Lübeck - Neubauten im Gründerviertel

  • Bereits am 2.4. gab es in den Lübecker Nachrichten einen Artikel mit aktuellen Infos:
    http://www.ln-online.de/Lokales/Luebec…immt-Gestalt-an

    Da dieser Artikel nur im Abo zu lesen ist, fasse ich hier mal die wichtigsten Daten zusammen:

    - Die archäologischen Grabungen sind so gut wie abgeschlossen
    - Im Mai schreibt die Stadt einen europaweiten Fassadenwettbewerb aus
    - Anhand der Einreichungen werden 10-20 Architekten ausgewählt, die dann die endgültigen Entwürfe erstellen sollen
    - Aus diesem Katalog von Entwürfen können sich die Bauherren dann einen aussuchen
    - Die Bauherren können aber auch einen eigenen Architekten "mitbringen"; dessen Entwurf muss dann aber durch den Gestaltungsbeirat
    - Die besten Entwürfe werden im September prämiert und ausgestellt
    - Auf den 38 Grundstücken entstehen ca. 140 Wohnungen
    - Es wird auch eine Tiefgarage mit ca. 100 Stellplätzen entstehen
    - Die Grundstücke werden ab Ende 2014 verkauft
    - Baubeginn ist 2016 an der Braunstraße; Die Baustelle wandert dann weiter bis zur Alfstraße, 2019 soll alles fertig sein
    - In der Fischstraße 24, 26 und 28 sind wertvolle Kellerfragmente gefunden worden, die erhalten werden sollen
    - 2015 werden alle Leitungen in den Straßen erneuert
    - Das jetzt vorhandene historische Kopfsteinpflaster soll dann durch Pflaster aus geschnittenen, Steinen mit glatter Oberfläche ersetzt werden
    - Es gibt strenge Vorgaben für die neuen Häuser: Die Kubatur wird in Anlehnung an die historischen Häuser vorgegeben (Giebelständig mit Satteldächern, 2-4 Stockwerke+Dach), es wird ein- bis zweigschossige Seitenflügel mit Dachterreassen geben
    - Die Haustiefe soll 12-14m betragen, die alten Parzellen werden eingehalten
    - Die Fassaden sollen nicht zu modern werden und sich an den historischen Häusern orientieren. Es soll eine hohe Erdgeschosszone von ca. 4,50m geben
    - Zum Innenhof ist eine freiere Gestaltung z.B. mit Balkonen/Loggien möglich


    Zudem war ich gestern auf der Jahreshauptversammlung der BIRL, bei der auch der Leiter des Stadtplanungsamtes Lübeck, Karsten Schröder, anwesend war und einen Vortrag über den aktuellen Stand und die weiteren Planungen hielt.
    Dabei bestätigte er die Infos aus dem o.g. Zeitungsartikel, die auch von ihm stammen.

    Zusätzlich gab er noch die folgenden Informationen:
    - Die Querstraßen erhalten nicht wieder ihren historischen Verlauf, da die Nachkriegs-Bebauung der beiden unteren Blöcke an der Untertrave in Privatbesitz und -nutzung sind und man nicht damit rechnet, dass diese in absehbarer Zeit abgerissen werden können. Daher werden die Blockränder der neuen Bebauung in diesen Bereichen an die Nachkriegs-Blockränder angepasst
    - An den Rippenstraßen werden aber die historischen Baufluchten,also z.B. leichte Krümmungen etc. wieder aufgenommen. Die Straßen werden dadurch auch relativ schmal werden.
    - Die Häuser bekommen Satteldächer, die Materialien sollen ortsüblich sein (rote Ziegeldächer, Fassaden in Klinker, Putz oder geschlämmt)
    - Die Dächer sollen möglichst geschlossen bleiben (keine Gauben, Einschnitte etc.. Maximal Fenster/Lichtbänder wie beim Gabler-Haus sind möglich
    - Die meisten Häuser sind derartig groß, dass pro Haus mehrere Wohnungen (z.B. eine pro Etage) entstehen sollen. Dadurch ergeben sich bei 38 Grundstücken ca. 140 Wohneinheiten.
    - Die Grundstücke dürfen zu maximal 65% überbaut werden, damit im Hofbereich ausreichend Grünflächen entstehen können, Die Hofbebauung wird also deutlich weniger dicht werden als bei der historischen Bebauung.
    - Pro Käufer wird nur ein Grundstück vergeben, so dass keine größeren Komplexe oder gleichartige Fassaden über mehrere Parzellen entstehen können
    - Die Grundstücke sollen an Privatleute und nicht an Investoren vergeben werden
    - Auf Nachfrage aus dem Publikum wurde erklärt, dass es KEINE Rekonstruktionen geben soll, auch nicht einige wenige als Leitbauten.
    Hauptbegründung war, dass es in Lübeck ja noch sehr viele alte Häuser gibt, und man deswegen keine Leitbauten braucht und hier eine moderne Lösung finden soll/will.

