Liste vernichteter Schlösser in Deutschland

  • Schlösser sind neben Kirchen und Rathäusern sicherlich die Einzelgebäude, die für eine Stadt oder Region am ehesten eine identitätsstiftende Funktion einnehmen. Es sind die Sitze der Familien, die oft viele Jahrhunderte lang über ein Gebiet geherrscht und den Orten und Landschaften sogar ihre Namen gegeben haben. Nicht selten war erst der Herrschaftssitz und dann der dazugehörige Ort da. Von dieser historischen Bedeutung abgesehen, gehören Schlösser meistens auch architektonisch und künstlerisch zu den wertvollsten Bauwerken einer Stadt oder ganzen Region. Ihr Verlust durch Krieg oder Abriss ist daher besonders schmerzlich. Es wäre schön, wenn wir hier eine Liste mit allen im letzten Krieg und danach zerstörten Schlössern zusammentragen könnten, um einen Überblick darüber zu gewinnen, wie viele dieser bedeutenden Bauwerke uns verloren gegangen sind. Ich schlage vor, dass wir nur solche aufnehmen, die wirklich nicht mehr existieren.

    Ich fange einmal an mit den Beispielen, die mir bekannt sind:

    - Schloss Schönhausen in Schönhausen (Elbe) (Sachsen-Anhalt) 1958 abgerissen - Otto von Bismarcks Geburtshaus
    - Schloss Putbus in Putbus, Rügen (Mecklenburg-Vorpommern) 1960-1964 abgerissen
    - Schloss Hildburghausen in Hildburghausen (Thüringen) 1945 zerstört, 1947-1950 abgerissen
    - Schloss Seidingstadt in Seidingstadt (Thüringen) Ende der 1970er abgerissen
    - Schloss Monbijou in Berlin, 1943 zerstört, 1959 abgerissen
    - Stadtschloss in Berlin, 1945 zerstört, 1950 abgerissen
    - Stadtschloss in Potsdam (Brandenburg), 1945 zerstört, 1959-1960 abgerissen
    - Stadtschloss in Braunschweig (Niedersachsen) 1944 zerstört, 1960 abgerissen, 2005-2007 teilweise rekonstruiert
    - Schloss Herrenhausen in Hannover (Niedersachsen) 1943 zerstört, wird 2011-2012 rekonstruiert

    Ich fürchte, es gibt noch viele andere Beispiele.

    Die Welt muss romantisiert werden! - Novalis

  • ISIDOR hat da, so fürchtet er zu Recht eine besonders schmerzliche "Lawine" losgetreten.
    Die Liste der in der Folge des 2. WK vernichteteten Schlösser ist leider noch sehr, sehr viel umfangreicher. Wikipeda hat offensichtlich gar nicht alles erfassen können.

    Im heute polnischen Niederschlesien und vor allem im schlossreichen Sachsen mußten irreparable Verluste hingenommen werden.

    Ich beginne mit P o l e n ( Niederschlesien ) :

    - Schloss Joachimstein, Radmeritz, eines der größten, sächsischen Barockschlösser, 1945 geplündert,
    danach verfallen, 2010 umfangreicher Neuaufbau, unter Verlust der gesamten barocken Innenausstattung,
    - Schloss Niederschönbrunn, Barock, neoklassizistischer Umbau im 19. Jh., bei Görlitz, 1945 geplündert, verfallen, abgerissen,
    - Schloss Hennersdorf, ( edelste Renaissance ! ), bei Görlitz, seit 1945 ohne Kriegseinwirkung verfallen, inzwischen Ruine,
    - Schloss Florsdorf, Barock, ( ansonsten wie Hennersdorf ),
    - Schloss Kuhna, Barock, unweit Görlitz, Verfall seit 1945, in letzter Zeit Reparaturarbeiten,

    SACHSEN:

    - Schloss Linz, ehm. Wasserburg, barocker Umbau 1727, ohne Notwendigkeit 1945 abgerissen,
    - Schloss Seerhausen, Ldkr. Riesa, besonders int. Schlossanlage aus mehreren Jahrhunderten, 1945 geplündert, danach Abriss,
    - Schloss Guteborn, Ldkr. Hoyerswerda, Renaissanceanlage, hier soll Sachsens letzter König die Urkunde über den Thronverzicht
    unterzeichnet haben, ( 1918 )
    - Schloss Tiefenau, kostbare barocke Anlage, geplündert, abgerissen,

    Sachsen verlor nach 1945 die nahezu unvorstellbare Zahl von 107 ( i. W. einhundertsieben ) Schloßbauten !

    Die Schleifung der unzerstört gebliebenen Schloßanlagen erfolgte meist auf Anordnung der Besatzungsbehörden, in einigen Fällen durch deren deutsche Handlanger, allein aus ideologischen Beweggründen.
    Kulturbarbarei und Aderlaß an kostbarer Bausubstanz sondergleichen !

