• Der Entwurf für das Bauvorhaben Lietzenburger Straße 79-81 wurde etwas modifiziert.

    Wenn der rechte Entwurf der überarbeitete sein soll, dann finde ich ihn schlechter. Dabei geht es nicht um den Anstrich, der jederzeit änderbar ist. Nun aber wurden die Fialen des oberen Oktogons gekappt. Dadurch geht der ursprüngliche, in die Höhe strebende Art déco-Charakter verloren. Sehr schade.

    und dass dann oben der Bau die Nachbarn etwas überregt, geschenkt, das kommt hier in der Straße doch häufig vor.

    Die Frage ist eben, ob das zuständige Bauamt auch "geschenkt" sagt und dann eine Baugenehmigung erteilt. Es existieren in Berlin ja wohl diesbezügliche Satzungen bzw. existierten zumindest.

  • Kann es sein, dass der geplante Bau zwei ursprüngliche Parzellen zusammenfasst? Dadurch scheinen die berlintypischen Proportionen gestört zu sein. Ein weiteres Vollgeschoss plus Dach würde mehr Stimmigkeit schaffen. Immerhin bringen die Breite des Gebäudes und der breite Erker eine nicht uninteressante ungewohnte Note ins Stadtbild.

  • Auf den Plänen von 1910 ist nur ein Gebäude verzeichnet. Das heißt aber nicht, dass dort nicht später etwas gebaut wurde. Kann mich leider nicht erinnern was vor dem Bau des Hotels, das gerade abgerissen wird, stand.

    Berlin-Wilmerdorf 1910

    Nicht wundern, die Hausnummern haben sich mit der Veränderung der Lietzenburger nach dem II. Weltkrieg geändert. Einst 40, jetzt 79-81.

    Etwas weiter westlich gab es noch eine Baulücke, dort war viele Jahre 'Loretta im Garten' , ein von mir gern frequentiertes Lokal. Die ganze gegend war in den 70er bis Ende der 80er Jahre ein Nachtschwärmerviertel mit dem Kudamm-Karree, das 'gute alte' West-Berlin halt. :cool:

  • Zitat


    Etwas weiter westlich gab es noch eine Baulücke, dort war viele Jahre 'Loretta im Garten' , ein von mir gern frequentiertes Lokal.

    Wo gibt es sonst schon ein Riesenrad mitten in der Stadt :)?

  • Wilhelmsaue 32, 31, 29

    Ich möchte an eine Diskussion anknüpfen, die Ende 2019 anfing und bei der es um den jetzt bald fertigen Neubau Wilhelmsaue 32 ging (Snork, Onkel Henry, Heimdall, Klassiker und Solinger, # 143-154, 234).

    Ich stimme mit den Kritikern überein, insofern als an der Fassade Versatzstücke aneinandergereiht sind: ein winziges Vorgärtchen, Sockel mit Plastikklinkerverblendung, die runden Ecken der Balkone nebst einiger Säulen zur Dekoration im 1. OG, zurückgesetztes oberstes Geschoß, weißer Anstrich, bodentiefe Fenster: Es soll nach „Paris“ aussehen, wie es auch auf vielen Fotos anderer Neubauten in den Beiträgen von Januar bis heute zu sehen ist.

    Allerdings ist das kein „recht kleines Gebäude“, das soll wohl nur so auf der Werbetafel aussehen. Der vordere Riegel ist 22 m tief, der hintere wohl auch, was heißt, daß es in der Mitte jedes der beiden Gebäude stockfinster ist (deswegen auch die vielen Lampen an der Decke, wie ein Bauleiter mir erklärte). Zwischen den beiden Riegeln noch ein schmälerer Hinterhof. Aber es verkauft sich gut: von 6.500 €/m² bis 9.500.

    Die Investoren von Nr. 32 hätten gern Nr. 31 dazugekauft, aber es ist ihnen glücklicherweise nicht gelungen. Nr. 31 ist nicht in der Denkmalliste (das war Nr. 17 auch nicht), aber ich gehe fest davon aus, daß es trotzdem nicht gefährdet ist. Wer mehr über die Geschichte dieses Hauses lesen will, findet hier Informationen.

    Und Nr. 29: Es ging das Gerücht, daß dem Investor von Nr. 32 (a) auch dieses Grundstück gehöre und er (b) das Gebäude abreißen wolle. Derweilen hat sich – nach drei Jahren Leerstand – herausgestellt, daß (a) nicht stimmte (es sei denn, es wurde von ihm weiterverkauft), aber (b) hat sich bewahrheitet. Der Eigentümer ist die Gewerkschaft ver.di, und sie hat in diesem Sommer das Gebäude von 1874 abreißen lassen, weiß aber nach eigenem Bekunden noch nicht, was sie dort will (der anschließende Gebäudekomplex längs der Blissestraße – vormals DAG – gehört auch ver.di). Näheres hier.