    Manfred Finke (BIRL) betonte aber, dass diese moderne Bebauung mindestens die Qualität der historischen haben müsse und sprach sich dennoch energisch für die Rekonstruktion mindestens einer bedeutenden Fassade aus als Hinweis auf das, was dort mal gewesen ist.

    Hoffen wir mal, dass er sich damit noch durchsetzen kann.

    Ich habe von Herrn Schröders Vortrag einige Fotos gemacht, die leider sehr schlecht geworden sind, da ich relativ weit hinten saß und mein Handy mit dem schlechten Licht dort nicht besser zurechtkam:

    01-Rahmenplanentwurf_Grundriss.jpeg
    Bild 1: Rahmenplanentwurf - Grundriss - unter dem roten Bereich soll die Tiefgarage entstehen

    02-Kubatur_Fischstrasse_Suedseite.jpeg
    Bild 2: Kubaturskizze nach historischem Vorbild Fischstraße Südseite

    03-Strassenansicht_Alfstrasse_Suedseite.jpeg
    Bild 3: Skizzenhafte Straßenansicht Alfstraße Südseite mit Dachaufsicht

    04-Simulation__Fischstrasse.jpeg
    Bild 4: Simulation Straßenbild Fischstraße - so könnte es in etwa werden!

    Es handelt sich zwar nur um eine Studie, aber insbesondere das letzte Bild stimmt mich sehr positiv! Ich denke, dass es kaum besser geht, wenn man schon ohne Rekonstruktionen auskommen muss. Ich hoffe, dass dieses Bild den Architekten im Wettbewerb mitgegeben wird.
    Andererseits frage ich mich, warum man - wenn es dem historischen Vorbild derartig ähnlich wird - nicht gleich rekonstruriert. Da fehlt doch dann zur Rekonstruktion nun wirklich nicht mehr viel!

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (30. April 2023 um 20:31) aus folgendem Grund: Bilder wiederhergestellt

  • Vielen Dank Frank1204, für diese ausführliche Information.

    Sollte das Ergebnis in der Realität annähernd so werden wie auf Deinem letzten Bild, wäre das natürlich toll. Nur leider glaube ich nicht so recht daran. Das tatsächliche Resultat wird sicher viel "moderner". Fenster mit Sprossen, wie in der Visualisierung, kann man bestimmt an einer Hand abzählen. Am Frankfurter DomRömer kann man gut sehen was geht und was nicht. Selbst wenn man sich an die Vorgaben hält, wird es gelingen ein hässliches Haus zu entwerfen.

  • Danke für deinen schönen Bericht, frank1204. Zusammenfassend kann man sagen, dass man hier etwaiger Kritik wohl von vorneherein den Wind aus den Segeln nehmen will, um nicht vor einer Situation zu stehen wie in [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon], wo ein autistischer hypermoderner Entwurf vom Volkszorn zerrissen wird. Diesbezüglich scheinen Dresden, [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon], Potsdam & Co schon langsam in den Bauämtern anzukommen.