    Lesenswert in diesem Zusammenhang das Schicksalsbuch des sächsischen Adels, das detailliert die Vorgänge von 1945/46 schildert.

  • Zerstörung von Schlössern hat es ja auch schon vor dem 2. Weltkrieg gegeben.

    Das ist zweifellos richtig, aber ein Blick auf die (unvollständige) Wikipedia-Liste zeigt doch, dass ein Großteil der dort aufgeführten Schlösser im 2. Weltkrieg oder in der Nachkriegszeit zerstört wurde. Außerdem sind die Konsequenzen freilich andere. Viele Schlösser, die in früheren Jahrhunderten zerstört wurden, wurden danach wieder im zeitgemäßen Stil aufgebaut. Das ist natürlich bei den Verlusten des letzten Jahrhunderts nicht der Fall. Abgesehen von den wenigen Rekonstruktionen, die es gab und gibt, wird von den meisten dieser Schlösser nicht mehr als eine hässliche Lücke oder ein unansehnlicher Nachfolgebau bleiben.
    Wenig verwunderlich ist auch, dass in der DDR deutlich mehr Schlösser, die den Krieg unbeschadet überstanden hatten, aus ideologischen Gründen oder aus Gleichgültigkeit vernichtet wurden. Allerdings gibt es auch aus der BRD einige Beispiele dieser Art.

    Die Welt muss romantisiert werden! - Novalis

  • GESICHT bekommt der Horror der Schlosssprengungen durch die ( ld. ebenfalls unvollständigen ) Darlegungen im Link, den Stutzen hier freundlicher Weise einstellte.
    Zur Vervollständigung der Darlegungen muß ein weiteres finsteres Kapitel Erwähnung finden: es sind die "Beutekunstaktionen" der Trophäentruppe der sowjet. Armee, die aus den beschlagnahmte sächs. Schlössern zehntausende Kunstwerke in die damalige Sowjetunion verbrachte.
    Kunstwerke aus den Staatl. Museen kamen 1956 zum größten Teil zurück, jedoch dezimiert um ausgewählte, besonders wertvolle Objekte.
    Es fehlen immer noch b e t r ä c h t l i ch e Teile.
    Tausende Objekte aus dem privaten Mobilienbesitz ( Schlossinventare ! ) sind noch immer in der Russischen Republik etc.

  • weitere noch nicht aufgezählte zerstörte Schlösser:

    Schloß Schwerinsburg (bei Anklam) 1945/46 zerst.
    Schloß Dwasieden auf Rügen nach 1945 zerst.
    Schloß Neustrelitz 1950ér Jahre gesprengt
    Schloß Zerbst 1945 zerst. (ein Flügel steht noch)
    Schloß /Kloster Dargun 1945 zerst. (große Ruinen vorhanden, wiederaufbau gut möglich, ausgebrannt)

  • wichtig ist in diesem Zusammenhang Befehl 209 in der sowjetischen Besatzungszone: hier kann man sich durchklicken...da ist ein gewaltiges Stück Kultur abgetragen und weggesprengt worden :(((((

    SMAD-Befehl Nr. 209 – Wikipedia

    Befehl 209 - mapyourinfo.com


    In Dresden fallen mir übrigens noch Schloss Altfranken ein, das wegen seiner Tudor-Gotischen und damit "undeutschen" Gestalt bereits von den Nazis abgerissen wurde...


    Schloss Altfranken

    ...und...

    ...Schloss Prohlis...das, wie fast der gesamte alte Ortskern einem großen Plattenbaugebiet weichen "musste". Wobei das Schloss an sich erst nachträglich nach einem Brand abgerissen wurde.

    Schlo Prohlis

    "We live in the dreamtime-Nothing seems to last. Can you really plan a future, when you no longer have a past." Dead Can Dance - Amnesia

  • Der SMAD - Befehl Nr. 209 war mir vom Wortlaut her ( noch ) nicht bekannt, illustriert aber letztendlich die oben geschilderten Vorgänge.

    Da ich selbst diese Zeit nicht miterlebte, blieben später aufgetretene Fragen zunächst ungeklärt.
    Erst sehr viel später erhielt man Zugang zu Informationen, erfuhr "schrittweise" von den ungeheuren Ausmassen der Schlossvernichtungen.

    An das ( ungenutzte ? ) Schloss in Prohlis erinnere ich mich noch schemenhaft.
    Die ehm. Eigner von Schloss Prohlis, Familie Kap - herr, hatte an der Dresdner Parkstraße 7 ein besonders prachtvolles, historistisches Palais, das von 1924 bis zur Zerstörung 1945 vom Verein Haus Wettin genutzt wurde.

