Lübeck - Neubauten im Gründerviertel

  • Seit längerem wieder eine aktuelle (Montag, 12.08.19) Ansicht von der Petrikirche

    Vielen Dank! Die gleiche Idee hatte ich auch kurz zuvor und kann mir die Turm-Auffahrt dann ja aktuell sparen.

    Ich habe mir aber mal erlaubt, Dein Foto und ein historisches aus derselben Perspektive gegenüberzustellen. Dazu habe ich aus Deinem Foto ziemlich exakt denselben Ausschnitt herausgenommen, den das historische Foto zeigt:


    Aktuelles Foto: Novaearion; das historische sollte gemeinfrei sein.

    Wie ich finde, ein interessanter wie schmerzhafter Vergleich...

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Da geht mehr als ein Dreiecksgiebel!

    Das stimmt. Aber wir sollten jetzt nicht in den Nörgel-Modus verfallen. Es hätte auch passieren können, dass in dem Gebiet die üblichen Renditekästen gebaut worden wären, wie derzeit gefühlt in 95 Prozent der Republik. Mit weißer Schaumstoff-Fassade, mit Rasen begrüntem Flachdach, Schüttelfenstern und durch schwarze Platten verhängtem Erdgeschoss. Hier hingegen entsteht ein kleinteiliges, altstädtisch anmutendes Quartier, bei dem viel Sorgfalt auf die differenzierte optische Gestaltung gelegt wurde. Sogar zwei Rekonstruktionen sollen kommen, so ich auf dem aktuellen Stand bin. Klar geht mehr, und ich würde mir für die Zukunft auch mehr wünschen. Aber das Quartier ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Dieses Glas ist halb voll und nicht halb leer.

  • Die einfachen Giebel gibt es oft in der Lübecker Altstadt - bei den Nachkriegsbauten! Ganz untypisch sind sie also nicht - eben nur bei Bauten aus der Zeit nach 1945. Persönlich finde ich es ok, dass man erkennen kann, dass es sich hier um Neubauten handelt, solange die sich harmonisch einfügen. Und das es hier der Fall. Aber etwas mehr Abwechslung bei den Giebelformen wäre natürlich wünschenswert.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Fotos vom 19.08.2019

    Hier wieder ein Schwung aktueller Fotos von vorhin - nach einiger Zeit Pause nun auch mal wieder Neuigkeiten aus der Alfstraße:



    Abb.1: Jetzt ist auch Alfstraße 19 ohne Gerüst zu sehen. Gefällt mir - wie ich schon mal schrieb - ganz gut. Ein unaufgeregter neoklassizistischer Bau, der den Eindruck vermittelt, hier schon länger zu stehen. Der gerade Fassadenabschluss ist übrigens dem Gestaltungsbeirat zu verdanken. Dieser bekam dann doch Bedenken, ob das zunächst geplante vierte reine Dreieck in Folge (neben den Nummern 13, 15 und 17) nicht zuviel des Guten werden würde (es fiel der Ausdruck "ein weiterer Sägezahn") und schlug alternativ einen geraden Fassadenabschluss vor. Der Bauherr/Architekt nahm die Empfehlung zum Glück an, so dass letztlich der nun gute Entwurf entstand. Auch das EG wurde dank des GBR noch einmal beruhigt - zuvor waren hier ziemlich "wilde" Fensteröffnungen und -teilungen geplant. Schön in der Ausführung auch die profilierten Fensterkreuze sowie die etwas kräftigere und freundliche Farbe der Putzfassade. Ich hoffe, dass hier überall eine Graffiti-Schutzschicht aufgetragen wird...



    Abb.2: Alfstraße 17 und 19 im Zusammenhang.



    Abb.3: Die ganze moderne Straßenseite (Gablerhaus, Studentenwohnheim und die Neubauten Nrn. 13, 15, 17, 19) vor St. Marien.



    Abb.4: Blick in die Baugrube von Alfstraße 21. Der Keller müsste bald kommen. Oberhalb der Bildmitte liegen die Dachsparren für Fischstraße 16 - dazu unten mehr.


