Es folgt ein relativ kurzer Fotospaziergang durch Teile des Bremer Westens inkl. der Hafengebiete. Besonders die innenstadtnahen Hafen- und Wohngebiete im Westen der Stadt sind die am schwersten von den Bomben des 2. Weltkriegs getroffen worden; hier stand – ähnlich großen Bereichen des Hamburger Ostens - wirklich fast nichts mehr.
Die sich weiter westlich anschließenden großenteils erhaltenen, wenn auch schwer nachkriegszerstörten Stadtteile Walle und Gröpelingen habe ich diesmal aus Zeitgründen ausgeklammert; da auch sie letztlich nur Wiederholungen der bereits hinlänglich gezeigten typischen Bremer Wohnbebauung darstellen – nur in wesentlich schlechterem Renovierungszustand als das bisher gezeigte – werde ich wahrscheinlich auch ganz darauf verzichten, sie vorzustellen.
Ein besonderes Augenmerk möchte ich auf die durchaus signifikanten Teile der erhaltenen spätgründerzeitlichen Hafenbebauung richten.
Zunächst ein typischer Blick in Utbremen. Kleine, einfache 50er-Jahre-Reihenhausarchitektur als Reprise auf die Tradition des Bremer Hauses im Vordergrund, im Hintergrund Bunker, Etagenwohnungen, der Fernsehturm, kurz, typische westdeutsche Wiederaufbaurealität...
Aber auch hier gibt es kleine Überraschungen. Als gefühlt einzige kriegsüberlebende Altbauten im Umkreis von 500 m plötzlich diese beiden Bremer Häuser in der Zwinglistraße.
Es ist wirklich zum Heulen, was alles in diesem Bereich verlorengegangen ist, v.a. weil es eben die kleineren, einfacheren Bremer Häuser für die Hafen- und Werftarbeiter sind, die so verschwunden sind. Zunächst ein Blick in die Straße mit der freudlosen Umgebung:
Die beiden sehr schmucken Häuser selbst:
Ich habe Utbremen nun verlassen und befinde mich nun am Kopf des Holz- und Fabrikenhafens, dessen Nordufer fast in seiner gesamten Vorkriegsbebauung überlebt hat und einige Juwelen für Freunde der Industriearchitektur des frühen 20. Jahrhunderts zu bieten hat. Die allermeisten der Gebäude werden auch weiterhin industriell genutzt.
Hier ein Blick auf die ehemalige Feuerwache 5, mittlerweile aufgrund der genialen, nach Westen ausgerichteten Lage am Ende des Hafenbeckens schickes Restaurant mit beliebter Außenterrasse, sehr gut und behutsam (auch von innen) renoviert.
Von der Terrasse aus ein Blick auf die Bebauung des Nordufers des Hafenbeckens, man sieht die großen Getreide- und Mehlspeicher/Silos zweier konkurrierender Mühlenbetriebe, aber eben zeitgenössisch schick verpackt:
z.B. in Anlehnung an amerikanische Art-Déco-Wolkenkratzer mit Blattgoldschriftzug der Rolandmühle (1925, damals höchster Fabrikneubau Europas):
Etwas weiter nach Westen kommen wir nun in den Bereich der Kaffee/Kakaoverarbeitungsanlagen von Kaba und Kaffee HAG (Besitzer: Ludwig Roselius, Erfinder des entkoffeinierten Kaffees und Mäzen/Initiator der Böttcherstraße).
Er hatte 1906 einen Weg zur großmaßstäblichen Entkoffeinierung gefunden und patentieren lassen und beauftragte noch im selben Jahr den Bremer Reformarchitekten Hugo Wagner mit dem Bau einer Entkoffeinierungsanlage: Die Bauten wurden –erstmals in diesem Maßstab- komplett in Eisenbetonskelettbauweise errichtet, damals ein unerhörter Vorgang, sogar Walter Gropius kam, um sich ein Bild zu machen. Noch vor den Fagus-Werken in Alfeld sind diese erst kürzlich unter Denkmalschutz gestellten Anlagen also ein extrem frühes Beispiel für die Architekturmoderne, über ihren ästhetischen Wert kann natürlich trefflich gestritten werden.
Auch große Teile der originalen Inneneinrichtung (u.a. eines Marmorsaal genannten, für Empfänge genutzten Raumes), sind erhalten. Dieser muss sehr interessant sein, leider kann man ihn nur auf speziellen Führungen sehen.
Nebenan noch diese eher klassisch-spätgründerzeitlich daherkommenden Produktionsanlagen für Kaba, den Plantagentrunk:
Am Ausgang des Holz- und Fabrikenhafens wurde schließlich direkt vor dem 1. Weltkrieg ein Getreidespeicher monumentalen Ausmaßes erstellt, nach seiner Erweiterung in den 20er Jahren (links im Bild) galt dieses Gebäude mit seinen 75.000 t Lagerkapazität bis in die 50er Jahre als größtes Speichergebäude Europas:
Bilder folgen
Diese sogenannte Getreideverkehrsanlage war immer wieder Gegenstand von Spekulationen über Neunutzungen. Aufgrund der enormen Ausmaße des Gebäudes und seiner relativ ungünstigen Lage weitab der Innenstadt hat sich noch keiner so richtig getraut, zumal das Gebäude noch als Speicher genutzt wird. Der Investitionsaufwand wäre wahrscheinlich (für Bremen) einfach zu groß.
Zu guter Letzt soll hier noch der am 1998 (!) zugeschütteten Überseehafen stehende, über 400 m lange Speicher XI gezeigt werden, der ebenfalls lange Abrisskandidat war und erst Anfang dieses Jahrtausends durch das Engagement Klaus Hübotters und der nachfolgenden extrem behutsamen und gelungenen Sanierung gerettet wurde. Heute ist er Sitz der Bremer Hochschule für Künste, des Hafenmuseums und von Restaurants.
Detail eines "Segments". Alle Fenster, auch die Holzdielenböden etc. wurden erhalten, der Bau strahlt eine gelungen patinierte Würde aus, ist aber (von innen) tippi-toppi saniert:
Noch viel gelungener freilich wäre seine Wirkung, wenn er nicht fast direkt an die scheußlichen, erst 2002 erbauten, ganz in Alu gehaltenen Großmarkthallen angrenzen würde - es ist bis in die höheren Etagen des Bremer Bauressorts kein Geheimnis mehr, dass die Zuschüttung des Hafenbeckens und die Ansiedlung des permanent LKW-Verkehrs generierenden Großmarktes ein kapitaler, die weitere Entwicklung der nun Überseestadt genannten Hafengebiete behindernder Fehler war.
Trotzdem schön, dass hier mittlerweile fast die gesamte erhaltene Hafenaltbausubstanz wertgeschätzt wird und renoviert/neugenutzt wurde - abgesehen davon, dass sich die renovierten Altbauten auch hier deutlich einfacher vermarkten lassen, als die etwas dünne Neubauarchitektur z.B. am Europahafen. Dies schließt auch viele Gebäude aus den 50er Jahren ein, die ich bei Gelegenheit noch zeigen werde.
Ich hoffe wie immer, es hat gefallen.