    Im Palais Parkstraße war u. a. die Hofsilberkammer ( ehm. im Residenzschloss ) aufgestellt, die sich heute in St. Petersburg ( Beutekunst ! ) befindet.

  • Jedes dritte Schloss in Sachsen ist vom Verfall bedroht - Freie Presse

    Auch die freie presse widmet sich in Zukunft mit einer Serie den Schlössern und Herrenhäusern in Sachsen. Dabei macht man auf den dramatische Zustand von rund einem drittel der Gebäude aufmerksam. Zehn Prozent seien schon verloren schätzt ein Experte. Man kann sich ungefähr vorstellen wie das ohne die "Saeuberungsarbeit" der Kommunisten ausschauen würde. Wer makaber ist könnte behaupten, man hat uns so den Anblick von hunderten weiteren Ruinen erspart.

  • Genau so ist es !

    Unterdessen gibt es einen Katalog ( für Interessierte in den hiesigen Biliotheken erreichbar, oder Fernleihe ), der auf die bedrohten Schlossimmobilien mit Foto & kurzer Charakteristik aufmerksam macht.

    Einige können, sinnvolles Nutzungskonzept vorausgesetzt, erworben werden.

  • Zum systematischen Überblick habe ich mal alle Hauptresidenzen der Bundesstaaten des Deutschen Kaiserreichs tabellarisch zusammengefaßt. Ehem. Hauptresidenzen werden nur insofern berücksichtigt, als sie Residenzen desselben Staates oder De-facto-Vorgängerstaates waren. Komplett oder weitgehend zerstörte Bauten, die nicht unmittelber nach dem Zweiten Weltkrieg wiedererrichtet wurden, erscheinen in Fettdruck, vor 1750 zerstörte Schlösser kursiv.

    Bundesstaat Residenzstadt Hauptresidenz (ehem. Hauptresidenz)

    Preußen Berlin Stadtschloß
    Meckleburg-Schwerin Schwerin Schweriner Schloß
    Mecklenburg-Strelitz Neustrelitz Residenzschloß
    Oldenburg Oldenburg Schloß Oldenburg
    Schaumburg-Lippe Bückeburg Schloß Bückeburg
    Lippe-Detmold Detmold Residenzschloß (S. Brake (Lemgo))
    Braunschweig Braunschweig Braunschweiger Schloß (S. Wolffenbüttel)
    Waldeck Arolsen Residenzschloß (Burg Waldeck)
    Anhalt Dessau Stadtschloß
    Sachsen Dresden Residenzschloß
    Sachsen-Weimar-Eisenach Weimar Stadtschloß
    Sachsen-Coburg-Gotha Gotha Friedenstein (Ehrenburg (Coburg))
    Sachsen-Meiningen Meiningen Elisabethenburg
    Sachsen-Altenburg Altenburg Schloß Altenburg (S. Hildburghausen)
    Reuß älterer Linie Greiz Unteres Schloß (Oberes Schloß)
    Reuß jüngerer Linie Gera Osterstein
    Schwarzburg-Rudolstadt Rudolstadt Heidecksburg
    Schwarzburg-Sondershausen Sondershausen Schloß Sondershausen
    Ghzm. Hessen Darmstadt Residenzschloß
    Baden Karlsruhe Schloss Karlsruhe (Neues S. Baden, S. Rastatt)
    Württemberg Stuttgart Neues Schloß (Altes Schloß)
    Bayern München Münchner Residenz (Alter Hof)

    Freie Städte Lübeck, Bremen, Hamburg; Reichsland Elsaß-Lothringen

    Als nächstes folgt die Auflistung der Residenzen der durch erbliche Neuordnungen sowie die Ereignisse des Jahres 1866 erloschenen bzw. ausgeschiedenen Bundesstaaten des Deutschen Bundes:

    Anhalt-Bernburg Ballenstedt Schloß Ballenstedt (S. Bernburg)
    Anhalt-Köthen Köthen Schloß Köthen
    Hohenzollern-Sigmarinfen Sigmaringen Schloß Sigmaringen
    Hohenzollern-Hechingen Hechingen Neues Schloß

    von Preußen 1866 annektiert:
    Holstein Kiel PU DK Schloß Gottorf (Schleswig)
    Lauenburg Lauenburg PU DK s.o. (Lauenburger S., Ratzeburger S.)
    Hannover Hannover Leineschloß
    Nassau Wiesbaden Stadtschloß (S. Biebrich, S. Weilburg)
    Kfsm. Hessen Kassel Wilhelmshöhe (Obernburg (Gudensberg), Marburger S., Stadtschloß Kassel)
    Hessen-Homburg Homburg Schloß Homburg