    Andererseits ist das jetzige Angebot nur der kleinste gemeinsame Nenner. Wünschenswert wäre natürlich ein Leitbauten-Konzept wie in Dresden oder [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon] gewesen, aber die Stadt Lübeck ist finanziell ja nahezu handlungsunfähig, was neben ideologischen Gründen die Hauptursache sein dürfte, dass so etwas nicht durchsetzbar ist. Trotzdem stellen die Pläne respektive ihre Umsetzung anbetrachts des gegenwärtigen bzw. bisherigen Elends trotzdem eine riesige Verbesserung dar.

    Der Bruch – den die Nachkriegsbebbauung ja ganz bewusst provozierte – zwischen erhaltenen und zerstörten Teilen wird künftig einfach viel weniger krass ausfallen. Hervorragend ist auch, dass die alten Parzellen eingehalten werden – das gibt zukünftigen Generationen die Möglichkeit, die Stadt durch Rekos wieder zu vollenden. Jetzt wird es spannend sein, die Ergebnisse des Fassadenwettbewerbs abzuwarten.

  • Lesenswert auch eine diesbezügliche Zusammenfassung in den aktuellen Bürgernachrichten Nr. 113 - dort schreibt Manfred Finke:

    Zitat

    Wenn es wirklich darum gehen sollte, etwas von der kraftvollen Monumentalität des bis 1942 bestehenden Stadtbilds zurückzugewinnen, müsste eine verbindliche Regelung pro Unaufdringlichkeit und „Bescheidenheit im Auftreten“ vereinbart werden.

    Das hört sich jedenfalls gut an, wenn obiges berücksichtigt wird.

    Zitat

    Für ein städtebaulich „einheitliches“ Erscheinungsbild des zukünftigen Gründerviertels haben Bauverwaltung, „Experten-Gremium“ und Gestaltungsbeirat diese Regeln vereinbart:

    • Die neuen Hausfronten sollen auf den alten Fluchtlinien stehen,
    • Die Hausbreiten sollen den historischen Parzellenbreiten folgen,
    • Der Hauskörper soll inklusive der Anzahl an Stockwerken in etwa der ehemaligen Kubatur entsprechen,
    • Das Erdgeschoss soll durch betonte Höhe hervorgehoben und
    • Die Dachlandschaft soll straßenseits wieder wie einst weitgehend aus Satteldächern bestehen.

    Bürgernachrichten Lübeck Nr. 113

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Zitat

    Frank 1204 hat geschrieben:
    Auf Nachfrage aus dem Publikum wurde erklärt, dass es KEINE Rekonstruktionen geben soll, auch nicht einige wenige als Leitbauten.
    Hauptbegründung war, dass es in Lübeck ja noch sehr viele alte Häuser gibt, und man deswegen keine Leitbauten braucht und hier eine moderne Lösung finden soll/will.

    Das ist eine Schande, denn das Gründerviertel war historisch wie kunstgeschichtlich so wichtig, daß hier jedes einzelne Haus rekonstruiert gehört.
    Diese "Hauptbegründung" ist doch Unfug, denn anders herum gibt es hier die deutschlandweit einzige Chance, eine komplette, intakte Altstadt von Weltgeltung wieder zu gewinnen, eine Altstadt, die es mit Amsterdam, Brügge, Toledo oder Venedig aufnehmen könnte. So eine, die es im heutigen Deutschland nicht mehr gibt.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Dem stimme ich auch voll zu, allerdings ist offensichtlich der Anfang gemacht und auch hier geht der Weg Volldampf in Richtung Rekonstruktion. Aufgrund der vorliegenden Leitlinien kann es niemanden verboten werden, zu rekonstruieren.

    Das wäre doch was für einen noch zu gründenden Verein..." Bürgerhaus...sounso, wie etwa in Dresden ..! Eine Verbesserung ist schon mal gegeben !!!

  • Ja, das dachte ich auch schon - es steht ja nirgends, dass Rekonstruktionen explizit verboten sind. Und die Regelung, dass auch jemand mit einem eigenen Architekten kommen kann, sollte die Tür dafür öffnen. Wenn ich also mit einem Architekten komme, der eine Rekonstruktion bauen will, sollte das m.E. doch möglich sein.
    Die Frage ist nur, wer das Bewerkstelligen kann bzw. will. Über einen Verein hätte man sicherlich die größte Chance. Aber das muss eben erstmal alles organisiert werden - ich habe jedenfalls nicht die Zeit dazu, hier federführend tätig zu werden. Und selbst wenn dieser "Verein" es tatsächlich schaffen sollte, EINE Fassade zu rekonstruieren, wäre das bei 38 möglichen ja auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein...

