Ich sehe das inhaltlich genauso wie Du - habe ich ja in meinem obigen Artikel über die unglaublich bereichernde Wirkung einiger eingestreuter Rekonstruktionen geschrieben. Man kann das Ausbleiben von Rekonstruktionen aber jetzt nicht unbedingt den am Bau beteiligten Architekten anlasten. Vielmehr hätte man im Vorwege ein paar wenige Rekonstruktionen als verbindliche Leitbauten vorgeben müssen. Immerhin wurden Rekos nach anfänglicher Ablehnung dann ganz am Ende des Planungsprozesses doch noch auf freiwilliger Basis erlaubt - nur genützt hat das bekanntlich leider nicht viel.
Warum erstens die Planungsvorgabe von Rekos als Leitbauten ausblieb, kann wohl zum großen Teil damit begründet werden, dass anders als beispielweise in Elbing, wo nach dem Krieg quasi kein Stein mehr auf dem anderen stand (wenn ich es mir bei Google Maps so ansehe), aber in Lübeck noch ca. 80% der Altstadt erhalten waren (heute nach vielen, teilweise schlimmen Abrissen seit dem Krieg vielleicht noch 70%). Da ist die Ausgangssituation eine ganz andere, will sagen, der Leidensdruck sicher nicht so hoch, weil eben noch derart viel vorhanden ist. Man wollte dies halt mit zeitgenössischer Architektur "ergänzen". Ob das wirklich der richtige Weg war, sei dahingestellt. Wenn einst alles fertig ist, wird man es wohl wissen.
Und warum zweitens trotz "Erlaubnis" bisher nur eine einzige Reko bei 40 Häusern kommt, wird zum einen wohl daran liegen, dass viele Bauherren die höheren Kosten scheuen (gerade die sehr reko-würdigen Fassaden sind mit ihren Formsteinen und Sandstein-Portalen sicher deutlich kostenintensiver), zum anderen wird es sicher auch Bauherren geben - wenn ich mir einige Fassaden so ansehe - die lediglich ein Haus in sehr wertstabiler zentraler Lage haben wollen und denen die Historie entweder nicht ausreichend bekannt oder - was schlimmer wäre - reichlich egal ist.
Und es gibt natürlich auch die Bauherren, die dem Gründungsviertel durchaus etwas von seiner einstigen Erhabenheit wiedergeben wollen, allerdings in moderner Form. Das sind dann immerhin die - in unserem Sinne - "besseren", weil ortstypische historische Elemente aufgreifenden Fassaden. Das ist zwar sehr löblich, aber Rekonstruktionen bringt das ebenfalls nicht.