur vor! :applaus:

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • ''L Architecture'' hat geschrieben:

    Zitat

    Brandmauer: leichter wär eine 1:1 Kopie aber es ist nicht erwünscht von der Stadt

    Auf so einer Haltung seitens der Stadt sind Deine Entwürfe in der Tat eine gute Antwort.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Die Lübecker haben zu ihrer Stadt eine merkwürdige Beziehung. Ich war vor einiger Zeit in Lübeck, und als ich dem Menschen hinter dem Informationsstand in der Marienkirche empfahl doch den Lettner zu rekonstruieren, schaute man mich mit ungläubigen Augen an, und meinte, das ginge nicht wegen des verlorenen Krieges !!!

  • Die Lübecker haben zu ihrer Stadt in der Tat eine merkwürdige Beziehung. Der Lettnerrest auf der Südseite ist zu einem größeren Anteil auch das Ergebnis des "Wiederaufbaus"; bei dem man den Lettnerrest in den neuen Hochchor einbezogen hat und man darf davon ausgehen, daß viele unserer Leser sowohl wissen, daß der Lettnerrest auf der Nordseite noch erhalten war, und daß der heute erhöhte Chor ebenfalls aus dieser Wiederaufbauorgie stammt, weswegen man den Fredenhagenaltar in kleinste Stücke zerhackt hat, "damit der Bischof besser beten kann" (Zitat Marienjahrbücher). (Ich weiß, von was ich spreche, ich habe den Kirchenküster Herrn Klempau noch gekannt und er hat mir die Reste des Fredenhagenaltars selbst gezeigt).
    Unter Teerpappe verpackt, sind im Chor noch eine Reihe von Grabplatten erhalten, die aber natürlich allesamt regelrecht begraben sind (begrabene Grabplatten... :gehtsnoch::gehtsnoch::gehtsnoch: )
    Auch für die Marienkirche gilt der Grundsatz, daß man in ganz vielen kleinen Schritten ein kleines Stück von dem zurückgewonnen hat, für das die Marienkirche einst Weltgeltung hatte. Hierzu gehören z.B. auch die teilweise wiedergewonnenen Epitaphien, die Lettnerfiguren und die Chorschranken, die der Marienkirche ein ganz wichtiges Detail des einst so großartigen Innenraums wiedergeben.
    Zu diesem Innenraum von Weltgeltung gehört aber noch sehr viel mehr. Hierzu würden die Große Orgel und die Totentanzorgel gehören, der Totentanz, der Lettner, Teile der Verglasung; und wie viel mehr gehört nicht noch dazu.
    Die Menschen hinter dem Infostand werden unter anderem auch mit den zwei Euro bezahlt, die die Besucher seit einigen Jahren zu entrichten haben. Diesen Obolus hat man vor Jahren seitens der Mariengemeinde unter anderem auch damit begründet, daß man für einen Espresso auch nicht mehr bezahlt.
    Ich habe schon früher keine zwei Euro für einen Espresso in Lübeck bezahlt und kann daher auch keinen Sinn darin sehen, diesen Leuten ihr Gehalt zu bezahlen. Wo bleibt das Verständnis für die Menschen mit dem Hintergrundwissen über die ganzen Zusammenhänge? Belehrungen darüber, daß wir den Krieg verloren haben, sind da ganz fehl am Platz. Die Marienkirche war eine so große Legende gewesen, daß auch der Brand im März 1942 den Nimbus nicht zerstören konnte. Vor 15 Jahren war in dem Buch "St. Marien - Kirche für die Stadt" der sinngemäße Halbsatz zu lesen: "die reinen gotischen Architekturformen befreit vom Zierrat der Geschichte"; und wenn man sich vor Augen hält, daß man eigentlich von den heutigen Vertretern der Mariengemeinde kaum mehr als ein schwarz-grünes, weichgespültes protestantisches Gutmenschentum erwarten kann, dann wird das alles auch nicht besser davon, das Geschwalle ihrer Vertreter hinter dem Infostand zu ertragen, denen man, anstatt den zwei Euro für einen Espresso ihr Gehalt bezahlt.
    Etwas, was einem nach einigen Lübeck-Besuchen immer wieder auffällt, ist, daß der im Krieg ebenfalls großteils ausgebrannte Dom heute eine Raumatmosphäre hat, die hell, freundlich und einladend wirkt. Trotz der Kriegsverluste wirkt der Dom innen durch die noch teilweise erhaltene Ausstattung stimmig und wichtig ist auch der Bodenbelag aus Sandsteinplatten, die den Dom so überzeugend wirken lassen.

    Lübeck - quo vadis? Die kostbarsten Bereiche der alten Stadt im Bereich zwischen Mengstraße, Alfstraße, Fischstraße und Braunstraße könnten nach der so niveaulosen Bebauung der Nachkriegszeit wiedergewonnen werden. In der Marienkirche gibt ebenfalls vieles, mit dem man aktuell nicht zufrieden sein kann. Anstatt dessen das klein-klein, was für Lübeck seit ungefähr sechzig Jahren so typisch geworden ist.

  • Wenn unsere zwei EUR nicht dem Bauunterhalt zugute kommen, sondern dazu missbraucht werden, dass die Besucher der Kirche diese nicht ungestört besuchen können, dann behalten wir unser Geld eben.

  • Hallo Weingeist,

    hinsichtlich des Domes muss ich Dir vehement widersprechen. Der Chor ist mit einer Glaswand abgetrennt, so dass der alte Raumeindruck völlig zerstört wird. Eine stimmige Wirkung habe ich dort nicht feststellen können. Der Dom ist auf andere Weise versemmelt worden als die Marienkirche.