    Kommen wir nun zur Fischstraße:


    Abb.5: Fischstraße 5 ist inzwischen fast fertig. Äußerlich fehlen nur noch Sockel und Tür. Die Farbe der Schlämme ist sehr angenehm geworden. Auch dies ein unaufgeregtes angenehmes Haus, das einen Treppengiebel zitiert, auch wenn es sich (leider) nur um eine Stufe handelt.


    Abb.6: Fischstraße 5 und 7-9. Auch Nr. 7-9 (rechts) ist fast fertig. Hier bin ich mir allerdings noch nicht sicher, ob es sich um die endgültige Farbe handelt. Durch die enorme Größe und Gleichförmigkeit erscheint mir das Haus etwas langweilig. Vielleicht wirkt es ohne Gerüst besser, wenn der Mittelrisalit und die Rücklagen zwischen den Fenstern, sowie die rustizierte EG-Mitte besser zu sehen sein werden.


    Abb.7: Fischstraße 17, unterer Teil. Über dem EG ist der Putz bereits drauf, im EG sind die Vorbereitungen dafür getroffen.


    Abb.8: Fischstraße 16 und 17. Nr. 17 (rechts) in der verputzten Gesamtansicht. Bei Nr. 16 wird jetzt der Dachstuhl gerichtet. Hier haben wir ein erfreulich hohes und steiles Dach, das quasi drei (statt wie bei den meisten anderen Häusern zwei) "Stockwerke" abdeckt. Der überstehende Treppengiebel kommt hier bereits sehr schön zur Geltung.


    Abb.9: Hier ist schön zu sehen wie das Dach von Fischstraße 16 erfreulicherweise die unpassende moderne Dachkonstruktion (sprich das Staffelgeschoss) des Studentenwohnheims verdecken wird. Vielleicht kann man das ja irgendwann auch noch zu Satteldächern umbauen - wünschenswert wäre es.


    Abb.10: Rechts Fischstraße 16, links die Rückseiten der Neubauten an der Alfstraße. Hier wird deutlich, was ich kürzlich damit meinte als ich schrieb, dass bei vielen der Neubauten offensichtlich nicht großartig darauf geachtet wurde, dass Straßen- und Rückfassaden miteinander korrespondieren.

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  • Die einfachen Giebel gibt es oft in der Lübecker Altstadt - bei den Nachkriegsbauten! Ganz untypisch sind sie also nicht - eben nur bei Bauten aus der Zeit nach 1945.

    Der Logik kann ich nicht ganz folgen. Werden untypische Bauformen dadurch typisch, dass sie in ausreichender Anzahl und eine bestimmte Zeit lang existieren? Dann wären ja auch die langen traufständigen Nachkriegs-Vorstadtwohnblöcke z.B. in der oberen Alfstraße oder an der Südseite der Braunstraße und auch in der Beckergrube inzwischen typisch für die Lübecker Altstadt? Diese Blöcke wurden doch bewusst als Bruch mit der historischen, über Jahrhunderte gewachsenen, eben typischen Bauweise angelegt. Wie können sie da wie die historischen Bauten ebenfalls "typisch" werden? Das sollten sie ja absichtlich gar nicht sein. :wie:

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  • Das war nur teilweise ernst gemeint. Ich glaube aber nicht, dass die Nachkriegsbauten mit Dreieckgiebel als Bruch mit der Tradition gedacht waren. Dass waren eher die Kaufhofklötze und Zeilenbauten. Die Dreieckgiebel gehören seit teilweise 70 Jahren zum Stadtbild, ich finde es deshalb nicht ganz verkehrt einige davon im neuen Quartier zu bauen - aber nicht zu viele.

    Ansonsten vielen Dank für die Berichterstattung! Für mich das top-Thema bei stadtbild.de

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Ja, Du hast wohl recht. Danke für die Klarstellung. :thumbup:

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  • Richtig!