    M.E. zeigt der Abriß von Nr. 29, daß der Bezirk kein Konzept, vielleicht nicht wirklich Interesse daran hat, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit die wenigen Reste von historischer Bausubstanz aus dem 19. Jh. im Interesse eines vielfältigen Stadtbildes erhalten bleiben und so die Stadt als historisch entstandener Ort für seine Bewohner erlebbar ist. Einige Vorschläge dazu sind im letzteren Text enthalten. Leider haben sich bisher weder Stadtrat noch Denkmalbeirat (beide wurden informiert) dazu geäußert. Aber es gibt doch Mitglieder mit entsprechenden Kontakten; vielleicht könnten sie solch einen Dialog zugunsten des Schutzes von historischer Bausubstanz fördern?

  • Zu Spreetunnel / # 229

    HistoMapBerlin des Landesarchivs Berlin ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, um anhand exakt aufeinandergelegter historischer Karten die Entwicklung von (in diesem Fall) 1930 bis heute zu verfolgen.

    Für Lietzenburger Straße 79/81 ergibt sich somit:

    - nur ein Gebäude (an derselben Stelle wie 1910) bis 1943

    - danach Ruine bis mind. 1957

    - 1960 abgeräumt

    - zwischen 1960 und 1964 neue Numerierung: statt 40 jetzt 79/81

    - zwischen 1964 und 1966 Neubau entlang der ganzen Straßenfront.

    Zur Benutzung von HistoMapBerlin: Nur den Straßennamen eingeben. Es werden dann die ganze Straße sowie die einzelnen Hausnummern zur Auswahl angezeigt. - Auf der linken Seite sind alle verfügbaren historischen Karten aufgelistet, die man über die Ausgangskarte (= heute) legen kann. Da drunter ("Aktive Ebenen") besteht die Möglichkeit, mit dem Regler stufenlos von einer ausgewählten Karte zur vorherigen überzugehen, um so besser Veränderungen verfolgen zu können.

  • Zu Klassiker / # 237

    "Nach Paris aussehen": Als ein Beispiel hier dieser Artikel aus der Immobilienzeitung, um anzudeuten, was gemeint ist (siehe besonders den vorletzten Absatz).

    "Warum?": Anscheinend finden betuchte Kunden das "chic" resp. - um sprachlich hierzulande zu bleiben - "dufte".

    "War Paris denn besser dann Berlin?": Das ist Geschmacksache; nicht nur betuchte Kunden neigen zur Bejahung.

  • Also wenn man in Berlin mit "Pariser Flair" werben muss, ist das schon ziemlich peinlich und zeugt von einem Minderwertigkeitskomplex. Man könnte in der deutschen Hauptstadt ja einfach so schön und charakteristisch bauen, dass man gar keine Assoziationen mit anderen Städten benötigt.

    In dubio pro reko

  • Offenbar liebt man in Berlin aber schon länger die eigene Überhöhung durch Anlehnung an bedeutendere Orte in der Ferne: "Spree-Athen" (1706), "Spreechicago" (1892), "das New York Europas" (2014). Hängt das mit der Bedeutung des Ortsnamens - "Sumpfort" - zusammen?

  • Die Website von Nöfer-Architekten zeigt weitere Ansichten des im Bau befindlichen Projektes Fasanenstraße 64. Es lohnt sich auch, den einleitenden und erklärenden Text oben auf der Seite zu lesen - man erfährt Interessantes über die Geschichte der dortige Wohngegend südlich des Kurfürstendamms, und auch über die ästhetischen Ideen, die der eleganten und originellen Straßenfassade zugrunde liegen.

    Man vergleiche die Straßenansicht auf den Visualisierungen und die ältere StreetView-Ansicht - eine beeindruckende Reparatur und Aufwertung des Straßenbildes, auf Augenhöhe mit der gestalterischen Qualität der gründerzeitlichen Vorbebauung.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Gedenkstein in der Wilhelmsaue

    Snork hatte bei seinem Rundgang durch die Wilhelmsaue im Dezember 2019 (# 142) auch ein Foto vom Gedenkstein gemacht. Der trägt auf einer Bronzetafel die Aufschrift „Du befindest Dich hier auf der ehemaligen Dorfaue im ältesten Teil unseres Bezirkes. Um 1750 gaben Bauerngehöfte, umschlossen von Feldern, Wiesen und Seen, Alt-Wilmersdorf das Gepräge". Das klingt zwar so ganz idyllisch, wenn es auch nicht so ganz zutreffend ist (z.B. gab es nur 1 See) – aber dafür einen 3,80 m hohen, bis zu 2 m breiten, 50 cm dicken und mehrere Tonnen schweren „Findling“ aufstellen? Das fand schon mancher Passant merkwürdig.

