Braunau am Inn

  • Ich habe es eben an der Supermarktkasse auf Bild.de gelesen. Hätte nicht gedacht, dass sie es machen. Für mich ist das ein infantiler Versuch der Geschichtsbewältigung, frei nach dem Motto "was ich nicht sehe ist nie dagewesen".

    Vernichtung eines Kulturdenkmals aus politischen Gründen, ich hätte gedacht, sowas machen nur Dikatoren und Islamisten. Schade für Braunau und ein Armutszeugnis für die Entscheidungsträger. Vermutlich gehen sie mit dem Gefühl, es Hitler im nachhinein "so richtig gezeigt zu haben". In Wirklichkeit ist jedoch nur das Braunauer Stadtbild um ein schönes Gebäude ärmer geworden. Und jeder fragt sich zukünftig, was dieser moderne Neubau in der sonst gut erhaltenen Salzburger Vorstadt zu suchen hat. Und wird dadurch erst recht daran erinnert, dass an dieser Stelle Adolf Hitler geboren wurde, was einem unschuldigen Haus über 70 Jahre nach dem Untergang des dritten Reichs zum Verhängnis wurde.

    Wenn die Braunauer selbst den Abriss in einer Volksabstimmung befürwortet hätten, hätte ich es okay gefunden. Aber dass nationale Stellen so stark in das Stadtbild einzelner Städte negativ eingreifen dürfen halte ich für bedenklich...

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Was kann das Haus dafuer? Und warum gerade 71 Jahre NACH dem Krieg? Haengt nicht in Wien eine Stalin Gedenktafel fuer den schlimmsten Massenmoerder aller Zeiten in der Schoenbrunner schlossstrasse...was sagt da diese komische Kommission dazu?

    ...warum auch nicht die Hofburg, die Wiener Oper abreissen, die Hitler so liebte und wo er sich inszenieren konnte?

    Ihr in D und OE seit wirklich schoen bloed geworden. Mein Beileid nach Schildastaat.

  • Ihr in D und OE seit wirklich schoen bloed geworden.

    Das stimmt nicht ganz. Natürlich ist das Haus alt und muss unter Denkmalschutz stehen.
    (Spätestens, wenn ihr es einmal von hinten betrachtet habt.)
    Das Problem ist, dass das Haus immer mehr zum Pilgerort für Neonazis und andere rechte Gruppierungen wird.
    Auch das Grab seiner Eltern musste 2012 aus diesem Grund bereits entfernt werden.

    Der Abriss dieses Hauses wäre für viele Politiker ein symbolischer Akt gegen die rechte Szene.
    Ich denke, dass viele das Haus erhalten möchten, das Problem ist nur, dass man sofort als Nazi abgestempelt wird, wenn man das öffentlich sagt.

  • Das Problem ist, dass das Haus immer mehr zum Pilgerort für Neonazis und andere rechte Gruppierungen wird.

    Das wird immer gerne behauptet, aber entstammt wohl dem Wunschdenken der Politiker um ein wirksames Argument gegen der Erhalt zu haben:

    Ich habe hier ja schon mal geschrieben, daß ich sogar mal in Simbach am Inn gelebt hatte und daher sicher hundertmal auch auf der anderen Flußseite in Braunau war. Es gab dort niemals einen Nazi-Tourismus und daher gehören solche Behauptungen ins Reich der Propaganda. Es gab auch zu meiner Zeit noch keine Gedenkplatte dort und daher kannten auch nur Einheimische das Haus.

    Labor omnia vincit
    (Vergil)

  • Eben. Dieses ganze Nazigeschwubbel ist doch nicht mehr zum Aushalten und bewirkt genau das Gegenteil. Vorher hat sich niemand fuer dieses Haus interessiert und jetzt macht man erst recht darauf aufmerksam.

    Warum reisst man aber nicht das Kehlsteinhaus ab? Dort pilgern tasaechlich tausende hin und ergoetzen sich an hitlers Luxushaus. Die Geschichte wird aber deshalb auch nicht zurueckgedreht.

    Schon eine Ironie, dass die SS das Haus sprengen wollte und von den Amis gestoppt wurde. Die heutigen Meinungsfaschos machen nun das, was die SS wollte. So ein Bloedsinn kommt dann dabei heraus, wenn das Hirn aufgrund jahrzehntelanger Gehirnwaesche ausgeschaltet wird. Den Politikern bei euch fehlt mittlerweile der Hausverstand, nur so kann ich mir das logisch erklaeren. Ganz Europa greift sich nur noch auf den Kopf.