    1866 ausgeschieden:
    Limburg Limburg PU NL
    Luxemburg Colmar-Berg PU NL,,Schloß Berg (Ghzl. Palais (Luxemburg))
    Liechtenstein Feldsberg (Böhmen) Schloß Feldsberg (1938 nach Burg Vaduz)
    Österreich Wien Hofburg

    Freie Stadt Frankfurt

    Anm.: Anhalt-Köthen (1847) und Anhalt-Bernburg (1863) gehen im von da an schlicht Anhalt genannten Anhalt-Dessau auf. Nach Erlöschen der Linie wird Sachsen-Gotha-Altenburg (mit Residenz in Schloß Friedenstein) im Erbausgleich von 1826 zwischen Sachsen-Coburg-Saalfeld (fortan S-C-G), Sachsen-Meiningen und Sachsen-Hildburghausen (fortan Sachsen-Altenburg) aufgeteilt. In der Folge der Märzrevolution und Abdankung der Fürstenhäuser fallen Hohenzollern-Sigmaringen und –Hechingen als Hohenzollernsche Erblande 1850 an Preußen. Luxemburg und Limburg sind durch Personalunion mit den Niederlanden, Lauenburg und Holstein mit Dänemark verbunden.

  • Statt vieler sei in meinem 2.000 Beitrag exemplarisch genannt und vorgestellt das ehem. Schloss Friedersdorf im Brandenburger Oderland.


    Bildquelle: Sammlung Duncker über Wikipedia


    Bildquelle: http://www.preussen-chronik.de
    Das Schloss bzw. Herrenhaus war über viele Generationen Sitz derer von der Marwitz und wurde 1827/1828 von K.-F. Schinkel umgestaltet.

    "Das Friedersdorfer Herrenhaus ist so recht das, was unsere Phantasie sich auszumalen liebt, wenn wir von »alten Schlössern« hören. Die Frage nach dem Maß der Schönheit wird gar nicht laut; alles ist charaktervoll und pittoresk, und das genügt.", schrieb Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg.

    Zitat von Wikipedia

    1956 wurde das Schloss, das den Zweiten Weltkrieg fast unbeschädigt überstanden hatte, als „Hort der Reaktion“ gesprengt.

    Unter der folgenden Adressse findet sich eine schrecklich lange Liste der untergegangen und vernichteten Herrenhäuser und Schlösser in Brandenburg:
    http://brandenburg.rz.htw-berlin.de/kostbarkeiten.html
    (Die Einleitung ist bezüglich des Berliner Schlosses allerdings nicht korrekt)

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Hallo Zusammen,

    dann möchte ich mal ergänzen:

    das Schloss Bornheim bei Potsdam. Heute ist dies der Stadtteil Bornim. Dies war ein Wasser-Lustschlösschen des Großen Kurfürsten mit 5 Räumen, mitten in einem künstlichen See errichtet. Die dazugehörige Gartenanlage galt damals als die schönste neben Versailles. Der Nachfolger vom Großen Kurfürsten, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm, ließ dieses und viele weitere Schlösser Preußens und Brandenburgs verfallen und verschenkte oder verkaufte alles, was darin nicht niet- und nagelfest war. So wanderte durch ihn auch das Bernsteinzimmer von Charlottenburg nach Zarskoje Selo.
    Das Bornheimer Schlösschen war dann unter Friedrich II so marode geworden, dass der gesamte Aufbau über dem steinernen Gewölbe aus Holz bestand, dass Friedrich dieses Schloss abreißen ließ. Das ist aber, nach meinem Kenntnisstand, auch das einzige Schloss, das auf Friedrichs Negativ-Konto wandert...

    Aus den Steinen des Schlosses baute ein gewisser Ludwig Persius sein erstes Gebäude (überhaupt?) in Potsdam (Bornim). Dieses Gebäude gehört zum Gut Bornim und später zum kirchlichen Wohnheim Bethesda. Die Kirche hatte die Gebäude nach 1989 teils aufgegeben, teils vermietet. Der Fachwerk-Stall stürzte vor 2 Jahren ein, das Haupthaus zur Straße hätte diesen Winter nicht mehr überstanden. So wurde in den letzten beiden Jahren teils abgerissen, teils entkernt. Das Haupt- und ein Nebengebäude wird nach dem Rückbau, zumindest angepasst, wieder aufgebaut.

    Noch heute sind übrigens die Ausmaße des Lustgartens Bornheim (Bornim) aus der Luft auszumachen. Bäume, Bewuchs und Wege kennzeichnen noch immer die Umrisse von Kanälen und Wegen. Und auch der Kanal, der die Wasserspiele speiste, ist heute noch in Bornim als "Tiroler Graben" bekannt.

    Weitere Hintergründe hier.

    Grüße aus der Hauptstadt der kleinen DDR
    Luftpost