  • @Herzog:
    Wir driften etwas vom Gründerviertel ab in Richtung Mühlenteich.
    Natürlich war der Raumeindruck bis 1942 besonders in Richtung Chor noch weitaus gewaltiger, aber wenn man heute den Lübecker Dom betritt, sollte man die beachtliche Zeitspanne von 40 Jahren nicht vergessen, in der der Dom wiederaufgebaut wurde. Genauso wie die Marienkirche stand auch beim Dom das nachvollziehbare Interesse im Raum, das Gebäude so schnell wie es machbar war, wieder teilweise nutzen zu können. Den Dom hatte es 1942 böse erwischt, die Türme und deren Statik waren in einem mehr als kritischen Zustand und der Chor und auch das Paradies waren vollständig zerstört. Insoweit kann man es auch heute nur zu gut verstehen, daß die Gemeinde den am geringsten beschädigten Teil des Mittelschiffs wieder als Kirchenraum herrichtete, und den Übergang zum Chor mit einer Glaswand abtrennte, dessen Wiederaufbau ansonsten auch gar nicht so sicher gewesen ist. Auch daß es gelungen ist, die Türme zu retten, war eine respektable Leistung. In der Wiederaufbauzeit bis 1982 ist am Dom großes geleistet worden.
    Natürlich hätte es seinen Reiz, die Glaswand wieder herauszunehmen, aber man muß auch zugeben, daß in praktischer Sicht eigentlich kein Bedarf besteht, den Chor dem Gottesdienst zuzuschlagen. Hinzu kommt, daß man mit dem Chor sozusagen eine Kirche in der Kirche hat, und verschiedene Nutzungen außerhalb des Gottesdienstes in diesem Raum einen großartigen Standort haben. Die Angelegenheit Glaswand ist etwas, bei der die Interessen aneinander kollidieren können und man etwas zwischen den Stühlen sitzt. Der Dom hat heute einen so guten Zustand, daß man sich mittelfristig gar nicht so besonders viel mehr wünschen würde.
    Was wäre gerechtfertigt?
    - Der Memling-Altar hat dort seinen historischen Standort. Ist es aus konservatorischer Sicht aber vertretbar, ihn wieder in einer stark besuchten Kirche aufzustellen?
    - Der Krämerchor an der Westwand war für den Innenraum und auch aus musikalischer Sicht sehr wichtig gewesen.
    - Eine Reko der Schnitgerorgel wurde unlängst wieder öffentlich angesprochen. Eine Gehäusereko steht in Göteborg und hat vor 15 Jahren gezeigt, daß so etwas sehr wohl machbar ist (Wobei es in Lübeck keine Gehäusereko geben wird).

    Der Fußboden ist gut, die Fenster auch - sonst fehlt im Dom eigentlich nichts mehr. Im Gegensatz zur Marienkirche ist der Dom heute in vielen Bereichen wesentlich überzeugender als die Marienkirche und ein unmittelbarer Handlungsbedarf scheint viel weniger notwendig und wünschenswert als in der Marienkirche. Es ist ganz interessant zu beobachten, wie sehr dort alleine die 1996 rekonstruierten Chorschranken den Innenraum der Marienkirche ins monumentale gehoben haben. Wenn man sich vorstellt, daß man wenigstens einmal den unsäglichen Backstein-Fußboden angehen würde und anstatt dessen wie im Dom Sandsteinplatten verlegen würde, wäre schon viel gewonnen. Hinzu käme die Absenkung des Hochchors auf das alte Niveau, die Bergung der Grabplatten und deren Wiederaufstellung in den Seitenschiffen.
    In der Totentanzkapelle gibt es nur eins, was dort hineingehört: Das ist der Totentanz und nicht die astronomische Uhr, die an diesem Ort nichts zu suchen hat. Wünschenswert wäre auch, daß aus dem Magazin des Museums einige Kunstwerke wieder zurück in die Marienkirche kommen und auch, daß die einzige erhaltene Glocke des alten Geläuts wieder zurück in den Turm kommt. Das Thema Fredenhagenaltar traut man sich garnicht anzusprechen.

  • Hallo Weingeist, wenn ich das so lese, finde ich umsomehr, dass die Glaswand im Dom entfernt werden muss !!!
    Vielen Dank für Deine ausführliche Mail ! Hinsichtlich Deiner Einschätzung der Marienkirche sind wir uns völlig einig.Mal sehen,ob uns auch die Lübecker verstehen werden !!!

  • Hallo Frank und andere Leser, nun hab ich mich wieder dran gemacht und die Häuser nochmal überdacht. Ich bitte um Entschuldigung für die ersten Entwürfe, ich komm von Rügen und hab somit viel mehr von Stralsund, Rostock und Wismar gesehen. Lübeck habe ich mal besucht, war begeistert von einigen Details und geschockt von der breiten Straße, das war für mich ein Gewerbegebiet wie es überall stehen könnte mal abgesehen vom Rathaus aber ok, den Fehler muss man ja nicht wiederholen und deshalb versuchte ich auf drängen von allen Seiten einen Mix aus Gotik und Minimalismus zu Entwerfen. Ich hoffe darauf die Bebauung in eine Richtung zu lenken wie man es in der Altstadt erwartet.
    Entschuldigung das ich die Domdisskusion unterbreche aber am Freitag kucke ich mir das selber an.