  • Was soll sich denn wirklich ändern? Von jetzt an markiert halt eine Baulücke für jedermann ersichtlich Hitlers Geburtsort. Es haben doch nun keine Führungen durch das Haus stattgefunden a la "schauens, da ist der Hitler geschlüfpt" -"oh interessant". Die Leute standen wenn überhaupt vor dem Haus. Lächerlich hoch drei. Eine so infantile Geschichtspolitik hätte ich der österreichischen Regierung nicht mehr zugetraut.

  • wohingegen die Kommentare auf Zeit.de den Abriss des Baudenkmals überwiegend positiv beurteilen.

    Findest du? Ich finde die Mehrheit (ich lese vor allem die hochgewerteten Kommentare) sprechen eher dagegen. Was auch ein gutes Zeichen ist, ich denke es ist jetzt von meiner Seite auch unnötig zu erwähnen, was für eine dumme Idee der Abriss ist.

    Gerade in der jetzigen Zeit, wo Stimmen einfacher Leute immer lauter werden, gilt es die Kontrolle zu behalten und ein Zeichen zu setzen – eventuell in Form eines Museums, zur Aufklärung der Taten und Verbrechen des 2. Weltkrieges. Vergessen wir nicht, wer damals die Nazis waren – es waren Arbeiter an der Macht, einfache Menschen mit kleinen Eiern, die es meiner Meinung nach schon früher galt, in Schach zu halten…

  • Nachdem gestern der österreichische Innenminister lautstark den Abriss des Geburtshauses herausposaunt hat, hört man heute genau das Gegenteil (nach einer Hundertschar an Protesten aus den eigenen Reihen sic!) von ihm!

    Ja, richtig - 180 Grad Wendung! Aber stllt Euch einmal vor, es hätten alle resigniert, ob dieser famosen Dummheit. Auch diese Kommission will heute nicht mehr für den Abriss sein - gestern aber schon. Unsere Länder werden von richtigen unkoordinierten Idioten regiert. Das ist das eigentliche Drama.

    Zum Glück ist AH nicht im (ebenfalls) denkmalgeschützen Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien auf die Welt gekommen...wenn wir alles infantil abreissen, wogegen wir sind, dann stehen wir bald ohne allem da. Noch ist anscheinend keiner darauf gekommen, dass AH deutsch gesprochen hat! Deutsch gehört auch abgeschafft! Ich kann einfach nicht mehr guten Gewissens deutsch sprechen...:-)

    Die Franzosen haben es irgendwie besser gemacht?! Durch Napoleons Großmannsucht sind ca. 6 Millionen Menschen umgekommen, aber heute stört das niemanden mehr (leider!) und überall wird dieser 2.GRÖFAZ auch noch verehrt.

    Naja, nur so meine Gedanken zu diesem vertrottelten Vorschlag dieser Histokomiker Kommission und dieses IM Sobotka, der dadurch wieder tausende Wähler zur FP getrieben hat.

  • Ich persönlich bin sehr gespannt, wie es ausgehen wird, aber ich sage eines:
    Wenn es abgerissen wurde, dann ist es zu spät zu reagieren.

    Aber nicht, dass nach dem Abriss die Politiker sagen:"Ach, vielleicht hätte man es ja doch stehen lassen können, es stand ja doch unter Denkmalschutz!"

  • Die Franzosen haben es irgendwie besser gemacht?! Durch Napoleons Großmannsucht sind ca. 6 Millionen Menschen umgekommen, aber heute stört das niemanden mehr (leider!) und überall wird dieser 2.GRÖFAZ auch noch verehrt.


    Ich mag diesen Vergleich zwischen Hitler und Napoleon nicht. Napoleon war ein Kriegs- und Feldherr und kein Massenmörder. Die Intention und das Verhalten gegenüber seinen Gegnern war ganz anders als das von Hitler. Für unsere Vorfahren war Napoleon der Feind vor dem man Achtung hatte, vor Hitler und seinen Vorstellungen musste man sich fürchten.

    Ich für meinen Teil habe große Achtung vor der historischen Person Napoleons, genauso wie vor Friedrich II. Diese Personen nach den Maßstäben der heutigen Zeit zu beurteilen ist falsch.

    In Bezug auf das Hitlerhaus wurde ja schon alles gesagt. Ein Abriss bringt nichts, außer einer Baulücke.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • ...kein Massenmoerder?! Guter Scherz. Die Millionen sind alle freiwillig in den Tod gelaufen. Lies doch einmal bitte Krieg und Frieden von LT. Dann würdest Du vermutlich anders schreiben. Leute wie Napoleon, Hitler oder Stalin sind alle aus dem selben Holz geschnitten. Es geht Ihnen nur ums eigene Ego - Mitgefuehl gibt es fuer andere nicht. Die Millionen Tote sind nur Statistik fuer diese.