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Hallo,

    man müsste die Angelegenheit nur in gang bringen denke ich! Gibt es denn in Lübeck einen " Altstadtverein " ???

  • Einen Gestaltungsbeirat gibt/ gab(?) es: http://www.architekturforum-luebeck.com/2012/01/06/200…tellt-sich-vor/
    Ob dessen Besetzung hilfreich ist?

    Zitat

    Die fünf Mitglieder bilden das Spektrum der aktuellen Architekturdiskussion ab. Niemand von ihnen hat seinen Wohnsitz oder sein Büro in Lübeck. Denn ein zentrales Merkmal des Gutachtergremiums ist neben der fachlichen Qualifikation auch seine Unabhängigkeit.


    Quelle: http://www.luebeck-tourismus.de/service/news/n…r-altstadt.html

  • Im Vorfeld wäre vielleicht mal eine Bestandsaufnahme (ggf. hier im Forum in einem separaten Thread) hilfreich. D. h. von wie vielen Parzellen und welchen Hausnummern in Alf-, Braun- und Fischstraße reden wir, in Abstimmung mit dieser hervorragenden Wikipedia-Liste könnte man dann mal einen ersten Überblick gewinnen. Als nächstes ginge es darum, Bildmaterial zu organisieren und eine Einordnung der künstlerisch-geschichtlichen Bedeutung der einzelnen Bauten zu treffen. Ich will mal einen Anfang anhand dieser abfotografierten Grafik zur Ausgrabung machen, die Maxileen vor einiger Zeit freundlicherweise in einem Beitrag zur Verfügung gestellt hatte.

    An der Alfstraße reden wir von der Südseite zwischen dem neuen Studentenwohnheim (Nr. 5a) im Osten und Gerader Querstraße im Westen, es scheint sich um zehn Häuser zu handeln, ehemalige Hausnummern Alfstraße 15–33.

    An der Fischstraße fehlt bekanntlich das meiste, an der Nordseite geht es um den Abschnitt zwischer dem neuen Studentenwohnheim (hier wohl Nr. 6) im Osten und der Geraden Querstraße im Westen. Wir sprechen hier augenscheinlich von neun Häusern, die die ehemaligen Hausnummern Fischstraße 16–32. Im Süden haben wir den Bereich zwischen dem Nachkriegsbau Nr. 5–9 im Osten und der Einhäuschen-Querstraße im Westen, wohl neun Häuser, ehemalige Hausnummern Fischstraße 11–27. Hier bin ich mir am ehesten unsicher.

    Schließlich haben wir im Süden an der Braunstraße die Nordseite im Bereich zwischen dem erhaltenen Bestand mit Nr. 12 im Osten und der Einhäuschen-Querstraße im Westen. Auch hier bin ich mir nicht ganz sicher, aber es müssten zehn Häuser sein, ehemalige Hausnummern Braunstraße 14–32.

    Summa summarum also 38 Häuser.

  • Mit soviel Begeisterung hätte ich nicht gerechnet. Fangen wir mit dem Katalog der Bauten an der Alfstraße an.

