• Sowohl das Theater als auch das Hotel Stadt Hamburg sind Bauten, auf die jede normal tickende Stadt ziemlich Stolz wäre... eigentlich verwunderlich, dass die Bauten ohne großen Gegenwind verschwinden könnten.

    Überhaupt war mein Bild von Schleswig-Holstein immer eins von Städten, die spätestens nach dem Krieg umfangreich "modernisiert" wurden, Stadtbilder wie Kiel, Itzehoe oder Timmendorfer Strand habe ich mit Schleswig-Holstein verbunden, als Lichtblick habe ich lediglich Lübeck gesehen. Gut, dass ich dies nicht einfach als Aussage hier hereingestellt habe sondern mich erstmal über Wikipedia informiert habe. Scheinbar ist es dort gar nicht so übel, auch Schleswig schein insgesamt noch ein nettes Stadtbild zu haben. Dennoch hinterlässt der Abriss der o.g. Gebäude doch irgendwie ein komisches Gefühl.

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Das idyllische Altstadtviertel "Holm" in Schleswig wird zum Flächendenkmal erklärt.

    Zitat

    Es gehe nicht darum, weitere einzelne Häuser zu Denkmälern zu erklären, betonte der Landeskonservator. Man wolle im Holm den öffentlichen Raum mit seinen Plätzen, Gassen, Grünanlagen und Bootsanlegern direkt an der Schlei im historischen Zustand erhalten und vor städtebaulichen Sünden wie überdimensionierten Neubauten bewahren. Der Holm sei einzigartig in Schleswig-Holstein. Der Veränderungsdruck auf das Viertel sei beträchtlich, sagte Paarmann. In der Vergangenheit seien bereits alte Fischerhäuser abgerissen und größere Gebäude errichtet worden.


    Schleswiger Holm wird Denkmalbereich

    In der Altstadt die Macht, im Kneiphof die Pracht, im Löbenicht der Acker, auf dem Sackheim der Racker.

    Hätt' ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz und Straßburger G'schütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.

  • Im "Schleswig-Holstein-Magazin" des NDR habe ich heute erfahren, dass am Schloss Gottorf ein wirklich spektakulärer Museums-Anbau geplant ist, Bauzeit 2018 bis 2020. Ich war bzw. bin entsetzt über dieses futuristische, Schloss verschandelnde Etwas. Geplant wurde es von einem schweizer Architekturbüro.

    https://www.ndr.de/nachrichten/sc…gottorf154.html

    Da denkt man doch: "Nee, das is jetzt nicht wahr, oder???" :gehtsnoch:
    Die heutige Respektlosigkeit gegenüber Kulturdenkmälern macht selbst vor Schlössern nicht Halt. Einfach nur krass... Hoffe, aus diesem Vorhaben wird nix...

  • Zwischen Baubeginn 2018 und heute liegen die LTW im Mai 2017...

    Ich würde ja den sozialistischen Speckdänen um Spoorendonk absichtliche Verunstaltung des vom schwedischen Hofarchitekten Nicodemus Tessin dem Jüngeren barock umgestalteten Renaissancebaus unterstellen - im Schloßbau wurde die Architektur des dänischen Erzfeindes in den Nordischen Kriegen von den auf Unabhängigkeit sinnenden Herzögen von SH-Gottorf absichtlch gewählt -, wenn damit nicht zu viel Geschichtssinn unterstellt würde.

  • Ich kann mir nicht vorstellen, dass die SSW-ler so weit bzw. so historisch denken.

    Zitat

    freute sich Kulturministerin Anke Spoorendonk (SSW)

    Dennoch wird es wirklich seit langem Zeit, dass dieser SSW wie jede Partei und Wählervereinigung der landesweiten 5%-Klausel unterlegt wird. Diese überflüssige Gruppierung nervt seit langem und ist zudem stets nur ein Steigbügelhalter der SPD. Zudem ist die einseitige Befreiung von der 5%-Klausel eine Diskriminierung sämtlicher anderer (kleinen) Parteien.