    Daher legten drei Historiker Anfang 2019 der bezirklichen Gedenktafelkommission einen Textvorschlag vor, der dem Stein als kleine Erläuterungstafel vorangestellt werden soll (weitere Informationen findet man hier).

    Findling aus dem Bayerischen Wald


    1933 errichtet für Leo Schlageter (1894-1923),

    terroristischer Gegner der Demokratie,

    wegen Spionage und Sprengstoffanschlägen

    von französischem Militärgericht zum Tod verurteilt.

    Von den Nationalsozialisten zum Märtyrer gemacht

    zur propagandistischen Vorbereitung auf den Krieg.


    1956 inmitten des kriegszerstörten Wilmersdorf

    umgewidmet zur Erinnerung an eine Dorfidylle,

    die es so nie gab.

    Statt Mahnmal gegen den Krieg –

    Verdrängung der Geschichte dieses Gedenksteins.

    Dies stieß bei Vertretern aller sechs Parteien – von Linken bis AfD – auf Ablehnung. Ganz im Gegensatz dazu waren Passanten, mit denen wir am Gedenkstein ins Gespräch kamen, an der Geschichte ihres Umfeldes und öffentlichen Hinweisen darauf interessiert.

    Meine Frage an die Mitglieder: Wie sollte man öffentlich mit der Geschichte dieses Gedenksteins umgehen?

  • Der gesamte zweite Teil des vorgeschlagenen Textes ist unnötig polemisch - kein Wunder, dass alle Parteien ihn abgelehnt haben.

    Wie wäre es denn mit folgender Formulierung:

    1956 umgewidmet zur Erinnerung an die Wurzeln des Bezirks Wilmersdorf

  • Der Textvorschlag beinhaltet kaum Information, dafür aber vor allem ideologische (Ab-)Wertung. Das wird der angespannten historischen Situation, in der Personen wie Schlageter agierten, nicht gerecht. Man kann ihn nicht nach heutigen Maßstäben der political correctness beurteilen, sondern muss die unruhige Zeit nach dem ersten Weltkrieg berücksichtigen, die Freikorpskämpfe im Baltikum, der Grenzkampf in Polen, der französische Einmarsch ins Ruhrgebiet, gegen den Schlageter mit Sabotageakten vorzugehen versuchte. All das kann man kaum mit einer Gedenktafel, die zudem noch einem rein abwertenden Standpunkt verfasst ist, verdeutlichen.

    Aus zweierlei Gründen reiben sich diese Leute heute noch an Schlageter:

    1. Weil er mithalf, Anfang der 20er Jahre die kommunistischen Ruhraufstände niederzuschlagen. So etwas verzeihen die stets nachtragenden Kommunisten nie. Sie verzeihen das bereits nicht mal dem Sozialdemokrat Noske, dass jener die kommunistische Machterlangung 1919 verhindert hat. Auch nach hundert, zweihundert, fünfhundert Jahren bleiben sie gegenüber ihren Gegnern unerbittlich.

    2. Unter anderem die Nationalsozialisten haben Schlageter als Märtyrer für den deutschen Befreiungskampf gefeiert. Und was Nationalsozialisten gemacht haben, ist nach bundesdeutscher Lesart immer falsch, niederträchtig, böse. Was dazu führen muss, das exakte Gegenteil zu machen. Sieht man mal von der Tierliebe und dem Vegetarismus Hitlers ab, der bei wahren BRD-"Antifaschismus" eigentlich zu der Propagierung von Schweineschnitzel und Massentierhaltung führen müsste. Aber solche Widersprüche werden je nach Gutdünken übersehen.

    Kurzum, um die Frage zu beantworten: Es sollte gar nichts an der bestehenden Situation geändert werden. Jeder "Erklärtext" wird nur eine ideologische Belehrung sein, aber nichts wirklich erklären.

    Anwohner, die der Stein interessiert, finden sicher im Stadtarchiv genug Hinweise darauf. Oder im APH-Forum.

    Ich empfehle ansonsten zu Schlageter die leicht lesbare (wenngleich apologetische) Schrift...

    Karl Höffkes, Uwe Sauermann: Albert Leo Schlageter. Freiheit du ruheloser Freund

    Wer in das Zeitcolorit tiefer einsteigen möchte, dem empfehle ich ein Buch, das ich mit 16 las, und das mich sehr beeindruckte...

    Ernst von Salomon: Die Geächteten