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker


  • Abb.1: Jetzt ist auch Alfstraße 19 ohne Gerüst zu sehen. Gefällt mir - wie ich schon mal schrieb - ganz gut. Ein unaufgeregter neoklassizistischer Bau, der den Eindruck vermittelt, hier schon länger zu stehen. ...

    Nachdem die Überarbeitung der Fenstergestaltung von Braunstraße 28 auf ein erfreulich positives Echo gestoßen ist, möchte ich eine solche auch bei Alfstraße 19 gegenüberstellen.

    Auf mich wirkt das jetzige Gebäude Alfstraße 19 auf Grund der Fenster ebenfalls halbgar, vor allem in den oberen Geschossen. Die modischen zweiflügeligen Fenster könnten so auch bei einem (neo-)klassizistischen Bau nach unsachgemäßer Sanierung entstanden sein. In solch einem Fall würde man den Umstand bemängeln. Umgekehrt ist dieser Aspekt in gleichem Maße kritisch zu betrachten, auch oder gerade weil es sich hier um einen Neubau handelt. Der Vergleich soll bestenfalls aufzeigen, was bei ausstehenden oder zukünftigen Objekten besser werden muss,und dass sich auf dem bisher Erreichten nicht ausgeruht werden kann. Ein "halbvolles Glas" kann in dieser Thematik nicht das Ziel sein.

  • Vor allem die beiden Gurtsimsen und das Abschlussgesims sind wieder sehr zaghaft ausgefallen.Weshalb dürfen diese nicht kräftiger sein? Auch wenn man 'modern' oder 'zeitgemäss' bleiben möchte, würde dem die dritte Dimension absolut nicht entgegen stehen. Auch könnte ich mir vorstellen, dass die Fenster des 1. Obergeschosses eine Verdachung ertragen würden, und somit das 1. Obergeschoss insgesamt als die 'gute Stube' hervorgehoben würde. Nun sieht die Fassade wie eine vereinfachte Fassade aus dem Klassizismus aus. Nicht einmal der Hauseingang hat eine Bekrönung erhalten! Weshalb beispielsweise auch keine Ecklisenen?

    Ich finde die Fassade aber trotzden bemerkenswert, und noch bemerkenswerter auch die Initiative des Gestaltungsbeirates, anstelle des ursprünglich vorgesehenen Giebels einen geraden Abschluss zu favorisieren.

    Der gerade Fassadenabschluss ist übrigens dem Gestaltungsbeirat zu verdanken. Dieser bekam dann doch Bedenken, ob das zunächst geplante vierte reine Dreieck in Folge (neben den Nummern 13, 15 und 17) nicht zuviel des Guten werden würde (es fiel der Ausdruck "ein weiterer Sägezahn") und schlug alternativ einen geraden Fassadenabschluss vor.

    Nebenbei: Wir haben beim Lübecker-Projekt oft auf den Wiederaufbau der Altstädte von Dresden und Frankfurt verwiesen. Vor zehn Jahren entstanden in Berlin die Überbauung mit Townhouses und in Frankfurt in den 1980er-Jahren die postmoderne 'Rekonstruktion' der Saalgasse. Es waren zwei Projekte, die Wegbereiter für Stadtreparatur waren, bei denen sich vor allem private Leute als Bauherren einbringen konnten. Bei beiden ist natürlich viel modischer Schnick-Schnack entstanden, aber in Berlin gibt es doch einige 'klassische' Fassaden, die man sich für Lübeck zu Rate hätte ziehen können. Ich bin schon einige Male die Saalgasse durchgelaufen, und dort fand ich irgendwie keine Ruhe. Ich bin zuversichtlich, dass man - trotz unserer Kritik auf höherem Niveau - auch in dreissig Jahren durch die neu entstandenen Gassen in Lübeck mit einem guten Gefühl schlendern kann. In Frankfurt hingegen wünschte ich mir bereits jetzt eine Neubebauung der Saalgasse.

  • In Frankfurt hingegen wünschte ich mir bereits jetzt eine Neubebauung der Saalgasse.