  • Napoleon ist zweifelsohne eine umstrittene Persönlichkeit, irgendwo zwischen Diktator und Reformer, immerhin verdanken wir ihm aber die Grundlagen des modernen Zivilrechts (Code Napoléon), das im Geist der Aufklärung stand.

    Was ich aber generell verwunderlich finde, ist die allgemein positive Betrachtungsweise von Friedrich II. in konservativen Kreisen, der ja im wesentlichen Krieg gegen andere Teilstaaten im damaligen Hl. Röm. Reich deutscher Nation führte und somit innerhalb Deutschlands beträchtliche Schäden anrichtete.

  • Für den Tatbestand Mord braucht es den definitiven Willen des Täters, das Opfer bewusst umzubringen. Napoleons Ziele waren bestimmt nicht mal ein bisschen die Sau rauszulassen und Leute zu massakrieren. Das Herrschaftsgebiet Frankreichs sollte sich auf Europa und weiter ausdehnen, das war sein höchstes Ziel, Krieg das Mittel dazu. Ob das richtig gewesen ist und das es für die Menschen alles andere als angenehm war, ist wohl klar. Aber ein Krieg, dessen Ziel nicht nur "Lebensraum" zu gewinnen, sondern auch die Welt von bestimmten Bevölkerungsgruppen "zu reinigen" ist, halte ich eher für Massenmord. Und was für einen Charakter Napoleon, Hitler und Co. hatten, wage ich nicht zu beurteilen, ist aber auch vollkommen irrelevant. Egal ob er ein arrogantes sonst was oder ein um jeden Gefallenen weinender Heiliger war, an seinen Taten und seinem Können muss man ihn messen. Und trotz allen Krieges hat er in vielen Bereichen einiges hinterlassen, auch positives, welches Europa bis heute prägt. Hitler dagegen hat nur Asche und Schande hinterlassen, allenfalls der Schaden in vielen Köpfen in Deutschland ist nachhaltig.

    Napoleon war kein Held aber auch kein Verbrecher. Und wenn dann war er das nicht mehr oder weniger wie der Rest der Menschheit. Und das zwischen Napoleon und Hitler Welten liegen zeigt auch wie man über das "Napoleonhaus" z.B. in Görlitz und wie man über das "Hitlerhaus" in Braunau spricht.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Ich will und kann AH nicht reinwaschen, es waere aber interessant, wie ihr Deutschen über euren führer heute sprechen würdet, hätte er den Krieg gewonnen?

    Das um kein Haar bessere Pendant in Russland wird in seiner Heimat nicht dermaßen verteufelt, wie AH zB in D. Dieser Aspekt ist nicht uninteressant und passt sicherlich besser als Beispiel als Napoleon.

  • Ich will und kann AH nicht reinwaschen, es waere aber interessant, wie ihr Deutschen über euren führer heute sprechen würdet, hätte er den Krieg gewonnen?

    Jetzt entfernen wir uns natürlich vom Thema des Strangs, aber das würde natürlich davon abhängen, ob man überhaupt darüber frei reden dürfte - sprich: In welchem politischen System wir leben würden, ob es eine unabhängige Geschichtsschreibung gäbe, ob Fakten zugänglich wären, in welchem Umfeld nachfolgende Generationen aufgewachsen wären usw.

    Jedenfalls halte ich einen friedlichen Übergang zur Demokratie nach einem hypothetischen Sieg für extrem unwahrscheinlich.

    Einmal editiert, zuletzt von silesien (23. Oktober 2016 um 21:17)

  • [...] es waere aber interessant, wie ihr Deutschen über euren führer heute sprechen würdet, hätte er den Krieg gewonnen?

    Sofern vor seinem Tod nicht noch irgendetwas negatives passiert wäre, dann wäre er wohl auch als großartige Person, als "der große Führer" in die (deutsche) Geschichte eingegangen. Da fällt mir spontan (Achtung Schleichwerbung) die neue Amazon-Serie "The Men in the High Castle" ein, in welcher genau das versucht wird darzustellen (da kommt bald die 2.Staffel heraus). Wobei es da natürlich auch schon zwei drei Bücher dazu gibt, aber das visuell in Bildern zu sehen ist noch mal ein Stück schauriger.

    Das um kein Haar bessere Pendant in Russland wird in seiner Heimat nicht dermaßen verteufelt, wie AH zB in D. Dieser Aspekt ist nicht uninteressant und passt sicherlich besser als Beispiel als Napoleon.