    Zu dem Anbau: Da der Bund dieses erschreckende Projekt unterstützen will, ist es wohl müßig, darauf zu hoffen, dass die Gelder vorher durch Insolvenz versiegen. Also können nur die Bürger vor Ort Protest organisieren und eine Petition starten. Die Leserkommentare unter dem Presseartikel sprechen ja eine eindeutige Sprache.
    Dass das die Architektenhirne offenbar nicht stört bzw. diese jedes Feingefühl vermissen lassen, zeigt nur wie krank und indoktrinierend heute die Architekturausbildung an den hiesigen Hochschulen läuft.

  • Da haben sich die Verfasser des Entwurfes aber kräftig an Libeskind orientiert. Könnte glatt von ihm sein.

    Nicht daß die aktuelle Architektur, zum größten Teil, ohnehin banal und unansehnlich ist. Neue Museumsbauten und Anbauten müssen immer den Rahmen sprengen. Als sei das gesetzlich so vorgeschrieben.

    Es muss eben immer außergewöhnlich, provozierend, unpassend und individuell sein. Damit Bauherr und Architekt sich selber feiern und mit dem gebauten Ärgernis in die Geschichte eingehen können.

    Da bleibt nur zu hoffen, daß diese Museums-Karzinome in Zukunft wieder beseitigt werden. Wenn wieder ein besserer Architekturgeschmack herrscht.

  • Allein für den gläsernen Anbau sind etwa zehn Millionen Euro veranschlagt. Er soll Besucher nach seiner Fertigstellung nicht nur "richtig empfangen" ...

    Das ist ja schon eine kräftige unfreiwillige Ironie: Der Besucher wird mit einem ordentlichen Faustschlag ins Gesicht empfangen, damit er gleich weiß, wo er hier gelandet ist. Er sieht dann sofort, dass Kultur und Geschichte hier nicht wertgeschätzt werden, sondern verachtet und lächerlich gemacht werden.

  • Um Gottes willen, Schloss Gottorf ist einer, wenn nicht der bedeutendste Profanbau im hohen Norden. Man stelle sich vor, jemand würde so eine Warze an Schloss Augustusburg ransetzen....

  • Als ich eben den geplanten grässlichen und das ganze Schloss Gottorf verhunzenden Anbau sah, war das wie ein Schock. Schlimmer geht's nimmer. Es wurde mir regelrecht schlecht dabei. Schwindelig. Das dachte ich schon oft, aber das Niveau wird dennoch immer und immer noch schlechter, fast schon unterirdisch schlecht.

    Das ist wirklich Hohn und Spott für das schöne alte Schloss. So etwas können sich nur im Kopf kranke Hirne ausdenken und wo soll das noch hinführen? Fast will mir scheinen, die Archtekten wollen sich in der Hässlichkeit ihrer Bauten noch gegenseitig überbieten, um damit ganz groß heraus zu kommen und mit so einem Mist berühmt zu werden. Wenn die Baukunst auch immer ein Spiegel der jeweiligen Epoche ist, dann leben wir in einer chaotischen Zeit, wo nur noch alles drüber und drunter geht. Wo ist da am Horizont ein Hoffnungsstern zu einer Wende zum Guten zu sehen?

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (17. November 2016 um 12:34)

  • Wie kommt man auf eine solche Idee? Ich verstehe es nicht. Der Anbau passt so gar kein bisschen zum Schloss...

    Gerade das ist doch gewollt. Möglichst viel Distanz und Arroganz gegenüber der Historie, präsentieren der eigenen "Fortschrittlichkeit", zugleich der Wunsch, Aufmerksamkeit um jeden Preis zu erhaschen.

  • Der Besucher wird mit einem ordentlichen Faustschlag ins Gesicht empfangen, damit er gleich weiß, wo er hier gelandet ist. Er sieht dann sofort, dass Kultur und Geschichte hier nicht wertgeschätzt werden, sondern verachtet und lächerlich gemacht werden.