    Ich stimme Dir oft zu, in diesem Falle nicht. Die Nordseite der Saalgasse ist ein in dieser Qualität eigentlich einzigartiges Ensemble der Postmoderne, das meiner Meinung nach erhalten bleiben sollte. Da die Häuser wohl in Privateigentum sind, werden sie auch nicht so schnell verschwinden. Ob da Erbbaurecht besteht, weiß ich allerdings nicht. Allenfalls ist dieses Ensemble mit der Marterburg in Bremen vergleichbar, wobei das Bremer Beispiel doch qualitativ stark abfällt. Ansonsten fielen mir die postmodernen neuen Altstädte in Polen ein. Aber auch hier bestehen deutliche Unterschiede.
    Ich würde mir aber eine altstadtgerechte Neubebauung auf der Südseite der Saalgasse wünschen. Dort steht wirklich kaum etwas von architektonischem Wert.
    Das nur als kleiner Exkurs vom Thema Lübeck.

  • Fotos vom 12.9.2019

    Ein paar Fotos von gestern abend:


    Abb.1: Fischstraße 5, jetzt auch endlich ohne Gerüst. Sockel und Tür fehlen allerdings noch. Gefällt mir relativ gut. Durch die Gesimse und Vertiefungen im unteren und mittleren Teil entsteht eine gewisse Plastizität und "Altstadttauglichkeit". Das große "Dornsenfenster" im EG ist sogar sehr schön. Die portalartige Profilierung der Eingangstür hätte gerne beidseitig sein dürfen.
    Die Giebelzone schwächelt aber auch bei diesem Haus. Immerhin wird ein - historisch hier gewesener - Treppengiebel angedeutet. Mit einer weiteren Stufe oben und einem zusätzlichen, kleinen mittleren Fenster oberhalb der drei oberen hätte man noch eine deutliche Verbesserung erreichen können.
    Die geschlämmte Ziegelfassade sieht auf dem Bild etwas glatter aus als in der Realität. Mit etwas Patina wird sich die Fassade wohl noch weiter verbessern, denke ich. Was mir gar nicht gefällt, sind die Blechabdeckungen der eingetieften Fallrohre, die das Haus merkwürdig einrahmen. Die Rohre wären offen und vor der Fassade gelegen deutlich schöner und altstadtkonformer gewesen. Das gleiche Prinzip hat Architekt Riemann leider auch schon bei "seinem" ansonsten schönen Motel One angewendet, das quasi um die Ecke steht.



    Abb.2: Braunstraße 14: Der Restflügel der Berufsschule wird momentan komplett entkernt. Es bleibt nur das statische Grundgerüst, das in das neue Haus integriert wird.

    Abb.3: Auf den Grundstücken Fischstraße 24, 26 und 28 werden momentan nach dem Einbringen der Bohrpfähle die zu erhaltenden historischen Kellermauern wieder freigelegt. Die Stützen wurden auf allen Seiten ca einen halben Meter vor die Mauern gesetzt.

    Abb.4: Andere Perspektive. Die historischen Mauern sind momentan noch durch Planen geschützt. Beim Ausbaggern ist leider noch der eine oder andere Stein abgestoßen worden, wenn ich das richtig sehe.

    Abb.5: Vorne die historischen Keller an der Fischstraße, hinten die Neubauten an der Alfstraße. Hat mit den Pfählen was vom Bryce Canyon in Utah... ;)


    Des weiteren ist zu berichten, dass momentan zudem an folgenden Häusern erste Bautätigkeiten im Kellerbereich stattfinden: Alfstraße 21 und 23, Fischstraße 18. Beim Investorengrundstück Braunstraße/Einhäuschen Querstraße/Fischstraße ist die 12m tiefe Spundwand nun umlaufend eingebracht, und der Aushub der Baugrube hat begonnen.