    Ich glaub das ist einfach zu erklären: Stalin = Sieger, Hitler = Verlierer. Aber das ist natürlich alles Spekulation.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Stalin wird wohl primär als siegreicher Verteidiger von Mütterchen Rußland verehrt, wobei die brutalen Begleitumstände seiner Herrschaft darüber ins Hintertreffen geraten. Im Stalinismus hatte jeder Sowjetbürger eine 50:50 Chance, im Gulag zu landen, sei es aufgrund von Denunziation, willkürlicher Säuberungen oder tatsächlichem Dissidententum. Stalin übte eine Terrorherrschaft im eigenen Land gegen Jedermann aus,von einzelnen Gruppen wie Bauern, Offiziere und Funktionären über Juden bis hin zu seiner eigenen Familie. Er war das Phantom im Kreml, den nie jemand zu Gesicht bekam, aber immer und überall seinen langen Arm verspürte. Seine brutalen Methoden wurden im Nachhinein als Notwendigkeit für die Reform eines rückständigen Staates und als Erfordernis für den Sieg über die Wehrmacht verklärt. Seine Handlungen vor dem 22.06.1941 gerieten innerhalb Rußlands schnell in Vergessenheit (im Baltikum, in Finnland und in Polen sind sie aber nicht vergessen).

    Hitler gilt eben sowohl als unbotmäßiger Aggressor als auch als Inspirator und treibende Kraft hinter den Massenmorden. Allerdings gab es im NS-Regime viele Jahre eine Sonnen- und eine Schattenseite, je nach Personengruppe. Der deutschen Volksgemeinschaft ging es unter ihm lange Jahre sehr gut, denn sowas wie KDF-Urlaubsreisen gab es im Stalinismus sicher nicht. Deutschland war auch nicht rückständig, sondern musste nur seine Kapazitäten voll ausschöpfen, und dafür sorgte er in jeder Hinsicht. Aber ausserhalb dieser Volksgemeinschaft herrschte für Juden die Hölle auf Erden, von der Enteignung ihrer Betriebe und Berufsverbote über Judensternpflicht bis hin zu den Vernichtungslagern. Für die Volksgemeinschaft war Hitler ein Diktator zum Anfassen. Im Gegensatz zu Stalin war er überall in der Öffentlichkeit präsent, fuhr im offenen Wagen durch Deutschland und begrüßte Besuchergruppen auf dem Obersalzberg.
    Es gab mal einen guten Film mit Rutger Hauer (Filmname Vaterland), wo es nach einem fiktiven Sieg Hitlers in Europa um ein Gipfeltreffen mit Kennedy gehen sollte (also 20 Jahre Kalter Krieg zwischen dem Deutschen Reich und den USA, statt der Sowjetunion). Rutger Hauer spielt darin einen SS-Polizisten, der einige dubiose Morde aufklären muss. Dann findet er heraus, daß alle Toten als Zeitzeugen beseitigt werden sollten, da sie für den Holocaust verantwortlich waren, der aber das größte Staatsgeheimnis war. Daraufhin mutiert er zum Hitlergegner und verhindert das Gipfeltreffen, indem er brisante Dokumente über den Judenmord an die Amerikaner weiterleitet.

    Es gab einige Dinge, die an Hitler positiver waren als an Napoleon oder Stalin, was aber die Judenmorde natürlich nicht aufwiegt. Im Gegensatz zu Napoleon presste er die Männer der besiegten Länder nicht in seine Armee und zwang sie nicht, gegen seine anderen Gegner zu kämpfen. Er setzte hier sonderbarerweise immer auf Freiwilligkeit und Überredungskunst. Und im Gegensatz zu Stalin gab es in Deutschland keinen willkürlichen Terror gegen einzelne Gruppen innerhalb der Volksgemeinschaft. Auch die Überwachung durch die Gestapo war um das Tausendfache kleiner als z.B. in der DDR durch die Stasi. Er ließ auch keine Offiziere hinrichten, wenn sie militärisch nicht siegreich waren (wie bei Stalin), sondern sie wurden höchstens ersetzt. Das änderte sich erst nach dem missglückten Attentat vom 20.Juli 1944.

    Ob man Hitler als großen Mann verehrt hätte, hängt natürlich stark von dem zeitpunkt seines Ablebens ab. Wäre Georg Elser am 08.11.1939 mit seinem Anschlag im Bürgerbräukeller erfolgreich gewesen, dann könnte ich mir so eine Verklärung vorstellen. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre sein Wirken vermutlich von Vielen hauptsächlich positiv bewertet worden und genau wie bei Stalin hätte man die unangenehmen Dinge verdrängt.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "