Beispiel für neue Architektur, die sich ihrem Umfeld anpasst

    Hallo,

    ich dachte ich bringe mal ein Beispiel für moderne Architektur, die ihr Umfeld nicht komplett ignoriert, wie es üblicherweise zum guten Ton gehört.

    Es geht um den Campus der Uni Kassel. Dieser wurde in den 80er Jahren auf dem ehemaligen Werksgelände der Firma Henschel errichetet.
    Obwohl das Areal durch die Bombardierungen Kassels regelrecht umgegraben wurde, haben sich einige der alten Gebäude, bzw. Reste davon erhalten.

    Ehemaliges Gießhaus:
    Bürogebäude:

    Reste einer Fertigungshalle:

    Da die Gebäude in klassischer Industiearchitektur errichtet wurden, sind sie keine besonderen Schuckstücke.

    Bemerkenswert finde ich jedoch, dass sich die in den 80er Jahren entstandenen Universitätsgebäude, sehr an diesen Baustil angelehnt haben und sogar vollständig mit roten Ziegeln verkleidet wurden.

    Zentralbibliothek:



    Mensa:



    Verwaltungsgebäude:

    Schaut man sich andere in dieser Zeit errichteten öffentliche Gebäude an, so denke ich, dass das Kasseler Beispiel durchaus positiv bewertet werden kann.

    Allerdings. Einige Bilder sind klein, andere haben offensichtlich die Größe von 12 bis über 13 Megabyte! Ich glaube, ich spinne. :gehtsnoch: Damit kann man ein Litfass-Säulen-Plakat drucken. Bitte löschen oder verkleinert neu einstellen. Es geht schließlich nicht darum, einzelne Kopfsteine im Detail betrachten zu können.

    Zu dem Areal: Die Gestaltung und Einbindung der historischen Reste ist wahrlich ausgesprochen gelungen. Vielleicht könnte man daraus auch etwas für die Kasseler Innenstadt lernen, vor allem den Bereich der unmittelbaren früheren Altstadt (Altmarkt usw.). Aber bis in Kassel städtebaulich wirklich dazugelernt wird, wird noch sehr viel Zeit vergehen. Vorher haben nach meiner Einschätzung noch zahlreiche andere Städte bereits eine nächste Rekonstruktionswelle hinter sich.

    Dieses Stuttgart Wohn- und Geschäftshaus in postmodernem Stil aus den 80er Jahren erfreut mich immer wieder. Hier wird die so Stuttgart-typische Bauform aufgenommen und angewandt. Das Gebäude hat eine ähnliche Breite wie die historischen Nebengebäude, ebenso dieselbe Höhe und die typische Dachform der Altbauten, der Baukörper hat die so charakteristische "Kaffeemühlen"-Gestalt der Stuttgarter Gründerzeithäuser. Sogar der obligatorische Abstand zum Nebengebäude - ebenfalls typisch Stuttgart - wurde berücksichtigt (sogenannter "Bauwich"). Außerdem wird die Sockelzone vom Rest des Gebäudes farblich und in der Beschaffenheit abgegrenzt.
    Ein vorbildlicher Neubau, leider gibt es kaum vergleichbare Beispiele in Stuttgart, dabei könnte man in diesem Stil jede Menge Stadtbildreparatur betreiben. :applaus:

    In dubio pro reko

    Ein Thema, zu dem es noch viel mehr Beispiele geben sollte! Ich bringe mal was aus Übersee hier ein.

    Heute mal ein Ensemble des 20. Jahrhunderts aus zwei sehr verschiedenen und doch (zumindest in den USA) sehr verbundenen Epochen, die einen gewissen Historismus zeigen.

    Zunächst mal zum Verständnis der Ursprungsbau. Herrliches Teil, zu der Zeit baute man in Deutschland schon meist nüchtern-funktionale Tristess:

    Beverly Hills City Hall, 1932 im hispanischen Neo-Kolonialstil errichtet


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Beve…_21.03.2012.jpg


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:High…llscityhall.jpg


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Beve…_Hall_Nima1.JPG


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:City…olHighsmith.jpg


    Der Gebäudekomplex wurde 1990 durch das von Charles Moore geplante Civic Center im postmodernen Neo-Art-Deco-Stil passend erweitert, man kennt das aus zahllosen Filmen:


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Beve…_21.03.2012.jpg


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Beve…-2835022783.jpg


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Beve…-2835022779.jpg

    Besonders natürlich das Police Department (Beverly Hills Cop und Co.):


    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Beve…24402700404.jpg


    Klar, die glatten und weitgehend ornamentlosen Oberflächen der vom Art Deco inspirierten neuen Gebäude stehen in einem gewissen Gegensatz zum lustvoll dekorierten Neobarock des Rathauses. Zugleich hat man sich jedoch durch Proportionierung, Lust am Formendetail und die Farbgebung sowie gewisse Respektabstände eindeutig untergeordnet und dennoch einen interessanten neuen Akzent hinzugefügt, der einfach funktioniert. Dieses Ensemble wird sicher lange Bestand haben. Darum sollte es ja auch gehen, nachhaltige Architektur zu erschaffen!

    Das als Tagesklinik genutzte einzeln stehende Haus 'Am Mühlentor N°2' in Greifswald.

    Das Gebäude wurde im Jahr 2009 fertiggestellt. (=> Informationen zum Objekt)

    EDIT: Habe hier gelesen, dass es kein Neubau ist, was mich nach meinem persönlichen Betrachten doch einigermaßen überraschte. Die recht eigenartige Komposition und der saubere, regelmäßige Zustand der Fassaden haben mich wohl getäuscht.

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

    So stilsicher könnte derzeit kein Architekt bauen. Ich kenne die Baugeschichte nicht, würde aber auf die 1920er Jahre tippen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.