    Aufgrund der zunehmenden Bautätigkeit und des begrenzten Platzes wird ab nächster Woche leider die Fischstraße im mittleren Teil für mindestens ein Jahr gesperrt werden, wie heute bei HL-live zu lesen ist.
    Bei allem Verständnis dafür - etwas ärgerlich ist das schon. Ich muss dann mal sehen, inwieweit das meine Berichterstattung und die fotografische Dokumentation beeinträchtigen wird. :foto:huh:)

    Edit: Alle Fotos natürlich von mir

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (13. September 2019 um 15:46)

  • mE würden die hier eingemahnten pseudotraditionellen Aufmotzungen mehr Schaden als Nutzen bringen:
    Mehr Altstadtgefühl würde sich nicht einstellen - modern bleibt modern, auch mit mehr Fenstersprossen auch mit mehr Giebelanpassung oder -Anbiederung werden keine richtigen historischen Altstadthäuser draus, deren Flair lässt sich eben nur durch möglichst genaue Reko wiedererzielen. Das Fehlen von Rekos ist und bleibt der einzig mögliche Kritikpunkt.
    Das Under-Statement dieses Wiederaufbaus hat eine gewisse kühle Noblesse, auf jeden Fall aber, wenn man das nicht so mag, eine gewisse Stilsicherheit und konzeptionelle Schlüssigkeit, jedenfalls eine gewisse Authentizität. Es erscheint mir gut möglich, dass man diese in späteren Zeiten sehr schätzen wird, so wie es auch heute bei - leider ganz, ganz wenigen gelungenen Wiederaufbauleistungen der Fall ist. Jedenfalls erscheint mir konsequente Beibehaltung sinnvoller als Verwässerung, noch dazu, wo es hier um Stadtraum und nicht um möglichst liebevolle Detailgestaltung geht wie etwa bei Lückenschließungen in erhaltenen Altstadtvierteln.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • mE würden die hier eingemahnten pseudotraditionellen Aufmotzungen mehr Schaden als Nutzen bringen:
    Mehr Altstadtgefühl würde sich nicht einstellen - modern bleibt modern, auch mit mehr Fenstersprossen auch mit mehr Giebelanpassung oder -Anbiederung werden keine richtigen historischen Altstadthäuser draus, deren Flair lässt sich eben nur durch möglichst genaue Reko wiedererzielen. Das Fehlen von Rekos ist und bleibt der einzig mögliche Kritikpunkt.

    Auf der einen Seite gebe ich dir absolut recht - Neubauten, die traditionelle Elemente aufgreifen, wirken aus irgendeinem Grund immer etwas künstlich, ohne dass ich wirklich sagen kann warum.

    Mit dem letzten Satz gehe ich aber nicht konform. Dieser setzt setzt ja vorraus, dass an der Stelle etwas stand, was man rekonstruieren kann. Logisch weitergedacht würde dies auch bedeuten, dass wir überhaupt nur dann in der Lage sind, etwas Schönes zu schaffen, wenn wir rekonstruieren - in Neubaugebieten jedoch wären wir aufgrund einer sonstwie gearteten Naturkraft dazu verdammt, hässlich bauen zu müssen, weil man dort nichts rekonstruieren kann.

    Diese "Naturkraft" gibt es natürlich nicht, unsere Vorfahren haben es auch geschafft, schön zu bauen ohne zu rekonstruieren. Wenn unsere traditionellen Neubauten in der Altstadt und sonstwo künstlich wirken, liegt es daran, dass wir heutzutage etwas falsch machen und nicht an fehlenden Rekos. (Vielleicht fehlt einfach nur Patina, vielleicht bauen wir mit unserem Maschinen auch einfach nur zu perfekt - macht man menschliche Gesichter auch perfekt symmetrisch, wirken diese auch sofort eigenartig)

    Hier ist das Lübecker Gründungsviertel auch so spannend, weil man, nach Fertigstellung, sofort sehen kann, welche Häuser Altstadtcharme haben und welche nicht und woran es liegen könnte.

  • Nachtrag vom 13.9.2019

    Kleiner Nachtrag aus aktuellem Anlass: Auch Alfstraße 13 zeigt sich seit heute ohne Gerüst:


    Abb.1: Alfstraße 13. Ich habe hier mal zurückgeblättert - der Baubeginn war Anfang November 2017! Dafür hat man jetzt also fast 2 Jahre gebraucht - und ist immer noch nicht fertig. :kopfschuetteln:
    Durch die bodentiefen Fenster ist der Maueranteil der Fassade gegenüber der Glasfläche viel zu gering geworden. Das geht jetzt mehr in Richtung Raster- denn Lochfassade. Letztere war eigentlich vorgeschrieben. Keine Ahnung, warum das so genehmigt wurde. Was die beiden willkürlich aus den Achsen gerückten Fenster im 1. OG und in der Giebelspitze sollen, wird wohl nur der Architekt wissen. Sieht sehr gewollt aus. Immerhin ist die Steinfarbe angenehm, wenn auch das Format viel zu klein und dadurch sehr unruhig wirkend. Die kleinen Vertiefungen neben den Fenstern sind als Fensternischen-Zitat zwar gut gemeint, kommen aber wegen der viel zu geringen Tiefe so gut wie nicht zur Geltung.



    Abb.2: Braunstraße 28-22 - jetzt auch ohne Bauzaun und bereits teilweise bewohnt. Ich bleibe dabei, dass ich hier trotz der nicht besonders aufregenden Entwürfe ein gewisses Altstadtgefühl empfinde.



    Abb.3: Fischstraße 16 (links) und 17. Für alle, die die einfachen modernen Entwürfe hier so vehement ablehnen, sei dieses Bild gezeigt. Insbesondere in der Fischstraße werden einige versöhnliche Häuser entstehen. Bei der Reko Nr. 17 wird gerade das obere Abschlussgesims angebracht. Die Fassade ist damit bis auf die Tür und wohl den finalen Anstrich fertig. Leider werde ich dann wegen der angekündigten Straßensperrung demnächst wohl nicht mehr aus der Nähe fotografieren können. Aber wozu hat man ein Tele... :D

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  • Gestaltungsbeirat am 19.9.2019

    Heute war nach über einem halben Jahr (der letzte Termin war ja ausgefallen) wieder Gestaltungsbeiratssitzung.

    Aus dem Gründungsviertel wurde der nunmehr dritte Entwurf seit Beginn des Projekts Gründungsviertel für das Haus Alfstraße 25 vorgestellt:


    Abb.1: Alfstraße 25, Straßenfassade. Entwurf: Architekt Alexander Thomass.


    Abb.2: Alfstraße 25, Detail- und Gesamtvisualierung. Entwurf: Architekt Alexander Thomass.


    Beschreibung: Die Fassade weist einen kleinstufigen Staffelgiebel auf und ist in der Fläche quasi "gefaltet". Diese Faltung soll die für alte Lübecker Häuser typischen Hochblenden zitieren. Das EG soll verputzt werden. Im 1. und 2. OG sind jeweils zwei der bodentiefen Fenster als kleine Erker ausgebildet, um als Bewohner vor die Fassade treten und den Blick einerseits zur Marienkirche und andererseits zur Trave genießen zu können. Die Fenster sollen komplett ungeteilt und selbst die Rahmen möglichst nicht zu sehen sein.


    Die Meinung des Beirats:

    - Es soll geprüft werden, ob das EG unbedingt die 4-Achsigkeit der OGs aufnehmen muss oder ob nicht eine andere Gliederung (z.B. 3 Öffnungen) besser wäre.
    - Im 3. OG ist der Abstand und damit die Wandfläche zwischen den beiden Fenstern zu groß. Es soll geprüft werden, ob nicht eine engere Faltung, sprich doppelt so viele Falten sinnvoller wäre, um eine größere Flexibilität bei den Fensterpositionen zu bekommen. Zudem hätten dann die 8 Giebelstaffeln auch ihre Berechtigung (=eine Falte pro Stufe).
    - Die Fenstererker und Faltung hebeln sich aus. Evtl. soll eine andere Oberfläche der Fassade geprüft werden.
    - Die asymmetrisch angeordneten Fenstererker wären symmetrisch besser - sähen sonst aus wie beliebig angehaltene "Fahrstuhlkabinen"