    Eine kleine Relativierung:

    Es geht bei der Planung um die Rückseite des Schlosses. Diese ist von öffentlichen Straßen aus nicht einsehbar, sondern "nur" aus dem hinter dem Schloß liegenden Park.

    Trotzdem, ich gebe Euch allen hier recht - einfach nur grausam!!

  • Für 30 Mio. ließe sich schon fast eine Rekonstruktion des wunderschönen Schlosses Tönning finanzieren. :(

    Zitat

    Claus von Carnap-Bornheim ergänzte mit Blick auf Friedrich IV., der als Schlossherr im 17. Jahrhundert mehrere Umbauten in Auftrag gegeben hatte: „Der Anbau vollendet eine 300 Jahre alte Bauidee.“

    Wenn man besagten Carnap-Bornheim, seines Zeichens als Prähistoriker Landesarchäologe und Museumsleiter, recherchiert, stößt man auf eine gewisse Präokkupation mit einem gefühlten braunen Makel seiner Zunft. Man denke an Herbert Jankuhn, Sonderbeauftragter des SS-Ahnenerbes für Vor- und Frühgeschichte und Grabungsleiter von Hedeby/Haithabu, der Himmler davon abhielt, an der Stelle des Dannewerks ein Panzersperrwerk zu errichten wg. seiner "Bedeutung für den nordischen Menschen", und der in der Nachkriegszeit als eine der großen Koryphäen für germanische Vor- und Frühgeschichte galt. So gab es vor drei Jahren Streit über Leihgaben des Museums für eine Ausstellung in Bremen zur Geschichte der Archäologie im Nationalsozialismus.

    DIes sollte nun aber nicht so weit gehen, sich die Forschungsgeschichte im Nationalsozialismus ex negativo zum Vorbild zu nehmen und etwa in einem Artikel zum Prähistoriker Eggers im RGA die von Gustaf Kossinna postulierte Einheit von Raum-Spache-Kultur-Volk für archäologische Fundgruppen nicht nur in ihrer Überstrapazierung (etwa in einzelnen Rückprojektionen auf das Neolithikum), sondern in Bausch und Bogen abzulehnen, wo doch genannte Dinge sich geschichtlich in enger Verquickung zu zeigen pflegen.

    Dies ist der Geist des Dekonstruktivismus und Skeptizismus, der Geißel der zeitgenössischen Geisteswissenschaften, der sich hier auch im architektonischen Rahmen Bahn bricht, und keinen Raum für das Affirmativ-Identische läßt.

  • Kennt hier übrigens jemand den Film Fountainhead nach der gleichnamigen Novelle von Ayn Rand?
    Darin werden einem modernistischen Originalgenie ständig seine Entwürfe durch historistische Zutaten, die der Bauherr nach dem Zeitgeschmack durchdrückt, verhunzt, bis es ihm bei seinem größten Bauvorhaben nach gebrochenen Zusagen zu bunt wird und er das gesamte Projekt in die Luft jagt.

    Also los: Meines Erachtens muß die Neue Nationalgalerie dringend "vollendet" werden.
    Wie wäre es mit etwas wilhelminischem Zierat: Die ganzen leeren Flächen, brr, da krieg ich ja horror vacui. Da gibt's erst einmal ein paar Arabesken und Eierfriese. Außerdem ist der Eingang nicht klar gekennzeichnet, da braucht es dringend eine griechische Tempelfront als Eingangsportal, damit die "Besucher sich nicht verlaufen". Und die zugige Novosibirsk-Kaltluftschneisen-"Atmosphäre" des Kulturforums - die Lösung steht selbstredend in Form heimeliger Butzenscheiben parat. :D

    Aber Spaß beiseite: Gibt es die ursprünglichen Planungen für einen zusätzlichen Schloßflügel eigentlich noch?