Die Plattenbauten an der Berliner Wilhelmstraße an der einstigen Grenze zwischen Ost und West sind unter Denkmalschutz gestellt worden. Die Häuser in der früheren Otto-Grotewohl-Straße wurden von 1987 bis 1992 unter Chefarchitekt Helmut Stingl errichtet und gelten als Spätwerk des DDR-Städtebaus.
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Laut Landeskonservator Christoph Rauhut war das Viertel ein wichtiger Baustein im Wettbewerb der politischen Systeme: "Als Leuchtturmprojekt der Ost-Berliner Hauptstadtplanung setzte es die Leistungsfähigkeit und Qualität des großen Wohnungsbauprogramms der DDR in äußerst prominenter und historisch aufgeladener Lage öffentlichkeitswirksam in Szene."
In Anbetracht der Äußerung des Landeskonservators müssen wir uns wohl die Frage stellen, welches der politischen Systeme den Wettbewerb gewonnen hat? Vor einigen Jahren noch wäre die Antwort klar gewesen. Aber wenn Herr Rauhut nun SED-Propaganda zum Besten gibt . . .
Als Zeitzeuge mit DDR-Hintergrund kann ich sagen, dass die Häuser an der Otto-Grotewohl-Straße zu ihrer Entstehungszeit zwar eine gewisse Beachtung in der Öffentlichkeit fanden, aber "ein wichtiger Baustein" waren sie nicht. Von der "Leistungsfähigkeit und Qualität des Wohnungsbauprogramms" zeugten vor allem Großwohnsiedlungen wie Marzahn und Hellersdorf. Das ist nicht ironisch gemeint. Marzahn war damals wirklich beeindruckend. Ein besonderer Stellenwert in der Propaganda kam dem Ensemble Ernst-Thälmann-Park mit Hochhäusern, Thälmann-Denkmal, Großplanetarium und Grünanlagen zu.
Die Otto-Grotewohl-Straße gehörte hingegen zur Gruppe der innerstädtischen Lückenschließungen, die in einer Reihe von Städten der DDR damals entstanden und Beispiele angepasster Plattenbauten bieten. Diese Häuser waren ziemlich konventionell und grau. Ich fand sie damals nicht besonders interessant, geschweige denn wegweisend. Richtig schöne Neubauten entstanden zu jener Zeit an der Friedrichstraße und rund um den Gendarmenmarkt. Übrigens befand sich die DDR bereits 1988 in ihrer finalen Krise. Damals klang das Wort "Leistungsfähigkeit" wie Hohn.