    Meine Meinung:

    Zunächst mal das Positive: Man kann sich bei diesem Entwurf nicht über mangelnde Plastizität, die wir bei den meisten anderen Entwürfen so vermissen, nicht beschweren. Das Thema Hochblenden über die Fassadenfaltung modern aufzunehmen, gefällt mir sehr gut. Vielleicht wäre tatsächlich eine engere Faltung noch besser/feiner. Auch den Staffelgiebel finde ich grundsätzlich gut, er hat mir aber dann doch deutlich zu viele Staffeln. Bei der momentanen Faltung würde mir eine Stufe pro Falte reichen. Die auf der Visualisierung zu sehende Materialität macht einen sehr guten und passenden Eindruck.

    Jetzt muss ich aber auch zu den Punkten kommen, die mir nicht gefallen - auch auf die Gefahr hin, es mir mit @Tobias_HH zu verscherzen:
    Was gar nicht geht, sind leider die vorstehenden Fenstererker. Diese von Häusern wie dem klinkerexpressionistischen Kaufhaus am Klingenberg von 1929/30 oder einem Haus mit dort sehr störenden ähnlichen Fenstern aus der Nachkriegszeit am Koberg oder von noch moderneren Häusern als typisch für alte Lübecker Häuser abzuleiten - wie man es laut Vortrag offenbar gemacht hat, ist natürlich vollkommen falsch. Dieses Motiv gibt es schlichtweg an alten Lübecker Häusern nicht. Unverständlich ist mir daher auch, dass der Beirat vor längerer Zeit etwas ähnliches beim Erstentwurf des Hauses Alfstraße 19 schlichtweg abgelehnt hatte, das jetzt aber offenbar geht.
    Es wäre schön, wenn auf die Fenstererker verzichtet werden könnte. Das würde m.E. keine große Qualitätseinbuße für die Wohnungen bedeuten (man steht ja nicht jahrelang ständig am Fenster und guckt zur Kirche, wahrscheinlich werden die Leute sowieso Gardinen oder Vorhänge reinhängen), aber eine deutliche Verbesserung für das Straßenbild. Auch dass die Fenster bodentief sein und keinerlei Teilung aufweisen sollen, ist aus der Historie kaum zu begründen.
    Zudem bin ich wie der Beirat über das fehlende mittige Fenster im 3. OG unglücklich. Vielleicht gelingt es ja noch, die wohl dort liegenden Innenwand so zu verschieben, dass hier ein Fenster eingefügt werden kann.

    So, das war´s eigentlich auch schon mit meiner Kritik, die sich hauptsächlich auf die Befensterung bezieht.

    Edit: Doch noch ein Nachtrag - mir fiel gerade noch was auf: Die Faltung das Fassade soll ja die Hochblenden zitieren, was ich positiv finde. Die Hochblenden fingen allerdings nie am Boden an, sondern entweder über dem EG, oder oft aber auch erst über dem sog. Unterboden, also im Dachbereich. Als Konsequenz ergibt sich daraus, dass das EG eigentlich nicht gefaltet sein dürfte. Es wäre schön, wenn man über ein planes EG nachdenken könnte, das zudem bis unter die Unterkante der Fenster im 1. OG reichen würde. Ich denke, das würde die Proportionen und die Anmutung der Fassade nochmals verbessern.


    Morgen Vormittag ist noch die Begutachtung einiger Fassadenproben auf der Baustelle. Davon werde ich leider nicht berichten können, da ich über´s Wochenende nicht da bin.

    Über die weiteren Themen aus der Sitzung werde ich dann nächste Woche im Strang "Lübeck" berichten.


    Zum Abschluss noch einige frische Bilder aus dem Viertel von vorhin:

    Abb.3: Auch Fischstraße 7-9 (rechts) ist nun ausgerüstet). Ich gebe zu, dass das eigentlich nicht schlechte Haus trotz Rustizierung, Gesimsen, Spiegelfeldern und Mansarddach relativ steril wirkt. Dazu tragen wohl die Größe und die fast weiße Farbe bei. Ein gelblicher Ton wäre evtl. angebrachter gewesen. Ein flaches Giebeldreieck auf dem Mittelrisaliten hätte - wie beim zitierten Vorgängerbau wohl auch Wunder gewirkt. Vielleicht bringt ja etwas Patina dann eine Verbesserung.



    Abb.4: Alfstraße im Abendlicht


    Abb.5: Rückseiten der Alfstraßen-Häuser


    Abb.6: Abendlicher Zweikirchenblick mit Fischstraße (Mitte) und Rückseite der Braunstraße (rechts)

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    Einmal editiert, zuletzt von frank1204 (20. September 2019 um 08:59)

  • Fotos vom 31.10.2019 - Teil 1

    Und wieder sind ca. 6 Wochen verstrichen, daher wird es mal wieder Zeit für neue Fotos. Ich habe den gestrigen neuen Feiertag für einen Rundgang genutzt.


    Abb.1: Fischstraße 5. Das Haus ist jetzt mit Eingangstür und Sockel komplett fertiggestellt und zeigt sich ohne Bauzaun. Es sieht auf den Fotos immer etwas steriler aus als in echt, wo man die Ziegelstruktur durch die Schlämme besser sehen kann.



    Abb.2: Fischstraße 7-9. Bis auf die Eingangstür auch fertig und ohne Bauzaun.


    Abb.3: Beide Häuser nebeneinander aus der Neuen Querstraße gesehen. Farblich angenehm, auch wenn Nr. 7-9 meiner Meinung nach ein gelblicher Ton besser gestanden hätte.



    Abb.4: Und noch einmal Fischstraße 5 und 7-9 in der Schrägansicht. Gier ist die angesprochene Steinstruktur etwas besser zu erkennen. Der Flickenteppich auf dem Gehweg ist provisorisch. Nach Fertigstellung des Viertels werden die Straßen noch neu gestaltet - hoffentlich mit schöner Pflasterung.



    Abb.5: Fischstraße 16. Man ist mit der Verklinkerung bereits in der Giebelzone angelangt. Das EG war ursprünglich in behandeltem Sichtbeton geplant. Davon ist man zum Glück abgerückt. Ich bin gespannt, wie es stattdessen werden wird - auf die weißen Steine kommt ja wohl sicher noch was drauf.



    Abb.6: Fischstraße 16, Verklinkerung im Detail. Das sollte mit den gefasten Fensteröffnungen, Fenstersimsen und Formsteinen eine sehr schöne und endlich einmal eine plastische Fassade werden!



    Abb. 7: Das gleiche noch einmal im Detail. Durch die Fasen und die durch die herausstehenden Formsteine gebildeten Lisenen bekommt die Fassade mehrere "Ebenen", wie es auch bei den historischen Häusern der Fall war. Hier wird m.E. alles richtiggemacht. :thumbup:


    Abb. 8: Auch beim Kleinhaus Gerade Querstraße 3 wird nach mehrmonatigem Stillstand die Verklinkerung ausgeführt. Auch hier soll m.W.n. noch eine Schlämme-Schicht draufkommen. Wie die asymmetrischen Schrägen an Eingangstür und mittlerem OG-Fenster im Endeffekt wirken werden, wird sich noch zeigen.


    Abb.9: In der anderen Querstraße, der Einhäuschen Querstraße, hat man größeres vor. Die Baugrube wird mit riesigen Hydraulikzylindern (?) ausgesteift, um noch ein zweites Untergeschoss für die Tiefgarage ausgeben zu können, soweit ich weiß.


    Abb.10: Braunstraße 14 - EG. Vor den zu erhaltenden Restflügel der Berufsschule wird eine neue Fassade gesetzt. Auf dem Bild ist sehr interessant zu sehen, wie weit die Fassade konisch zur Straße hin vorgezogen wird, um die historischen Bauflucht wiederherzustellen. Rechts angeschnitten das gotische Haus Nr. 12.

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