    - Alfstraße 15 (Bild; wohl älterer Kern, barocke Fassade augenscheinlich frühes 18. Jahrhundert, unterer Teil wohl 19. Jahrhundert)
    - Alfstraße 17 (Bild; Spätgotik, wohl 15. Jahrhundert)
    - Alfstraße 19 (Bild; Historismus (?), wohl Neubau 2. Hälfte 19. Jahrhundert, ungewöhnlich das Mansarddach (?))
    - Alfstraße 21 (Bild; sehr wenig erkennbar, tendenziell wie Nr. 19)
    - Alfstraße 23 (Bild (nur Portal); Portal 1589 (i), keine Aussage über das Gebäude möglich)
    - Alfstraße 25 (Bild; Spätgotik, wohl 15. oder frühes 16. Jahrhundert, unterer Teil augenscheinlich 17. Jahrhundert)
    - Alfstraße 27 (Bild; Gotik, wohl noch 14. Jahrhundert, unterer Teil eingreifend augenscheinlich im späten 19. oder gar 20. Jahrhundert verändert)
    - Alfstraße 29 (Bild #1, Bild #2; Backsteinrenaissance, wohl 16. Jahrhundert, augenscheinlich äußerlich völlig bauzeitlich erhalten, östliches Eckhaus einer mir namentlich nicht bekannten Stichgasse zur Fischstraße, die es mittels eines Schwibbogens mit der Nr. 31 überspannte)
    - Alfstraße 31 (Bild #1, Bild #2 (Portal); Gotik, wohl älterer Kern, dem Giebel nach eher 14. Jahrhundert, unterer Teil dem Portal mit Taustabdekor nach 16. Jahrhundert)
    - Alfstraße 33 (Bild #1, Bild #2; Historismus, wohl Neubau 2. Hälfte 19. Jahrhundert, vielleicht über älterem Keller)

    Für Ergänzungen und Korrekturen bin ich anbetrachts meiner bescheidenen Kenntnisse des norddeutschen Profanbaus bzw. der Fassadenentwicklung dankbar. Trotzdem zeigt sich schon hier, dass z. B. der Zwang zu Giebelständigkeit problematisch ist, weil solche überhaupt nicht in allen Fällen den Vorkriegszustand wiederspiegeln (ähnlich wie in [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon]).

  • Neue Berichte von heute zum aktuellen Stand - der Fassadenwettbewerb läuft wie man lesen kann:

    Lübecker Nachrichten:
    http://www.ln-online.de/Lokales/Luebec…Gruenderviertel
    Typisch LN mal wieder der letzte leute-verdummende Satz:

    Zitat

    In der Fischstraße 24, 26 und 28 wurden historische Keller gefunden, diese sollen erhalten bleiben.


    Es wurden natürlich auf ALLEN Grundstücken historische Kellermauern gefunden. Dass diese auf 36 von 39 Grundstücken weggebaggert werden - bzw. schon wurden, wird natürlich nicht erwähnt!
    Und die Überschrift "Teures Wohnen..." ist auch nicht hilfreich. Es gibt in Lübeck sowieso gerade Diskussionen darüber im Rahmen verschiedener Wohnbauplanungen am Wasser in Altstadtnähe. Die Linke will unbedingt, dass auch in solchen 1a-Lagen Sozialwohnungen entstehen. Was das meist für die Qualität der Architektur bedeutet, weiß man ja.

    HL-Live:
    http://www.hl-live.de/aktuell/textstart.php?id=91825
    Dieser Artikel ist weniger dumm-naiv als der LN-Bericht, aber auch hier wird negativ suggeriert, dass der Erhalt historischer Bausubstanz eine "Einschränkung" sei. Kann man das nicht mal - wie beim Gabler-Haus geschehen - als Bereicherung sehen? Bei einer solchen Mentalität wundert es mich nicht, dass es in Lübeck teilweise aussieht wie es aussieht...


    Neu ist für mich, dass die (Pfahl-)Gründung und die Bodenplatte VOR Verkauf der Grundstücke gebaut werden soll. Das hört sich gut an - kann dann doch gleich mit dem Bau der Häuser begonnen werden, wenn die aufwändige, zeitraubende Gründung schon durch ist.

    Zwischen Braunstraße und Fischstraße wurden inzwischen die Keller der ehemaligen Berufsschule entfernt. Entfernt wurden damit aber auch alle historischen Mauerreste und archäologischen Befunde. Will sagen: Die Baugrube wurde komplett ausgekoffert. Ich denke, demnächst folgt der Teil zwischen Fisch- und Alfstraße. Hier sollen ja immerhin die gut erhaltenen Grundmauern von Fischstraße 24, 26 und 28 erhalten bleiben.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    2 Mal editiert, zuletzt von frank1204 (4. Juni 2014 um 10:00)

  • Hallo allerseits,

    ab sofort gibt es die neue Ausgabe 114 der Bürgernachrichten der BIRL, die ich als Mitglied schon seit ca. 3 Wochen als Druckausgabe habe, auch online als PDF zu lesen:
    http://www.unser-luebeck.de/images/stories…hten/bn_114.pdf

    Ein großer Teil (9 Seiten) befasst sich mit dem Gründerviertel. Die Artikel enthalten Plädoyers für die Rekonstruktion einiger Fassaden (ab Seite 3) sowie für die Wiederherstellung der Krummen Querstraße (ab Seite 6). Ein weiterer Artikel (ab Seite 9) stellt die verlorenen Fassaden im zu bebauenden Bereich vor - für die gut dokumentierte Fischstraße etwas ausführlicher als für Braun- und Alfstraße.

    Alle Artikel sind mit vielen historischen Fotos und zusätzlichen Grafiken reich bebildert - einige davon kannte selbst ich noch nicht. Besonders eindrucksvoll finde ich hier das historische Luftbild des unzerstörten Gründerviertels auf Seite 3.

    Viel Spaß beim Lesen!

    P.S.: Die BIRL e.V. nimmt übrigens auch Spenden für ihre Arbeit entgegen, und wer möchte, kann auch Mitglied werden. Infos dazu in BN 114 auf Seite 24.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Hallo allerseits,

    bereits neulich berichtete ich von der Erweiterung des Buddenbrookhauses auf die Mengstaße 6, dem nach dem Krieg eine dem Haus Fischstraße 19 nachempfunden Fassade aus dessen Originalsteinen vorgeblendet wurde, als diese für die Berufsschulen weichen musste.

    Wie ein Artikel aus den Lübecker Nachrichten vom Samstag zeigt, kommt wohl langsam Bewegung in die Sache.

    Leider ist der Artikel nur im Abo zu lesen, daher eine kurze Zusammenfassung: Es besteht wohl mehrheitlich Zustimmung zum Vorschlag von Manfred Finke (BIRL), die Fassade wieder in die Fischstraße 19 zurückzusetzen, da dies eine einmalige Chance ist, weil ja auch dort zeitgleich neu gebaut werden soll.

    Fürsprecher sind neben Manfred Finke auch Architekturprofessor Ulrich Nieschalk, der sich sogar zusätzlich für eine Rekonstruktion der Fassade Mengstraße 6 ausspricht, die den Krieg überlebt hatte und erst für die vorhandene Pseudo-Rekonstruktion weggerissen wurde. Zudem ist auch Hans Wißkirchen, Lübecker Museumschef, für eine Rückkehr der Fassade, aber wohl eher aus pragmatischen denn städtebaulichen Gründen: Die Geschosshöhen von Mengstraße 6 passen so garnicht zu Mengstraße 4, wie in dem Artikelbild und auch auf diesem Bild (ebenfalls LN) zu sehen ist. Herr Wißkirchen wird also wohl gegen Nieschalks Rekonstruktionsvorschlag sein, da auch bei der alten Fassade von Mengstraße 6 die Geschosshöhen nicht brauchbar für eine Verbindung mit Mengstraße 4 waren.
    Zu guter letzt äußert sich in dem Artikel noch Bausenator Boden. Es ist der Rücksetzung wohl auch nicht ganz abgeneigt, es müsse aber geprüft werden, ob diese überhaupt möglich sei, da die jetzige Fassade ab dem 1. OG unter Denkmalschutz stehe.


    Warten wir mal ab, es bleibt spannend. Ich persönlich befürworte die Rücksetzung unbedingt, befürchte aber im Gegenzug, dass uns dann was modernes in der Mengstraße 6 "blühen" könnte.


    Hier nochmal ein großes Bild von Fischstraße 19, weil´s so schön ist:

    Quelle: upload.wikimedia.org, gemeinfrei

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  • Auf jeden Fall ist gut an der Sache, daß zumindest Eine Rekonstruktion auf dem neu zu bebauenden Gebiet in Gespräch, d. h. nicht mehr Tabu ist. Andererseits ist diese Diskussion noch abhängig davon, daß die beiden Fassaden in der Fischstraße und der Mengstraße nach dem Krieg noch standen. Wird über die Rekonstruktion von im Krieg ganz zerstörten Häusern und Fassaden, z. B. in einem Leitbautenkonzept, (noch) nicht geredet?

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ja, in der Tat war es noch vor kurzem ein Tabu in Lübeck, an das böse Wort "Rekonstruktion" auch nur zu denken. Man wurde im besten Fall belächelt oder auch als Ewiggestriger abgetan.

    Seit vielleicht ein oder zwei Jahren scheint sich das sehr langsam zu wandeln, und es ist inzwischen (wenn man möglichst behutsam vorgeht) offenbar immerhin eine einigermaßen sachliche Diskussion über Rekonstruktionen möglich, auch wenn die bisher leider nicht zu Erfolgen geführt hat.

    Wie ich aber bereits weiter oben schrieb, sind dennoch bisher im Gründerviertel leider keine Rekonstruktionen und auch kein Leitbautenkonzept vorgesehen. Die BIRL - die auch im "Expertengremium" vertreten ist, das sich mit der Neubebauung der Gründerviertels beschäftigt - versucht immerhin, die Rekonstruktion einiger wichtiger Fassaden - vornehmlich in der gut dokumentierten, da bereits vor dem Krieg komplett unter Denkmalschutz stehenden und leider auch als einzige komplett zerstörten Fischstraße durchzusetzen. Das wird aber sicher sehr schwer werden, da dieses Gremium hauptsächlich aus Architekten besteht.

    Zudem ist es in Lübeck sehr schwer, die breite Öffentlichlichkeit für Rekonstruktionsprojekte zu begeistern. Als Hauptgrund sehe ich hierfür, dass in Lübeck noch ca. 70% der Altstadt existiert (darunter glücklicherweise sämtliche Großbauten wie Kirchen, Rathaus, Tore usw.), man sich also sehr viel historische Original-Bausubstanz ansehen kann und man an vielen Stellen dadurch eine Art Heimatgefühl bekommt. Man sieht, man ist in Lübeck und nicht in einem beliebigen und austauschbaren sterilen Irgendwo. Da ist der Leidensdruck und Wunsch nach "Altem", mit dem man sich und die Stadt identifizieren kann, weitaus weniger ausgeprägt als in fast vollständig zerstörten Städten wie z.B. [lexicon='Frankfurt am Main'][/lexicon]. Ein Beispiel aus Lübeck: Als man 2006 den Dachreiter der Petri-Kirche rekonstruieren wollte, der als einziges Element der Stadtsilhouette noch fehlt, gab es Stimmen wie: "Wozu braucht man denn noch einen Turm?". Und im gleichen Atemzug kommen dann immer Argumente wie: "Das Geld könnte man für Kindergärten, Schulen und Radwege viel besser verwenden". Ein weiterer Grund, warum man sich in Lübeck mit Rekonstruktionen so schwer tut, ist also auch der desaströse Haushaltszustand der Stadt. Das eine hat zwar mit dem anderen nichts zu tun, weil die Rekonstruktionen natürlich nicht von der Stadt bezahlt werden würden, aber viele Leute schmeißen das leider gerne in einen Topf.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Ich bin auch für die Rücksetzung, vor allem, weil der derzeitige Zustand mit der Durchfahrt für das Parkhaus mehr als entwürdigend ist.

  • Gerade habe ich noch einen Artikel zum Gründerviertel vom 13.9. in den Lübecker Nachrichten gefunden, der irgendwie an mir vorübergegangen war. Ich war aber an dem Wochenende auch nicht da. Ist frei zu lesen und zeigt, dass Rekonstruktionen immerhin von einigen immer mal wieder ins Gespräch gebracht werden, auch wenn ich da bis auf Fischstraße 19 immer noch keine Große Hoffnung habe.

    Link zum Artikel

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